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Allgemeine Zeitung, Nr. 167, 15. Juni 1860.

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[Spaltenumbruch] sehr Willens ist Europa den Frieden, ihren Unterthanen das Glück zu geben.
Napoleon III und Wilhelm von Preußen, Hand in Hand, ist die dauerhafteste
und die schönste aller Rheinbrücken, unter deren Bogen ein Strom von inni-
ger Freude und rauschendem Jubel dahinzieht."

So viele Worte, so viele
Unwahrheiten. Die deutschen Fürsten treten in Baden-Baden unter sich
zusammen, denn sie sind vom Prinz Regenten dazu eingeladen, aber sie
treten nicht mit Louis Napoleon zusammen. Dieser hat sich zu einem Besuch
dort in einer Weise angemeldet die nicht abzuweisen ist, weil doch die deut-
schen Fürsten nicht abläugnen können daß sie in Baden-Baden anwesend sind.

"Wilhelm von Preußen geht nicht mit Napoleon III Hand in Hand,"
der direct vom Annexionsfest kommt, und des Prinzen Hand bildet keine
Rheinbrücke, denn Preußen liegt auf beiden Seiten des Rheins. Der Straß-
burger Correspondent sagt speciell von der Allgemeinen Zeitung: "Die Augs-
burger Allg. Zeitung vom 10 Juni d. bringt endlich die Nachricht von der
bevorstehenden Zusammenkunft des Kaisers mit dem Prinz-Regenten von
Preußen. Das durchkreuzt natürlich die Plane, das widerspricht den Erwar-
tungen, das vernichtet die Hoffnungen der edeln Bayerin. Was man so
lange gehegt und gepflegt, den Zwiespalt zwischen Frankreich und
Deutschland,
sieht man mit einemmal in nichts zerfließen, kann noch
nicht an das Unglück glauben, und nimmt daher die Nachricht mit "Miß-
trauen" auf. Dieß ist zu charakteristisch für die Tendenz jenes Blattes, um
nicht hervorgehoben zu werden." Die Allgemeine Zeitung hegt und pflegt
nicht den Zwiespalt zwischen Frankreich und Deutschland, sondern sie hegt
und pflegt nur das Mißtrausen gegen den 2 December.

Dieser ist aber mit Frankreich nicht identisch, wenn er auch unum-
schränkter Herr des Landes ist. Daß er nicht identisch, beweisen die Sicher-
heitsgesetze, beweist die Handhabung der Justiz durch die Verwaltung, be-
weist die vollständige Unterdrückung der Preßfreiheit, die Censur der Kammer-
protokolle durch den Präsidenten etc. Die Geschichte des Suffrage universel
in Savoyen und Nizza beweist daß dieses Mittel in keinem Fall den natio-
nalen Willen constatirt; daß, ganz abgesehen davon, die Stimmabgabe auf
Grund welcher sich Louis Napoleon "durch den nationalen Willen Kaiser der
Franzosen nennt, nichts als eine grobe plumpe Täuschung ist. Louis Napoleon
ist Herr Frankreichs, das ist unzweifelhaft, aber er ist nicht Frankreich, und
wird nach dem Gesetz der Geschichte niemals Frankreich so corrumpiren, daß
es wirklich das Regime des zweiten Decembers aus freier Wahl anerkennt.
Die Allg. Ztg. säet also nicht Zwiespalt zwischen Frankreich und Deutschland,
denn die Gefahr von der sie heute die Unabhängigkeit und Freiheit des deut-
schen Vaterlands bedroht sieht, datirt vom Gelingen des Staatsstreichs und
von dem Regime das er zur Geltung brachte.

