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Allgemeine Zeitung, Nr. 167, 15. Juni 1860.

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AUGSBURG. Das Abonnement,
welches jo vierteljährlich und halb-
jährlich angenommen wird, boträgt in
Bayern vierteljährlich 4 fl. 45 kr.
Vereinsmünze.

Allgemeine Zeitung.

Inserate werden von der Expedition
ausgenommen und der Raum einer
dreispaltigen Colonelzeile berechnet:
im Hauptblatt mit 12 kr., in der
Beilage mit 9 kr.



Freitag Nr. 167. 15 Junius 1860.

Correspondenzen sind an die Redaction, Inserate dagegen an die Expedition der Allgemeinen Zeitung zu adresstren.
Man abonnirt bei allen Postamtern Deutschlands Oesterreichs und der Schweiz; für Frankreich, Sardinten, Spanten und Portugal bei G. A. Alexandre in Strasburg, Paris bei demselben,
2 Cour du Commerce St. Andre des Arts, und bei der deutschen Buchhandlung von F. Klincksteck. Nr. 11 rue de Lille, oder bei dem Postamt in Karlsruhe; für England bei Williams & Norgate,
14 Henriette-Street, Covent-Garden in London für Nordamerika bei dem königl. preussischen Postamt Cöln oder Westermann & Comp, in New-York; für Italien bei den k. k. Postämtern zu
Innsbruck, Verona, Venedig, Triest und Mailand; im Kirchenstaat and den Herzogthumern Lucca, Modena, Parma und Toscana bei Buchhändler H. F. Münster in Verona: für Neapel und
Sicilien bei Buchhändler Albert Detken in Neapel: für Griechemand, Türkei und die Levante etc. beim k. k. Postamt in Triest.

[Spaltenumbruch]
Uebersicht.
Die Plane des zweiten December.
Deutschland.München (die Thiersch'sche Antikensammlung verkauft);
Kaiserslautern (zur Gesangsbuchsfrage); Aus der Pfalz (Anschluß an
die Heidelberger Erklärung. Aus Bergzabern); Darmstadt (Veränderungen
im höhern Staatsdienst); Arolsen (Anträge wegen Kurhessen und Schles-
wig); Hannoder (aus der ersten Kammer); Berlin (die Zusammenkunft
in Baden. Die neuen Militärorganisationen. Prof. Nitzsch. Neuwahl für
Wentzel. Schreiben des württembergischen Justizministers über den deutschen
Juristentag. Die Preuß. Zeitung über den verstärkten Reichsrath. Erklä-
rung); Breslau (die Suspension Prof. Dr. Baltzers).
Schweiz.Bern (Urtheil im Proceß Perrier und Genossen. Das eid-
genössische Budget für 1861. Die St. Gotthardt-Conferenz. Eine neue Note
des Bundesraths an seine Geschäststräger im Ausland betreffend die savoyi-
sche Frage).
Großbritannien. Die Zurückziehung der Russell'schen Reformbill
im Unterhaus. Admiral Hawker +. Jubelhymne der Times über Sicilien.
Die dießjährige brittische Naturforscherversammlung.
Frankreich. Die französische Presse über den Besuch in Baden-Baden.
Die Annexion. Die Trennung des englischen Cabinets. Der Umschwung in
der Politik gegen Sicilien. Die Maßnahmen gegen die Schweiz. Das
Anschlußfest.
Italien.Rom (Corpus Domini-Fest ohne Demonstration. Gnaden-
act. Militärische Auszeichnungen. Neuer Handelsminister. Gazzetta di
Genova); Turin (Senatsverbandlungen über den Abtretungsvertrag. Der
Engländer Rainshaw in den Grafenstand erhoben. Domherr Ortalda frei.
Abwehr).
Handels- und Börsennachrichten.Wien (der Stand der
Saaten und die öfterreichische Nationalbank).
Neueste Posten.Frankfurt (der Prinz-Regent von Preußen);
Koburg (die Zusammerkunft deutscher Fürsten in Baden-Baden und der
Besuch des französischen Kaisers.


Telegraphische Berichte.

Auch der Herzog von Nassau
ist angemeldet.


Das Dresdner Journal meldet:
König Johann geht auf Einladung des Prinz-Regenten von Preußen
heute Abend nach Baden-Baden, in Begleitung des Oberstallmeisters
General Engel.


