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Allgemeine Zeitung, Nr. 159, 7. Juni 1860.

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Außerordentl. Beilage zu Nr. 159 der Allg. Zeitung.
Donnerstag 7 Junius 1860.


[Spaltenumbruch]
Uebersicht.

Deutschlands Gefahr und Hoffnung.
-- Italienische Reiseblätter. (V.
Rom.)
-- Deutschland. (Freiburg: Die erste Wanderversammlung der
badischen Gewerbvcreine. Berlin: Anstellungsfähigkeit der Juden an öf-
fentlichen Schulen.)
-- Griechenland. (Athen: Kammerverhandlungen.
Gegen den Panslavismus. Nachrichten aus Petersburg. Aus Sicilien. Der
Pascha von Larissa und Janina. Der König und die Königin nach Eleusis.)


Deutschlands Gefahr und Hoffnung.

Die Reise des Prinz-Regenten nach
Saarbrücken und Trier zur Eröffnung der westlichsten Bahnen des deutschen
Vaterlandes ist zu einem bedeutungsvollen Ereigniß geworden.

(Wir müssen es dahingestellt seyn lassen ob die Worte des Prinz-Re-
genten wirklich nur in der sehr abgeschwächten Form, die neuerdings gegeben
ward, gesprochen wurden, oder ob das nur eine Concession ist die von der
preußischen Regierung nachträglich Frankreich gemacht ward, als man die
Wirkung sah die jene Worte, wie sie ursprünglich mitgetheilt wurden, dort
machten. Wäre ersteres der Fall, so verlöre der ganze Vorgang das Haupt-
gewicht; wäre aber die zweite Bermuthung gegründet -- wie es allem An-
schein nach ist -- so wäre dieß nur ein neuer Beweis von der "Selbständig-
keit" des preußischen Ministeriums, das nicht genug daran hatte in Paris die
Worte der Kölnischen Zeitung als ungenau bezeichnen zu lassen, was voll-
kommen genügte, sondern das noch besonders in einem allen Zeitungen mitge-
theilten Artikel jene Worte förmlich zurücknahm. So etwas ist Napoleon
kaum je begegnet. Es beweist aufs neue wie der gerade Sinn des Prinz-
Regenten von ungeschickten Interpreten entstellt wird. Und der Jubel, den
nun die französischen Blätter aufschlagen! Dennoch sind die nachfolgenden
Worte ganz am Platz, denn sie schildern die Stimmung, wie sie in ganz
Deutschland herrscht.)

Hier an den äußersten Gränzmarken haben sich Fürst und Volk die Ver-
sicherung gegeben: bis zum letzten Athemzuge festzuhalten an dem theuern Vater-
lande. Es ist ein feierliches Bündniß abgeschlossen, zu dem der Segen von oben
nicht fehlen wird. Es geht ein Gefühl durch das Land daß an der deutschen
Treue eines edlen deutschen Fürsten das Gebäude der Lüge, welches der zweite
December in schimmernder Pracht, aber auf faulendem Grund, errichtet hat,
zerschellen wird.

Wahrlich, groß waren die Berlockungen welche Preußen entgegengehalten
wurden! Ganz Deutschland, inclusive Holstein, Deutschland bis zum Main
und Fichtelgebirge mindestens -- vielleicht auch noch ein gutes Theil mehr --
hätte der zweite December an Preußen gegen die einzige Abtretung des linken
Rheinufers "geschenkt." In der That, vom rein dynastischen Standpunkt aus
betrachtet, konnte Preußen kein besseres Geschäft machen! Der Handel wäre
ein so glänzender gewesen, daß der eigentliche Gründer der preußischen Groß-
macht, Friedrich der Große, es im vorigen Jahrhundert wahrscheinlich ange-
nommen haben würde; wenigstens enthielt der Bund zu Nymphenburg im
wesentlichen dieselbe Stipulation, da Eroberungen bis zum Rhein ausdrück-
lich an Frankreich gestattet wurden. Aber Gott sey Dank -- die Zeiten sind
anders geworden! Kein preußischer König dürfte es jetzt wagen Verrath an
der Integrität des deutschen Territoriums zu üben, und Friedrich der Große,
dem man den Bund zu Nymphenburg nicht nach heutigem Maß anrechnen
kann, würde in dieser Zeit sich nicht einmal herausnehmen dürfen einen folchen
Bund mit Frankreich zu schließen -- das eigene Bolk würde sich gegen ihn
wie ein Mann erheben.

