Allgemeine Zeitung, Nr. 16, 17. Januar 1924.Donnerstag, den 17. Januar 1924. Allgemeine Zeitung Nr. 16 [Spaltenumbruch]
Der Anschlag gegen Seeckt Berlin, 16. Januar.Die bayerische Re- ** Berlin, 16. Jan. Der Kaufmann Thor- Die Untersuchung gegen Thormann ist zwar Beamtenfragen Der Bayerische Beamtenbund hat rischen Personalabbau - Verordnung die An- Mit Rücksicht auf die wenig günstigen Erfah- von Beamtenangelegenheiten seitens der Regie- Schließlich wird unter Bezugnahme auf Ge- Wiener Lokalsensationen (Von unserem Korrespondenten) I. Sadistische Woche. Fräulein Keller, Beamtin des Mi- So kam die Geschichte auf. Gretl ist die Also, die Kinderfreundin heißt Kadi- Frau Cadwe ist "energische Sprachlehre- Wien ist im allgemeinen kein Boden für Natürlich mangelt es nicht an kompromit- II. Die korrupten Aerzte. Das heißt, sind sie es wirklich? Man weiß Professor Dr. Hochenegg ist ein be- Das ist der Hintergrund, auf dem sich der Die Hetze geht natürlich jetzt erst recht Kriebel stellt sich Heute vormittag hat sich der Oberstleut- Wrede enthaftet Fürst Wrede, der Organisator des national- Esser in Italien? Der Münchener Nationalsozialist Hermann DAS LETZTE Der neue sächsische Wirtschaftsminister Dresden, 16. Januar.Wie die Telegraphen- Aufstand in Moskau Riga, 16. Januar.Am 2. Januar soll in Das holländische Kabinett Haag, 16. Januar.Das Ministerium Ruys Der deutsche Geschäftsträger von Hoesch ist fahren, soll in den nächsten Tagen eine Zusammenkunft zwischen dem Reichs- kanzler Dr. Marx und dem bayerischen Ministerpräsidenten von Knilling an einem dritten Ort stattfinden zur persön- lichen Aussprache über die bayerische Ver- fassungsdenkschrift und den immer noch nicht beigelegten Konflikt zwischen Bayern und dem Reich. Eine Nachprüfung dieser Meldung auf ihre Richtigkeit ist zur Stunde (1 Uhr nachts) nicht mehr möglich. [Spaltenumbruch] Friedrich von Thiersch als Aquarellmaler Friedrich v. Thiersch war als Architekt eine der Es war ein guter Gedanke der Direktion der Nun führt die Ausstellung seinen Entwicklungs- Baron Steiner krönt sich zum Deutschen Kaiser. So ähnlich berichteten verschiedene Blät- Diese Nachricht ist in allen Punkten unzu- Sie ist wohl durch eine Verwechslung veran- Der erste "Abend für den Mittelstand" Einen großen Erfolg hatte das Konzert für den Wir dürfen mit Berechtigung hoffen, daß sich Kleine Nachrichten Auswärts Eine Gerhart Hauptmann-Uraufführung. Im Adalbert Matthaei +. Im Alter von 64 Jahren München Heute Donnerstag, 17. Januar: Odeon (71/2): Das 14. Volks-Symphonie-Konzert des Konzert- Karten zu den für Volks-Symphonie-Konzerten Montag, 21. Januar, 71/2 Uhr im Herkules- Karten bei Bauer und Hieber. Alexander Laßlo gibt Montag, den 21. Ja- Der Kulturfilm "Tiefen der Seele" (Hypnose- Donnerstag, den 17. Januar 1924. Allgemeine Zeitung Nr. 16 [Spaltenumbruch]
Der Anſchlag gegen Seeckt Berlin, 16. Januar.Die bayeriſche Re- ** Berlin, 16. Jan. Der Kaufmann Thor- Die Unterſuchung gegen Thormann iſt zwar Beamtenfragen Der Bayeriſche Beamtenbund hat riſchen Perſonalabbau - Verordnung die An- Mit Rückſicht auf die wenig günſtigen Erfah- von Beamtenangelegenheiten ſeitens der Regie- Schließlich wird unter Bezugnahme auf Ge- Wiener Lokalſenſationen (Von unſerem Korreſpondenten) I. Sadiſtiſche Woche. Fräulein Keller, Beamtin des Mi- So kam die Geſchichte auf. Gretl iſt die Alſo, die Kinderfreundin heißt Kadi- Frau Cadwé iſt „energiſche Sprachlehre- Wien iſt im allgemeinen kein Boden für Natürlich mangelt es nicht an kompromit- II. Die korrupten Aerzte. Das heißt, ſind ſie es wirklich? Man weiß Profeſſor Dr. Hochenegg iſt ein be- Das iſt der Hintergrund, auf dem ſich der Die Hetze geht natürlich jetzt erſt recht Kriebel ſtellt ſich Heute vormittag hat ſich der Oberſtleut- Wrede enthaftet Fürſt Wrede, der Organiſator des national- Eſſer in Italien? Der Münchener Nationalſozialiſt Hermann DAS LETZTE Der neue ſächſiſche Wirtſchaftsminiſter Dresden, 16. Januar.Wie die Telegraphen- Aufſtand in Moskau Riga, 16. Januar.Am 2. Januar ſoll in Das holländiſche Kabinett Haag, 16. Januar.Das Miniſterium Ruys Der deutſche Geſchäftsträger von Hoeſch iſt fahren, ſoll in den nächſten Tagen eine Zuſammenkunft zwiſchen dem Reichs- kanzler Dr. Marx und dem bayeriſchen Miniſterpräſidenten von Knilling an einem dritten Ort ſtattfinden zur perſön- lichen Ausſprache über die bayeriſche Ver- faſſungsdenkſchrift und den immer noch nicht beigelegten Konflikt zwiſchen Bayern und dem Reich. Eine Nachprüfung dieſer Meldung auf ihre Richtigkeit iſt zur Stunde (1 Uhr nachts) nicht mehr möglich. [Spaltenumbruch] Friedrich von Thierſch als Aquarellmaler Friedrich v. Thierſch war als Architekt eine der Es war ein guter Gedanke der Direktion der Nun führt die Ausſtellung ſeinen Entwicklungs- Baron Steiner krönt ſich zum Deutſchen Kaiſer. So ähnlich berichteten verſchiedene Blät- Dieſe Nachricht iſt in allen Punkten unzu- Sie iſt wohl durch eine Verwechſlung veran- Der erſte „Abend für den Mittelſtand“ Einen großen Erfolg hatte das Konzert für den Wir dürfen mit Berechtigung hoffen, daß ſich Kleine Nachrichten Auswärts Eine Gerhart Hauptmann-Uraufführung. Im Adalbert Matthaei †. Im Alter von 64 Jahren München Heute Donnerstag, 17. Januar: Odeon (7½): Das 14. Volks-Symphonie-Konzert des Konzert- Karten zu den für Volks-Symphonie-Konzerten Montag, 21. Januar, 7½ Uhr im Herkules- Karten bei Bauer und Hieber. Alexander Laſzlo gibt Montag, den 21. Ja- Der Kulturfilm „Tiefen der Seele“ (Hypnoſe- <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0003" n="3"/> <fw place="top" type="header">Donnerstag, den 17. Januar 1924. <hi rendition="#g">Allgemeine Zeitung</hi> Nr. 16</fw><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der Anſchlag gegen Seeckt</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 16. Januar.</dateline><lb/> <p><hi rendition="#g">Die bayeriſche Re-<lb/> gierung</hi> hatte in Erfahrung gebracht, daß<lb/> rechtsradikale Kreiſe einen Plan entworfen<lb/> haben ſollen, um eine Umwälzung in Deutſch-<lb/> land hervorzurufen. Dieſe Phantaſten hatten<lb/> angeblich die Abſicht, General von Seeckt und<lb/> den bayeriſchen <hi rendition="#g">Staatskommiſſär</hi> Dr. von<lb/><hi rendition="#g">Kahr</hi> ſowie den General von <hi rendition="#g">Loſſow zu er-<lb/> morden</hi>. Dadurch hätten ſie auch den unmittel-<lb/> bar vor der Türe ſtehenden <hi rendition="#g">Prozeß gegen<lb/> Hitler, Ludendorff</hi> und Genoſſen zu<lb/><hi rendition="#g">verhindern</hi> gehofft: Pflichtgemäß teilte die<lb/> bayeriſche Regierung das der preußiſchen Regie-<lb/> rung mit, die ſofort eine Unterſuchung durch den<lb/> Unterſuchungsrichter des Landgerichts anſtellen<lb/> ließ. Dieſe Unterſuchung ergab, daß das Haupt<lb/> der kleinen <hi rendition="#g">Verſchwörerbande</hi> der 28jäh-<lb/> rige Kaufmann und frühere Offizier <hi rendition="#g">Thor-<lb/> mann</hi> iſt, der geſtern im Café Joſty verhaftet<lb/> wurde.