Eine Thatsache ist aber offenkundig: daß, seitdem dieses Regime zur Gel-
tung gekommen, Europa den Frieden verloren hot. Die Unvereinbarksit des-
selben mit dem Fortschritt der Welt, mit dem Bestehen der Freiheit und Ge-
sittung der Völker, ist in diesen Blättern zu oft und zu logisch nachgewiesen worden
um noch darüber ein Wort zu verlieren. Entweder das eine oder das andere
muß in Europa den Sieg erringen. Wir haben eine Menge von offenkun-
digen, unzweifelhaften Thatsachen angeführt, welche darthun wie die Plane
des zweiten Decembers jetzt gegen die deutschen Rheinlande gerichtet sind.
Die außerordentliche persönliche Mühe die sich Louis Napoleon gibt die
Deutschen in eine falsche Sicherheit zu wiegen, die Einigung zu verhindern
welche in Folge der Gefahr zwischen den Bedrohten zu entstehen begann, ma-
chen es zur Pflicht der Presse mehr denn je daran zu erinnern daß nur durch
die äußersten Anstrengungen, die umsichtigsten Maßnahmen und die zäheste
Ausdauer für Deutschland ein siegreicher Widerstand möglich ist. Die Rü-
stungen der Engländer verdoppelten sich von dem Tag an wo Louis Napo-
leon der Königin Victoria Friedensversicherungen gab. Vor allem möchten
wir daran erinnern daß nicht bloß die Völker, sondern noch mehr die Throne
von dem Regime des zweiten Decembers bedroht sind, daß dieser die Incar-
nation der Revolution ist. Gewiß wünschen die Deutschen vieles anders im
deutschen Vaterland, aber gewiß will die unendliche Mehrheit diese bessere
Zukunst nur auf dem Weg der Reform erstreben, und sicher sind "die wohl-
verstandenen Interessen" der Fürsten wie der Völker durchaus identisch. Jede
Furcht vor der Nevolution muß daher die deutschen Fürsten vom zweiten De-
cember entsernen. Bei den deutschen Fürsten wird hoffentlich auch jeder Ver-
such sie zu bethören ebenso sicher scheitern wie am deutschen Volk. Weniger
sicher ist leider daß man in England den unangenehmen Zwischenfall richtig
auffasse. Die Haltung des englischen Cabinets in der sictlischen Angelegen-
heit verbürgt daß, abgesehen von Gladstone und Gibson, jede Neigung mit
der kaiserlichen Regierung zusammenzugehen aus dem Cabinet geschwunden
ist. Die nächsten Tage werden dieß nur noch offenkundiger machen. Viel-
leicht ist es eben dieser Umschwung welcher Louis Napoleon dazu brachte
endlich in Baden-Baden persönlich seine Kunst am Prinz-Regenten zu ver-
suchen. Daß alle dort erscheinenden deutschen Fürsten ohne ihre Minister
und lediglich mit militärischer Begleitung seyn werden, verschweigen natürlich
die sraitzösischen Blätter.

[Spaltenumbruch]

Wie die öffentliche Meinung außerhalb der inspirirten Presse den kaiser-
lichen Besuch in Baden Baden auffaßt, geht aus folgenden Zeilen der L. C.
hervor. Sie sagt: "Die Reise des Kaisers nach Baden beschäftigt
alle politischen Kreise, und je näher der Zeitpunkt ihrer Verwirklichung rückt,
umsomehr Gewicht scheint man derselben beilegen zu wollen. Es wird er-
zählt L. Napoleon habe dem Prinz-Regenten von Preußen sagen lassen, er
habe von dessen bevorstehendem Besuch in Baden-Baden Kenntniß erhalten,
und wolle diese Gelegenheit benützen ihm (dem Prinz-Regenten) einen Be-
such zu machen, da er eine wichtige Mittheilung für Se. k. Hoheit habe.
Einem in dieser Form ausgesprochenen Wunsch oder Gesuch
ließ sich ohne directe Feind seligkeit unmöglich ausweichen.
Die Gerüchte die man hier verbreitet, verdienen wohl kaum
Erwähnung
. Die Journale müssen sich ohnehin darauf gefaßt machen
einige Zeitlang an dieser Zusammenkunft zu zehren. Die diplomatischen
Enthüllungen und Offenbarungen der verschiedensten Art werden uns gewiß
nicht erspart bleiben."

Der Entwurf zu dem die Einverleibung Savoyens und Nizza's in Frank-
reich betreffenden Senatusconsult lautet, wie folgt: Art. 1. Savoyen und
das Arrondissement Nizza bilden einen integrirenden Theil des französischen
Kaiserreichs. Die Constitution und die französischen Gesetze werden dort
vom 1 Januar 1861 ab execatorisch. Art. 2. Die Eintheilung der mit
Frankreich vereinigten Territorien in Gerichtshofbezirke und in Departements
wird durch ein Gesetz festgestellt werden. Art. 3. Die verschiedenen Maß-
nahmen wegen Einsetzung der Zolllinien und alle sonstigen Verfügungen
wegen Einführung der französischen Verwaltungsweise in diesen Territorien
können mittelst kaiserlicher Decrete vor dem 1 Januar 1861 geregelt werden
Diese Decrete werden Gesetzeskraft haben. Dieser Entwurf des Senatus-
consults wurde vom Staatsrath in der Sitzung vom 11 Juni 1860 be-
rathen und angenommen. Der Entwurf ist bekanntlich ohne Berathung
angenommen.