Aber wenn auch die Abweisung der französischen Verlockung für den
Prinz-Regenten geradezu eine politische Nothwendigkeit war, wie der Sturm
beweist der sich gegen Hrn. v. Borries erhoben hat, so bleibt es doch sein
bleibendes Verdienst daß er die Verlockung gerade so, und nicht anders, zurück-
wies. Die Manifestation eines redlichen treuen deutschen Gemüths that uns
noth, und ein solches Gemüth hat sich sowohl in seiner Thronrede als auch
in seinen Worten an den äußersten westlichen Gränzen in wahrhaft wohl-
thuender Weise dem Volk geoffenbart -- ohne schimmernden Prunk der Werte,
sondern einfach, schlicht und recht wie es dem Deutschen geziemt. Es war
gerade das richtige daß er in seiner Threnrede den einseitigen particularisti-
schen Ränken den Rücken kehrte, und es vor der Welt bezeugte daß Preußen
kein Recht anderer verletzen werde.
Durch dieses Wert ist es mög-
lich geworden, und wir werden es erleben, daß das ganze Deutschland dem
drohenden Feind einig entgegenzieht, denn in dem Grundsatz daß die Un-
abhängigkeit der Nation und die Unverletzlichkeit des vaterländischen Bedens
über alles zu stellen sey, hat er gerade dasjenige als selbstverständlich hinge-
stellt was in der Brust eines jeden Dentschen fest gegründet ist.

Man muß auf dem linken Rheinufer wohnen um es zu erfahren in wie
beruhigender Weise die Anwesenheit des Prinz-Regenten in unserer Provinz
gewirkt hat. Wir wissen es jetzt daß Preußen und mit ihm das ganze
Deutschland diesen ächt deutschen Boden bis zum Aeußersten vertheitigen
wird; wir fühlen es daß hier dem frevelhaften Räuber, der in unsere Fluren
einbrechen will, eine sittliche Macht entgegentritt; wir hegen die festbegründete
Hoffnung daß Gott die Deutschen in dem Kampfe für die gerechte Sache nicht
verlassen wird.

Werden wir auch voraussichtlich die Leiden des Krieges am schwersten
zu tragen haben, so ist es doch eine ungemein beruhigende Hoffnung daß das
ganze deutsche Velk in diesem glorreichen Kampfe, wenn er nicht vermieden
werden kann, in Einigkeit streiten wird. Wir hassen gewiß nicht das franzö-
sische Volk; im Gegentheil, wir wünschen nichts sehnlicher als im Frieden
mit ihm zu leben; aber die schlechten, selbst bereits der Fäulniß verfallenen
Elemente welche dieses Volk zu einem nichtswürdigen Kriege gegen uns treiben
möchten, die hassen wir. Jeder der nur einige Tage auf dem deutschen linken
Rheinufer sich aufhält, kann mit geringer Mühe den Ekel entdecken mit dem
die gallischen Rheingelüste alle Schichten der Berölkerungen erfüllen. Und
da wagt es nun der "vorgeschobene Pesten der öffentlichen Meinung" (d. h.
des zweiten Decembers) im Siecle zu sagen: es sey ein Mißbrauch der Ge-
walt daß Deutschland das linke Rheinufer besitze; es habe aber selbst das
Gefühl des unrechtmäßigen Besitzes, und diese Provinzen seyen Frankreich
anhänglich geblieben! Wenn das nicht eine selbstbewußte Lüge ist, so ist es
eine Unwissenheit, so kolossal daß jeder Rheinländer nur ein Hohnlachen
dafür haben kann.

Die Declamationen des Spectateur Militaire sind noch empörender.
Hier tritt die brutale Gewalt, das nackte Faustrecht unverhüllt auf. Es
wird nicht einmal der Versuch gemacht die Wegnahme der Rheingränze, die
sich die Franzosen so sehr leicht denken, mit Scheingründen zu beschönigen!
Die Herren könnten sich aber über die Schwierigkeit ihres edeln Unternehmens
sehr täuschen, und namentlich könnte ihnen in den Rheinlanden selbst ein
Geist entgegentreten von dem sie sich in ihrer Selbstverherrlichung nichts träu-
men lassen.

Was hat bei der neulichen Veranlassung der Redner der Stadt Saar-
brücken, Dr. Jordan, gesagt? Es lebe die Ueberzeugung daß durch den
innigsten Bund der Regierung des Prinz-Regenten mit der vereinten Vater-
landsliebe und dem freien Willensausdruck des gesammten deutschen Velkes
jeder Fußbreit deutschen Bodens, jede Forderung deutschen
Rechts, jeder Pulsschlag preußischer und deutscher Ehre gegen
jeden Angriff, jeden Feind gesichert seyn werde!

