Allgemeine Zeitung, Nr. 166, 14. Juni 1860.Donnerstag Beilage zu Nr. 166 der Allg. Zeitung. 14 Junius 1860.[Spaltenumbruch] Uebersicht. Eine Stimme aus Belgien. -- Zur Kennzeichnung der gegenwärti- gen Lage der Christen in der Türkei. -- Friedrich II gegen die Kleindeut- schen. -- Deutschland. (Wien: Fortsetzung der Reichsrathssitzung.) -- Italien. (Turin: Die Kammer. Fremde Deputirte. Die Mailänder Ztg. über die Neapolitaner. Brandmarkung. Berliner Correspondenz der Perse- veranza.) Neueste Posten. München. (Zur Reise Sr. Maj. des Königs.) -- Baden. (Ankunft des bayerischen Königspaars und des Großherzogs von Weimar.) -- Kassel. (Ministerernennung. Confiscation.) -- Han- nover. (Die Köln. Ztg. Graf Borries.) -- Berlin. (Tagesbericht.) -- London. (Unterhausdebatten. Revue der Freiwilligen.) -- Paris. (Inhalt der Tagesblätter. Zur Einverleibung von Savoyen und Nizza.) -- Mar- seille. (Aus Neapel.) -- Rom. (Eisenbahnen.) -- Turin. (Der An- schluß Savoyens.) -- Chambery. (Der Anschluß.) Außerordentliche Beilage, Nr. 31. Telegraphische Berichte. Wien, 13 Jun. Die "Oesterreichische Zeitung" bevor- Berlin, 13 Jun. Der Prinz-Regent begibt sich heute Neapel, 12 Jun. Zwei Dampfboote mit Truppen und Eine Stimme aus Belgien. § Nicht bloß Deutschland schaut mit ernstem Blick auf das es täglich Belgien, sagt er, hat mehr als die übrigen Länder das Vorgefühl einer Diese schamlosen Herren begreifen offenbar nicht wie schmachvoll es für Unsere Staatsordnung hat nicht wenig zu diesem Ergebniß beigetragen. Die Durchführung dieses Systems hat, man darf es nicht mißkennen, Auch unsere Nationalrepräsentation steht unter dem Einfluß dieses Die Lage der Gegenwart ist dieselbe: die Volksmasse allein hat patrio- Frankreichs Spione haben eine europäische Berühmtheit; wohin sie Diese Schmarotzerrace ist in Frankreich nicht ausgestorben, sie bereitet Was wird oder was soll geschehen wenn die Annexionsgefahr heran- Möglich -- ja wahrscheinlich -- daß Franzosenfreunde sogleich mit Er- *) Brgl. die in Brüssel erscheinende "Revne Trimestrielle" von 1858 Bd. I. S.
242, Bd. II. S. 325. Donnerſtag Beilage zu Nr. 166 der Allg. Zeitung. 14 Junius 1860.[Spaltenumbruch] Ueberſicht. Eine Stimme aus Belgien. — Zur Kennzeichnung der gegenwärti- gen Lage der Chriſten in der Türkei. — Friedrich II gegen die Kleindeut- ſchen. — Deutſchland. (Wien: Fortſetzung der Reichsrathsſitzung.) — Italien. (Turin: Die Kammer. Fremde Deputirte. Die Mailänder Ztg. über die Neapolitaner. Brandmarkung. Berliner Correſpondenz der Perſe- veranza.) Neueſte Poſten. München. (Zur Reiſe Sr. Maj. des Königs.) — Baden. (Ankunft des bayeriſchen Königspaars und des Großherzogs von Weimar.) — Kaſſel. (Miniſterernennung. Confiscation.) — Han- nover. (Die Köln. Ztg. Graf Borries.) — Berlin. (Tagesbericht.) — London. (Unterhausdebatten. Revue der Freiwilligen.) — Paris. (Inhalt der Tagesblätter. Zur Einverleibung von Savoyen und Nizza.) — Mar- ſeille. (Aus Neapel.) — Rom. (Eiſenbahnen.) — Turin. (Der An- ſchluß Savoyens.) — Chambery. (Der Anſchluß.) Außerordentliche Beilage, Nr. 31. Telegraphiſche Berichte. ⸫ Wien, 13 Jun. Die „Oeſterreichiſche Zeitung“ bevor- ⸫ Berlin, 13 Jun. Der Prinz-Regent begibt ſich heute ⸫ Neapel, 12 Jun. Zwei Dampfboote mit Truppen und Eine Stimme aus Belgien. § Nicht bloß Deutſchland ſchaut mit ernſtem Blick auf das es täglich Belgien, ſagt er, hat mehr als die übrigen Länder das Vorgefühl einer Dieſe ſchamloſen Herren begreifen offenbar nicht wie ſchmachvoll es für