Bankausweis. Vermehrung: Baar-
vorrath 19 1/3 , Vorschüsse 141/2, Privatcontocorrent 38 4/5 ; Ver-
minderung: Portefeuille 30 3/5 , Notenumlauf 201/2, Tresor 1/3 .



Die Plane des zweiten Decembers.

-1- Wir haben anfangs Anstand genommen auf den bekannten Artikel
des "Siecle" irgendwie zu antworten; wir sind -- offen gestanden -- des
Redens herzlich überdrüssig, und glauben daß die Zeit des Handelns nicht
nur gekommen, sondern schon beinahe vorüber ist, wenigstens sofern es noch
einige Aussicht auf Erfolg bieten soll. Wir haben dieß schon vor länger als
Jahresfrist ausgesprochen, wir haben damals vorhergesagt welches die Folgen
kläglichen Zauderns seyn würden, und der Erfolg hat unsere Ahnungen leider
nur zu sehr bestätigt -- möge er nicht auch unsere fernere Befürchtung bestäti-
gen daß, wenn Deutschland die Einigung, das muthige Handeln gegen den ge-
meinsamen Feind nicht rechtzeitig aus eigener Wahl, aus muthigem Entschluß
zu fassen weiß, es durch unsägliche Leiden dazu gezwungen werden wird.

Es gibt kaum ein eigenthümlicheres Verhältniß als jenes des Mannes
des zweiten Decembers zur öffentlichen Meinung. Sein früheres Auftreten,
zwei eben so kopflose als gesetzwidrige Bersuche sich der Gewalt zu bemächti-
gen, hatte zu nichts anderem dienen können als ihn lächerlich zu machen;
[Spaltenumbruch] dennoch ward er, als das französische Volk zuerst berufen ward von seiner
Freiheit Gebrauch zu machen, sofort zur obersten Gewalt erhoben, obwohl
ihm ein Mann gegenüber stand welcher der Freiheit eben so große Dienste
geleistet hatte wie der Ordnung -- ein Mann der als der redlichste, ausge-
zeichnetste Republicaner Frankreichs unfehlbar an die Spitze der französischen
Republik gestellt werden mußte, wenn in Frankreich überhaupt Republicaner,
eine republicanische Partei bestanden hätte welche diesen Namen verdiente.
Seitdem dienten die Saturnalien der sogenannten republicanischen Partei dem
schweigsamen Manne des zweiten Decembers dazu ihren Untergang in eben
jener öffentlichen Meinung vorzubereiten, die ihn noch immer verhöhnte, bis
dann ein Streich, besser eingeleitet und durchgeführt als je eine Verschwö-
rung von welcher die Geschichte berichtet, ihm Frankreich willenlos überlieferte.

Von diesem Tag an ward die Presse nicht etwa wie in vormärzlichen
Zeiten geknebelt und gemaßregelt -- man wußte es besser zu machen, man
zwang sie nicht nur das Unangenehme zu verschweigen, man hat es dahin
gebracht daß sie gerade das ausspricht was in den Planen und Absichten des
Machthabers liegt.

Es würde viel zu weit führen hier zu erörtern in welcher Weise diese
Erfolge, die auch wohl nur in Frankreich möglich sind, erreicht wurden. Seit-
dem auch das letzte selbständige Blatt, das "Journal des Debats," sich der
kaiserlichen Politik zu eigen gegeben hat, ist die Thatsache unbestreitbar daß in
ganz Frankreich auch nicht ein Blatt besteht das es wagte etwas anderes zu
schreiben als was der Regierung genehm ist; die wenigen Blätter welche ihre
Ansichten den Absichten der Regierung nicht unbedingt unterordnen, dürfen
nur zuweilen und nur in höchst versteckter Weise hie und da ein Wort fallen
lassen, woraus jene Abweichung ihrer Ansichten errathen werden kann, wo-
gegen die Regierung bemüht ist für die nöthige Abwechslung zu sorgen, damit
nicht das Einerlei der imperialistischen Presse Frankreich langweile. Da man
weiß welche schlimmen Folgen es haben kann wenn Frankreich sich langweilt
(s'ennuie), so hält die Regierung es für ihre Pflicht für Unterhaltung und
Abwechslung zu forgen*).

