Allgemeine Zeitung, Nr. 169, 17. Juni 1860.[Spaltenumbruch]
der augenblicklichen Erörterungen dienen, weil nach den Darlegungen des Oesterreich. Wien, 13 Jun. Das aus 21 Mitgliedern bestehende Wien, 14 Jun. Auch aus den Berathungen der Ausschüsse, welche Schweiz. 𐌈 Bern, 14 Jun. Dem heutigen Tag widmet das St. Gallener [Spaltenumbruch]
der augenblicklichen Erörterungen dienen, weil nach den Darlegungen des Oeſterreich. ⌗ Wien, 13 Jun. Das aus 21 Mitgliedern beſtehende Wien, 14 Jun. Auch aus den Berathungen der Ausſchüſſe, welche Schweiz. 𐌈 Bern, 14 Jun. Dem heutigen Tag widmet das St. Gallener <TEI> <text> <body> <div type="jVarious" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0004" n="2816"/><cb/> der augenblicklichen Erörterungen dienen, weil nach den Darlegungen des<lb/> Memorandums die Gegenſätze in der Auffaſſung über die Bedeutung und<lb/> den Werth einiger Beſtimmungen der Bundeskriegsverfaſſung und über die<lb/> preußiſchen Reformvorſchläge ſo durchgreifender Art ſind, daß das Berliner<lb/> Cabinet darauf verzichtet auf dem diplomatiſchen Weg eine Annäherung oder<lb/> Ausgleichung mit der öſterreichiſchen Regierung zu erzielen. In der Note<lb/> vom 2 Jun. ſollen demgemäß dieſe Gegenſätze auch nur conſtatirt und gleich-<lb/> zeitig einige Auffaſſungen der öſterreichiſchen Regierung berichtigt oder abge-<lb/> lehnt werden. Das Memorandum zerfällt in drei Abſchnitte; in dem erſten<lb/> wird behauptet: der Grundgedanke der Bundeskriegsverfaſſung in ihrer Be-<lb/> ziehung zu den Armeen Oeſterreichs und Preußens ſey jederzeit der geweſen<lb/> daß im Krieg das deutſche Bundesheer das Hauptheer ſeyn werde, und daß<lb/> die außerdeutſchen Streitkräſte Oeſterreichs und Preußens ſich dieſem Heer<lb/> anſchließen würden; dieß ſey die höhere Vorſtellung von dem Art. <hi rendition="#aq">XII.</hi><lb/> Preußen theilt dieſe höhere Vorſtellung vom Bundeskrieg nicht, und lehnt es<lb/> ab unausgeſprochene Vorausſetzungen als Begründung einer Auffaſſung gel-<lb/> ten zu laſſen. Im Gegentheil ſeyen ſowohl 1832 als 1840, 1848 und 1854<lb/> Oeſterreich und Preußen darüber einverſtanden geweſen daß die Bundescon-<lb/> tingente der andern Bundesſtaaten ſich an die Armeen der deutſchen Groß-<lb/> mächte anzuſchließen hätten, wie dieß deutlich noch aus der Depeſche des Gra-<lb/> fen Buol vom 24 Dec. 1854 erhelle. Preußen ſey es übrigens nie in den Sinn<lb/> gekommen für das Auftreten ſeiner ganzen Armee zur Vertheidigung Deutſch-<lb/> lands einen beſondern Preis zu verlangen, und es habe doch für jenen Zweck<lb/> wirklich und wiederholt mit großen Opfern gerüſtet. Es ſolle auch jetzt nur<lb/> die nothwendige Vorbedingung zu einem ſolchen Auftreten feſtgeſtellt, und<lb/> ihre Erfüllung möglichſt geſichert werden. Es wird ſodann der Vorwurf<lb/> daß Preußen mit ſeinen Vorſchlägen den Boden der Realität verlaſſe, mit der<lb/> Antwort zurückgewieſen daß Oeſterreich wohl den Zweck, nicht aber die