Der heutige Artikel des Constitutionnel über Sicilien läßt vermuthen
daß die energische Haltung des englischen Cabinets die bonapartistischen Plane
durchkreuzt habe. In dem Vertrag von Plombieres ist über die Annexion
Siciliens ebenfalls ein Abschluß getroffen. Wie man sagt, sollte dafür Ligu-
rien an Frankreich fallen, für Neapel Sardinien. Garibaldi hat im Namen
Victor Emmanuels von Sicilien Besitz ergriffen, die Sanction darüber durch
das Suffrage universel ist bereits von Paris verkündet. Heute erklärt das
officiöse Blatt, demzufolge die neapolitanische Regierung wegen ihrer blin-
den Verstocktheit rechtlos geworden ist, "daß, wer in Sicilien gelebt hat, weiß
daß die Mehrzahl der Bevölkerung nicht Garibaldi's Plane theilt." Die
Besetzung des Forts von Castellamare durch die Engländer wurde, wie es
scheint, dadurch vermieden daß französischerseits bestimmte Erklärangen gege-
ben wurden. War es vielleicht die: Sicilien werde nicht annexirt werden?
Nach der bei der Annexion Savoyens ausgesprochenen Theorie muß sonst,
auch ohne Kenntniß des Vertrags von Plombieres, England weitere Vergrö-
ßerung Frankreichs fürchten. In jedem Falle bleibt der merkwürdige Um-
schwung in der kaiserlichen Politik in Betreff Siciliens unerklärt, wenn man
nicht annehmen will daß der englische Einfluß die Ursache sey.

Die Aufsehen erregende Nachricht des Nord, daß
wegen der durch den Berner Bundesrath unterhaltenen Volksaufregung in
der Schweiz eine französische Division nach der dortigen Gränze geschickt wird,
ist darauf zu beschränken daß außerordentliche militärische und polizeiliche
Maßregeln längs der französisch schweizerischen Gränzen zu dem Zweck ange-
ordnet wurden den Staatsmännern der Schweiz es recht fühlbar zu machen
wie sehr man ihrer in Paris überdrüssig ist. In politischen Kreisen ver-
spricht man sich von der Zusammenkunft in Baden-Baden nichts gutes, und
in diplomatischen Kreisen sindet man die Nachäffung der römischen Sie-
gesfeste
unter dem ersten Kaiserthum mehr als anstößig. Eine starke Ab-
theilung von Sicherheitsorganen in Civilkleidern und von politischen Referen-
ten wurde schon heute mittelst der Ostbahn, und eine zweite mittelst der Nord-
bahn nach dem Rhein geschafft. Hr. Thouvenel wird den Kaiser begleiten,
um, nach der geheimen Unterredung zwischen dem Kaiser und dem Prinz-
Regenten, mit dem preußischen Minister zu conferiren. Aus dem Festpro-
gramm mußte die Anwesenheit des Kaisers bei dem Tedeum gestrichen wer-
den, da es sich als unmöglich herausstellte das diplomatische Corps dazu zu
pressen. Sogar der sardinische Gesandte weigerte sich dem Tedeum für den
glücklich vollbrachten Verlust Savoyens und Nizza's beizuwohnen. Es blieb
also kein anderes Mittel übrig als das Wegbleiben der Diplomaten durch die
Abwesenheit des Hofes zu entschuldigen. Wenn das Wetter und die Volks-
stimmung sich nicht über Nacht ändern, wird das Fest flau und kalt genug
ausfallen. Schon heute Abends trägt man von Haus zu Haus den obrig-
keitlichen Befehl morgen alle Fenster zu beleuchten. In den meisten Mar-
chands de Vin der Vorstädle werden von nicht näher zu bezeichnenden Sub-
jecten populäre Vorträge über Gloire, Victoire und Napoleon gehalten, um
die Ateliers zu echauffiren. Den Journalen ist eine Amnestie versprochen

[Spaltenumbruch] ſehr Willens iſt Europa den Frieden, ihren Unterthanen das Glück zu geben.
Napoleon III und Wilhelm von Preußen, Hand in Hand, iſt die dauerhafteſte
und die ſchönſte aller Rheinbrücken, unter deren Bogen ein Strom von inni-
ger Freude und rauſchendem Jubel dahinzieht.“

So viele Worte, ſo viele
Unwahrheiten. Die deutſchen Fürſten treten in Baden-Baden unter ſich
zuſammen, denn ſie ſind vom Prinz Regenten dazu eingeladen, aber ſie
treten nicht mit Louis Napoleon zuſammen. Dieſer hat ſich zu einem Beſuch
dort in einer Weiſe angemeldet die nicht abzuweiſen iſt, weil doch die deut-
ſchen Fürſten nicht abläugnen können daß ſie in Baden-Baden anweſend ſind.

„Wilhelm von Preußen geht nicht mit Napoleon III Hand in Hand,“
der direct vom Annexionsfeſt kommt, und des Prinzen Hand bildet keine
Rheinbrücke, denn Preußen liegt auf beiden Seiten des Rheins. Der Straß-
burger Correſpondent ſagt ſpeciell von der Allgemeinen Zeitung: „Die Augs-
burger Allg. Zeitung vom 10 Juni d. bringt endlich die Nachricht von der
bevorſtehenden Zuſammenkunft des Kaiſers mit dem Prinz-Regenten von
Preußen. Das durchkreuzt natürlich die Plane, das widerſpricht den Erwar-
tungen, das vernichtet die Hoffnungen der edeln Bayerin. Was man ſo
lange gehegt und gepflegt, den Zwieſpalt zwiſchen Frankreich und
Deutſchland,
ſieht man mit einemmal in nichts zerfließen, kann noch
nicht an das Unglück glauben, und nimmt daher die Nachricht mit „Miß-
trauen“ auf. Dieß iſt zu charakteriſtiſch für die Tendenz jenes Blattes, um
nicht hervorgehoben zu werden.“ Die Allgemeine Zeitung hegt und pflegt
nicht den Zwieſpalt zwiſchen Frankreich und Deutſchland, ſondern ſie hegt
und pflegt nur das Mißtrauſen gegen den 2 December.