Wir meinen, das sey deutlich genug gesprochen; es ist aber auch note-
risch daß das ganze Rheinland, von Saarbrücken bis zur äußersten nördlichen
Gränze bei Cleve, einmüthig so denkt. Nichtsdestoweniger wundert es uns
nicht daß man in Paris gerade das Gegentheil in die Welt hinausposaunt.
Man hat seine guten Gründe so zu reden, oder aber ist wirklich so unwissend
und durch Eitelkeit verblendet, daß man den Unsinn selbst glaubt den man
auskramt.

Wahr ist es daß wir uns einer trüben Besorgniß bei dem Gedanken an
die Zukunst nicht erwehren können, aber lediglich aus dem Grunde weil wir
wahrhafte Anhänger der Civilisation sind, die wir nicht lügnerisch im Munde
sühren, und weil wir mit Entfetzen auf das Verbrechen blicken welches die
Barbarei des Krieges der sriedlichen Welt bringen will. Gewiß sind wir
aufrichtige Anhänger des Friedens, und möchten den Krieg vermieden sehen;
aber wenn das ganze Dentschland zusammensteht, so zweifeln wir keinen
Augenblick an dem endlichen Siege der gerechten Sache. Dann wird auch
der rechte Mannesmuth nicht fehlen, und wer weiß ob nicht diese Prüfung
dem deutschen Vaterland endlich zum Segen gereichen wird. Aber in diesem
Augenblick ist durch die neueste Beruhigung des Moniteur die Gefahr ge-
wachsen,
und jeder Deutsche sollte sich jeden Tag von Morgen bis Abend
sagen: das Vaterland ist in Gefahr! Aber in diesen schweren Tagen ist der
Prinz-Regent von Preußen unsere Hoffnung geworden. Seine Selbst-
verläugnung in deutscher Treue hat es möglich gemacht daß alle deutschen
Stämme zum Schutz des vaterländischen Bodens sich innig verbinden, daß
der innere Hader -- hauptsächlich hervorgerufen durch die Ränke, oder wenig-
stens Unbesonnenheiten, der engherzig preußischen Partei -- endlich schweigt,
und daß die Nation das Wort unseres unsterblichen Schiller befolgt: "Seyd
einig, einig, einig!
"

Möglich ist es daß vor einer solchen imposanten Thatsache der Tiger in
seinem Sprung innehält, obgleich es kaum zu glauben ist; aber wenn der
schwere Kampf gekämpft werden muß, so leben wir in der ermuthigenden Hoff-
nung daß ein edler deutscher Fürst, der keines andern Recht verletzen
will,
die deutsche Fahne der gauzen Nation vorantragen, und daß in diesem
Zeichen deutsche Treue und Redlichkeit über Trug und Hinterlist den Sieg
davontragen wird. In hoe signo vinces!

Außerordentl. Beilage zu Nr. 159 der Allg. Zeitung.
Donnerſtag 7 Junius 1860.


[Spaltenumbruch]
Ueberſicht.

Deutſchlands Gefahr und Hoffnung.
— Italieniſche Reiſeblätter. (V.
Rom.)
— Deutſchland. (Freiburg: Die erſte Wanderverſammlung der
badiſchen Gewerbvcreine. Berlin: Anſtellungsfähigkeit der Juden an öf-
fentlichen Schulen.)
— Griechenland. (Athen: Kammerverhandlungen.
Gegen den Panſlavismus. Nachrichten aus Petersburg. Aus Sicilien. Der
Paſcha von Lariſſa und Janina. Der König und die Königin nach Eleuſis.)


Deutſchlands Gefahr und Hoffnung.

Die Reiſe des Prinz-Regenten nach
Saarbrücken und Trier zur Eröffnung der weſtlichſten Bahnen des deutſchen
Vaterlandes iſt zu einem bedeutungsvollen Ereigniß geworden.