Während so der Mann des zweiten Decembers der Presse die unwür-
digste Stellung angewiesen hat welche sie irgend einnehmen kann, indem
sie lediglich zur Täuschung, zur Irreleitung der öffentlichen Meinung dient,
mit oder wider Willen dienen muß, versteht er es andrerseits vortrefflich sich
ihrer als Werkzeug seiner Plane zu bedienen; denn wie sehr er auch die Men-
schen verachten mag -- und er hat wahrlich allen Grund dazu, da sie sich ihm
gegenüber so gar verächtlich gezeigt haben und noch täglich zeigen -- so hat er
doch sehr wohl erkannt welch hohen Werth die Unterstützung der öffentlichen
Meinung, und wäre es auch nur die einer mißleiteten, betrogenen, für ihn
wie für jeden Herrscher hat. Stets wird daher von ihm die Presse benützt um
die öffentliche Meinung auf das vorzubereiten was zunächst in Scene gesetzt
werden soll, und daher kann aus dem was die französische Presse bespricht --
aller amtlichen und sonstigen Abläugnungen und Betheuerungen des Gegen-
theils ungeachtet -- stets am zuverlässigsten erkannt werden was der schweig-
same Beherrscher Frankreichs zunächst im Schilde führt.

Aber auch noch von einer andern Seite ist die französische Presse von
Wichtigkeit. Obwohl nur auf Täuschung berechnet, kann sie doch unmöglich

*) Doch ist damit der Kreis der Regierungsvorsorge nicht geschlossen; man muß
auch auf das Ausland, auf die Rückwirkung der dortigen Presse, der dortigen
Stimmung auf Frankreich Rücksicht nehmen. Zwar kann man mißliebige
Blätter auf der Post zurückhalten -- und man macht davon reichlichen Ge-
brauch -- aber dieß entspricht denn doch nur dem einen (negativen) Zweck,
für den andern (posttiven) wird auf andere Weise gesorgt. Mag auch Ein-
zelne natürliche Anlage, Uebereinstimmung der Ansichten in die gleiche Rich-
tung bringen, bei einer gewissen Zahl von Zeitungen ist der Grund der sie
die Bahnen der kaiserlichen Politik befolgen läßt ein sehr einfacher, greifbarer.
Nur so erklärt sich der Chorus bonapartiftischer Blätter in England, und neuer-
dings leider auch in Deutschland. Diese Presse dient aber nicht nur dazu
Fraukreich über die Stimmung des übrigen Europa zu täuschen; es wird da-
durch auch ein Theil namentlich der urtheilslosen Bevölkerung der übrigen
Staaten irre geführt und betrogen; es ist daher um so nothwendiger auf die
Kundgebungen der kaiserlichen Presse zu achten.

AUGSBURG. Das Abonnement,
welches jo vierteljährlich und halb-
jährlich angenommen wird, boträgt in
Bayern vierteljährlich 4 fl. 45 kr.
Vereinsmünze.

Allgemeine Zeitung.

Inserate werden von der Expedition
ausgenommen und der Raum einer
dreispaltigen Colonelzeile berechnet:
im Hauptblatt mit 12 kr., in der
Beilage mit 9 kr.



Freitag Nr. 167. 15 Junius 1860.

Correſpondenzen ſind an die Redaction, Inſerate dagegen an die Expedition der Allgemeinen Zeitung zu adreſſtren.
Man abonnirt bei allen Postamtern Deutschlands Oesterreichs und der Schweiz; für Frankreich, Sardinten, Spanten und Portugal bei G. A. Alexandre in Strasburg, Paris bei demselben,
2 Cour du Commerce St. André des Arts, und bei der deutschen Buchhandlung von F. Klincksteck. Nr. 11 rue de Lille, oder bei dem Postamt in Karlsruhe; für England bei Williams & Norgate,
14 Henriette-Street, Covent-Garden in London für Nordamerika bei dem königl. preussischen Postamt Cöln oder Westermann & Comp, in New-York; für Italien bei den k. k. Postämtern zu
Innsbruck, Verona, Venedig, Triest und Mailand; im Kirchenstaat and den Herzogthumern Lucca, Modena, Parma und Toscana bei Buchhändler H. F. Münster in Verona: für Neapel und
Sicilien bei Buchhändler Albert Detken in Neapel: für Griechemand, Türkei und die Levante etc. beim k. k. Postamt in Triest.