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">** Berlin,</hi> 16. Jan.</dateline><lb/> <p>Der Kaufmann <hi rendition="#g">Thor-<lb/> mann,</hi> der geſtern unter dem Verdacht verhaf-<lb/> tet wurde, ein Attentat gegen General Seeckt zu<lb/> planen, iſt dem Polizeipräſidenten vorgeführt<lb/> worden. Der Staatsanwalt hat allen Beteiligten<lb/> ſtrengſte Schweigepflicht auferlegt. Die Ermit-<lb/> telung hat bis jetzt ergeben, daß Thormann nicht<lb/> der Roßbach-Organiſation angehört, ſondern daß<lb/> er <hi rendition="#g">Mitglied des Wicking-Bundes</hi> iſt.<lb/> Dieſer Bund, der die unmittelbare Fortſetzung<lb/> der verbotenen Organiſation des Kapitäns Ehr-<lb/> hardt iſt, ſteht in einem gewiſſen Gegenſatz zur<lb/> Organiſation Roßbach. Daß der verhaftete Thor-<lb/> mann Beziehungen zu linksradikalen Kreiſen<lb/> habe, ſcheint nicht der Fall zu ſein. Die Meldung,<lb/> daß die bayeriſche Regierung dem Reichskommiſſar<lb/> für öffentliche Sicherheit in Berlin von einem<lb/> Attentatsplan Kenntnis gab, beſtätigt ſich nicht.<lb/> In München hat man erſt durch die Blätter von<lb/> dieſer Verhaftung Nachricht erhalten. Auch das<lb/> Reichswehrminiſterium wurde von der Mitteilung<lb/> über die erfolgte Verhaftung Thormanns über-<lb/> raſcht.</p><lb/> <p>Die Unterſuchung gegen Thormann iſt zwar<lb/> noch nicht abgeſchloſſen; doch läßt ſich ſchon jetzt<lb/> ſagen, daß das <hi rendition="#g">Attentat von langer<lb/> Hand vorbereitet</hi> war. Die Einzelheiten<lb/> der Tat waren analog der Ermordung der Reichs-<lb/> miniſter Rathenau und Erzberger. Thormann ſoll<lb/> erſt vor einigen Tagen aus Süddeutſchland nach<lb/> Berlin gekommen ſein, wo er unter Vorzeigung<lb/> eines Ausweiſes als Mitglied des Wicking-Bundes<lb/> einigen deutſch-völkiſchen Herren erklärte, er ſei<lb/> mit der Abſicht nach Berlin gekommen, um Gene-<lb/> ral von Seeckt zu „erledigen“. Bei der Verneh-<lb/> mung gab Thormann an, daß nach der Ermor-<lb/> dung des Generals von Seeckt „<hi rendition="#g">ein neuer<lb/> York</hi>“ kommen müſſe, der aber nicht Ludendorff,<lb/> ſondern <hi rendition="#g">Ehrhardt</hi> heißen müſſe. Bemerkens-<lb/> werterweiſe ſollte Thormann <hi rendition="#g">nicht ſelbſt</hi> die<lb/> Waffe gegen den General von Seeckt richten, ſon-<lb/> dern er ſollte, wie er ſich ausdrückte, im Hinter-<lb/> grund bleiben und einen „geeigneten Mann“<lb/> nennen, der die Tat ausführen ſollte. Er ver-<lb/> handelte mit mehreren ihm bekannten Perſönlich-<lb/> keiten, die zum Scheine auf den Mordplan ein-<lb/> gingen und ihm verſprachen, den „geeigneten<lb/> Mann“ zu ſtellen. Der „<hi rendition="#g">geeignete Mann</hi>“,<lb/> ein Herr angeblich namens <hi rendition="#g">Kuenzer,</hi> wurde<lb/> mit Thormann bekanntgemacht, der dieſem nun-<lb/> mehr ſeinen Mordplan auseinanderſetzte. Gene-<lb/> ral <hi rendition="#g">von Seeckt</hi> ſollte <hi rendition="#g">bei ſeinem täg-<lb/> lichen Ausritt</hi> von dem gewonnenen Mörder<lb/><hi rendition="#g">erſchoſſen</hi> werden. Es kam jedoch nicht zur<lb/> Ausführung des bis ins einzelne ausgeklügelten<lb/> Mordplanes, da dem <hi rendition="#g">Reichskommiſſar<lb/> für öffentliche Sicherheit</hi> ſofort Mit-<lb/> teilung gemacht worden war, <hi rendition="#g">der dann ſo-<lb/> fort alle erforderlichen Vorſichts-<lb/> maßnahmen ergriff</hi>.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Beamtenfragen</hi> </head><lb/> <p>Der <hi rendition="#g">Bayeriſche Beamtenbund</hi> hat<lb/> verſchiedene bedeutungsvolle <hi rendition="#g">Anträge an die<lb/> bayeriſche Regierung</hi> gerichtet. In<lb/> erſter Linie wird bei der Durchführung der baye-</p><lb/> <cb/> <p>riſchen Perſonalabbau - Verordnung die <hi rendition="#g">An-<lb/> hörung der Beamtenvertretung</hi> ver-<lb/> langt und neuerdings unter Hinweis auf die<lb/> Notwendigkeit der Vertretung der Beamten-<lb/> intereſſen die <hi rendition="#g">Bildung einer Beamten-<lb/> kammer</hi> für die Landesbeamten gefordert.</p><lb/> <p>Mit Rückſicht auf die wenig günſtigen Erfah-<lb/> rungen, die man im Reiche mit der Perſonal-<lb/> abbau-Verordnung gemacht hat, wird in Bayern<lb/> die Schaffung einer paritätiſchen <hi rendition="#g">Inſtanz zur<lb/> Nachprüfung von Verſtößen gegen<lb/> die Verordnung</hi> angeſtrebt. Gleichzeitig<lb/> wird die künftige Organiſation der Behandlung</p><lb/> <cb/> <p>von Beamtenangelegenheiten ſeitens der Regie-<lb/> rung einer grundſätzlichen Erörterung unter-<lb/> ſtellt.</p><lb/> <p>Schließlich wird unter Bezugnahme auf Ge-<lb/> rüchte über eine angeblich bevorſtehende <hi rendition="#g">Kür-<lb/> zung des Urlaubs</hi> der Beamten gegen eine<lb/> ſolche Abſicht mit dem Hinweis auf die zur Zeit<lb/> beſonders ſchwierigen Arbeits- und Lebensver-<lb/> hältniſſe der Beamtenſchaft (Erhöhung der Ar-<lb/> beitszeit, Herabſetzung der Gehälter, Arbeits-<lb/> mehrung infolge Beamtenabbau) Einſpruch er-<lb/> hoben und Aufrechterhaltung des bisherigen<lb/> Zuſtandes verlangt.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Wiener Lokalſenſationen</hi> </head><lb/> <argument> <p>(Von unſerem Korreſpondenten)</p> </argument><lb/> <cb/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq">I.</hi> <hi rendition="#b">Sadiſtiſche Woche.</hi> </hi> </p><lb/> <p><hi rendition="#g">Fräulein Keller,</hi> Beamtin des Mi-<lb/> niſteriums für Heerweſen, traf einmal in<lb/> den Gängen ihres Amtes ein weinendes<lb/> kleines Mädchen. Sie iſt von Natur kinder-<lb/> lieb und lud die Kleine ein, ſie einmal in<lb/> ihrer Wohnung zu beſuchen. Nach ein paar<lb/> Wochen ſtand morgens, als Fräulein Keller<lb/> ins Bureau gehen wollte, Gretl vor der Tür.<lb/> Sie ſtand dort von 10 Uhr abends bis neun<lb/> Uhr früh und weinte auch jetzt wieder.</p><lb/> <p>So kam die Geſchichte auf. Gretl iſt die<lb/> Tochter einer armen Bedienerin, und eine<lb/> wohltätige reiche Dame hatte ſie bei ſich<lb/> aufgenommen. Dort gab es noch mehr Kin-<lb/> der, aber ſie waren alle nicht glücklich.