Dieſer iſt aber mit Frankreich nicht identiſch, wenn er auch unum-
ſchränkter Herr des Landes iſt. Daß er nicht identiſch, beweiſen die Sicher-
heitsgeſetze, beweist die Handhabung der Juſtiz durch die Verwaltung, be-
weist die vollſtändige Unterdrückung der Preßfreiheit, die Cenſur der Kammer-
protokolle durch den Präſidenten ꝛc. Die Geſchichte des Suffrage univerſel
in Savoyen und Nizza beweist daß dieſes Mittel in keinem Fall den natio-
nalen Willen conſtatirt; daß, ganz abgeſehen davon, die Stimmabgabe auf
Grund welcher ſich Louis Napoleon „durch den nationalen Willen Kaiſer der
Franzoſen nennt, nichts als eine grobe plumpe Täuſchung iſt. Louis Napoleon
iſt Herr Frankreichs, das iſt unzweifelhaft, aber er iſt nicht Frankreich, und
wird nach dem Geſetz der Geſchichte niemals Frankreich ſo corrumpiren, daß
es wirklich das Régime des zweiten Decembers aus freier Wahl anerkennt.
Die Allg. Ztg. ſäet alſo nicht Zwieſpalt zwiſchen Frankreich und Deutſchland,
denn die Gefahr von der ſie heute die Unabhängigkeit und Freiheit des deut-
ſchen Vaterlands bedroht ſieht, datirt vom Gelingen des Staatsſtreichs und
von dem Régime das er zur Geltung brachte.

Eine Thatſache iſt aber offenkundig: daß, ſeitdem dieſes Régime zur Gel-
tung gekommen, Europa den Frieden verloren hot. Die Unvereinbarksit des-
ſelben mit dem Fortſchritt der Welt, mit dem Beſtehen der Freiheit und Ge-
ſittung der Völker, iſt in dieſen Blättern zu oft und zu logiſch nachgewieſen worden
um noch darüber ein Wort zu verlieren. Entweder das eine oder das andere
muß in Europa den Sieg erringen. Wir haben eine Menge von offenkun-
digen, unzweifelhaften Thatſachen angeführt, welche darthun wie die Plane
des zweiten Decembers jetzt gegen die deutſchen Rheinlande gerichtet ſind.
Die außerordentliche perſönliche Mühe die ſich Louis Napoleon gibt die
Deutſchen in eine falſche Sicherheit zu wiegen, die Einigung zu verhindern
welche in Folge der Gefahr zwiſchen den Bedrohten zu entſtehen begann, ma-
chen es zur Pflicht der Preſſe mehr denn je daran zu erinnern daß nur durch
die äußerſten Anſtrengungen, die umſichtigſten Maßnahmen und die zäheſte
Ausdauer für Deutſchland ein ſiegreicher Widerſtand möglich iſt. Die Rü-
ſtungen der Engländer verdoppelten ſich von dem Tag an wo Louis Napo-
leon der Königin Victoria Friedensverſicherungen gab. Vor allem möchten
wir daran erinnern daß nicht bloß die Völker, ſondern noch mehr die Throne
von dem Régime des zweiten Decembers bedroht ſind, daß dieſer die Incar-
nation der Revolution iſt. Gewiß wünſchen die Deutſchen vieles anders im
deutſchen Vaterland, aber gewiß will die unendliche Mehrheit dieſe beſſere
Zukunſt nur auf dem Weg der Reform erſtreben, und ſicher ſind „die wohl-
verſtandenen Intereſſen“ der Fürſten wie der Völker durchaus identiſch. Jede
Furcht vor der Nevolution muß daher die deutſchen Fürſten vom zweiten De-
cember entſernen. Bei den deutſchen Fürſten wird hoffentlich auch jeder Ver-
ſuch ſie zu bethören ebenſo ſicher ſcheitern wie am deutſchen Volk. Weniger
ſicher iſt leider daß man in England den unangenehmen Zwiſchenfall richtig
auffaſſe. Die Haltung des engliſchen Cabinets in der ſictliſchen Angelegen-
heit verbürgt daß, abgeſehen von Gladſtone und Gibſon, jede Neigung mit
der kaiſerlichen Regierung zuſammenzugehen aus dem Cabinet geſchwunden
iſt. Die nächſten Tage werden dieß nur noch offenkundiger machen. Viel-
leicht iſt es eben dieſer Umſchwung welcher Louis Napoleon dazu brachte
endlich in Baden-Baden perſönlich ſeine Kunſt am Prinz-Regenten zu ver-
ſuchen. Daß alle dort erſcheinenden deutſchen Fürſten ohne ihre Miniſter
und lediglich mit militäriſcher Begleitung ſeyn werden, verſchweigen natürlich
die ſraitzöſiſchen Blätter.