(Wir müſſen es dahingeſtellt ſeyn laſſen ob die Worte des Prinz-Re-
genten wirklich nur in der ſehr abgeſchwächten Form, die neuerdings gegeben
ward, geſprochen wurden, oder ob das nur eine Conceſſion iſt die von der
preußiſchen Regierung nachträglich Frankreich gemacht ward, als man die
Wirkung ſah die jene Worte, wie ſie urſprünglich mitgetheilt wurden, dort
machten. Wäre erſteres der Fall, ſo verlöre der ganze Vorgang das Haupt-
gewicht; wäre aber die zweite Bermuthung gegründet — wie es allem An-
ſchein nach iſt — ſo wäre dieß nur ein neuer Beweis von der „Selbſtändig-
keit“ des preußiſchen Miniſteriums, das nicht genug daran hatte in Paris die
Worte der Kölniſchen Zeitung als ungenau bezeichnen zu laſſen, was voll-
kommen genügte, ſondern das noch beſonders in einem allen Zeitungen mitge-
theilten Artikel jene Worte förmlich zurücknahm. So etwas iſt Napoleon
kaum je begegnet. Es beweist aufs neue wie der gerade Sinn des Prinz-
Regenten von ungeſchickten Interpreten entſtellt wird. Und der Jubel, den
nun die franzöſiſchen Blätter aufſchlagen! Dennoch ſind die nachfolgenden
Worte ganz am Platz, denn ſie ſchildern die Stimmung, wie ſie in ganz
Deutſchland herrſcht.)

Hier an den äußerſten Gränzmarken haben ſich Fürſt und Volk die Ver-
ſicherung gegeben: bis zum letzten Athemzuge feſtzuhalten an dem theuern Vater-
lande. Es iſt ein feierliches Bündniß abgeſchloſſen, zu dem der Segen von oben
nicht fehlen wird. Es geht ein Gefühl durch das Land daß an der deutſchen
Treue eines edlen deutſchen Fürſten das Gebäude der Lüge, welches der zweite
December in ſchimmernder Pracht, aber auf faulendem Grund, errichtet hat,
zerſchellen wird.

Wahrlich, groß waren die Berlockungen welche Preußen entgegengehalten
wurden! Ganz Deutſchland, incluſive Holſtein, Deutſchland bis zum Main
und Fichtelgebirge mindeſtens — vielleicht auch noch ein gutes Theil mehr —
hätte der zweite December an Preußen gegen die einzige Abtretung des linken
Rheinufers „geſchenkt.“ In der That, vom rein dynaſtiſchen Standpunkt aus
betrachtet, konnte Preußen kein beſſeres Geſchäft machen! Der Handel wäre
ein ſo glänzender geweſen, daß der eigentliche Gründer der preußiſchen Groß-
macht, Friedrich der Große, es im vorigen Jahrhundert wahrſcheinlich ange-
nommen haben würde; wenigſtens enthielt der Bund zu Nymphenburg im
weſentlichen dieſelbe Stipulation, da Eroberungen bis zum Rhein ausdrück-
lich an Frankreich geſtattet wurden. Aber Gott ſey Dank — die Zeiten ſind
anders geworden! Kein preußiſcher König dürfte es jetzt wagen Verrath an
der Integrität des deutſchen Territoriums zu üben, und Friedrich der Große,
dem man den Bund zu Nymphenburg nicht nach heutigem Maß anrechnen
kann, würde in dieſer Zeit ſich nicht einmal herausnehmen dürfen einen folchen
Bund mit Frankreich zu ſchließen — das eigene Bolk würde ſich gegen ihn
wie ein Mann erheben.

Aber wenn auch die Abweiſung der franzöſiſchen Verlockung für den
Prinz-Regenten geradezu eine politiſche Nothwendigkeit war, wie der Sturm
beweist der ſich gegen Hrn. v. Borries erhoben hat, ſo bleibt es doch ſein
bleibendes Verdienſt daß er die Verlockung gerade ſo, und nicht anders, zurück-
wies. Die Manifeſtation eines redlichen treuen deutſchen Gemüths that uns
noth, und ein ſolches Gemüth hat ſich ſowohl in ſeiner Thronrede als auch
in ſeinen Worten an den äußerſten weſtlichen Gränzen in wahrhaft wohl-
thuender Weiſe dem Volk geoffenbart — ohne ſchimmernden Prunk der Werte,
ſondern einfach, ſchlicht und recht wie es dem Deutſchen geziemt. Es war
gerade das richtige daß er in ſeiner Threnrede den einſeitigen particulariſti-
ſchen Ränken den Rücken kehrte, und es vor der Welt bezeugte daß Preußen
kein Recht anderer verletzen werde.
Durch dieſes Wert iſt es mög-
lich geworden, und wir werden es erleben, daß das ganze Deutſchland dem
drohenden Feind einig entgegenzieht, denn in dem Grundſatz daß die Un-
abhängigkeit der Nation und die Unverletzlichkeit des vaterländiſchen Bedens
über alles zu ſtellen ſey, hat er gerade dasjenige als ſelbſtverſtändlich hinge-
ſtellt was in der Bruſt eines jeden Dentſchen feſt gegründet iſt.