<lb/> Eines war auch ſchon zur Polizei gelaufen,<lb/> aber erfolglos. Und wegen Mißhandlung<lb/> eines anderen hatte die Wohltäterin vor<lb/> Gericht geſtanden, aber ſie war freige-<lb/> ſprochen worden. Ohne das brave Fräulein<lb/> Keller wäre die Geſchichte Gott weiß wann<lb/> oder nie aufgekommen.</p><lb/> <p>Alſo, die Kinderfreundin heißt <hi rendition="#g">Kadi-<lb/> netz,</hi> iſt Mitte der Vierzig, eine ſtattliche,<lb/> elegante Dame und nennt ſich <hi rendition="#g">Cadwé,</hi><lb/> auch de Cadwé oder Baronin Cadwé. Sie<lb/> war einmal die Freundin reicher Männer,<lb/> eine Halbweltdame guten Stils, mit ſchönen<lb/> Wohnungen und Reiſen nach Paris. Ein-<lb/> mal hatte ſie ſogar einen richtigen Liebes-<lb/> roman mit einem jungen Prinzen Lobko-<lb/> witz, der ſie heiraten wollte. Aber er ſtarb<lb/> und hinterließ ihr nur Edith, ein Töchter-<lb/> chen, das jetzt vierzehn Jahre alt iſt.</p><lb/> <p>Frau Cadwé iſt „energiſche Sprachlehre-<lb/> rin“. Ihre Pfleglinge hatten ſchöne Kleider<lb/> und genug zu eſſen. Manchmal aber, oft,<lb/> kamen „Schulinſpektoren“. Dann ſtellte die<lb/> ſtrenge Lehrerin allzu ſchwierige Fragen.<lb/> Und wußten die Schüler keine Antwort, ſo<lb/> wurden ſie gezüchtigt. Mit Peitſchen, Rie-<lb/> men, Ruten aufs nackte Fleiſch. Die Herren<lb/> Inſpektoren waren nachher immer ſehr ge-<lb/> rührt und mitleidig, küßten die beſtraften<lb/> Kinder und ſchenkten ihnen Schokolade.<lb/> Alles das war kein Troſt für die Ge-<lb/> peinigten.</p><lb/> <p>Wien iſt im allgemeinen kein Boden für<lb/> Sadismus. Der iſt mehr in den nordiſchen<lb/> Ländern zu Hauſe. Seit dem berühmten<lb/> „Hendl-Herr“, der in allen ſexual-pathologi-<lb/> ſchen Büchern ſteht, gab es keinen ſolchen<lb/> „Fall“ mehr. Diesmal aber iſt der Skandal<lb/><cb/> ausgiebig. In den Boulevardblättern lieſt<lb/> man ſeit acht Tagen von nichts anderem.<lb/> Die Schuljugend wird jetzt bis zum letzten<lb/> Reſt aufgeklärt.</p><lb/> <p>Natürlich mangelt es nicht an kompromit-<lb/> tierten „Perſönlichkeiten“. Ein Dozent der<lb/> Augenheilkunde und mehrere reiche Kauf-<lb/> leute ſitzen ſchon. Uebrigens wüßte ich nicht<lb/> zu ſagen, warum. Aber erſtens wird ſich<lb/> ſchon ein Paragraph im Strafgeſetzbuch fin-<lb/> den. Und dann haben es die Teilnehmer<lb/> von Kindermißhandlung ſicher irgendwie<lb/> verdient. Auch wenn ſie pathologiſch ſind.</p><lb/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq">II.</hi> <hi rendition="#b">Die korrupten Aerzte.</hi> </hi> </p><lb/> <p>Das heißt, ſind ſie es wirklich? Man weiß<lb/> es noch nicht. Aber die Anklage gegen ſie<lb/> iſt öffentlich in feierlichſter Form erhoben.</p><lb/> <p>Profeſſor Dr. <hi rendition="#g">Hochenegg</hi> iſt ein be-<lb/> rühmter Chirurg. Eigentlich iſt er auch als<lb/> Lehrer der Chirurgie berühmt. Als aus-<lb/> übenden Chirurgen haben ihn Kollegen und<lb/> Patienten nie ganz ebenſo hoch geſtellt.<lb/> Jetzt aber iſt Profeſſor Hochenegg nicht mehr<lb/> jung, und jüngere Aerzte ſind mehr in<lb/> Mode.</p><lb/> <p>Das iſt der Hintergrund, auf dem ſich der<lb/> Fall aufbaut. Geſtern hielt der Profeſſor<lb/> vor ſeinen verſammelten Hörern eine ful-<lb/> minante Rede. Man ſtelle ihn, ſagte er, als<lb/> Greis mit zitternden Händen hin. Und<lb/> warum geſchehe das? Weil Hausärzte ihre<lb/> Patienten nur noch zu ſolchen Spezialiſten<lb/> führten die Proviſionen zahlen. Man nehme<lb/> es nicht einmal mehr mit der Indikation<lb/> genau, wenn nur ein Gewinn für den zu-<lb/> führenden, wie den empfohlenen Arzt ab-<lb/> falle. Er aber, Hochenegg, habe es ſtets mit<lb/> Empörung abgelehnt, eine Proviſion zu<lb/> geben. Darum die Hetze gegen ihn.</p><lb/> <p>Die Hetze geht natürlich jetzt erſt recht<lb/> los. Zwar beſtätigt in einem Interview der<lb/> Chirurg Profeſſor Dr. <hi rendition="#g">Lorenz</hi> die An-<lb/> klage. Aber alle praktiſchen Aerzte und<lb/> viele Spezialiſten fühlen ſich verleumdet.<lb/> Vorgeſtern ſchon tagte eine allgemeine Ver-<lb/> ſammlung der Standesvertretungen und<lb/> Vereine, um Stellung zu dem Ausbruch des<lb/> berühmten Mannes zu nehmen. Man wird<lb/> Beweiſe von ihm verlangen und wird ſich<lb/> zur Wehr ſetzen. Der unerhörte Vorgang<lb/> wird unter den Medizinern der ganzen Welt<lb/> Aufſehen erregen.</p><lb/> <byline> <hi rendition="#aq">R. Olden</hi> </byline><lb/> <cb/> </div> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Kriebel ſtellt ſich</hi> </head><lb/> <p>Heute vormittag hat ſich der <hi rendition="#g">Oberſtleut-<lb/> nant Kriebel,</hi> der militäriſche Leiter des<lb/><hi rendition="#g">Deutſchen Kampfbundes,</hi> der ſeit dem<lb/> 9. November aus München geflüchtet war, dem<lb/> Volksgericht geſtellt. Es fand ſofort eine vor-<lb/> läufige <hi rendition="#g">Vernehmung</hi> Kriebels ſtatt, der vor-<lb/> ausſichtlich als einer der Hauptbeteiligten des<lb/> Unternehmens vom 8. und 9. November im erſten<lb/> Hochverratsprozeß mit verhandelt werden wird.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Wrede enthaftet</hi> </head><lb/> <p>Fürſt <hi rendition="#g">Wrede,</hi> der Organiſator des national-<lb/> ſozialiſtiſchen <hi rendition="#g">Reiterkorps,</hi> befindet ſich ſeit<lb/> vorgeſtern wieder <hi rendition="#g">auf freiem Fuß</hi>.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Eſſer in Italien?</hi> </head><lb/> <p>Der Münchener Nationalſozialiſt <hi rendition="#g">Hermann<lb/> Eſſer,</hi> der bekanntlich auf der Flucht aus Mün-<lb/> chen vorübergehend in Tirol Aufenthalt genom-<lb/> men hatte, ſoll in <hi rendition="#g">Bologna</hi> in Italien ein-<lb/> getroffen ſein, um dort als Verbindungsmann<lb/> zwiſchen den Nationalſozialiſten und Faſziſten<lb/> aufzutreten.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">DAS LETZTE</hi> </hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Der neue ſächſiſche Wirtſchaftsminiſter</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Dresden,</hi> 16. Januar.</dateline><lb/> <p>Wie die Telegraphen-<lb/> Union aus zuverläſſiger Quelle erfährt, iſt der<lb/> Landtagsabgeordnete <hi rendition="#g">Müller-Leipzig</hi> ge-<lb/> ſtern abend vom Miniſterpräſidenten Heldt zum<lb/> Wirtſchaftsminiſter ernannt worden. Seine<lb/> Amtseinführung wird heute vormittag erfolgen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Aufſtand in Moskau</hi> </head><lb/> <dateline> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Riga,</hi> 16. Januar.