[Spaltenumbruch]

Wie die öffentliche Meinung außerhalb der inſpirirten Preſſe den kaiſer-
lichen Beſuch in Baden Baden auffaßt, geht aus folgenden Zeilen der L. C.
hervor. Sie ſagt: „Die Reiſe des Kaiſers nach Baden beſchäftigt
alle politiſchen Kreiſe, und je näher der Zeitpunkt ihrer Verwirklichung rückt,
umſomehr Gewicht ſcheint man derſelben beilegen zu wollen. Es wird er-
zählt L. Napoleon habe dem Prinz-Regenten von Preußen ſagen laſſen, er
habe von deſſen bevorſtehendem Beſuch in Baden-Baden Kenntniß erhalten,
und wolle dieſe Gelegenheit benützen ihm (dem Prinz-Regenten) einen Be-
ſuch zu machen, da er eine wichtige Mittheilung für Se. k. Hoheit habe.
Einem in dieſer Form ausgeſprochenen Wunſch oder Geſuch
ließ ſich ohne directe Feind ſeligkeit unmöglich ausweichen.
Die Gerüchte die man hier verbreitet, verdienen wohl kaum
Erwähnung
. Die Journale müſſen ſich ohnehin darauf gefaßt machen
einige Zeitlang an dieſer Zuſammenkunft zu zehren. Die diplomatiſchen
Enthüllungen und Offenbarungen der verſchiedenſten Art werden uns gewiß
nicht erſpart bleiben.“

Der Entwurf zu dem die Einverleibung Savoyens und Nizza’s in Frank-
reich betreffenden Senatusconſult lautet, wie folgt: Art. 1. Savoyen und
das Arrondiſſement Nizza bilden einen integrirenden Theil des franzöſiſchen
Kaiſerreichs. Die Conſtitution und die franzöſiſchen Geſetze werden dort
vom 1 Januar 1861 ab execatoriſch. Art. 2. Die Eintheilung der mit
Frankreich vereinigten Territorien in Gerichtshofbezirke und in Departements
wird durch ein Geſetz feſtgeſtellt werden. Art. 3. Die verſchiedenen Maß-
nahmen wegen Einſetzung der Zolllinien und alle ſonſtigen Verfügungen
wegen Einführung der franzöſiſchen Verwaltungsweiſe in dieſen Territorien
können mittelſt kaiſerlicher Decrete vor dem 1 Januar 1861 geregelt werden
Dieſe Decrete werden Geſetzeskraft haben. Dieſer Entwurf des Senatus-
conſults wurde vom Staatsrath in der Sitzung vom 11 Juni 1860 be-
rathen und angenommen. Der Entwurf iſt bekanntlich ohne Berathung
angenommen.

Der heutige Artikel des Conſtitutionnel über Sicilien läßt vermuthen
daß die energiſche Haltung des engliſchen Cabinets die bonapartiſtiſchen Plane
durchkreuzt habe. In dem Vertrag von Plombières iſt über die Annexion
Siciliens ebenfalls ein Abſchluß getroffen. Wie man ſagt, ſollte dafür Ligu-
rien an Frankreich fallen, für Neapel Sardinien. Garibaldi hat im Namen
Victor Emmanuels von Sicilien Beſitz ergriffen, die Sanction darüber durch
das Suffrage univerſel iſt bereits von Paris verkündet. Heute erklärt das
officiöſe Blatt, demzufolge die neapolitaniſche Regierung wegen ihrer blin-
den Verſtocktheit rechtlos geworden iſt, „daß, wer in Sicilien gelebt hat, weiß
daß die Mehrzahl der Bevölkerung nicht Garibaldi’s Plane theilt.“ Die
Beſetzung des Forts von Caſtellamare durch die Engländer wurde, wie es
ſcheint, dadurch vermieden daß franzöſiſcherſeits beſtimmte Erklärangen gege-
ben wurden. War es vielleicht die: Sicilien werde nicht annexirt werden?
Nach der bei der Annexion Savoyens ausgeſprochenen Theorie muß ſonſt,
auch ohne Kenntniß des Vertrags von Plombières, England weitere Vergrö-
ßerung Frankreichs fürchten. In jedem Falle bleibt der merkwürdige Um-
ſchwung in der kaiſerlichen Politik in Betreff Siciliens unerklärt, wenn man
nicht annehmen will daß der engliſche Einfluß die Urſache ſey.