[Spaltenumbruch]
Ueberſicht.
Die Plane des zweiten December.
Deutſchland.München (die Thierſch’ſche Antikenſammlung verkauft);
Kaiſerslautern (zur Geſangsbuchsfrage); Aus der Pfalz (Anſchluß an
die Heidelberger Erklärung. Aus Bergzabern); Darmſtadt (Veränderungen
im höhern Staatsdienſt); Arolſen (Anträge wegen Kurheſſen und Schles-
wig); Hannoder (aus der erſten Kammer); Berlin (die Zuſammenkunft
in Baden. Die neuen Militärorganiſationen. Prof. Nitzſch. Neuwahl für
Wentzel. Schreiben des württembergiſchen Juſtizminiſters über den deutſchen
Juriſtentag. Die Preuß. Zeitung über den verſtärkten Reichsrath. Erklä-
rung); Breslau (die Suspenſion Prof. Dr. Baltzers).
Schweiz.Bern (Urtheil im Proceß Perrier und Genoſſen. Das eid-
genöſſiſche Budget für 1861. Die St. Gotthardt-Conferenz. Eine neue Note
des Bundesraths an ſeine Geſchäſtsträger im Ausland betreffend die ſavoyi-
ſche Frage).
Großbritannien. Die Zurückziehung der Ruſſell’ſchen Reformbill
im Unterhaus. Admiral Hawker †. Jubelhymne der Times über Sicilien.
Die dießjährige brittiſche Naturforſcherverſammlung.
Frankreich. Die franzöſiſche Preſſe über den Beſuch in Baden-Baden.
Die Annexion. Die Trennung des engliſchen Cabinets. Der Umſchwung in
der Politik gegen Sicilien. Die Maßnahmen gegen die Schweiz. Das
Anſchlußfeſt.
Italien.Rom (Corpus Domini-Feſt ohne Demonſtration. Gnaden-
act. Militäriſche Auszeichnungen. Neuer Handelsminiſter. Gazzetta di
Genova); Turin (Senatsverbandlungen über den Abtretungsvertrag. Der
Engländer Rainſhaw in den Grafenſtand erhoben. Domherr Ortalda frei.
Abwehr).
Handels- und Börſennachrichten.Wien (der Stand der
Saaten und die öfterreichiſche Nationalbank).
Neueſte Poſten.Frankfurt (der Prinz-Regent von Preußen);
Koburg (die Zuſammerkunft deutſcher Fürſten in Baden-Baden und der
Beſuch des franzöſiſchen Kaiſers.


Telegraphiſche Berichte.

Auch der Herzog von Naſſau
iſt angemeldet.


Das Dresdner Journal meldet:
König Johann geht auf Einladung des Prinz-Regenten von Preußen
heute Abend nach Baden-Baden, in Begleitung des Oberſtallmeiſters
General Engel.


Bankausweis. Vermehrung: Baar-
vorrath 19⅓, Vorſchüſſe 14½, Privatcontocorrent 38⅘; Ver-
minderung: Portefeuille 30⅗, Notenumlauf 20½, Treſor⅓.



Die Plane des zweiten Decembers.

-1- Wir haben anfangs Anſtand genommen auf den bekannten Artikel
des „Siècle“ irgendwie zu antworten; wir ſind — offen geſtanden — des
Redens herzlich überdrüſſig, und glauben daß die Zeit des Handelns nicht
nur gekommen, ſondern ſchon beinahe vorüber iſt, wenigſtens ſofern es noch
einige Ausſicht auf Erfolg bieten ſoll. Wir haben dieß ſchon vor länger als
Jahresfriſt ausgeſprochen, wir haben damals vorhergeſagt welches die Folgen
kläglichen Zauderns ſeyn würden, und der Erfolg hat unſere Ahnungen leider
nur zu ſehr beſtätigt — möge er nicht auch unſere fernere Befürchtung beſtäti-
gen daß, wenn Deutſchland die Einigung, das muthige Handeln gegen den ge-
meinſamen Feind nicht rechtzeitig aus eigener Wahl, aus muthigem Entſchluß
zu faſſen weiß, es durch unſägliche Leiden dazu gezwungen werden wird.