noth-<lb/> wendigen Mittel wolle, während Preußen bemüht ſey den guten Willen der<lb/> deutſchen Staaten auf verfaſſungsmäßigem Weg zum praktiſchen Ausdruck<lb/> gelangen zu laſſen. Einem andern in dem Memorandum gemachten Vor-<lb/> wurf begegnet das Berliner Cabinet dahin daß es keine Verpflichtung aner-<lb/> kenne — ſie werde aus was immer einer Beſtimmung der Bundeskriegs-<lb/> verfaſſung hergeleitet — die ganze preußiſche Armee einem Bundesfeld-<lb/> herrn unterzuordnen. Dagegen werde Preußen mit ſeiner Armee als ein<lb/> geſchloſſenes Ganzes in allen Fällen eintreten wenn es ſich um die Vertheidi-<lb/> gung der durch Bundesverträge garantirten Rechte handelt, für welche das<lb/> Aufgebot der geſammten Streitkräfte des Bundes erforderlich wird. Preußen<lb/> hält dieß für eine Pflicht gegen ſich ſelbſt und gegen Deutſchland, denn Preu-<lb/> ßen wie Deutſchland haben faſt durchgängig identiſche Intereſſen, und dann<lb/> werden auch die beiden deutſchen Großmächte bei enropäiſchen Conflicten noty-<lb/> wendig immer dem Bunde voraus zur Action berufen ſeyn, und dieſe ſo wie<lb/> überhaupt alle mit ihrer Politik zuſammenhängenden militäriſchen Maßnah-<lb/> men nicht von Bundesbeſchlüſſen abhängig machen oder ſie danach modifici-<lb/> ren können. Es ſteht zu hoffen daß das ganze Gezänke über die Bundes-<lb/> kriegsverfaſſung mit der Fürſtenzuſammenkunft in Baden ein Ende nehmen<lb/> wird, deren Hauptzweck von Anfang an dahin angegeben wurde daß die mili-<lb/> täriſche Einigung Deutſchlands hergeſtellt, und gemeinſame militäriſche Maß-<lb/> nahmen getroffen werden ſollen. Durch das Erſcheinen Louis Napoleons<lb/> wird ſicherlich dieſer urſprüngliche Zweck der Conferenz am wenigſten ver-<lb/> ſchoben oder geſtört werden.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Oeſterreich.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>⌗ <hi rendition="#b">Wien,</hi> 13 Jun.</dateline> <p>Das aus 21 Mitgliedern beſtehende<lb/> große Comit<hi rendition="#aq">é</hi> des verſtärkten Reichsraths zur Berichterſtattung über die Budget-<lb/> vorlage hat den Grafen Mercandin, ſtändigen Reichsrath, zu ſeinem Vorſitzen-<lb/> den gewählt. Die Plenarſitzungen ſind vorläufig bis zum 25 d. vertagt, damit<lb/> dieſes und die beiden andern Comit<hi rendition="#aq">é</hi>s für die Grundbuchsordnung und für das<lb/> Vergleichsverfahren ihre Studien mit anhaltender Verwendung der Zeit machen<lb/> können. Es iſt wahrlich keine kleine Aufgabe welche namentlich von dem Bud-<lb/> getcomit<hi rendition="#aq">é</hi> gelöst werden ſoll; der Geiſt in welchem ſein Elaborat zu halten<lb/> ſeyn wird, iſt übrigens in der Sitzung vom 4 Juni hinlänglich angedeutet,<lb/> da eine überwiegende Majorität dem Gedanken Ausdruck gegeben hat daß das<lb/> Budget nicht ins Gleichgewicht gebracht werden könne ohne daß in die Gebre-<lb/> chen des Syſtems eingegangen wird. Es iſt zu erwarten daß auch dasjenige<lb/> was in dieſer Beziehung auf litterariſchem Weg bereits vorgearbeitet worden<lb/> iſt Beachtung finden werde. So die „kleinen Beiträge zu großen Fragen“ —<lb/> „die Lebensfrage Oeſterreichs“ und anderes, ſo wie auch die erſt kürzlich er-<lb/> ſchienene „Palingeneſis.