Man muß auf dem linken Rheinufer wohnen um es zu erfahren in wie
beruhigender Weiſe die Anweſenheit des Prinz-Regenten in unſerer Provinz
gewirkt hat. Wir wiſſen es jetzt daß Preußen und mit ihm das ganze
Deutſchland dieſen ächt deutſchen Boden bis zum Aeußerſten vertheitigen
wird; wir fühlen es daß hier dem frevelhaften Räuber, der in unſere Fluren
einbrechen will, eine ſittliche Macht entgegentritt; wir hegen die feſtbegründete
Hoffnung daß Gott die Deutſchen in dem Kampfe für die gerechte Sache nicht
verlaſſen wird.

Werden wir auch vorausſichtlich die Leiden des Krieges am ſchwerſten
zu tragen haben, ſo iſt es doch eine ungemein beruhigende Hoffnung daß das
ganze deutſche Velk in dieſem glorreichen Kampfe, wenn er nicht vermieden
werden kann, in Einigkeit ſtreiten wird. Wir haſſen gewiß nicht das franzö-
ſiſche Volk; im Gegentheil, wir wünſchen nichts ſehnlicher als im Frieden
mit ihm zu leben; aber die ſchlechten, ſelbſt bereits der Fäulniß verfallenen
Elemente welche dieſes Volk zu einem nichtswürdigen Kriege gegen uns treiben
möchten, die haſſen wir. Jeder der nur einige Tage auf dem deutſchen linken
Rheinufer ſich aufhält, kann mit geringer Mühe den Ekel entdecken mit dem
die galliſchen Rheingelüſte alle Schichten der Berölkerungen erfüllen. Und
da wagt es nun der „vorgeſchobene Peſten der öffentlichen Meinung“ (d. h.
des zweiten Decembers) im Siècle zu ſagen: es ſey ein Mißbrauch der Ge-
walt daß Deutſchland das linke Rheinufer beſitze; es habe aber ſelbſt das
Gefühl des unrechtmäßigen Beſitzes, und dieſe Provinzen ſeyen Frankreich
anhänglich geblieben! Wenn das nicht eine ſelbſtbewußte Lüge iſt, ſo iſt es
eine Unwiſſenheit, ſo koloſſal daß jeder Rheinländer nur ein Hohnlachen
dafür haben kann.

Die Declamationen des Spectateur Militaire ſind noch empörender.
Hier tritt die brutale Gewalt, das nackte Fauſtrecht unverhüllt auf. Es
wird nicht einmal der Verſuch gemacht die Wegnahme der Rheingränze, die
ſich die Franzoſen ſo ſehr leicht denken, mit Scheingründen zu beſchönigen!
Die Herren könnten ſich aber über die Schwierigkeit ihres edeln Unternehmens
ſehr täuſchen, und namentlich könnte ihnen in den Rheinlanden ſelbſt ein
Geiſt entgegentreten von dem ſie ſich in ihrer Selbſtverherrlichung nichts träu-
men laſſen.

Was hat bei der neulichen Veranlaſſung der Redner der Stadt Saar-
brücken, Dr. Jordan, geſagt? Es lebe die Ueberzeugung daß durch den
innigſten Bund der Regierung des Prinz-Regenten mit der vereinten Vater-
landsliebe und dem freien Willensausdruck des geſammten deutſchen Velkes
jeder Fußbreit deutſchen Bodens, jede Forderung deutſchen
Rechts, jeder Pulsſchlag preußiſcher und deutſcher Ehre gegen
jeden Angriff, jeden Feind geſichert ſeyn werde!

Wir meinen, das ſey deutlich genug geſprochen; es iſt aber auch note-
riſch daß das ganze Rheinland, von Saarbrücken bis zur äußerſten nördlichen
Gränze bei Cleve, einmüthig ſo denkt. Nichtsdeſtoweniger wundert es uns
nicht daß man in Paris gerade das Gegentheil in die Welt hinauspoſaunt.
Man hat ſeine guten Gründe ſo zu reden, oder aber iſt wirklich ſo unwiſſend
und durch Eitelkeit verblendet, daß man den Unſinn ſelbſt glaubt den man
auskramt.