Es gibt kaum ein eigenthümlicheres Verhältniß als jenes des Mannes
des zweiten Decembers zur öffentlichen Meinung. Sein früheres Auftreten,
zwei eben ſo kopfloſe als geſetzwidrige Berſuche ſich der Gewalt zu bemächti-
gen, hatte zu nichts anderem dienen können als ihn lächerlich zu machen;
[Spaltenumbruch] dennoch ward er, als das franzöſiſche Volk zuerſt berufen ward von ſeiner
Freiheit Gebrauch zu machen, ſofort zur oberſten Gewalt erhoben, obwohl
ihm ein Mann gegenüber ſtand welcher der Freiheit eben ſo große Dienſte
geleiſtet hatte wie der Ordnung — ein Mann der als der redlichſte, ausge-
zeichnetſte Republicaner Frankreichs unfehlbar an die Spitze der franzöſiſchen
Republik geſtellt werden mußte, wenn in Frankreich überhaupt Republicaner,
eine republicaniſche Partei beſtanden hätte welche dieſen Namen verdiente.
Seitdem dienten die Saturnalien der ſogenannten republicaniſchen Partei dem
ſchweigſamen Manne des zweiten Decembers dazu ihren Untergang in eben
jener öffentlichen Meinung vorzubereiten, die ihn noch immer verhöhnte, bis
dann ein Streich, beſſer eingeleitet und durchgeführt als je eine Verſchwö-
rung von welcher die Geſchichte berichtet, ihm Frankreich willenlos überlieferte.

Von dieſem Tag an ward die Preſſe nicht etwa wie in vormärzlichen
Zeiten geknebelt und gemaßregelt — man wußte es beſſer zu machen, man
zwang ſie nicht nur das Unangenehme zu verſchweigen, man hat es dahin
gebracht daß ſie gerade das ausſpricht was in den Planen und Abſichten des
Machthabers liegt.

Es würde viel zu weit führen hier zu erörtern in welcher Weiſe dieſe
Erfolge, die auch wohl nur in Frankreich möglich ſind, erreicht wurden. Seit-
dem auch das letzte ſelbſtändige Blatt, das „Journal des Débats,“ ſich der
kaiſerlichen Politik zu eigen gegeben hat, iſt die Thatſache unbeſtreitbar daß in
ganz Frankreich auch nicht ein Blatt beſteht das es wagte etwas anderes zu
ſchreiben als was der Regierung genehm iſt; die wenigen Blätter welche ihre
Anſichten den Abſichten der Regierung nicht unbedingt unterordnen, dürfen
nur zuweilen und nur in höchſt verſteckter Weiſe hie und da ein Wort fallen
laſſen, woraus jene Abweichung ihrer Anſichten errathen werden kann, wo-
gegen die Regierung bemüht iſt für die nöthige Abwechslung zu ſorgen, damit
nicht das Einerlei der imperialiſtiſchen Preſſe Frankreich langweile. Da man
weiß welche ſchlimmen Folgen es haben kann wenn Frankreich ſich langweilt
(s’ennuie), ſo hält die Regierung es für ihre Pflicht für Unterhaltung und
Abwechslung zu forgen*).

Während ſo der Mann des zweiten Decembers der Preſſe die unwür-
digſte Stellung angewieſen hat welche ſie irgend einnehmen kann, indem
ſie lediglich zur Täuſchung, zur Irreleitung der öffentlichen Meinung dient,
mit oder wider Willen dienen muß, verſteht er es andrerſeits vortrefflich ſich
ihrer als Werkzeug ſeiner Plane zu bedienen; denn wie ſehr er auch die Men-
ſchen verachten mag — und er hat wahrlich allen Grund dazu, da ſie ſich ihm
gegenüber ſo gar verächtlich gezeigt haben und noch täglich zeigen — ſo hat er
doch ſehr wohl erkannt welch hohen Werth die Unterſtützung der öffentlichen
Meinung, und wäre es auch nur die einer mißleiteten, betrogenen, für ihn
wie für jeden Herrſcher hat. Stets wird daher von ihm die Preſſe benützt um
die öffentliche Meinung auf das vorzubereiten was zunächſt in Scene geſetzt
werden ſoll, und daher kann aus dem was die franzöſiſche Preſſe beſpricht —
aller amtlichen und ſonſtigen Abläugnungen und Betheuerungen des Gegen-
theils ungeachtet — ſtets am zuverläſſigſten erkannt werden was der ſchweig-
ſame Beherrſcher Frankreichs zunächſt im Schilde führt.