Unſere Staatsordnung hat nicht wenig zu dieſem Ergebniß beigetragen. Die Durchführung dieſes Syſtems hat, man darf es nicht mißkennen, Auch unſere Nationalrepräſentation ſteht unter dem Einfluß dieſes Die Lage der Gegenwart iſt dieſelbe: die Volksmaſſe allein hat patrio- Frankreichs Spione haben eine europäiſche Berühmtheit; wohin ſie Dieſe Schmarotzerrace iſt in Frankreich nicht ausgeſtorben, ſie bereitet Was wird oder was ſoll geſchehen wenn die Annexionsgefahr heran- Möglich — ja wahrſcheinlich — daß Franzoſenfreunde ſogleich mit Er- *) Brgl. die in Brüſſel erſcheinende „Revne Trimeſtrielle“ von 1858 Bd. I. S.
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Allein der zweite December hat in<lb/> Belgien heimliche Anhänger, auf die er rechnen wird ſobald die Stunde<lb/> ſchlägt in der er das Princip der natürlichen Gränzen für das Kaiſerreich zur<lb/> Wahrheit dort machen zu können glaubt. Dieſe Wahrnehmung beunruhigt<lb/> die treuen Söhne ihres freien Vaterlands. Einer derſelben, der ſich ſchon ſeit<lb/> Jahren als politiſcher Kämpfer für Belgiens Freiheit einen Namen von gutem<lb/> Klang gemacht hat,<note place="foot" n="*)">Brgl. die in Brüſſel erſcheinende „Revne Trimeſtrielle“ von 1858 Bd. <hi rendition="#aq">I.</hi> S.<lb/> 242, Bd. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 325.</note> hielt es daher für zeitgemäß einen Mahnruf an ſeine<lb/> Landsleute zu erlaſſen. Er trägt den Titel: „<hi rendition="#aq">La Belgique devant l’empire<lb/> français. Bruxelles 1860, p.</hi> 1—28, 12°“ Der Verfaſſer ſchreibt in trüber<lb/> Stimmung; er ſieht die Gefahr nur allzu klar, er will ſie beſchwören und<lb/> appellirt an das Nationalgefühl, welches 1830/31 das Königreich ſchuf. Hier<lb/> der Hauptinhalt des Schriftchens.</p><lb/> <p>Belgien, ſagt er, hat mehr als die übrigen Länder das Vorgefühl einer<lb/> hereinbrechenden Kriſis. Darf ich es ſagen daß viele feiner Söhne ſich in<lb/> das Unvermeidliche zu ergeben ſcheinen? Man ſollte es glauben wenn man<lb/> ſie mit Gleichgültigkeit von der Möglichkeit einer <hi rendition="#g">Einverleibung in<lb/> Frankreich</hi> ſprechen hört.</p><lb/> <p>Dieſe ſchamloſen Herren begreifen offenbar nicht wie ſchmachvoll es für<lb/><cb/> ein Volk iſt ſeine Nationalität ſo leichhin zu verkaufen, und geben dem<lb/> engliſchen Publiciſten Recht der kürzlich ſagte: „<hi rendition="#g">Nicht alle Savoyarden<lb/> ſind in Savoyen.</hi>“ Doch überſchätzen wir die Tragweite dieſes Schwach-<lb/> ſinns nicht! 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Die Regierungskunſt hat bei uns in die Kunſt „Majo-<lb/> ritäten zu ſchaffen“ ſich verwandelt.</p><lb/> <p>Die Durchführung dieſes Syſtems hat, man darf es nicht mißkennen,<lb/> die materiellen Fortſchritte des Landes bedeutend gefördert. Aber alles fiel<lb/> der Induſtrie zum Opfer — ſelbſt die Conſumenten. Man hat Millionäre<lb/> gewonnen — aber keine Vaterlandsfreunde. Im Gegentheil, die erſt reich-<lb/> gewordenen ſind größere Egoiſten als die alten. Durch jeden Millionär<lb/> ward das Land um einen Patrioten ärmer. Wer durch Induſtrie oder Han-<lb/> del reicher wird, will noch mehr haben, die Nationalitätsfrage iſt für ihn die<lb/> der Douane. Sobald ſie zwiſchen dem Nachbarland fällt, wird er mehr<lb/> Eiſen oder Kohlen verkaufen, und rufen: Frankreich ſoll leben, dem er anzu-<lb/> gehören ſich glücklich preist! 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Donnerſtag Beilage zu Nr. 166 der Allg. Zeitung. 14 Junius 1860.