“ Letztere Schrift, welche ſich „eine Denkſchrift über<lb/> Verwaltungsreformen in Oeſterreich zur Löſung der Frage wie das Princip<lb/> der Staatseinheit mit den Anforderungen der Selbſtverwaltung in Einklang<lb/> gebracht werden und das Gleichgewicht im Staatshaushalt hergeſtellt werden<lb/> kann“ nennt, verfolgt geradezu den gleichen Zweck wie das Budgetcomit<hi rendition="#aq">é</hi>, und<lb/> zwar in demſelben Geiſt welchen der Reichsrath in der oben erwähnten Si-<lb/> tzung als den ſeinigen ausſprach. Der Verfaſſer ſagt: ſchon im Jahr 1851<lb/> ſey an die Miniſterien vom Kaiſer der Auftrag ergangen Vorſchläge zur Her-<lb/> ſtellung des Gleichgewichts im Staatshaushalt zu machen. Die Auffaſſung<lb/> dieſes Befehls ſey jedoch unrichtig geweſen, und habe daher den gewünſchten<lb/> Erfolg nicht haben können. Man habe genug zu thun geglaubt wenn man,<lb/> das Syſtem unberührt laſſend, hie und da mit kargerm Maß zu meſſen an-<lb/> ſieng, hie und da einen Poſten ſtrich, hie und da eine kleine Reduction vornahm.<lb/><cb/> Man habe überſehen daß die Expanſivkraft eines ſo rieſengroßen Verwaltungs-<lb/> körpers den leichten Druck von Erſparungstendenzen mit unwiderſtehlicher<lb/> Gewalt überwinde. Das Ende ſey damals und auch ſpäter immer geweſen<lb/> daß der Zuſtand des Budgets im alten blieb, oder gar ſich verſchlimmerte.<lb/> Dem verſtärkten Reichsrath liege nun ob das Uebel in ſeiner Wurzel anzu-<lb/> greifen, das Augenmerk auf ausgiebige Reformen zu richten und dadurch von<lb/> Grund aus zu helfen. Sofort behandelt dieſe Schrift die einzelnen Beſtand-<lb/> theile des Budgets, die allerdings eine weſentliche Verminderung erfahren<lb/> würden. Denn der Verfaſſer weist nach daß ganze Räderſyſteme in der Ad-<lb/> miniſtrationsmaſchine überflüſſig ſind, namentlich auch in der Finanzverwal-<lb/> tung, von welcher bisher in dieſer Beziehung noch nie die Rede war, gleich<lb/> als ob ihr nicht vor allen andern die Aufgabe obläge ſich auf einen einfachern<lb/> Organismus zu reduciren. Wir erinnern uns daß ſeiner Zeit der damalige<lb/> Finanzminiſter Frhr. v. Krauß den von ihm ausgearbeiteten Finanzorganiſa-<lb/> tionsentwurf bezüglich ſeiner Complicirtheit unter anderm damit zu rechtferti-<lb/> gen ſuchte: die politiſche Verwaltung ſey noch complicirter, ein Grund der<lb/> ſchon damals Anlaß zu allerlei Gloſſen gab. Am Schluſſe der Schrift heißt<lb/> es: ſie ſey Theil eines dreitheiligen Ganzen, da ſie nur vom Verwaltungs-<lb/> organismus handle; einen zweiten Theil hätten die Regierungsprincipien über<lb/> die verſchiedenen Gruppen von Verwaltungsgegenſtänden zu bilden, und einen<lb/> dritten Theil die einheitliche politiſche Inſtitution. Daß der Verfaſſer ſich