Wahr iſt es daß wir uns einer trüben Beſorgniß bei dem Gedanken an
die Zukunſt nicht erwehren können, aber lediglich aus dem Grunde weil wir
wahrhafte Anhänger der Civiliſation ſind, die wir nicht lügneriſch im Munde
ſühren, und weil wir mit Entfetzen auf das Verbrechen blicken welches die
Barbarei des Krieges der ſriedlichen Welt bringen will. Gewiß ſind wir
aufrichtige Anhänger des Friedens, und möchten den Krieg vermieden ſehen;
aber wenn das ganze Dentſchland zuſammenſteht, ſo zweifeln wir keinen
Augenblick an dem endlichen Siege der gerechten Sache. Dann wird auch
der rechte Mannesmuth nicht fehlen, und wer weiß ob nicht dieſe Prüfung
dem deutſchen Vaterland endlich zum Segen gereichen wird. Aber in dieſem
Augenblick iſt durch die neueſte Beruhigung des Moniteur die Gefahr ge-
wachſen,
und jeder Deutſche ſollte ſich jeden Tag von Morgen bis Abend
ſagen: das Vaterland iſt in Gefahr! Aber in dieſen ſchweren Tagen iſt der
Prinz-Regent von Preußen unſere Hoffnung geworden. Seine Selbſt-
verläugnung in deutſcher Treue hat es möglich gemacht daß alle deutſchen
Stämme zum Schutz des vaterländiſchen Bodens ſich innig verbinden, daß
der innere Hader — hauptſächlich hervorgerufen durch die Ränke, oder wenig-
ſtens Unbeſonnenheiten, der engherzig preußiſchen Partei — endlich ſchweigt,
und daß die Nation das Wort unſeres unſterblichen Schiller befolgt: „Seyd
einig, einig, einig!

Möglich iſt es daß vor einer ſolchen impoſanten Thatſache der Tiger in
ſeinem Sprung innehält, obgleich es kaum zu glauben iſt; aber wenn der
ſchwere Kampf gekämpft werden muß, ſo leben wir in der ermuthigenden Hoff-
nung daß ein edler deutſcher Fürſt, der keines andern Recht verletzen
will,
die deutſche Fahne der gauzen Nation vorantragen, und daß in dieſem
Zeichen deutſche Treue und Redlichkeit über Trug und Hinterliſt den Sieg
davontragen wird. In hoe signo vinces!