</hi> </dateline><lb/> <p> <hi rendition="#b">Am 2. Januar ſoll in<lb/><hi rendition="#g">Moskau</hi> ein <hi rendition="#g">Aufſtand</hi> ſtattgefunden<lb/> haben, der von dem dort ſelbſt in Garniſon be-<lb/> findlichen lettiſchen Regiment ausgegangen ſein<lb/> und dem ſich die Moskauer Tank-Eskadre und<lb/> die Schule der Roten Kommandeure angeſchloſ-<lb/> ſen haben ſoll. Den Anlaß zum Aufſtand habe<lb/> die Abſicht gegeben, das lettiſche Regiment aufzu-<lb/> löſen, jedoch ſollen auch politiſche Motive mit-<lb/> geſpielt haben. Der Aufſtand ſei <hi rendition="#g">blutig un-<lb/> terdrückt</hi> und aus der Zahl von 1900 Ver-<lb/> hafteten ſeien bereits der angebliche geiſtige Füh-<lb/> rer der Putſchiſten, Oberſt <hi rendition="#g">Naſimow,</hi> und 350<lb/> Perſonen erſchoffen worden.</hi> </p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Das holländiſche Kabinett</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Haag,</hi> 16. Januar.</dateline><lb/> <p>Das Miniſterium Ruys<lb/> de <hi rendition="#g">Beerenbrouck</hi> hat ſich wiederum der<lb/> zweiten Kammer vorgeſtellt. Der Miniſterpräſi-<lb/> dent gab eine <hi rendition="#g">Erklärung</hi> ab, in der es heißt:<lb/> Die am 26. Oktober vor. Js. nach der Ablehnung<lb/> des Flottengeſetzes eingetretene <hi rendition="#g">Kabinetts-<lb/> kriſe</hi> hat am 7. Januar damit geendet, daß die<lb/> Königin das Rücktrittsgeſuch der Miniſter ab-<lb/> lehnte. Da die Bildung eines neuen Miniſteri-<lb/> ums ſich als unmöglich erwieſen hat, hätten die<lb/> Miniſter es für ihre Pflicht gehalten, <hi rendition="#g">im Amte<lb/> zu bleiben</hi>.</p> </div> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"><lb/> <p>Der deutſche Geſchäftsträger <hi rendition="#g">von Hoeſch</hi> iſt<lb/> geſtern abends 7 Uhr 40 Min. nach Berlin ab-<lb/> gereiſt.</p><lb/> <trailer> <hi rendition="#b">Wie wir kurz vor Redaktionsſchluß er-<lb/> fahren, ſoll in den nächſten Tagen eine<lb/> Zuſammenkunft zwiſchen dem Reichs-<lb/> kanzler Dr. <hi rendition="#g">Marx</hi> und dem bayeriſchen<lb/> Miniſterpräſidenten <hi rendition="#g">von Knilling</hi> an<lb/> einem dritten Ort ſtattfinden zur perſön-<lb/> lichen Ausſprache über die bayeriſche <hi rendition="#g">Ver-<lb/> faſſungsdenkſchrift</hi> und den<lb/> immer noch nicht beigelegten <hi rendition="#g">Konflikt<lb/> zwiſchen Bayern und dem Reich</hi>.<lb/> Eine Nachprüfung dieſer Meldung auf<lb/> ihre Richtigkeit iſt zur Stunde (1 Uhr<lb/> nachts) nicht mehr möglich.</hi> </trailer><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Friedrich von Thierſch als Aquarellmaler</hi> </head><lb/> <p>Friedrich v. Thierſch war als Architekt eine der<lb/> markanteſten Perſönlichkeiten ſeiner Epoche, war<lb/> mehr als dies: der Gründer und Repräſentant<lb/> einer fruchtbaren Schule, der geiſtige Mittelpunkt<lb/> eines ſeinerzeit für die Kunſtſtadt München in<lb/> künſtleriſcher und geſellſchaftlicher Hinſicht bedeu-<lb/> tungsvollen Kreiſes.</p><lb/> <p>Es war ein guter Gedanke der Direktion der<lb/> Graphiſchen Sammlung, eine Lieblingsbetätigung<lb/> des Vielbegabten und Weitgereiſten in ihren Er-<lb/> gebniſſen dem Münchener Publikum zugänglich zu<lb/> machen: Der Ausſtellungsraum der Graphiſchen<lb/> Sammlung zeigt das Werk des <hi rendition="#g">Aquarell-<lb/> malers Thierſch,</hi> einen erſtaunlichen Reich-<lb/> tum an rein künſtleriſcher Qualität, der den üb-<lb/> lichen Reiſeſkizzen eines Architekten im allgemeinen<lb/> nicht eigen zu ſein pflegt und der mit Dilettantis-<lb/> mus nichts gemein hat! Die Schüler und Freunde<lb/> des Liebhabermalers, die auf dem Gerüſt neben<lb/> ihm arbeiten durften, wenn er an die farbige<lb/> Dekoration einer Wand ſelbſt Hand anlegte, oder<lb/> die zuſehen konnten, wie er auf dem Whatman-<lb/> bogen mit ſicherem Pinſel das feuchte Element der<lb/> Waſſerfarbe führte, die wußten um ſein großes<lb/> darſtelleriſches Können.</p><lb/> <p>Nun führt die Ausſtellung ſeinen Entwicklungs-<lb/> gang als Aquarelliſt vor Augen, der über die ge-<lb/> waltige Spanne von nahezu 45 Jahren weniger<lb/> durch die wechſelnde Geſchmacksrichtung der Zeit,<lb/> als vielmehr durch die in der Technik des Aquarells<lb/> ſelbſt gegebenen Möglichkeiten beſtimmt wird. —<lb/> Die frühe Zeit iſt gekennzeichnet durch einen aus-<lb/> geſprochenen „Vedutenſtil“ wie die brav gezeich-<lb/> neten architektoniſchen Blätter aus Sizilien (1877),<lb/> Konſtantinopel (1882) und Aegypten (1884), bringt<lb/> aber auch Landſchaften, die ſich gelegentlich zu<lb/> einer nahe zu Rottmannſchen Schönheit und Durch-<lb/> ſichtigkeit der Farbe erheben, wie das Blatt aus<lb/> der Syriſchen Wüſte (1884) oder etwa der ſtofflich<lb/> und aquarelltechniſch gleich prachtvolle Baumſchlag<lb/> der Landſchaft bei Kephiſſia (1878). — Einen<lb/> Schritt zum rein Maleriſchen bedeutet die mitt-<lb/> lere Zeit mit genial-flüchtigen Blättern wie das<lb/><cb/> Innere von S. M. delle Grazie Mailand oder<lb/> der unfertige Bazar in Tanger (1897), wo die<lb/> der Waſſerfarbe weſensverwandten Tropfen eines<lb/> während des Malens beginnenden Regens die<lb/> wundervoll flächige Stofflichkeit der roten Mauer<lb/> nicht geſtört haben. Der gleichen Zeit ungefähr<lb/> dürfte das außergewöhnlich kühne Blatt vom Ge-<lb/> rüſt im Juſtizpalaſt angehören. — Der ſpäte Stil<lb/> wendet ſich nach einer Art kurzer Rückbildung<lb/> zum Zeichneriſch-Exakten wie die Architekturblät-<lb/> ter aus Prag (1908) über eine Großflächigkeit mit<lb/> ſorgloſer Kontur wie Theater in Nimes (1911)<lb/> oder Kirche in Grenoble (1911) zu den letzten,<lb/> zeichneriſch genialen Dekorationsdarſtellungen der<lb/> Innenräume von Rokokokirchen wie Polling, Zwie-<lb/> falten oder Steinhauſen (1918—1920). Und damit<lb/> ſchließt ſich der Kreis dieſer großen Begabung,<lb/> das Ende wendet ſich zum Anfang in anderer<lb/> Art, zu den frühen Blättern, die antikiſche Wand-<lb/> dekorationen reproduzieren wie das Haus der<lb/> Livia (1888) oder das Haus bei der Porta Borſari<lb/> in Verona (1888), die ebenſo wie die ſpäten durch<lb/> ſouveräne Beherrſchung von Stift und Pinſel zu-<lb/> gleich durch fachlich - handwerkliche Kongenialität<lb/> den Architekten auf ſeinem ureigenſten Gebiet<lb/> reproduktive Präziſion bei lebendiger Ueberſetzung<lb/> in eine andere Technik ohne jede Mechaniſierung<lb/> erreichen ließen. — Wir haben niemanden, der<lb/> das heute noch vermöchte!