Aber auch noch von einer andern Seite iſt die franzöſiſche Preſſe von
Wichtigkeit. Obwohl nur auf Täuſchung berechnet, kann ſie doch unmöglich

*) Doch iſt damit der Kreis der Regierungsvorſorge nicht geſchloſſen; man muß
auch auf das Ausland, auf die Rückwirkung der dortigen Preſſe, der dortigen
Stimmung auf Frankreich Rückſicht nehmen. Zwar kann man mißliebige
Blätter auf der Poſt zurückhalten — und man macht davon reichlichen Ge-
brauch — aber dieß entſpricht denn doch nur dem einen (negativen) Zweck,
für den andern (poſttiven) wird auf andere Weiſe geſorgt. Mag auch Ein-
zelne natürliche Anlage, Uebereinſtimmung der Anſichten in die gleiche Rich-
tung bringen, bei einer gewiſſen Zahl von Zeitungen iſt der Grund der ſie
die Bahnen der kaiſerlichen Politik befolgen läßt ein ſehr einfacher, greifbarer.
Nur ſo erklärt ſich der Chorus bonapartiftiſcher Blätter in England, und neuer-
dings leider auch in Deutſchland. Dieſe Preſſe dient aber nicht nur dazu
Fraukreich über die Stimmung des übrigen Europa zu täuſchen; es wird da-
durch auch ein Theil namentlich der urtheilsloſen Bevölkerung der übrigen
Staaten irre geführt und betrogen; es iſt daher um ſo nothwendiger auf die
Kundgebungen der kaiſerlichen Preſſe zu achten.
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[0001] AUGSBURG. Das Abonnement, welches jo vierteljährlich und halb- jährlich angenommen wird, boträgt in Bayern vierteljährlich 4 fl. 45 kr. Vereinsmünze. Allgemeine Zeitung. Inserate werden von der Expedition ausgenommen und der Raum einer dreispaltigen Colonelzeile berechnet: im Hauptblatt mit 12 kr., in der Beilage mit 9 kr. Freitag Nr. 167. 15 Junius 1860. Correſpondenzen ſind an die Redaction, Inſerate dagegen an die Expedition der Allgemeinen Zeitung zu adreſſtren. Man abonnirt bei allen Postamtern Deutschlands Oesterreichs und der Schweiz; für Frankreich, Sardinten, Spanten und Portugal bei G. A. Alexandre in Strasburg, Paris bei demselben, 2 Cour du Commerce St. André des Arts, und bei der deutschen Buchhandlung von F. Klincksteck. Nr. 11 rue de Lille, oder bei dem Postamt in Karlsruhe; für England bei Williams & Norgate, 14 Henriette-Street, Covent-Garden in London für Nordamerika bei dem königl. preussischen Postamt Cöln oder Westermann & Comp, in New-York; für Italien bei den k. k. Postämtern zu Innsbruck, Verona, Venedig, Triest und Mailand; im Kirchenstaat and den Herzogthumern Lucca, Modena, Parma und Toscana bei Buchhändler H. F. Münster in Verona: für Neapel und Sicilien bei Buchhändler Albert Detken in Neapel: für Griechemand, Türkei und die Levante etc. beim k. k. Postamt in Triest. Ueberſicht. Die Plane des zweiten December. Deutſchland.München (die Thierſch’ſche Antikenſammlung verkauft); Kaiſerslautern (zur Geſangsbuchsfrage); Aus der Pfalz (Anſchluß an die Heidelberger Erklärung. Aus Bergzabern); Darmſtadt (Veränderungen im höhern Staatsdienſt); Arolſen (Anträge wegen Kurheſſen und Schles- wig); Hannoder (aus der erſten Kammer); Berlin (die Zuſammenkunft in Baden. Die neuen Militärorganiſationen. Prof. Nitzſch. Neuwahl für Wentzel. Schreiben des württembergiſchen Juſtizminiſters über den deutſchen Juriſtentag. Die Preuß. Zeitung über den verſtärkten Reichsrath. Erklä- rung); Breslau (die Suspenſion Prof. Dr. Baltzers). Schweiz.Bern (Urtheil im Proceß Perrier und Genoſſen. Das eid- genöſſiſche Budget für 1861. Die St. Gotthardt-Conferenz. Eine neue Note des Bundesraths an ſeine Geſchäſtsträger im Ausland betreffend die ſavoyi- ſche Frage). Großbritannien. Die Zurückziehung der Ruſſell’ſchen Reformbill im Unterhaus. Admiral