Die Aufſehen erregende Nachricht des Nord, daß
wegen der durch den Berner Bundesrath unterhaltenen Volksaufregung in
der Schweiz eine franzöſiſche Diviſion nach der dortigen Gränze geſchickt wird,
iſt darauf zu beſchränken daß außerordentliche militäriſche und polizeiliche
Maßregeln längs der franzöſiſch ſchweizeriſchen Gränzen zu dem Zweck ange-
ordnet wurden den Staatsmännern der Schweiz es recht fühlbar zu machen
wie ſehr man ihrer in Paris überdrüſſig iſt. In politiſchen Kreiſen ver-
ſpricht man ſich von der Zuſammenkunft in Baden-Baden nichts gutes, und
in diplomatiſchen Kreiſen ſindet man die Nachäffung der römiſchen Sie-
gesfeſte
unter dem erſten Kaiſerthum mehr als anſtößig. Eine ſtarke Ab-
theilung von Sicherheitsorganen in Civilkleidern und von politiſchen Referen-
ten wurde ſchon heute mittelſt der Oſtbahn, und eine zweite mittelſt der Nord-
bahn nach dem Rhein geſchafft. Hr. Thouvenel wird den Kaiſer begleiten,
um, nach der geheimen Unterredung zwiſchen dem Kaiſer und dem Prinz-
Regenten, mit dem preußiſchen Miniſter zu conferiren. Aus dem Feſtpro-
gramm mußte die Anweſenheit des Kaiſers bei dem Tedeum geſtrichen wer-
den, da es ſich als unmöglich herausſtellte das diplomatiſche Corps dazu zu
preſſen. Sogar der ſardiniſche Geſandte weigerte ſich dem Tedeum für den
glücklich vollbrachten Verluſt Savoyens und Nizza’s beizuwohnen. Es blieb
alſo kein anderes Mittel übrig als das Wegbleiben der Diplomaten durch die
Abweſenheit des Hofes zu entſchuldigen. Wenn das Wetter und die Volks-
ſtimmung ſich nicht über Nacht ändern, wird das Feſt flau und kalt genug
ausfallen. Schon heute Abends trägt man von Haus zu Haus den obrig-
keitlichen Befehl morgen alle Fenſter zu beleuchten. In den meiſten Mar-
chands de Vin der Vorſtädle werden von nicht näher zu bezeichnenden Sub-
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[2786/0006] ſehr Willens iſt Europa den Frieden, ihren Unterthanen das Glück zu geben. Napoleon III und Wilhelm von Preußen, Hand in Hand, iſt die dauerhafteſte und die ſchönſte aller Rheinbrücken, unter deren Bogen ein Strom von inni- ger Freude und rauſchendem Jubel dahinzieht.“ So viele Worte, ſo viele Unwahrheiten. Die deutſchen Fürſten treten in Baden-Baden unter ſich zuſammen, denn ſie ſind vom Prinz Regenten dazu eingeladen, aber ſie treten nicht mit Louis Napoleon zuſammen. Dieſer hat ſich zu einem Beſuch dort in einer Weiſe angemeldet die nicht abzuweiſen iſt, weil doch die deut- ſchen Fürſten nicht abläugnen können daß ſie in Baden-Baden anweſend ſind. „Wilhelm von Preußen geht nicht mit Napoleon III Hand in Hand,“ der direct vom Annexionsfeſt kommt, und des Prinzen Hand bildet keine Rheinbrücke, denn Preußen liegt auf beiden Seiten des Rheins. Der Straß- burger Correſpondent ſagt ſpeciell von der Allgemeinen Zeitung: „Die Augs- burger Allg. 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Daß er nicht identiſch, beweiſen die Sicher- heitsgeſetze, beweist die Handhabung der Juſtiz durch die Verwaltung, be- weist die vollſtändige Unterdrückung der Preßfreiheit, die Cenſur der Kammer- protokolle durch den Präſidenten ꝛc. Die Geſchichte des Suffrage univerſel in Savoyen und Nizza beweist daß dieſes Mittel in keinem Fall den natio- nalen Willen conſtatirt; daß, ganz abgeſehen davon, die Stimmabgabe auf Grund welcher ſich Louis Napoleon „durch den nationalen Willen Kaiſer der Franzoſen nennt, nichts als eine grobe plumpe Täuſchung iſt. Louis Napoleon iſt Herr Frankreichs, das iſt unzweifelhaft, aber er iſt nicht Frankreich, und wird nach dem Geſetz der Geſchichte niemals Frankreich ſo corrumpiren, daß es wirklich das Régime des zweiten Decembers aus freier Wahl anerkennt. Die Allg. Ztg. ſäet alſo nicht Zwieſpalt zwiſchen Frankreich und Deutſchland, denn die Gefahr von der ſie heute die Unabhängigkeit und Freiheit des deut- ſchen Vaterlands bedroht ſieht, datirt vom Gelingen des Staatsſtreichs und von dem Régime das er zur Geltung brachte. Eine Thatſache iſt aber offenkundig: daß, ſeitdem dieſes Régime zur Gel- tung gekommen, Europa den Frieden verloren hot. Die Unvereinbarksit des- ſelben mit dem Fortſchritt der Welt, mit dem Beſtehen der Freiheit und Ge- ſittung der Völker, iſt in dieſen Blättern zu oft und zu logiſch nachgewieſen worden um noch darüber ein Wort zu verlieren. Entweder das eine oder das andere muß in Europa den Sieg erringen. Wir haben eine Menge von offenkun- digen, unzweifelhaften Thatſachen angeführt, welche darthun wie die Plane des zweiten Decembers jetzt gegen die deutſchen Rheinlande gerichtet ſind. Die außerordentliche perſönliche Mühe die ſich Louis Napoleon gibt die Deutſchen in eine falſche Sicherheit zu wiegen, die Einigung zu verhindern welche in Folge der Gefahr zwiſchen den Bedrohten zu entſtehen begann, ma- chen es zur Pflicht der Preſſe mehr denn je daran zu erinnern daß nur durch die äußerſten Anſtrengungen, die umſichtigſten Maßnahmen und die zäheſte Ausdauer für Deutſchland ein ſiegreicher Widerſtand möglich iſt. Die Rü- ſtungen der Engländer verdoppelten ſich von dem Tag an wo Louis Napo- leon der Königin Victoria Friedensverſicherungen gab. Vor allem möchten wir daran erinnern daß nicht bloß die Völker, ſondern noch mehr die Throne von dem Régime des zweiten Decembers bedroht ſind, daß dieſer die Incar- nation der Revolution iſt. Gewiß wünſchen die Deutſchen vieles anders im deutſchen Vaterland, aber gewiß will die unendliche Mehrheit dieſe beſſere Zukunſt nur auf dem Weg der Reform erſtreben, und ſicher ſind „die wohl- verſtandenen Intereſſen“ der Fürſten wie der Völker durchaus identiſch. Jede Furcht vor der Nevolution muß daher die deutſchen Fürſten vom zweiten De- cember entſernen. Bei den deutſchen Fürſten wird hoffentlich auch jeder Ver- ſuch ſie zu bethören ebenſo ſicher ſcheitern wie am deutſchen Volk. Weniger ſicher iſt leider daß man in England den unangenehmen Zwiſchenfall richtig auffaſſe. Die Haltung des engliſchen Cabinets in der ſictliſchen Angelegen- heit verbürgt daß, abgeſehen von Gladſtone und Gibſon, jede Neigung mit der kaiſerlichen Regierung zuſammenzugehen aus dem Cabinet geſchwunden iſt. Die nächſten Tage werden dieß nur noch offenkundiger machen. Viel- leicht iſt es eben dieſer Umſchwung welcher Louis Napoleon dazu brachte endlich in Baden-Baden perſönlich ſeine Kunſt am Prinz-Regenten zu ver- ſuchen. Daß alle dort erſcheinenden deutſchen Fürſten ohne ihre Miniſter und lediglich mit militäriſcher Begleitung ſeyn werden, verſchweigen natürlich die ſraitzöſiſchen Blätter. Wie die öffentliche Meinung außerhalb der inſpirirten Preſſe den kaiſer- lichen Beſuch in Baden Baden auffaßt, geht aus folgenden Zeilen der L. C. hervor. Sie ſagt: „Die Reiſe des Kaiſers nach Baden beſchäftigt alle politiſchen Kreiſe, und je näher der Zeitpunkt ihrer Verwirklichung rückt, umſomehr Gewicht ſcheint man derſelben beilegen zu wollen. Es wird er- zählt L. Napoleon habe dem Prinz-Regenten von Preußen ſagen laſſen, er habe von deſſen bevorſtehendem Beſuch in Baden-Baden Kenntniß erhalten, und wolle dieſe Gelegenheit benützen ihm (dem Prinz-Regenten) einen Be- ſuch zu machen, da er eine wichtige Mittheilung für Se. k. Hoheit habe. Einem in dieſer Form ausgeſprochenen Wunſch oder Geſuch ließ ſich ohne directe Feind ſeligkeit unmöglich ausweichen. Die Gerüchte die man hier verbreitet, verdienen wohl kaum Erwähnung. Die Journale müſſen ſich ohnehin darauf gefaßt machen einige Zeitlang an dieſer Zuſammenkunft zu zehren. Die diplomatiſchen Enthüllungen und Offenbarungen der verſchiedenſten Art werden uns gewiß nicht erſpart bleiben.