</p><lb/> <byline> <hi rendition="#aq">Rudolf Pfister.</hi> </byline> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Baron Steiner krönt ſich zum Deutſchen<lb/> Kaiſer.</hi> </head><lb/> <p>So ähnlich berichteten verſchiedene Blät-<lb/> ter. Der berüchtigte Baron Steiner ſoll die<lb/> deutſche Kaiſerkrone erworben und in trunkenem<lb/> Zuſtande bei einem Gelage in Zürſch ſie ſich aufs<lb/> Haupt geſetzt haben.</p><lb/> <p>Dieſe Nachricht iſt in allen Punkten unzu-<lb/> treffend.</p><lb/> <p>Sie iſt wohl durch eine Verwechſlung veran-<lb/> laßt worden: der letzte Oberſtkämmerer des öſter-<lb/> reichiſchen Kaiſerhauſes, Graf Berchtold, hat im<lb/> Auftrage Exkaiſer Karls den geſamten Privat-<lb/> ſchmuck des kaiſerlichen Hauſes der Wiener<lb/> Schatzkammer entnommen, die ihm unterſtand.<lb/> Zu dieſem Privatſchmuck gehört auch die <hi rendition="#g">dia-<lb/><cb/> mantene Krone,</hi> mit der im Jahre 1867<lb/> Kaiſerin Eliſabeth zur Königin von Ungarn ge-<lb/> krönt wurde. Dies ſcheint der Anlaß zu dem<lb/> falſchen Gerücht zu ſein. Die deutſche Kaiſerkrone<lb/> befindet ſich (ebenſo wie die öſterreichiſche Kaiſer-<lb/> krone) nach wie vor mit allen anderen „Kleino-<lb/> dien und Reliquien des Heiligen Römiſchen<lb/> Reiches deutſcher Nation“ als koſtbarſter Beſitz<lb/> in der „weltlichen Schatzkammer“ der Wiener<lb/> Hofburg.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der erſte „Abend für den Mittelſtand“</hi> </head><lb/> <p>Einen großen Erfolg hatte das Konzert für den<lb/> Mittelſtand, das von der „Allgemeinen Zeitung“<lb/> veranſtaltet wurde. Die Tatſache, daß der Mu-<lb/> ſeumsſaal bis auf den letzten Platz ausverkauft<lb/> war, zeigt, daß die „Allgemeine Zeitung“ mit<lb/> ſolchen Veranſtaltungen auf dem richtigen Wege<lb/> iſt. Ein Mann, der es wiſſen muß, ſagte, daß<lb/> ſich hier wieder das alte muſikverſtändige Publi-<lb/> kum aus der Vorkriegszeit zuſammengefunden<lb/> habe. Auch für die ausübenden Künſtler muß es<lb/> eine Freude ſein, einen ſo warmherzigen und<lb/> begeiſterten Beifall als Dank zu erhalten. Es iſt<lb/> der „Allgemeinen Zeitung“ eine Genugtuung<lb/> feſtſtellen zu können, daß bei der Künſtlerſchaft<lb/> noch Idealismus und beim Publikum Verſtändnis<lb/> zu finden iſt.</p><lb/> <p>Wir dürfen mit Berechtigung hoffen, daß ſich<lb/> dieſe „Abende für den Mittelſtand“ einbürgern<lb/> werden. Hierfür ſollen Qualität und Auswahl<lb/> des Gebotenen ſorgen.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Kleine Nachrichten</hi> </head><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Auswärts</hi> </hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <head> <hi rendition="#b">Eine Gerhart Hauptmann-Uraufführung.</hi> </head><lb/> <p>Im<lb/> Schauſpielhaus in Leipzig gelangte Gerhart Haupt-<lb/> manns Idylle „<hi rendition="#g">Kaiſer Maxens Braut-<lb/> fahrt</hi>“ zur Uraufführung. Das Publikum nahm<lb/> dieſe bukoliſche Anekdote mit reſpektvoller Zurück-<lb/> haltung auf und ehrte mehr Deutſchlands reprä-<lb/> ſentativſten Dichter als ſein Werk. Unter Schwei-<lb/> gen fiel der Vorhang.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <head> <hi rendition="#b">Adalbert Matthaei †.</hi> </head><lb/> <p>Im Alter von 64 Jahren<lb/> iſt in Danzig der Profeſſor der Kunſtgeſchichte<lb/><cb/> an der dortigen Techniſchen Hochſchule, Geheim-<lb/> rat Adalbert Matthaei, geſtorben. Er gehörte zu<lb/> den bekannteſten Gelehrten und Politikern Dan-<lb/> zigs. Er hat eine große Anzahl Schriften, nament-<lb/> lich über deutſche Baukunſt, herausgegeben.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">München</hi> </hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <head><hi rendition="#b">Heute</hi> Donnerstag, 17. Januar:</head><lb/> <p><hi rendition="#g">Odeon</hi> (7½):<lb/> „Eine heitere Soiree in Alt-Wien“. <hi rendition="#g">Herkules-<lb/> ſaal</hi> (7½): Schüler-Konzert Münchener Ton-<lb/> künſtler-Verein.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"><lb/> <p><hi rendition="#b">Das 14. Volks-Symphonie-Konzert</hi> des Konzert-<lb/> vereins am <hi rendition="#g">Freitag,</hi> den 18. Januar, abends<lb/> 7½ Uhr in der <hi rendition="#g">Tonhalle</hi> wird wegen beſon-<lb/> derer Umſtände mit einem von der Konzertdirek-<lb/> tion <hi rendition="#g">Bauer</hi> vorbereiteten Konzert vereinigt.<lb/> Es werden aufgeführt: Arien von Händel,<lb/> Dvorak und Tſchaikowſky, Geſänge von Schönberg<lb/> und Richard Strauß; ſymph. Dichtung Romeo<lb/> und Julie von Tſchaikowſky. Dirigent: Dr. Ernſt<lb/><hi rendition="#g">Bachrich</hi>. Soliſtin: <hi rendition="#g">Ruzena Herlinger</hi>.</p><lb/> <p>Karten zu den für Volks-Symphonie-Konzerten<lb/> gültigen Preiſen im Vorverkauf und an der<lb/> Abendkaſſe.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <head><hi rendition="#b">Montag,</hi> 21. Januar,</head><lb/> <p>7½ Uhr im <hi rendition="#g">Herkules-<lb/> ſaal</hi> Vortragsabend von <hi rendition="#g">Walther Sedl-<lb/> mayr</hi>. Programm: <hi rendition="#g">Homer:</hi> Odyſſeus im<lb/> Lande der Cyklopen (aus dem 9. Geſang der<lb/> Odyſſee). Anderſſen und Eichendorff.</p><lb/> <p>Karten bei Bauer und Hieber.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"><lb/> <p><hi rendition="#b">Alexander Laſzlo</hi> gibt <hi rendition="#g">Montag,</hi> den 21. Ja-<lb/> nuar, abends 8 Uhr im <hi rendition="#g">Odeon</hi> einen Chopin-<lb/> Liſzt - Abend. Vortragsfolge: Sonate B - Moll<lb/> op. 35, Liſzt: Ballade H-Moll, Sonetto 123 del<lb/> Petrarca, Gnomenreigen, Valſe impromptu, Cho-<lb/> pin: Impromptu op. 29 As-Dur, Nocturne op. 15<lb/> Fis-Dur, Etude Berceuſe op. 10 E-Dur, Etude<lb/> op. 25 F-Moll, Sturmetude op. 25 A-Moll. Kar-<lb/> ten bei Schmid und Halbreiter.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"><lb/> <p><hi rendition="#b">Der Kulturfilm „Tiefen der Seele“</hi> (Hypnoſe-<lb/> film) wird infolge des außerordentlichen Erfolges<lb/> an den Tagen <hi rendition="#g">Montag,</hi> den 21. Januar, <hi rendition="#g">bis<lb/> einſchließlich Mittwoch,</hi> den 23. Januar,<lb/> abends 8 Uhr im <hi rendition="#g">Wagner - Saal</hi> wiederholt.<lb/> Karten bei Schmid und im Amtl. Reiſebüro.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [3/0003]
Donnerstag, den 17. Januar 1924. Allgemeine Zeitung Nr. 16
Der Anſchlag gegen Seeckt
Berlin, 16. Januar.