Hawker †. Jubelhymne der Times über Sicilien. Die dießjährige brittiſche Naturforſcherverſammlung. Frankreich. Die franzöſiſche Preſſe über den Beſuch in Baden-Baden. Die Annexion. Die Trennung des engliſchen Cabinets. Der Umſchwung in der Politik gegen Sicilien. Die Maßnahmen gegen die Schweiz. Das Anſchlußfeſt. Italien.Rom (Corpus Domini-Feſt ohne Demonſtration. Gnaden- act. Militäriſche Auszeichnungen. Neuer Handelsminiſter. Gazzetta di Genova); Turin (Senatsverbandlungen über den Abtretungsvertrag. Der Engländer Rainſhaw in den Grafenſtand erhoben. Domherr Ortalda frei. Abwehr). Handels- und Börſennachrichten.Wien (der Stand der Saaten und die öfterreichiſche Nationalbank). Neueſte Poſten.Frankfurt (der Prinz-Regent von Preußen); Koburg (die Zuſammerkunft deutſcher Fürſten in Baden-Baden und der Beſuch des franzöſiſchen Kaiſers. Telegraphiſche Berichte. ⸫ Baden-Baden, 14 Jun. Auch der Herzog von Naſſau iſt angemeldet. ⸫ Dresden, 14 Jun. Das Dresdner Journal meldet: König Johann geht auf Einladung des Prinz-Regenten von Preußen heute Abend nach Baden-Baden, in Begleitung des Oberſtallmeiſters General Engel. ⸫ Paris, 15 Jun. Bankausweis. Vermehrung: Baar- vorrath 19⅓, Vorſchüſſe 14½, Privatcontocorrent 38⅘; Ver- minderung: Portefeuille 30⅗, Notenumlauf 20½, Treſor⅓. Die Plane des zweiten Decembers. -1- Wir haben anfangs Anſtand genommen auf den bekannten Artikel des „Siècle“ irgendwie zu antworten; wir ſind — offen geſtanden — des Redens herzlich überdrüſſig, und glauben daß die Zeit des Handelns nicht nur gekommen, ſondern ſchon beinahe vorüber iſt, wenigſtens ſofern es noch einige Ausſicht auf Erfolg bieten ſoll. Wir haben dieß ſchon vor länger als Jahresfriſt ausgeſprochen, wir haben damals vorhergeſagt welches die Folgen kläglichen Zauderns ſeyn würden, und der Erfolg hat unſere Ahnungen leider nur zu ſehr beſtätigt — möge er nicht auch unſere fernere Befürchtung beſtäti- gen daß, wenn Deutſchland die Einigung, das muthige Handeln gegen den ge- meinſamen Feind nicht rechtzeitig aus eigener Wahl, aus muthigem Entſchluß zu faſſen weiß, es durch unſägliche Leiden dazu gezwungen werden wird. Es gibt kaum ein eigenthümlicheres Verhältniß als jenes des Mannes des zweiten Decembers zur öffentlichen Meinung. Sein früheres Auftreten, zwei eben ſo kopfloſe als geſetzwidrige Berſuche ſich der Gewalt zu bemächti- gen, hatte zu nichts anderem dienen können als ihn lächerlich zu machen; dennoch ward er, als das franzöſiſche Volk zuerſt berufen ward von ſeiner Freiheit Gebrauch zu machen, ſofort zur oberſten Gewalt erhoben, obwohl ihm ein Mann gegenüber ſtand welcher der Freiheit eben ſo große Dienſte geleiſtet hatte wie der Ordnung — ein Mann der als der redlichſte, ausge- zeichnetſte Republicaner Frankreichs unfehlbar an die Spitze der franzöſiſchen Republik geſtellt werden mußte, wenn in Frankreich überhaupt Republicaner, eine republicaniſche Partei beſtanden hätte welche dieſen Namen verdiente. Seitdem dienten die Saturnalien der ſogenannten republicaniſchen Partei dem ſchweigſamen Manne des zweiten Decembers dazu ihren Untergang in eben jener öffentlichen Meinung vorzubereiten, die ihn noch immer verhöhnte, bis dann ein Streich, beſſer eingeleitet und durchgeführt als je eine Verſchwö- rung von welcher die Geſchichte berichtet, ihm Frankreich willenlos überlieferte. Von dieſem Tag an ward die Preſſe nicht etwa wie in vormärzlichen Zeiten geknebelt und gemaßregelt — man wußte es beſſer zu machen, man zwang ſie nicht nur das Unangenehme zu verſchweigen, man hat es dahin gebracht daß ſie gerade das ausſpricht