“ Der Entwurf zu dem die Einverleibung Savoyens und Nizza’s in Frank- reich betreffenden Senatusconſult lautet, wie folgt: Art. 1. Savoyen und das Arrondiſſement Nizza bilden einen integrirenden Theil des franzöſiſchen Kaiſerreichs. Die Conſtitution und die franzöſiſchen Geſetze werden dort vom 1 Januar 1861 ab execatoriſch. Art. 2. Die Eintheilung der mit Frankreich vereinigten Territorien in Gerichtshofbezirke und in Departements wird durch ein Geſetz feſtgeſtellt werden. Art. 3. Die verſchiedenen Maß- nahmen wegen Einſetzung der Zolllinien und alle ſonſtigen Verfügungen wegen Einführung der franzöſiſchen Verwaltungsweiſe in dieſen Territorien können mittelſt kaiſerlicher Decrete vor dem 1 Januar 1861 geregelt werden Dieſe Decrete werden Geſetzeskraft haben. Dieſer Entwurf des Senatus- conſults wurde vom Staatsrath in der Sitzung vom 11 Juni 1860 be- rathen und angenommen. Der Entwurf iſt bekanntlich ohne Berathung angenommen. Der heutige Artikel des Conſtitutionnel über Sicilien läßt vermuthen daß die energiſche Haltung des engliſchen Cabinets die bonapartiſtiſchen Plane durchkreuzt habe. In dem Vertrag von Plombières iſt über die Annexion Siciliens ebenfalls ein Abſchluß getroffen. Wie man ſagt, ſollte dafür Ligu- rien an Frankreich fallen, für Neapel Sardinien. Garibaldi hat im Namen Victor Emmanuels von Sicilien Beſitz ergriffen, die Sanction darüber durch das Suffrage univerſel iſt bereits von Paris verkündet. Heute erklärt das officiöſe Blatt, demzufolge die neapolitaniſche Regierung wegen ihrer blin- den Verſtocktheit rechtlos geworden iſt, „daß, wer in Sicilien gelebt hat, weiß daß die Mehrzahl der Bevölkerung nicht Garibaldi’s Plane theilt.“ Die Beſetzung des Forts von Caſtellamare durch die Engländer wurde, wie es ſcheint, dadurch vermieden daß franzöſiſcherſeits beſtimmte Erklärangen gege- ben wurden. War es vielleicht die: Sicilien werde nicht annexirt werden? Nach der bei der Annexion Savoyens ausgeſprochenen Theorie muß ſonſt, auch ohne Kenntniß des Vertrags von Plombières, England weitere Vergrö- ßerung Frankreichs fürchten. In jedem Falle bleibt der merkwürdige Um- ſchwung in der kaiſerlichen Politik in Betreff Siciliens unerklärt, wenn man nicht annehmen will daß der engliſche Einfluß die Urſache ſey. • Paris, 13 Jun. Die Aufſehen erregende Nachricht des Nord, daß wegen der durch den Berner Bundesrath unterhaltenen Volksaufregung in der Schweiz eine franzöſiſche Diviſion nach der dortigen Gränze geſchickt wird, iſt darauf zu beſchränken daß außerordentliche militäriſche und polizeiliche Maßregeln längs der franzöſiſch ſchweizeriſchen Gränzen zu dem Zweck ange- ordnet wurden den Staatsmännern der Schweiz es recht fühlbar zu machen wie ſehr man ihrer in Paris überdrüſſig iſt. In politiſchen Kreiſen ver- ſpricht man ſich von der Zuſammenkunft in Baden-Baden nichts gutes, und in diplomatiſchen Kreiſen ſindet man die Nachäffung der römiſchen Sie- gesfeſte unter dem erſten Kaiſerthum mehr als anſtößig. Eine ſtarke Ab- theilung von Sicherheitsorganen in Civilkleidern und von politiſchen Referen- ten wurde ſchon heute mittelſt der Oſtbahn, und eine zweite mittelſt der Nord- bahn nach dem Rhein geſchafft. Hr. Thouvenel wird den Kaiſer begleiten, um, nach der geheimen Unterredung zwiſchen dem Kaiſer und dem Prinz- Regenten, mit dem preußiſchen Miniſter zu conferiren. Aus dem Feſtpro- gramm mußte die Anweſenheit des Kaiſers bei dem Tedeum geſtrichen wer- den, da es ſich als unmöglich herausſtellte das diplomatiſche Corps dazu zu preſſen. Sogar der ſardiniſche Geſandte weigerte ſich dem Tedeum für den glücklich vollbrachten Verluſt Savoyens und Nizza’s beizuwohnen. Es blieb alſo kein anderes Mittel übrig als das Wegbleiben der Diplomaten durch die Abweſenheit des Hofes zu entſchuldigen. Wenn das Wetter und die Volks- ſtimmung ſich nicht über Nacht ändern, wird das Feſt flau und kalt genug ausfallen. Schon heute Abends trägt man von Haus zu Haus den obrig- keitlichen Befehl morgen alle Fenſter zu beleuchten. In den meiſten Mar- chands de Vin der Vorſtädle werden von nicht näher zu bezeichnenden Sub- jecten populäre Vorträge über Gloire, Victoire und Napoleon gehalten, um die Ateliers zu echauffiren. Den Journalen iſt eine Amneſtie verſprochen

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 167, 15. Juni 1860, S. 2786. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine167_1860/6>, abgerufen am 24.11.2024.