Ueberſicht.
Eine Stimme aus Belgien. — Zur Kennzeichnung der gegenwärti-
gen Lage der Chriſten in der Türkei. — Friedrich II gegen die Kleindeut-
ſchen. — Deutſchland. (Wien: Fortſetzung der Reichsrathsſitzung.) —
Italien. (Turin: Die Kammer. Fremde Deputirte. Die Mailänder Ztg.
über die Neapolitaner. Brandmarkung. Berliner Correſpondenz der Perſe-
veranza.)
Neueſte Poſten. München. (Zur Reiſe Sr. Maj. des Königs.)
— Baden. (Ankunft des bayeriſchen Königspaars und des Großherzogs
von Weimar.) — Kaſſel. (Miniſterernennung. Confiscation.) — Han-
nover. (Die Köln. Ztg. Graf Borries.) — Berlin. (Tagesbericht.) —
London. (Unterhausdebatten. Revue der Freiwilligen.) — Paris. (Inhalt
der Tagesblätter. Zur Einverleibung von Savoyen und Nizza.) — Mar-
ſeille. (Aus Neapel.) — Rom. (Eiſenbahnen.) — Turin. (Der An-
ſchluß Savoyens.) — Chambery. (Der Anſchluß.)
Außerordentliche Beilage, Nr. 31.
Telegraphiſche Berichte.
⸫ Wien, 13 Jun. Die „Oeſterreichiſche Zeitung“ bevor-
wortet die Aufhebung der Wuchergeſetze. Der Geſchäftsbericht der
Rationalbank meldet daß die halbjährige Bankactien-Dividende 28 fl.
betrage.
⸫ Berlin, 13 Jun. Der Prinz-Regent begibt ſich heute
Abend halb 7 Uhr nur mit ſeinem Hofmarſchall und ſeinem mili-
täriſchen Gefolge nach Baden-Baden. Der König von Hannover,
der heute Morgen hier eingetroffen, kehrt heute Abend nach mehr-
ſtündiger Unterredung mit dem Prinz-Regenten nach Hannover zurück.
⸫ Neapel, 12 Jun. Zwei Dampfboote mit Truppen und
Munition wurden von der neapolitaniſchen Marine weggenommen.
In Neapel herrſcht äußerlich Ruhe.
Weitere Depeſchen ſ. Neueſte Poſten.
Eine Stimme aus Belgien.