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[0017] Außerordentl. Beilage zu Nr. 159 der Allg. Zeitung.Donnerſtag 7 Junius 1860. Ueberſicht. Deutſchlands Gefahr und Hoffnung. — Italieniſche Reiſeblätter. (V. Rom.) — Deutſchland. (Freiburg: Die erſte Wanderverſammlung der badiſchen Gewerbvcreine. Berlin: Anſtellungsfähigkeit der Juden an öf- fentlichen Schulen.) — Griechenland. (Athen: Kammerverhandlungen. Gegen den Panſlavismus. Nachrichten aus Petersburg. Aus Sicilien. Der Paſcha von Lariſſa und Janina. Der König und die Königin nach Eleuſis.) Deutſchlands Gefahr und Hoffnung. * Aus Rheinpreußen. Die Reiſe des Prinz-Regenten nach Saarbrücken und Trier zur Eröffnung der weſtlichſten Bahnen des deutſchen Vaterlandes iſt zu einem bedeutungsvollen Ereigniß geworden. (Wir müſſen es dahingeſtellt ſeyn laſſen ob die Worte des Prinz-Re- genten wirklich nur in der ſehr abgeſchwächten Form, die neuerdings gegeben ward, geſprochen wurden, oder ob das nur eine Conceſſion iſt die von der preußiſchen Regierung nachträglich Frankreich gemacht ward, als man die Wirkung ſah die jene Worte, wie ſie urſprünglich mitgetheilt wurden, dort machten. Wäre erſteres der Fall, ſo verlöre der ganze Vorgang das Haupt- gewicht; wäre aber die zweite Bermuthung gegründet — wie es allem An- ſchein nach iſt — ſo wäre dieß nur ein neuer Beweis von der „Selbſtändig- keit“ des preußiſchen Miniſteriums, das nicht genug daran hatte in Paris die Worte der Kölniſchen Zeitung als ungenau bezeichnen zu laſſen, was voll- kommen genügte, ſondern das noch beſonders in einem allen Zeitungen mitge- theilten Artikel jene Worte förmlich zurücknahm. So etwas iſt Napoleon kaum je begegnet. Es beweist aufs neue wie der gerade Sinn des Prinz- Regenten von ungeſchickten Interpreten entſtellt wird. Und der Jubel, den nun die franzöſiſchen Blätter aufſchlagen! Dennoch ſind die nachfolgenden Worte ganz am Platz, denn ſie ſchildern die Stimmung, wie ſie in ganz Deutſchland herrſcht.) Hier an den äußerſten Gränzmarken haben ſich Fürſt und Volk die Ver- ſicherung gegeben: bis zum letzten Athemzuge feſtzuhalten an dem theuern Vater- lande. Es iſt ein feierliches Bündniß abgeſchloſſen, zu dem der Segen von oben nicht fehlen wird. Es geht ein Gefühl durch das Land daß an der deutſchen Treue eines edlen deutſchen Fürſten das Gebäude der Lüge, welches der zweite December in ſchimmernder Pracht, aber auf faulendem Grund, errichtet hat, zerſchellen wird. Wahrlich, groß waren die Berlockungen welche Preußen entgegengehalten wurden! Ganz Deutſchland, incluſive Holſtein, Deutſchland bis zum Main und Fichtelgebirge mindeſtens — vielleicht auch noch ein gutes Theil mehr — hätte der zweite December an Preußen gegen die einzige Abtretung des linken Rheinufers „geſchenkt.“ In der That, vom rein dynaſtiſchen Standpunkt aus betrachtet, konnte Preußen kein beſſeres Geſchäft machen! Der Handel wäre ein ſo glänzender geweſen, daß der eigentliche Gründer der preußiſchen Groß- macht, Friedrich der Große, es im vorigen Jahrhundert wahrſcheinlich ange- nommen haben würde; wenigſtens enthielt der Bund zu Nymphenburg im weſentlichen dieſelbe Stipulation, da Eroberungen bis zum Rhein ausdrück- lich an Frankreich geſtattet wurden. Aber Gott ſey Dank — die Zeiten ſind anders geworden! Kein preußiſcher König dürfte es jetzt wagen Verrath an der Integrität des deutſchen Territoriums zu üben, und Friedrich der Große, dem man den Bund zu Nymphenburg nicht nach heutigem Maß anrechnen kann, würde in dieſer Zeit ſich nicht einmal herausnehmen dürfen einen folchen Bund mit Frankreich zu ſchließen — das eigene Bolk würde ſich gegen ihn wie ein Mann erheben. Aber wenn auch die Abweiſung der franzöſiſchen Verlockung für den Prinz-Regenten geradezu eine politiſche Nothwendigkeit war, wie der Sturm beweist der ſich gegen Hrn. v. Borries erhoben hat, ſo bleibt es doch ſein bleibendes Verdienſt daß er die Verlockung gerade ſo, und nicht anders, zurück- wies. Die Manifeſtation eines redlichen treuen deutſchen Gemüths that uns noth, und ein ſolches Gemüth hat ſich ſowohl in ſeiner Thronrede als auch in ſeinen Worten an den äußerſten weſtlichen Gränzen in wahrhaft wohl- thuender Weiſe dem Volk geoffenbart — ohne ſchimmernden Prunk der Werte, ſondern einfach, ſchlicht und recht wie es dem Deutſchen geziemt. Es war gerade das richtige daß er in ſeiner Threnrede den einſeitigen particulariſti- ſchen Ränken den Rücken kehrte, und es vor der Welt bezeugte daß Preußen kein Recht anderer verletzen werde. Durch dieſes Wert iſt es mög- lich geworden, und wir werden es erleben, daß das ganze Deutſchland dem drohenden Feind einig entgegenzieht, denn