was in den Planen und Abſichten des Machthabers liegt. Es würde viel zu weit führen hier zu erörtern in welcher Weiſe dieſe Erfolge, die auch wohl nur in Frankreich möglich ſind, erreicht wurden. Seit- dem auch das letzte ſelbſtändige Blatt, das „Journal des Débats,“ ſich der kaiſerlichen Politik zu eigen gegeben hat, iſt die Thatſache unbeſtreitbar daß in ganz Frankreich auch nicht ein Blatt beſteht das es wagte etwas anderes zu ſchreiben als was der Regierung genehm iſt; die wenigen Blätter welche ihre Anſichten den Abſichten der Regierung nicht unbedingt unterordnen, dürfen nur zuweilen und nur in höchſt verſteckter Weiſe hie und da ein Wort fallen laſſen, woraus jene Abweichung ihrer Anſichten errathen werden kann, wo- gegen die Regierung bemüht iſt für die nöthige Abwechslung zu ſorgen, damit nicht das Einerlei der imperialiſtiſchen Preſſe Frankreich langweile. Da man weiß welche ſchlimmen Folgen es haben kann wenn Frankreich ſich langweilt (s’ennuie), ſo hält die Regierung es für ihre Pflicht für Unterhaltung und Abwechslung zu forgen *). Während ſo der Mann des zweiten Decembers der Preſſe die unwür- digſte Stellung angewieſen hat welche ſie irgend einnehmen kann, indem ſie lediglich zur Täuſchung, zur Irreleitung der öffentlichen Meinung dient, mit oder wider Willen dienen muß, verſteht er es andrerſeits vortrefflich ſich ihrer als Werkzeug ſeiner Plane zu bedienen; denn wie ſehr er auch die Men- ſchen verachten mag — und er hat wahrlich allen Grund dazu, da ſie ſich ihm gegenüber ſo gar verächtlich gezeigt haben und noch täglich zeigen — ſo hat er doch ſehr wohl erkannt welch hohen Werth die Unterſtützung der öffentlichen Meinung, und wäre es auch nur die einer mißleiteten, betrogenen, für ihn wie für jeden Herrſcher hat. Stets wird daher von ihm die Preſſe benützt um die öffentliche Meinung auf das vorzubereiten was zunächſt in Scene geſetzt werden ſoll, und daher kann aus dem was die franzöſiſche Preſſe beſpricht — aller amtlichen und ſonſtigen Abläugnungen und Betheuerungen des Gegen- theils ungeachtet — ſtets am zuverläſſigſten erkannt werden was der ſchweig- ſame Beherrſcher Frankreichs zunächſt im Schilde führt. Aber auch noch von einer andern Seite iſt die franzöſiſche Preſſe von Wichtigkeit. Obwohl nur auf Täuſchung berechnet, kann ſie doch unmöglich *) Doch iſt damit der Kreis der Regierungsvorſorge nicht geſchloſſen; man muß auch auf das Ausland, auf die Rückwirkung der dortigen Preſſe, der dortigen Stimmung auf Frankreich Rückſicht nehmen. Zwar kann man mißliebige Blätter auf der Poſt zurückhalten — und man macht davon reichlichen Ge- brauch — aber dieß entſpricht denn doch nur dem einen (negativen) Zweck, für den andern (poſttiven) wird auf andere Weiſe geſorgt. Mag auch Ein- zelne natürliche Anlage, Uebereinſtimmung der Anſichten in die gleiche Rich- tung bringen, bei einer gewiſſen Zahl von Zeitungen iſt der Grund der ſie die Bahnen der kaiſerlichen Politik befolgen läßt ein ſehr einfacher, greifbarer. Nur ſo erklärt ſich der Chorus bonapartiftiſcher Blätter in England, und neuer- dings leider auch in Deutſchland. Dieſe Preſſe dient aber nicht nur dazu Fraukreich über die Stimmung des übrigen Europa zu täuſchen; es wird da- durch auch ein Theil namentlich der urtheilsloſen Bevölkerung der übrigen Staaten irre geführt und betrogen; es iſt daher um ſo nothwendiger auf die Kundgebungen der kaiſerlichen Preſſe zu achten.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 167, 15. Juni 1860, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine167_1860/1>, abgerufen am 23.11.2024.