§ Nicht bloß Deutſchland ſchaut mit ernſtem Blick auf das es täglich
mehr bedrohende weſtliche Kaiſerreich hinüber, ſondern auch der im Norden
an dasſelbe gränzende, in allen Beziehungen jetzt einen Gegenſatz zu ihm
bildende, freilich nicht große Staat des 1831 unter Zuſtimmung Europa’s
entſtandenen Königreichs Belgien. Es iſt unmöglich für dasſelbe von Rück-
ſchlägen jeder politiſchen Neuerung im unruhigen Nachbarlande frei zu bleiben;
aber glücklich wie es iſt in ſeiner geſchichtlich-nationalen Geſtaltung, fand es
bisher immer Mittel und Wege ſeine Selbſtändigkeit zu behaupten. L. Napoleons
Eroberungspolitik ſeit dem Anfang des Jahres 1859 und das täglich klarer
hervortretende Princip ſeiner Regierung — das Kaiſerreich Napoleons I
wenigſtens innerhalb der Gränzen von 1792 wiederherzuſtellen — muß das
ſeine Unabhängigkeit und Freiheit über alles liebende Volk der ſüdlichen
Niederlande beängſtigen, zumal Symptome von Einverleibungsgelüſten mehr
und mehr ſichtbar werden. Fänden ſich dieſe nur in Frankreich ſelbſt, gäbe
es in Belgien keine Freunde derſelben, ſo könnte das Land dem Treiben
wenn nicht ruhig, doch muthig zuſehen. Allein der zweite December hat in
Belgien heimliche Anhänger, auf die er rechnen wird ſobald die Stunde
ſchlägt in der er das Princip der natürlichen Gränzen für das Kaiſerreich zur
Wahrheit dort machen zu können glaubt. Dieſe Wahrnehmung beunruhigt
die treuen Söhne ihres freien Vaterlands. Einer derſelben, der ſich ſchon ſeit
Jahren als politiſcher Kämpfer für Belgiens Freiheit einen Namen von gutem
Klang gemacht hat, *) hielt es daher für zeitgemäß einen Mahnruf an ſeine
Landsleute zu erlaſſen. Er trägt den Titel: „La Belgique devant l’empire
français. Bruxelles 1860, p. 1—28, 12°“ Der Verfaſſer ſchreibt in trüber
Stimmung; er ſieht die Gefahr nur allzu klar, er will ſie beſchwören und
appellirt an das Nationalgefühl, welches 1830/31 das Königreich ſchuf. Hier
der Hauptinhalt des Schriftchens.
Belgien, ſagt er, hat mehr als die übrigen Länder das Vorgefühl einer
hereinbrechenden Kriſis. Darf ich es ſagen daß viele feiner Söhne ſich in
das Unvermeidliche zu ergeben ſcheinen? Man ſollte es glauben wenn man
ſie mit Gleichgültigkeit von der Möglichkeit einer Einverleibung in
Frankreich ſprechen hört.
Dieſe ſchamloſen Herren begreifen offenbar nicht wie ſchmachvoll es für
ein Volk iſt ſeine Nationalität ſo leichhin zu verkaufen, und geben dem
engliſchen Publiciſten Recht der kürzlich ſagte: „Nicht alle Savoyarden
ſind in Savoyen.“ Doch überſchätzen wir die Tragweite dieſes Schwach-
ſinns nicht! Wer ſind die welche ſich mit ſo philoſophiſchem Gleichmuth auf
die Einverleibung in das Kaiſerreich gefaßt machen? Gewiß nur diejenigen
deren Gefühl ſtumpf geworden durch ihre ausſchließliche Eingenommenheit für
ihre Intereſſen. Der Cultus des Goldes hat eine Menge Angehöriger unter
uns: in gewiſſen Kreiſen hat er alle edlern Gefühle verdrängt.
Unſere Staatsordnung hat nicht wenig zu dieſem Ergebniß beigetragen.
Der Reichthum iſt eine Kraft, ja eine faſt unwiderſtehliche Macht in den
Ländern mit Volkswahlen. Im liberalen Belgien iſt der Mann der nichts
hat eine Null, wie groß auch ſonſt ſeine Verdienſte ſeyn mögen: man ver-
ehrt nur die reichen Leute — weil ſie als Wähler oder Gewählte Einfluß
haben. In den Augen der Miniſter wie denen des geringſten Dorfbürgermei-
ſters gelten nur die etwas welche über eine Anzahl Stimmen bei den Wah-
len gebieten können. Die Regierungskunſt hat bei uns in die Kunſt „Majo-
ritäten zu ſchaffen“ ſich verwandelt.
Die Durchführung dieſes Syſtems hat, man darf es nicht mißkennen,
die materiellen Fortſchritte des Landes bedeutend gefördert. Aber alles fiel
der Induſtrie zum Opfer — ſelbſt die Conſumenten. Man hat Millionäre
gewonnen — aber keine Vaterlandsfreunde. Im Gegentheil, die erſt reich-
gewordenen ſind größere Egoiſten als die alten. Durch jeden Millionär
ward das Land um einen Patrioten ärmer. Wer durch Induſtrie oder Han-
del reicher wird, will noch mehr haben, die Nationalitätsfrage iſt für ihn die
der Douane. Sobald ſie zwiſchen dem Nachbarland fällt, wird er mehr
Eiſen oder Kohlen verkaufen, und rufen: Frankreich ſoll leben, dem er anzu-
gehören ſich glücklich preist! Vergebens wird man dieſen Drang bekämpfen,
der Materialismus der Induſtrie und des Handels iſt unheilbar verwurzelt
im Organismus des Mercantilismus.