letz-<lb/> tere als einen Reichstag denkt, geht übrigens aus dem hervor was er über die<lb/> Landesvertretungen, deren Zuſammenſetzung, Zahl, dann Zeit und Ort der<lb/> Einberufung ſagt. Bemerkenswerth iſt ein Citat aus Gneiſts Werk, welches<lb/> lautet: „Ein ſo geſtalteter Staatsrath (nämlich im weſentlichen alle Elemente<lb/> enthaltend welche ſich im verſtärkten Reichsrath finden) iſt von Haus aus der<lb/> nothwendige Kern eines Oberhauſes.“ Nun, der Kern wird ſich wohl zur<lb/> Frucht geſtalten, und das Oberhaus kann dann ohne Unterhaus nicht bleiben.<lb/> Das iſt die Anſicht aller welche weiter denken als von heut auf morgen. In<lb/> einem kleinern Gefäß als Ober- und Unterhaus hat alles das nicht Raum<lb/> was die deutſchen Länder und die ungariſchen befriedigt, was die Magnaten<lb/> fordern und die übrigen Stände wünſchen, was den Oſten mit dem Weſten,<lb/> den Norden mit dem Süden verbinden ſoll.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">Wien,</hi> 14 Jun.</dateline> <p>Auch aus den Berathungen der Ausſchüſſe, welche<lb/> während die Plenarſitzungen feiern, eifrig ihren Arbeiten obliegen, iſt bereits<lb/> manche Kunde in die Oeffentlichkeit gelangt. Ueber das Grundbuchcomit<hi rendition="#aq">é</hi>,<lb/> wo die Gegenſätze wieder ſchroff aufeinanderplatzten, haben wir nach dem<lb/><hi rendition="#g">Wanderer</hi> in der Beilage berichtet. Die <hi rendition="#g">Oeſterr. Ztg.</hi> macht weiter<lb/> folgende Mittheilungen: Das Comit<hi rendition="#aq">é</hi> zur Begutachtung des Vergleichs-<lb/> verfahrens hat den Frhrn. v. Lichtenfels zum Obmann gewählt. Seine<lb/> Arbeit iſt beinahe vollendet. Es ſind nur wenige Abänderungen gemacht<lb/> worden, davon eine ausdrücklich auf den proviſoriſchen Charakter des Geſetzes<lb/> und auf den Erlaß einer allgemeinen Concursordnung hinweist. Erfreulich<lb/> iſt der Geiſt der ſich in dieſem Ausſchuß kundgibt noch inſofern, als man ſich<lb/> darin der Solidarität der Intereſſen des ganzen Staats bewußt iſt, und nicht<lb/> partielle Geſetze, ſondern eine Concursordnung fürs Reich fordert. Es iſt<lb/> nicht zu überſehen daß in dieſem Comit<hi rendition="#aq">é</hi> das bürgerliche Element das vor-<lb/> herrſchenbe iſt, und „der Bürgerſtand, ſo ſehr wie ein anderer von Vater-<lb/> landsliebe und dynaſtiſchen Sympathien beſeelt, um ſo mehr Rückſicht und<lb/> Pflege verdient als er mehr und mehr auch den geiſtigen Stock des geſammt-<lb/> öſterreichiſchen Patriotismus bildet.“ Das Finanzcomit<hi rendition="#aq">é</hi> hat in ſeiner erſten<lb/> Berathung zugleich einen principiellen Boden betreten. Man hat Sub-<lb/> comit<hi rendition="#aq">é</hi>’s gewählt, und es entſtand die Frage ob man dieſen Unterabtheilungen<lb/> Inſtructionen geben oder Principien vorſchreiben ſolle nach denen ſie vor-<lb/> zugehen hätten. Dieſer Anſicht wird entgegnet daß ein ſolcher Vorgang nicht<lb/> zweckdienlich ſey. Die Aufgabe des Reichsraths könne als eine zweifache be-<lb/> zeichnet werden, einmal das Budget für das Jahr 1861 zu prüfen, dann aber<lb/> Grundſätze für den Staatshaushalt überhaupt feſtzuſtellen. Das vorliegende<lb/> Budget ſolle ſtückweiſe geprüft werden, an der buchhalteriſchen Richtigkeit des-<lb/> ſelben beſtehe jedoch kein Zweifel, ebenſowenig daran daß die Regierung be-<lb/> reits ihr möglichſtes gethan habe um womöglich Erſparniſſe einzuführen.