Die bayeriſche Re-
gierung hatte in Erfahrung gebracht, daß
rechtsradikale Kreiſe einen Plan entworfen
haben ſollen, um eine Umwälzung in Deutſch-
land hervorzurufen. Dieſe Phantaſten hatten
angeblich die Abſicht, General von Seeckt und
den bayeriſchen Staatskommiſſär Dr. von
Kahr ſowie den General von Loſſow zu er-
morden. Dadurch hätten ſie auch den unmittel-
bar vor der Türe ſtehenden Prozeß gegen
Hitler, Ludendorff und Genoſſen zu
verhindern gehofft: Pflichtgemäß teilte die
bayeriſche Regierung das der preußiſchen Regie-
rung mit, die ſofort eine Unterſuchung durch den
Unterſuchungsrichter des Landgerichts anſtellen
ließ. Dieſe Unterſuchung ergab, daß das Haupt
der kleinen Verſchwörerbande der 28jäh-
rige Kaufmann und frühere Offizier Thor-
mann iſt, der geſtern im Café Joſty verhaftet
wurde.
** Berlin, 16. Jan.
Der Kaufmann Thor-
mann, der geſtern unter dem Verdacht verhaf-
tet wurde, ein Attentat gegen General Seeckt zu
planen, iſt dem Polizeipräſidenten vorgeführt
worden. Der Staatsanwalt hat allen Beteiligten
ſtrengſte Schweigepflicht auferlegt. Die Ermit-
telung hat bis jetzt ergeben, daß Thormann nicht
der Roßbach-Organiſation angehört, ſondern daß
er Mitglied des Wicking-Bundes iſt.
Dieſer Bund, der die unmittelbare Fortſetzung
der verbotenen Organiſation des Kapitäns Ehr-
hardt iſt, ſteht in einem gewiſſen Gegenſatz zur
Organiſation Roßbach. Daß der verhaftete Thor-
mann Beziehungen zu linksradikalen Kreiſen
habe, ſcheint nicht der Fall zu ſein. Die Meldung,
daß die bayeriſche Regierung dem Reichskommiſſar
für öffentliche Sicherheit in Berlin von einem
Attentatsplan Kenntnis gab, beſtätigt ſich nicht.
In München hat man erſt durch die Blätter von
dieſer Verhaftung Nachricht erhalten. Auch das
Reichswehrminiſterium wurde von der Mitteilung
über die erfolgte Verhaftung Thormanns über-
raſcht.
Die Unterſuchung gegen Thormann iſt zwar
noch nicht abgeſchloſſen; doch läßt ſich ſchon jetzt
ſagen, daß das Attentat von langer
Hand vorbereitet war. Die Einzelheiten
der Tat waren analog der Ermordung der Reichs-
miniſter Rathenau und Erzberger. Thormann ſoll
erſt vor einigen Tagen aus Süddeutſchland nach
Berlin gekommen ſein, wo er unter Vorzeigung
eines Ausweiſes als Mitglied des Wicking-Bundes
einigen deutſch-völkiſchen Herren erklärte, er ſei
mit der Abſicht nach Berlin gekommen, um Gene-
ral von Seeckt zu „erledigen“. Bei der Verneh-
mung gab Thormann an, daß nach der Ermor-
dung des Generals von Seeckt „ein neuer
York“ kommen müſſe, der aber nicht Ludendorff,
ſondern Ehrhardt heißen müſſe. Bemerkens-
werterweiſe ſollte Thormann nicht ſelbſt die
Waffe gegen den General von Seeckt richten, ſon-
dern er ſollte, wie er ſich ausdrückte, im Hinter-
grund bleiben und einen „geeigneten Mann“
nennen, der die Tat ausführen ſollte. Er ver-
handelte mit mehreren ihm bekannten Perſönlich-
keiten, die zum Scheine auf den Mordplan ein-
gingen und ihm verſprachen, den „geeigneten
Mann“ zu ſtellen. Der „geeignete Mann“,
ein Herr angeblich namens Kuenzer, wurde
mit Thormann bekanntgemacht, der dieſem nun-
mehr ſeinen Mordplan auseinanderſetzte. Gene-
ral von Seeckt ſollte bei ſeinem täg-
lichen Ausritt von dem gewonnenen Mörder
erſchoſſen werden. Es kam jedoch nicht zur
Ausführung des bis ins einzelne ausgeklügelten
Mordplanes, da dem Reichskommiſſar
für öffentliche Sicherheit ſofort Mit-
teilung gemacht worden war, der dann ſo-
fort alle erforderlichen Vorſichts-
maßnahmen ergriff.
Beamtenfragen
Der Bayeriſche Beamtenbund hat
verſchiedene bedeutungsvolle Anträge an die
bayeriſche Regierung gerichtet. In
erſter Linie wird bei der Durchführung der baye-
riſchen Perſonalabbau - Verordnung die An-
hörung der Beamtenvertretung ver-
langt und neuerdings unter Hinweis auf die
Notwendigkeit der Vertretung der Beamten-
intereſſen die Bildung einer Beamten-
kammer für die Landesbeamten gefordert.
Mit Rückſicht auf die wenig günſtigen Erfah-
rungen, die man im Reiche mit der Perſonal-
abbau-Verordnung gemacht hat, wird in Bayern
die Schaffung einer paritätiſchen Inſtanz zur
Nachprüfung von Verſtößen gegen
die Verordnung angeſtrebt. Gleichzeitig
wird die künftige Organiſation der Behandlung
von Beamtenangelegenheiten ſeitens der Regie-
rung einer grundſätzlichen Erörterung unter-
ſtellt.
Schließlich wird unter Bezugnahme auf Ge-
rüchte über eine angeblich bevorſtehende Kür-
zung des Urlaubs der Beamten gegen eine
ſolche Abſicht mit dem Hinweis auf die zur Zeit
beſonders ſchwierigen Arbeits- und Lebensver-
hältniſſe der Beamtenſchaft (Erhöhung der Ar-
beitszeit, Herabſetzung der Gehälter, Arbeits-
mehrung infolge Beamtenabbau) Einſpruch er-
hoben und Aufrechterhaltung des bisherigen
Zuſtandes verlangt.
Wiener Lokalſenſationen
(Von unſerem Korreſpondenten)
I. Sadiſtiſche Woche.
Fräulein Keller, Beamtin des Mi-
niſteriums für Heerweſen, traf einmal in
den Gängen ihres Amtes ein weinendes
kleines Mädchen. Sie iſt von Natur kinder-
lieb und lud die Kleine ein, ſie einmal in
ihrer Wohnung zu beſuchen. Nach ein paar
Wochen ſtand morgens, als Fräulein Keller
ins Bureau gehen wollte, Gretl vor der Tür.
Sie ſtand dort von 10 Uhr abends bis neun
Uhr früh und weinte auch jetzt wieder.
So kam die Geſchichte auf. Gretl iſt die
Tochter einer armen Bedienerin, und eine
wohltätige reiche Dame hatte ſie bei ſich
aufgenommen. Dort gab es noch mehr Kin-
der, aber ſie waren alle nicht glücklich.
Eines war auch ſchon zur Polizei gelaufen,
aber erfolglos. Und wegen Mißhandlung
eines anderen hatte die Wohltäterin vor
Gericht geſtanden, aber ſie war freige-
ſprochen worden. Ohne das brave Fräulein
Keller wäre die Geſchichte Gott weiß wann
oder nie aufgekommen.
Alſo, die Kinderfreundin heißt Kadi-
netz, iſt Mitte der Vierzig, eine ſtattliche,
elegante Dame und nennt ſich Cadwé,
auch de Cadwé oder Baronin Cadwé. Sie
war einmal die Freundin reicher Männer,
eine Halbweltdame guten Stils, mit ſchönen
Wohnungen und Reiſen nach Paris. Ein-
mal hatte ſie ſogar einen richtigen Liebes-
roman mit einem jungen Prinzen Lobko-
witz, der ſie heiraten wollte. Aber er ſtarb
und hinterließ ihr nur Edith, ein Töchter-
chen, das jetzt vierzehn Jahre alt iſt.
Frau Cadwé iſt „energiſche Sprachlehre-
rin“. Ihre Pfleglinge hatten ſchöne Kleider
und genug zu eſſen. Manchmal aber, oft,
kamen „Schulinſpektoren“. Dann ſtellte die
ſtrenge Lehrerin allzu ſchwierige Fragen.
Und wußten die Schüler keine Antwort, ſo
wurden ſie gezüchtigt. Mit Peitſchen, Rie-
men, Ruten aufs nackte Fleiſch. Die Herren
Inſpektoren waren nachher immer ſehr ge-
rührt und mitleidig, küßten die beſtraften
Kinder und ſchenkten ihnen Schokolade.
Alles das war kein Troſt für die Ge-
peinigten.
Wien iſt im allgemeinen kein Boden für
Sadismus. Der iſt mehr in den nordiſchen
Ländern zu Hauſe. Seit dem berühmten
„Hendl-Herr“, der in allen ſexual-pathologi-
ſchen Büchern ſteht, gab es keinen ſolchen
„Fall“ mehr. Diesmal aber iſt der Skandal
ausgiebig. In den Boulevardblättern lieſt
man ſeit acht Tagen von nichts anderem.