in dem Grundſatz daß die Un- abhängigkeit der Nation und die Unverletzlichkeit des vaterländiſchen Bedens über alles zu ſtellen ſey, hat er gerade dasjenige als ſelbſtverſtändlich hinge- ſtellt was in der Bruſt eines jeden Dentſchen feſt gegründet iſt. Man muß auf dem linken Rheinufer wohnen um es zu erfahren in wie beruhigender Weiſe die Anweſenheit des Prinz-Regenten in unſerer Provinz gewirkt hat. Wir wiſſen es jetzt daß Preußen und mit ihm das ganze Deutſchland dieſen ächt deutſchen Boden bis zum Aeußerſten vertheitigen wird; wir fühlen es daß hier dem frevelhaften Räuber, der in unſere Fluren einbrechen will, eine ſittliche Macht entgegentritt; wir hegen die feſtbegründete Hoffnung daß Gott die Deutſchen in dem Kampfe für die gerechte Sache nicht verlaſſen wird. Werden wir auch vorausſichtlich die Leiden des Krieges am ſchwerſten zu tragen haben, ſo iſt es doch eine ungemein beruhigende Hoffnung daß das ganze deutſche Velk in dieſem glorreichen Kampfe, wenn er nicht vermieden werden kann, in Einigkeit ſtreiten wird. Wir haſſen gewiß nicht das franzö- ſiſche Volk; im Gegentheil, wir wünſchen nichts ſehnlicher als im Frieden mit ihm zu leben; aber die ſchlechten, ſelbſt bereits der Fäulniß verfallenen Elemente welche dieſes Volk zu einem nichtswürdigen Kriege gegen uns treiben möchten, die haſſen wir. Jeder der nur einige Tage auf dem deutſchen linken Rheinufer ſich aufhält, kann mit geringer Mühe den Ekel entdecken mit dem die galliſchen Rheingelüſte alle Schichten der Berölkerungen erfüllen. Und da wagt es nun der „vorgeſchobene Peſten der öffentlichen Meinung“ (d. h. des zweiten Decembers) im Siècle zu ſagen: es ſey ein Mißbrauch der Ge- walt daß Deutſchland das linke Rheinufer beſitze; es habe aber ſelbſt das Gefühl des unrechtmäßigen Beſitzes, und dieſe Provinzen ſeyen Frankreich anhänglich geblieben! Wenn das nicht eine ſelbſtbewußte Lüge iſt, ſo iſt es eine Unwiſſenheit, ſo koloſſal daß jeder Rheinländer nur ein Hohnlachen dafür haben kann. Die Declamationen des Spectateur Militaire ſind noch empörender. Hier tritt die brutale Gewalt, das nackte Fauſtrecht unverhüllt auf. Es wird nicht einmal der Verſuch gemacht die Wegnahme der Rheingränze, die ſich die Franzoſen ſo ſehr leicht denken, mit Scheingründen zu beſchönigen! Die Herren könnten ſich aber über die Schwierigkeit ihres edeln Unternehmens ſehr täuſchen, und namentlich könnte ihnen in den Rheinlanden ſelbſt ein Geiſt entgegentreten von dem ſie ſich in ihrer Selbſtverherrlichung nichts träu- men laſſen. Was hat bei der neulichen Veranlaſſung der Redner der Stadt Saar- brücken, Dr. Jordan, geſagt? Es lebe die Ueberzeugung daß durch den innigſten Bund der Regierung des Prinz-Regenten mit der vereinten Vater- landsliebe und dem freien Willensausdruck des geſammten deutſchen Velkes jeder Fußbreit deutſchen Bodens, jede Forderung deutſchen Rechts, jeder Pulsſchlag preußiſcher und deutſcher Ehre gegen jeden Angriff, jeden Feind geſichert ſeyn werde! Wir meinen, das ſey deutlich genug geſprochen; es iſt aber auch note- riſch daß das ganze Rheinland, von Saarbrücken bis zur äußerſten nördlichen Gränze bei Cleve, einmüthig ſo denkt. Nichtsdeſtoweniger wundert es uns nicht daß man in Paris gerade das Gegentheil in die Welt hinauspoſaunt. Man hat ſeine guten Gründe ſo zu reden, oder aber iſt wirklich ſo unwiſſend und durch Eitelkeit verblendet, daß man den Unſinn ſelbſt glaubt den man auskramt. Wahr iſt es daß wir uns einer trüben Beſorgniß bei dem Gedanken an die Zukunſt nicht erwehren können, aber lediglich aus dem Grunde weil wir wahrhafte Anhänger der Civiliſation ſind, die wir nicht lügneriſch im Munde ſühren, und weil wir mit Entfetzen auf das Verbrechen blicken welches die Barbarei des Krieges der ſriedlichen Welt bringen will. Gewiß ſind wir aufrichtige Anhänger des Friedens, und möchten den Krieg vermieden ſehen; aber wenn das ganze Dentſchland zuſammenſteht, ſo zweifeln wir keinen Augenblick an dem endlichen Siege der gerechten Sache. Dann wird auch der rechte Mannesmuth nicht fehlen, und wer weiß ob nicht dieſe Prüfung dem deutſchen Vaterland endlich zum Segen gereichen wird. Aber in dieſem Augenblick iſt durch die neueſte Beruhigung des Moniteur die Gefahr ge- wachſen, und jeder Deutſche ſollte ſich jeden Tag von Morgen bis Abend ſagen: das Vaterland iſt in Gefahr! Aber in dieſen ſchweren Tagen iſt der Prinz-Regent von Preußen unſere Hoffnung geworden. 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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 159, 7. Juni 1860, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine159_1860/17>, abgerufen am 11.12.2024.