<lb/> Man müſſe der Regierung die Mittel des Fortbeſtehens gewähren. Zur Ein-<lb/> führung neuer Organiſationen reiche die Zeit bis zum Anfang des Verwal-<lb/> tungsjahrs nicht hin. Dieſe Principien würden nach der verſchiedenen Auf-<lb/> faſſung ſich im Reichsrath geltend zu machen ſuchen. Nach einer ſehr würde-<lb/> voll gehaltenen Discuſſion wurde alſo ein Beſchluß gefaßt, ungefähr dahin<lb/> gehend: Das Comit<hi rendition="#aq">é</hi> glaube es ſey nicht bloß ein Recht, ſondern eine Pflicht<lb/> des Reichsraths die höhern politiſchen Momente ins Auge zu faſſen, welche<lb/> dazu beitragen können eine Organiſation zu verleihen welche die Einheit der<lb/> Monarchie, ihre innere und äußere Kraft zu ſtärken vermöge, ſodann aber<lb/> wurden die Comit<hi rendition="#aq">é</hi>’s zur Prüfung der Vorlagen ernannt. Auf Verlangen<lb/> eines Mitglieds wurde das Wort „politiſche“ weggelaſſen und bloß „höhere<lb/> Momente“ geſetzt.</p> </div> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Schweiz.</hi> </head><lb/> <div type="jComment" n="3"> <dateline>&#x10308; <hi rendition="#b">Bern,</hi> 14 Jun.</dateline> <p>Dem heutigen Tag widmet das St. Gallener<lb/> Tagblatt ein Memento, welches zu der <hi rendition="#aq">laisser-faire</hi>-Politik der Staatsmänner<lb/> der Neuen Züricherin einen argen Contraſt bildet, und doch iſt dieſes Blatt<lb/> kein Organ radicaler Flachköpfe, Schreier und Schwindler, wie ſich Hr. Dubs<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2816/0004]
der augenblicklichen Erörterungen dienen, weil nach den Darlegungen des
Memorandums die Gegenſätze in der Auffaſſung über die Bedeutung und
den Werth einiger Beſtimmungen der Bundeskriegsverfaſſung und über die
preußiſchen Reformvorſchläge ſo durchgreifender Art ſind, daß das Berliner
Cabinet darauf verzichtet auf dem diplomatiſchen Weg eine Annäherung oder
Ausgleichung mit der öſterreichiſchen Regierung zu erzielen. In der Note
vom 2 Jun. ſollen demgemäß dieſe Gegenſätze auch nur conſtatirt und gleich-
zeitig einige Auffaſſungen der öſterreichiſchen Regierung berichtigt oder abge-
lehnt werden. Das Memorandum zerfällt in drei Abſchnitte; in dem erſten
wird behauptet: der Grundgedanke der Bundeskriegsverfaſſung in ihrer Be-
ziehung zu den Armeen Oeſterreichs und Preußens ſey jederzeit der geweſen
daß im Krieg das deutſche Bundesheer das Hauptheer ſeyn werde, und daß
die außerdeutſchen Streitkräſte Oeſterreichs und Preußens ſich dieſem Heer
anſchließen würden; dieß ſey die höhere Vorſtellung von dem Art. XII.