Die Schuljugend wird jetzt bis zum letzten
Reſt aufgeklärt.
Natürlich mangelt es nicht an kompromit-
tierten „Perſönlichkeiten“. Ein Dozent der
Augenheilkunde und mehrere reiche Kauf-
leute ſitzen ſchon. Uebrigens wüßte ich nicht
zu ſagen, warum. Aber erſtens wird ſich
ſchon ein Paragraph im Strafgeſetzbuch fin-
den. Und dann haben es die Teilnehmer
von Kindermißhandlung ſicher irgendwie
verdient. Auch wenn ſie pathologiſch ſind.
II. Die korrupten Aerzte.
Das heißt, ſind ſie es wirklich? Man weiß
es noch nicht. Aber die Anklage gegen ſie
iſt öffentlich in feierlichſter Form erhoben.
Profeſſor Dr. Hochenegg iſt ein be-
rühmter Chirurg. Eigentlich iſt er auch als
Lehrer der Chirurgie berühmt. Als aus-
übenden Chirurgen haben ihn Kollegen und
Patienten nie ganz ebenſo hoch geſtellt.
Jetzt aber iſt Profeſſor Hochenegg nicht mehr
jung, und jüngere Aerzte ſind mehr in
Mode.
Das iſt der Hintergrund, auf dem ſich der
Fall aufbaut. Geſtern hielt der Profeſſor
vor ſeinen verſammelten Hörern eine ful-
minante Rede. Man ſtelle ihn, ſagte er, als
Greis mit zitternden Händen hin. Und
warum geſchehe das? Weil Hausärzte ihre
Patienten nur noch zu ſolchen Spezialiſten
führten die Proviſionen zahlen. Man nehme
es nicht einmal mehr mit der Indikation
genau, wenn nur ein Gewinn für den zu-
führenden, wie den empfohlenen Arzt ab-
falle. Er aber, Hochenegg, habe es ſtets mit
Empörung abgelehnt, eine Proviſion zu
geben. Darum die Hetze gegen ihn.
Die Hetze geht natürlich jetzt erſt recht
los. Zwar beſtätigt in einem Interview der
Chirurg Profeſſor Dr. Lorenz die An-
klage. Aber alle praktiſchen Aerzte und
viele Spezialiſten fühlen ſich verleumdet.
Vorgeſtern ſchon tagte eine allgemeine Ver-
ſammlung der Standesvertretungen und
Vereine, um Stellung zu dem Ausbruch des
berühmten Mannes zu nehmen. Man wird
Beweiſe von ihm verlangen und wird ſich
zur Wehr ſetzen. Der unerhörte Vorgang
wird unter den Medizinern der ganzen Welt
Aufſehen erregen.
R. Olden
Kriebel ſtellt ſich
Heute vormittag hat ſich der Oberſtleut-
nant Kriebel, der militäriſche Leiter des
Deutſchen Kampfbundes, der ſeit dem
9. November aus München geflüchtet war, dem
Volksgericht geſtellt. Es fand ſofort eine vor-
läufige Vernehmung Kriebels ſtatt, der vor-
ausſichtlich als einer der Hauptbeteiligten des
Unternehmens vom 8. und 9. November im erſten
Hochverratsprozeß mit verhandelt werden wird.
Wrede enthaftet
Fürſt Wrede, der Organiſator des national-
ſozialiſtiſchen Reiterkorps, befindet ſich ſeit
vorgeſtern wieder auf freiem Fuß.
Eſſer in Italien?
Der Münchener Nationalſozialiſt Hermann
Eſſer, der bekanntlich auf der Flucht aus Mün-
chen vorübergehend in Tirol Aufenthalt genom-
men hatte, ſoll in Bologna in Italien ein-
getroffen ſein, um dort als Verbindungsmann
zwiſchen den Nationalſozialiſten und Faſziſten
aufzutreten.
DAS LETZTE
Der neue ſächſiſche Wirtſchaftsminiſter
Dresden, 16. Januar.
Wie die Telegraphen-
Union aus zuverläſſiger Quelle erfährt, iſt der
Landtagsabgeordnete Müller-Leipzig ge-
ſtern abend vom Miniſterpräſidenten Heldt zum
Wirtſchaftsminiſter ernannt worden. Seine
Amtseinführung wird heute vormittag erfolgen.
Aufſtand in Moskau
Riga, 16. Januar.
Am 2. Januar ſoll in
Moskau ein Aufſtand ſtattgefunden
haben, der von dem dort ſelbſt in Garniſon be-
findlichen lettiſchen Regiment ausgegangen ſein
und dem ſich die Moskauer Tank-Eskadre und
die Schule der Roten Kommandeure angeſchloſ-
ſen haben ſoll. Den Anlaß zum Aufſtand habe
die Abſicht gegeben, das lettiſche Regiment aufzu-
löſen, jedoch ſollen auch politiſche Motive mit-
geſpielt haben. Der Aufſtand ſei blutig un-
terdrückt und aus der Zahl von 1900 Ver-
hafteten ſeien bereits der angebliche geiſtige Füh-
rer der Putſchiſten, Oberſt Naſimow, und 350
Perſonen erſchoffen worden.
Das holländiſche Kabinett
Haag, 16. Januar.
Das Miniſterium Ruys
de Beerenbrouck hat ſich wiederum der
zweiten Kammer vorgeſtellt. Der Miniſterpräſi-
dent gab eine Erklärung ab, in der es heißt:
Die am 26. Oktober vor. Js. nach der Ablehnung
des Flottengeſetzes eingetretene Kabinetts-
kriſe hat am 7. Januar damit geendet, daß die
Königin das Rücktrittsgeſuch der Miniſter ab-
lehnte. Da die Bildung eines neuen Miniſteri-
ums ſich als unmöglich erwieſen hat, hätten die
Miniſter es für ihre Pflicht gehalten, im Amte
zu bleiben.
Der deutſche Geſchäftsträger von Hoeſch iſt
geſtern abends 7 Uhr 40 Min. nach Berlin ab-
gereiſt.
Wie wir kurz vor Redaktionsſchluß er-
fahren, ſoll in den nächſten Tagen eine
Zuſammenkunft zwiſchen dem Reichs-
kanzler Dr. Marx und dem bayeriſchen
Miniſterpräſidenten von Knilling an
einem dritten Ort ſtattfinden zur perſön-
lichen Ausſprache über die bayeriſche Ver-
faſſungsdenkſchrift und den
immer noch nicht beigelegten Konflikt
zwiſchen Bayern und dem Reich.
Eine Nachprüfung dieſer Meldung auf
ihre Richtigkeit iſt zur Stunde (1 Uhr
nachts) nicht mehr möglich.
Friedrich von Thierſch als Aquarellmaler
Friedrich v. Thierſch war als Architekt eine der
markanteſten Perſönlichkeiten ſeiner Epoche, war
mehr als dies: der Gründer und Repräſentant
einer fruchtbaren Schule, der geiſtige Mittelpunkt
eines ſeinerzeit für die Kunſtſtadt München in
künſtleriſcher und geſellſchaftlicher Hinſicht bedeu-
tungsvollen Kreiſes.
Es war ein guter Gedanke der Direktion der
Graphiſchen Sammlung, eine Lieblingsbetätigung
des Vielbegabten und Weitgereiſten in ihren Er-
gebniſſen dem Münchener Publikum zugänglich zu
machen: Der Ausſtellungsraum der Graphiſchen
Sammlung zeigt das Werk des Aquarell-
malers Thierſch, einen erſtaunlichen Reich-
tum an rein künſtleriſcher Qualität, der den üb-
lichen Reiſeſkizzen eines Architekten im allgemeinen
nicht eigen zu ſein pflegt und der mit Dilettantis-
mus nichts gemein hat! Die Schüler und Freunde
des Liebhabermalers, die auf dem Gerüſt neben
ihm arbeiten durften, wenn er an die farbige
Dekoration einer Wand ſelbſt Hand anlegte, oder
die zuſehen konnten, wie er auf dem Whatman-
bogen mit ſicherem Pinſel das feuchte Element der
Waſſerfarbe führte, die wußten um ſein großes
darſtelleriſches Können.