Auch unſere Nationalrepräſentation ſteht unter dem Einfluß dieſes
mercantilen Egoismus: man verdrängte ſogar die bürgerlichen und
militäriſchen Beamten aus den Kammern. Ebenſowenig Wohlwollen haben
die reichen Herren für die arbeitenden Claſſen. Das Vereinsrecht exiſtirt
nicht für ſie, ſondern nur für die großen Fabrik- und Kaufherren, die durch
ihre Coalitionen oft in ſkandalöſer Weiſe die Conſumenten ausbeuten. Sie
vergeſſen daß, wenn die Gefahr hereinbricht, ſie doch nur bei den Beamten
und beim Volk Hülfe ſuchen müſſen! Was thaten die unter König Wilhelm
reichgewordenen Männer? Nichts, weder für den von ihnen verlaſſenen
König noch für das ſich emancipirende Vaterland!
Die Lage der Gegenwart iſt dieſelbe: die Volksmaſſe allein hat patrio-
tiſche Gefühle, das der Geldmenſchen hat ſich nicht geſteigert. Die uns jetzt
bedrohende Gefahr iſt aber bedeutend größer als 1830. Es handelt ſich
nicht mehr von der Freiheit der Klöſter und den Schulen der Frères-Igno-
rantins, ſondern von allen auf dem Boden der Menſchenwürde wurzelnden
Freiheiten, von der des Denkens an bis zu der ſeine Cigarre zu rauchen!
Frankreichs Spione haben eine europäiſche Berühmtheit; wohin ſie
kamen, blieben Spuren ihrer Thätigkeit zurück. Belgien erinnert ſich ihrer
aus frühern Zeiten noch ganz wohl, ja ſogar der ſogenannten Kellerrat-
ten, die in unzähliger Menge 1813 aus den annexirt geweſenen Ländern
flüchtend in Eile es durchzogen.
Dieſe Schmarotzerrace iſt in Frankreich nicht ausgeſtorben, ſie bereitet
ſich ſchon vor zu neuen Einfällen in die Länder zu welchen die Armee ihnen
nächſtens den Weg öffnen ſoll; neue Präfecten werden an ihrer Spitze ſeyn,
gleich einem Heuſchreckenſchwarm werden ſie gefräßig ſich auf die annexirten
Länder ſtürzen. Belgien hat auch die Blutſtröme der Napoleoniſchen Con-
ſcription nicht vergeſſen; obwohl jetzt noch nicht wieder die gleiche, drückt ſie
ſchwerer das Volk als unſere Milizenaushebung. Da ohne Krieg die An-
nexion Belgiens nicht vor ſich gehen kann und darauf andere Kriege folgen,
ſo wird das Zeitalter des Oheims von ſelbſt wiederkehren. Und wie ſchmerz-
lich müßte unſer an politiſche und bürgerliche Freiheit ſo gewöhntes Land
den franzöſiſchen Regierungsdeſpotismus empfinden! Wie die Schweiz haßt
Belgien jede ihm unerträgliche Vielregiererei. Für den Belgier iſt die Regie-
rung die beſte welche am wenigſten regiert! In Frankreich miſcht ſich die
Verwaltung in alles. Man ſoll nie vergeſſen wie ſehr die Beamten des
erſten Kaiſerreichs bei uns verhaßt waren — es gibt keine Schimpſworte die
man nicht an ihnen vergeudete. Selbſt die zur Zeit des Königreichs der
Niederlande in Belgien angeſtellten Holländer waren unbeliebt. Wir wollen
nur von unſern Landsgenoſſen regiert ſeyn.
Was wird oder was ſoll geſchehen wenn die Annexionsgefahr heran-
rückt?
Möglich — ja wahrſcheinlich — daß Franzoſenfreunde ſogleich mit Er-
*) Brgl. die in Brüſſel erſcheinende „Revne Trimeſtrielle“ von 1858 Bd. I. S.
242, Bd. II. S. 325.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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