Preußen theilt dieſe höhere Vorſtellung vom Bundeskrieg nicht, und lehnt es
ab unausgeſprochene Vorausſetzungen als Begründung einer Auffaſſung gel-
ten zu laſſen. Im Gegentheil ſeyen ſowohl 1832 als 1840, 1848 und 1854
Oeſterreich und Preußen darüber einverſtanden geweſen daß die Bundescon-
tingente der andern Bundesſtaaten ſich an die Armeen der deutſchen Groß-
mächte anzuſchließen hätten, wie dieß deutlich noch aus der Depeſche des Gra-
fen Buol vom 24 Dec. 1854 erhelle. Preußen ſey es übrigens nie in den Sinn
gekommen für das Auftreten ſeiner ganzen Armee zur Vertheidigung Deutſch-
lands einen beſondern Preis zu verlangen, und es habe doch für jenen Zweck
wirklich und wiederholt mit großen Opfern gerüſtet. Es ſolle auch jetzt nur
die nothwendige Vorbedingung zu einem ſolchen Auftreten feſtgeſtellt, und
ihre Erfüllung möglichſt geſichert werden. Es wird ſodann der Vorwurf
daß Preußen mit ſeinen Vorſchlägen den Boden der Realität verlaſſe, mit der
Antwort zurückgewieſen daß Oeſterreich wohl den Zweck, nicht aber die noth-
wendigen Mittel wolle, während Preußen bemüht ſey den guten Willen der
deutſchen Staaten auf verfaſſungsmäßigem Weg zum praktiſchen Ausdruck
gelangen zu laſſen. Einem andern in dem Memorandum gemachten Vor-
wurf begegnet das Berliner Cabinet dahin daß es keine Verpflichtung aner-
kenne — ſie werde aus was immer einer Beſtimmung der Bundeskriegs-
verfaſſung hergeleitet — die ganze preußiſche Armee einem Bundesfeld-
herrn unterzuordnen. Dagegen werde Preußen mit ſeiner Armee als ein
geſchloſſenes Ganzes in allen Fällen eintreten wenn es ſich um die Vertheidi-
gung der durch Bundesverträge garantirten Rechte handelt, für welche das
Aufgebot der geſammten Streitkräfte des Bundes erforderlich wird. Preußen
hält dieß für eine Pflicht gegen ſich ſelbſt und gegen Deutſchland, denn Preu-
ßen wie Deutſchland haben faſt durchgängig identiſche Intereſſen, und dann
werden auch die beiden deutſchen Großmächte bei enropäiſchen Conflicten noty-
wendig immer dem Bunde voraus zur Action berufen ſeyn, und dieſe ſo wie
überhaupt alle mit ihrer Politik zuſammenhängenden militäriſchen Maßnah-
men nicht von Bundesbeſchlüſſen abhängig machen oder ſie danach modifici-
ren können. Es ſteht zu hoffen daß das ganze Gezänke über die Bundes-
kriegsverfaſſung mit der Fürſtenzuſammenkunft in Baden ein Ende nehmen
wird, deren Hauptzweck von Anfang an dahin angegeben wurde daß die mili-
täriſche Einigung Deutſchlands hergeſtellt, und gemeinſame militäriſche Maß-
nahmen getroffen werden ſollen. Durch das Erſcheinen Louis Napoleons
wird ſicherlich dieſer urſprüngliche Zweck der Conferenz am wenigſten ver-
ſchoben oder geſtört werden.
Oeſterreich.
⌗ Wien, 13 Jun. Das aus 21 Mitgliedern beſtehende
große Comité des verſtärkten Reichsraths zur Berichterſtattung über die Budget-
vorlage hat den Grafen Mercandin, ſtändigen Reichsrath, zu ſeinem Vorſitzen-
den gewählt. Die Plenarſitzungen ſind vorläufig bis zum 25 d. vertagt, damit
dieſes und die beiden andern Comités für die Grundbuchsordnung und für das
Vergleichsverfahren ihre Studien mit anhaltender Verwendung der Zeit machen
können. Es iſt wahrlich keine kleine Aufgabe welche namentlich von dem Bud-
getcomité gelöst werden ſoll; der Geiſt in welchem ſein Elaborat zu halten
ſeyn wird, iſt übrigens in der Sitzung vom 4 Juni hinlänglich angedeutet,
da eine überwiegende Majorität dem Gedanken Ausdruck gegeben hat daß das
Budget nicht ins Gleichgewicht gebracht werden könne ohne daß in die Gebre-
chen des Syſtems eingegangen wird. Es iſt zu erwarten daß auch dasjenige
was in dieſer Beziehung auf litterariſchem Weg bereits vorgearbeitet worden
iſt Beachtung finden werde. So die „kleinen Beiträge zu großen Fragen“ —
„die Lebensfrage Oeſterreichs“ und anderes, ſo wie auch die erſt kürzlich er-
ſchienene „Palingeneſis.“ Letztere Schrift, welche ſich „eine Denkſchrift über
Verwaltungsreformen in Oeſterreich zur Löſung der Frage wie das Princip
der Staatseinheit mit den Anforderungen der Selbſtverwaltung in Einklang
gebracht werden und das Gleichgewicht im Staatshaushalt hergeſtellt werden
kann“ nennt, verfolgt geradezu den gleichen Zweck wie das Budgetcomité, und
zwar in demſelben Geiſt welchen der Reichsrath in der oben erwähnten Si-
tzung als den ſeinigen ausſprach. Der Verfaſſer ſagt: ſchon im Jahr 1851
ſey an die Miniſterien vom Kaiſer der Auftrag ergangen Vorſchläge zur Her-
ſtellung des Gleichgewichts im Staatshaushalt zu machen. Die Auffaſſung
dieſes Befehls ſey jedoch unrichtig geweſen, und habe daher den gewünſchten
Erfolg nicht haben können. Man habe genug zu thun geglaubt wenn man,
das Syſtem unberührt laſſend, hie und da mit kargerm Maß zu meſſen an-
ſieng, hie und da einen Poſten ſtrich, hie und da eine kleine Reduction vornahm.
Man habe überſehen daß die Expanſivkraft eines ſo rieſengroßen Verwaltungs-
körpers den leichten Druck von Erſparungstendenzen mit unwiderſtehlicher
Gewalt überwinde. Das Ende ſey damals und auch ſpäter immer geweſen
daß der Zuſtand des Budgets im alten blieb, oder gar ſich verſchlimmerte.
Dem verſtärkten Reichsrath liege nun ob das Uebel in ſeiner Wurzel anzu-
greifen, das Augenmerk auf ausgiebige Reformen zu richten und dadurch von
Grund aus zu helfen. Sofort behandelt dieſe Schrift die einzelnen Beſtand-
theile des Budgets, die allerdings eine weſentliche Verminderung erfahren
würden. Denn der Verfaſſer weist nach daß ganze Räderſyſteme in der Ad-
miniſtrationsmaſchine überflüſſig ſind, namentlich auch in der Finanzverwal-
tung, von welcher bisher in dieſer Beziehung noch nie die Rede war, gleich
als ob ihr nicht vor allen andern die Aufgabe obläge ſich auf einen einfachern
Organismus zu reduciren. Wir erinnern uns daß ſeiner Zeit der damalige
Finanzminiſter Frhr. v. Krauß den von ihm ausgearbeiteten Finanzorganiſa-
tionsentwurf bezüglich ſeiner Complicirtheit unter anderm damit zu rechtferti-
gen ſuchte: die politiſche Verwaltung ſey noch complicirter, ein Grund der
ſchon damals Anlaß zu allerlei Gloſſen gab. Am Schluſſe der Schrift heißt
es: ſie ſey Theil eines dreitheiligen Ganzen, da ſie nur vom Verwaltungs-
organismus handle; einen zweiten Theil hätten die Regierungsprincipien über
die verſchiedenen Gruppen von Verwaltungsgegenſtänden zu bilden, und einen
dritten Theil die einheitliche politiſche Inſtitution. Daß der Verfaſſer ſich letz-
tere als einen Reichstag denkt, geht übrigens aus dem hervor was er über die
Landesvertretungen, deren Zuſammenſetzung, Zahl, dann Zeit und Ort der
Einberufung ſagt. Bemerkenswerth iſt ein Citat aus Gneiſts Werk, welches
lautet: „Ein ſo geſtalteter Staatsrath (nämlich im weſentlichen alle Elemente
enthaltend welche ſich im verſtärkten Reichsrath finden) iſt von Haus aus der
nothwendige Kern eines Oberhauſes.“ Nun, der Kern wird ſich wohl zur
Frucht geſtalten, und das Oberhaus kann dann ohne Unterhaus nicht bleiben.
Das iſt die Anſicht aller welche weiter denken als von heut auf morgen. In
einem kleinern Gefäß als Ober- und Unterhaus hat alles das nicht Raum
was die deutſchen Länder und die ungariſchen befriedigt, was die Magnaten
fordern und die übrigen Stände wünſchen, was den Oſten mit dem Weſten,
den Norden mit dem Süden verbinden ſoll.
Wien, 14 Jun. Auch aus den Berathungen der Ausſchüſſe, welche
während die Plenarſitzungen feiern, eifrig ihren Arbeiten obliegen, iſt bereits
manche Kunde in die Oeffentlichkeit gelangt. Ueber das Grundbuchcomité,
wo die Gegenſätze wieder ſchroff aufeinanderplatzten, haben wir nach dem
Wanderer in der Beilage berichtet. Die Oeſterr. Ztg. macht weiter
folgende Mittheilungen: Das Comité zur Begutachtung des Vergleichs-
verfahrens hat den Frhrn. v. Lichtenfels zum Obmann gewählt. Seine
Arbeit iſt beinahe vollendet. Es ſind nur wenige Abänderungen gemacht
worden, davon eine ausdrücklich auf den proviſoriſchen Charakter des Geſetzes
und auf den Erlaß einer allgemeinen Concursordnung hinweist. Erfreulich
iſt der Geiſt der ſich in dieſem Ausſchuß kundgibt noch inſofern, als man ſich
darin der Solidarität der Intereſſen des ganzen Staats bewußt iſt, und nicht
partielle Geſetze, ſondern eine Concursordnung fürs Reich fordert. Es iſt
nicht zu überſehen daß in dieſem Comité das bürgerliche Element das vor-
herrſchenbe iſt, und „der Bürgerſtand, ſo ſehr wie ein anderer von Vater-
landsliebe und dynaſtiſchen Sympathien beſeelt, um ſo mehr Rückſicht und
Pflege verdient als er mehr und mehr auch den geiſtigen Stock des geſammt-
öſterreichiſchen Patriotismus bildet.“ Das Finanzcomité hat in ſeiner erſten
Berathung zugleich einen principiellen Boden betreten. Man hat Sub-
comité’s gewählt, und es entſtand die Frage ob man dieſen Unterabtheilungen
Inſtructionen geben oder Principien vorſchreiben ſolle nach denen ſie vor-
zugehen hätten. Dieſer Anſicht wird entgegnet daß ein ſolcher Vorgang nicht
zweckdienlich ſey. Die Aufgabe des Reichsraths könne als eine zweifache be-
zeichnet werden, einmal das Budget für das Jahr 1861 zu prüfen, dann aber
Grundſätze für den Staatshaushalt überhaupt feſtzuſtellen. Das vorliegende
Budget ſolle ſtückweiſe geprüft werden, an der buchhalteriſchen Richtigkeit des-
ſelben beſtehe jedoch kein Zweifel, ebenſowenig daran daß die Regierung be-
reits ihr möglichſtes gethan habe um womöglich Erſparniſſe einzuführen.
Man müſſe der Regierung die Mittel des Fortbeſtehens gewähren. Zur Ein-
führung neuer Organiſationen reiche die Zeit bis zum Anfang des Verwal-
tungsjahrs nicht hin. Dieſe Principien würden nach der verſchiedenen Auf-
faſſung ſich im Reichsrath geltend zu machen ſuchen. Nach einer ſehr würde-
voll gehaltenen Discuſſion wurde alſo ein Beſchluß gefaßt, ungefähr dahin
gehend: Das Comité glaube es ſey nicht bloß ein Recht, ſondern eine Pflicht
des Reichsraths die höhern politiſchen Momente ins Auge zu faſſen, welche
dazu beitragen können eine Organiſation zu verleihen welche die Einheit der
Monarchie, ihre innere und äußere Kraft zu ſtärken vermöge, ſodann aber
wurden die Comité’s zur Prüfung der Vorlagen ernannt. Auf Verlangen
eines Mitglieds wurde das Wort „politiſche“ weggelaſſen und bloß „höhere
Momente“ geſetzt.
Schweiz.
𐌈 Bern, 14 Jun. Dem heutigen Tag widmet das St. Gallener
Tagblatt ein Memento, welches zu der laisser-faire-Politik der Staatsmänner
der Neuen Züricherin einen argen Contraſt bildet, und doch iſt dieſes Blatt
kein Organ radicaler Flachköpfe, Schreier und Schwindler, wie ſich Hr. Dubs
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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