Nun führt die Ausſtellung ſeinen Entwicklungs-
gang als Aquarelliſt vor Augen, der über die ge-
waltige Spanne von nahezu 45 Jahren weniger
durch die wechſelnde Geſchmacksrichtung der Zeit,
als vielmehr durch die in der Technik des Aquarells
ſelbſt gegebenen Möglichkeiten beſtimmt wird. —
Die frühe Zeit iſt gekennzeichnet durch einen aus-
geſprochenen „Vedutenſtil“ wie die brav gezeich-
neten architektoniſchen Blätter aus Sizilien (1877),
Konſtantinopel (1882) und Aegypten (1884), bringt
aber auch Landſchaften, die ſich gelegentlich zu
einer nahe zu Rottmannſchen Schönheit und Durch-
ſichtigkeit der Farbe erheben, wie das Blatt aus
der Syriſchen Wüſte (1884) oder etwa der ſtofflich
und aquarelltechniſch gleich prachtvolle Baumſchlag
der Landſchaft bei Kephiſſia (1878). — Einen
Schritt zum rein Maleriſchen bedeutet die mitt-
lere Zeit mit genial-flüchtigen Blättern wie das
Innere von S. M. delle Grazie Mailand oder
der unfertige Bazar in Tanger (1897), wo die
der Waſſerfarbe weſensverwandten Tropfen eines
während des Malens beginnenden Regens die
wundervoll flächige Stofflichkeit der roten Mauer
nicht geſtört haben. Der gleichen Zeit ungefähr
dürfte das außergewöhnlich kühne Blatt vom Ge-
rüſt im Juſtizpalaſt angehören. — Der ſpäte Stil
wendet ſich nach einer Art kurzer Rückbildung
zum Zeichneriſch-Exakten wie die Architekturblät-
ter aus Prag (1908) über eine Großflächigkeit mit
ſorgloſer Kontur wie Theater in Nimes (1911)
oder Kirche in Grenoble (1911) zu den letzten,
zeichneriſch genialen Dekorationsdarſtellungen der
Innenräume von Rokokokirchen wie Polling, Zwie-
falten oder Steinhauſen (1918—1920). Und damit
ſchließt ſich der Kreis dieſer großen Begabung,
das Ende wendet ſich zum Anfang in anderer
Art, zu den frühen Blättern, die antikiſche Wand-
dekorationen reproduzieren wie das Haus der
Livia (1888) oder das Haus bei der Porta Borſari
in Verona (1888), die ebenſo wie die ſpäten durch
ſouveräne Beherrſchung von Stift und Pinſel zu-
gleich durch fachlich - handwerkliche Kongenialität
den Architekten auf ſeinem ureigenſten Gebiet
reproduktive Präziſion bei lebendiger Ueberſetzung
in eine andere Technik ohne jede Mechaniſierung
erreichen ließen. — Wir haben niemanden, der
das heute noch vermöchte!
Rudolf Pfister.
Baron Steiner krönt ſich zum Deutſchen
Kaiſer.
So ähnlich berichteten verſchiedene Blät-
ter. Der berüchtigte Baron Steiner ſoll die
deutſche Kaiſerkrone erworben und in trunkenem
Zuſtande bei einem Gelage in Zürſch ſie ſich aufs
Haupt geſetzt haben.
Dieſe Nachricht iſt in allen Punkten unzu-
treffend.
Sie iſt wohl durch eine Verwechſlung veran-
laßt worden: der letzte Oberſtkämmerer des öſter-
reichiſchen Kaiſerhauſes, Graf Berchtold, hat im
Auftrage Exkaiſer Karls den geſamten Privat-
ſchmuck des kaiſerlichen Hauſes der Wiener
Schatzkammer entnommen, die ihm unterſtand.
Zu dieſem Privatſchmuck gehört auch die dia-
mantene Krone, mit der im Jahre 1867
Kaiſerin Eliſabeth zur Königin von Ungarn ge-
krönt wurde. Dies ſcheint der Anlaß zu dem
falſchen Gerücht zu ſein. Die deutſche Kaiſerkrone
befindet ſich (ebenſo wie die öſterreichiſche Kaiſer-
krone) nach wie vor mit allen anderen „Kleino-
dien und Reliquien des Heiligen Römiſchen
Reiches deutſcher Nation“ als koſtbarſter Beſitz
in der „weltlichen Schatzkammer“ der Wiener
Hofburg.
Der erſte „Abend für den Mittelſtand“
Einen großen Erfolg hatte das Konzert für den
Mittelſtand, das von der „Allgemeinen Zeitung“
veranſtaltet wurde. Die Tatſache, daß der Mu-
ſeumsſaal bis auf den letzten Platz ausverkauft
war, zeigt, daß die „Allgemeine Zeitung“ mit
ſolchen Veranſtaltungen auf dem richtigen Wege
iſt. Ein Mann, der es wiſſen muß, ſagte, daß
ſich hier wieder das alte muſikverſtändige Publi-
kum aus der Vorkriegszeit zuſammengefunden
habe. Auch für die ausübenden Künſtler muß es
eine Freude ſein, einen ſo warmherzigen und
begeiſterten Beifall als Dank zu erhalten. Es iſt
der „Allgemeinen Zeitung“ eine Genugtuung
feſtſtellen zu können, daß bei der Künſtlerſchaft
noch Idealismus und beim Publikum Verſtändnis
zu finden iſt.
Wir dürfen mit Berechtigung hoffen, daß ſich
dieſe „Abende für den Mittelſtand“ einbürgern
werden. Hierfür ſollen Qualität und Auswahl
des Gebotenen ſorgen.
Kleine Nachrichten
Auswärts
Eine Gerhart Hauptmann-Uraufführung.
Im
Schauſpielhaus in Leipzig gelangte Gerhart Haupt-
manns Idylle „Kaiſer Maxens Braut-
fahrt“ zur Uraufführung. Das Publikum nahm
dieſe bukoliſche Anekdote mit reſpektvoller Zurück-
haltung auf und ehrte mehr Deutſchlands reprä-
ſentativſten Dichter als ſein Werk. Unter Schwei-
gen fiel der Vorhang.
Adalbert Matthaei †.
Im Alter von 64 Jahren
iſt in Danzig der Profeſſor der Kunſtgeſchichte
an der dortigen Techniſchen Hochſchule, Geheim-
rat Adalbert Matthaei, geſtorben. Er gehörte zu
den bekannteſten Gelehrten und Politikern Dan-
zigs. Er hat eine große Anzahl Schriften, nament-
lich über deutſche Baukunſt, herausgegeben.
München
Heute Donnerstag, 17. Januar:
Odeon (7½):
„Eine heitere Soiree in Alt-Wien“. Herkules-
ſaal (7½): Schüler-Konzert Münchener Ton-
künſtler-Verein.
Das 14. Volks-Symphonie-Konzert des Konzert-
vereins am Freitag, den 18. Januar, abends
7½ Uhr in der Tonhalle wird wegen beſon-
derer Umſtände mit einem von der Konzertdirek-
tion Bauer vorbereiteten Konzert vereinigt.
Es werden aufgeführt: Arien von Händel,
Dvorak und Tſchaikowſky, Geſänge von Schönberg
und Richard Strauß; ſymph. Dichtung Romeo
und Julie von Tſchaikowſky. Dirigent: Dr. Ernſt
Bachrich. Soliſtin: Ruzena Herlinger.
Karten zu den für Volks-Symphonie-Konzerten
gültigen Preiſen im Vorverkauf und an der
Abendkaſſe.
Montag, 21. Januar,
7½ Uhr im Herkules-
ſaal Vortragsabend von Walther Sedl-
mayr. Programm: Homer: Odyſſeus im
Lande der Cyklopen (aus dem 9. Geſang der
Odyſſee). Anderſſen und Eichendorff.
Karten bei Bauer und Hieber.
Alexander Laſzlo gibt Montag, den 21. Ja-
nuar, abends 8 Uhr im Odeon einen Chopin-
Liſzt - Abend. Vortragsfolge: Sonate B - Moll
op. 35, Liſzt: Ballade H-Moll, Sonetto 123 del
Petrarca, Gnomenreigen, Valſe impromptu, Cho-
pin: Impromptu op. 29 As-Dur, Nocturne op. 15
Fis-Dur, Etude Berceuſe op. 10 E-Dur, Etude
op. 25 F-Moll, Sturmetude op. 25 A-Moll. Kar-
ten bei Schmid und Halbreiter.
Der Kulturfilm „Tiefen der Seele“ (Hypnoſe-
film) wird infolge des außerordentlichen Erfolges
an den Tagen Montag, den 21. Januar, bis
einſchließlich Mittwoch, den 23. Januar,
abends 8 Uhr im Wagner - Saal wiederholt.
Karten bei Schmid und im Amtl. Reiſebüro.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-12-19T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |