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Allgemeine Zeitung, Nr. 158, 6. Juni 1860.

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Zum neuen Oesterreich.

(Beschluß.)

h Aus dem so erwachten und zu gesunder Entfaltung berechtigten geistigen
Leben ist schon jenes Institut hervorgegangen das der Vorläufer für die poli-
tische Entwicklung der Nationen und Staaten in der Gegenwart ist: die
Presse. Sie ist ebenfalls eine Errungenschaft des "neuen Oesterreichs," denn
man kann ihr Leben eigentlich erst von der Anerkennung der Preßfreiheit im
Princip datiren. Es ist unläugbar daß die Praxis nicht das Princip zur
vollen Geltung kommen läßt, aber es ist auch eben so gewiß daß für die
Preßfreiheit die Geister geschult und herangezogen werden müssen. Aller
Freiheit muß, wenn sie segensreich seyn soll, Selbstbeschränkung zur
Seite stehen, und diese ist nur das Resultat allseitiger gereifter Entwicklung.
Daß es in dieser Beziehung Oesterreich noch sehr an gereiften Kräften fehlt,
davon liefern gerade die Preßzustände Oesterreichs den Beweis, denn außer
Wien besteht trotz der Selbständigkeit der großen Kronländer keine große
Presse. Daß eine solche wenigstens in Wien in den Grundzügen vorhanden,
erachten wir schon als etwas ganz außerordentliches, wenn man den unge-
heuren Sprung bedenkt der zwischen den Zuständen von heute und denen liegt
die vor kaum 12 Jahren bestanden. Wenn die Regierung in der prakti-
schen Handhabung der Preßfreiheit nicht immer den Wünschen, ja dem berech-
tigten Verlangen genügt hat, darf man vergessen daß die Regierung selbst
lernen muß, daß sie selbst in die neuen Institutionen hinein wachsen muß,
daß dieselben ihr eben so fremd waren und sind als dem übrigen Oesterreich?
Oesterreich kann unmöglich von seinen ihm selbst ausnahmslos entsprossenen,
mit ihm verkörperten Staatsmännern verlangen daß sie über den Insti-
tutionen stehen die sie gegründet, denn die Staatsmänner wurzeln, bei der
kurzen Periode welche erst das neue Oesterreich umfaßt, ausnahmslos in einer
Zeit welche jene Institutionen nicht gekannt. Darum rechnen wir es auch
wahrlich der österreichischen Regierung nicht zum Vorwurf an daß sie bei der
Gründung des verstärkten Reichsraths, mit fast ängstlicher Vorsicht vorwärts
gieng. Daß dieser Schritt ein Vorwärts war, werden selbst die erbit-
tertsten Feinde Oesterreichs nicht läugnen können.

Wir haben schon oben erklärt daß es gegen deutsches Wesen ist
den Accent nur darauf zu legen was eine Institution, zumal eine politische,
unmittelbar gewährt. Die Hauptsache scheint uns die Frage: ob sie über-
haupt eine Bedeutung hat, und dann ob sie entwickelbar ist. Nun ist note-
risch daß schon der alte Reichsrath unabhängig vom Ministerium war, und
einen bedeutenden Einfluß übte; der Einfluß des verstärkten Reichraths wird
sicher ein noch viel größerer seyn, und man kann schon jetzt mit absoluter Ge-
wißheit behaupten daß die Regierung keine Maßregeln gegen die Entschei-
dung des Reichsraths ergreifen wird.

Wenn die außerordentlichen Reichsräthe auch keinen Gehalt erhalten, so
steht es doch sicher den Candidatsvertretungen frei den von ihnen gewählten
Abgeordneten Diäten anzuweisen. Diese einfache Maßnahme sichert eine
sehr zu beachtende Freiheit der Wahl, wozu noch kommt daß das Verhältniß
zwischen den gewählten und den ernannten Reichsräthen noch nicht festgesetzt
ist. Es geht daraus hervor daß die Regierung beabsichtigt dem sich geltend
machenden Bedürfniß Rechnung zu tragen. Den Debatten des Reichsraths
ist (§. 8 des Reichsrathspatents vom 5 März) die Veröffentlichung der Bera-
thungen zugesichert. Es ist das ein in unsern Augen außerordentliches Zu-
geständniß; die fehlende Oeffentlichkeit der Sitzungen ist dagegen für das
große Ganze eine ziemlich werthlose Zugabe, so angenehm sie local seyn mag.

Alle politischen Institutionen welche die Theilnahme des Volkes an
der Regierung sichern, sind vor allem in unsern Augen auch als Schulen werth-
voll. Als Schulen für Staatsmänner. Wer die Interessen des Volkes zu vertre-
ten berufen, wird sie gründlicher erforschen und ihnen später als Minister leichter
und sicherer genügen als der Beamte, welcher stets nur in abhängiger Stellung
sie kennen gelernt hat. An Staatsmännern hat aber Oesterreich Mangel, und
zwar Mangel weil ihm eben Institutionen fehlten wo das staatsmännische Talent
sich frei entfalten, schulen und zur Geltung bringen konnte. Der Reichsrath
muß, das ist wenigstens unsere Anschauung, für die nächste Zeit wesentlich
auch als die Schule für die zukünftigen Staatsmänner und Leiter Oesterreichs
betrachtet, und für diesen Zweck bei seiner formellen Ausbildung Rücksicht ge-
nommen werden.*)

[Spaltenumbruch]

So ist in allen Gebieten des staatlichen Lebens in Oesterreich großes,
ja außerordentliches geleistet, und gerade das chaotische Treiben in welches
die Kräfte dort gekommen sind beweist am meisten dafür. Jedenfalls haben
wir ein Recht die Feinde Oesterreichs, die stets von der Stagnation oder gar
von dem Rückschritt im Kaiserreich sprechen, zu fragen: ob das alles nichts ist?

Man soll zudem keinen Blick auf den außerordentlichen Umschwung in
den innern Verhältnissen Oesterreichs werfen, nicht hervorheben was die Re-
gierung ihrerseits wirklich, und zwar unter außerordentlich schwierigen Um-
ständen geleistet hat, ohne die Frage aufzuwerfen: welchen Gebrauch macht
denn die Bevölkerung von den ihr gewordenen Institutionen? Handhabt sie
dieselben, wenn auch nicht mit besonderm Geschick, doch mit voller Thätigkeit,
emsig bemüht ihnen den höchsten Gewinn zu entlocken den man aus ihnen
ziehen kann? Welcher Oesterreicher wird darauf bejahend antworten? Die
Freiheit ist in keiner Richtung ein bequemes Geschenk. Sie ist unzertrennbar
von der Verantwortung, von der Concurrenz, von der Sorge. Wer je die
Freiheit in ihrer Ursprünglichkeit gekostet, wer je versuchte auf freier Erde ein
freier Mann zu seyn, der freien jungfräulichen Erde den ersten Tribut ent-
lockend, der weiß auch daß hinfort die Devise seines Leben "schlecht leben und
hart arbeiten" war. Unabhängigkeit -- und es gibt keine Freiheit ohne sie --
hat jedenfalls zweierlei zur Basis: arbeiten und sparen. Nur so kann sie
gesichert, nur so kann sie erhalten werden. Wird man uns in Oesterreich
widersprechen, wenn wir sagen daß diese beiden Cardinaltugenden des deut-
schen Volkes, diese Träger der Freiheit, sich im Donaureich nur noch äußerst
schwach vertreten finden? Und doch hängt gerade von den Leistungen des
Einzelnen in diesen Richtungen ab was das Ganze in Allen leisten kann.
Auch das will gelernt seyn.

Von dem großen grundbesitzenden Adel bis zum Bauern hinab fieht jeder sich
auf einmal aus den gewohnten Verhältnissen gerissen; durchaus neuen An-
sprüchen soll er mit den alten Kräften genügen. Da wollen denn diese nir-
gends ausreichen. In seiner großen grundbesitzenden Aristokratie besitzt
Oesterreich ein mächtiges politisches Element. Auf der Basis eines großen
sichern Besitzes der ihn mit allen großen Interessen des Landes verbindet,
der ihm einen Einfluß gibt auf weite Kreise, der ihn der Sorge um das täg-
liche Brod enthebt, ist der große Grundbesitzer vorzugsweise geeignet Träger
des politischen Volkslebens im höhern Sinn des Wortes zu seyn. Aber dazu
ist nur eine "working aristocracy" besähigt, und wir glauben daß der hohe
österreichische Adel noch wenig dem englischen Vorbild entspricht. Mit dem
Motto "Noblesse oblige" ist's nicht gethan; es gibt keine Rechte ohne Pflich-
ten, und man kann einer Pflicht nicht genügen ohne Kraft, wenn auch der
Wille da ist sie zu gebrauchen.

Die Bodenbefreiung hat eine Masse freier kleiner Grundeigenthümer
geschaffen, aber die Sorge welche die Regierung in ganzen Provinzen treffen
muß um denselben dieses Grundeigenthum künstlich zu sichern, zeigt daß viel-
fach der Bauer den Werth des großen Geschenkes verkennt welches ihm als
Ersatz für die harten Prüfungen geworden durch die er gegangen. "Arbeiten
und Sparen" dürfen wir daher vorderhand vorzugsweise allein von den bür-
gerlichen Elementen erwarten, und damit wird dieses noch mehr denn in
irgendeinem andern Lande in Oesterreich zum Träger des Fortschrittes und der
Freiheit. Das neue Oesterreich, wir müssen es wiederholen, hängt in sei-
ner Entwicklung wesentlich von dem ab was der Bürgerstand im Donau-
reich leistet, und wir vertrauen ihm, weil der Hauptsache nach vorzugsweise das
deutsche Element in dem bunten nationalen Gefüge Oesterreichs den Bürgerstand
bildet. Arbeiten und Sparen sind die Eigenschaften welche von je dem deut-
schen Volk eigenthümlich waren. Man gestatte uns hier aus dem Programm des
großen österreichischen Staatsmannes der eben heimgegangen ist, nachstehende
*)

*) Bekanntlich sind Landtage bei der Schaffung des Reichsraths abermals ver-
sprochen worden, wie dieß bereits in der deutschen Bundesacte vor fast fünf-
zig Jahren geschehen. Eine der ersten und bedeutendsten Petitionen dieser
Landtage wird die Umwandlung der Wahl der Reichsräthe in directe selbstän-
dige seyn, statt der dreifachen Vorschläge, die jetzt vorgeschrieben sind. Wie kann
man, zumal da nur sehr wenige Vertreter für jedes einzelne Kronland bestimmt
sind, von dreifachen Vorschlägen reden, und doch allgemeines Vertrauen für
diese zweifelhaften Repräsentanten desselben fordern? Schon der zweite in der
Wahl ist ja oft nur der Erkoreue der Minderheit; wie erst drei Candidaten
unter denen der Regierung die Wahl bliebe! Man würde dann schließen: sie
nehme überall nur die Gefügigsten heraus. Man erwäge wohl auf welcher
Bahn man steht! Die Monarchie ist zum zweitenmal an den Rand der Creditlosigkeit
und des Zerfalls gebracht, ja zwei Geschichtschreiber von Heidelberg haben es
*) jüngst in einem Document ausgesprochen daß dieß ihr unentrinnbares Schicksal sey.
So sehr wir diese Befürchtung im Interesse der Partei für übertrieben halten, und
so sehr wir die nachhaltige Kraft des Staats zu zeigen uns bemühen, so ist doch die
Lage ernst genug. Sollten unter diesen Umständen nicht einzelne Landtage, wenn
sie einmal ins Leben gerufen sind, eine überwältigende Kraft über den Reichs-
rath ausüben, der vor jener wenigstens indirect revolutionären Gewalt offen-
bar in zweite Linie gedrängt würde, wenn er nicht aus des Landes besten
und vertrauenswürdigsten Männern besteht? Die Schaffung dieser Landtage
und eine Reform des unförmlichen Gemeindepatentes sind die zwei größten Auf-
gaben die dem verstärkten Reichsrath zukommen, wodurch er sich unsterbliche
Verdienste um die Monarchie wie um die Ruhe Europa's erwerben wird.
Der Lohn ist so groß, daß man meinen sollte davor müßten alle Sonderge-
lüste und jede Parteileidenschast schweigen. Rings um den österreichischen
Staaten-Compler späht die Lüge und der Verrath bereit in jede Lücke und
Blöße die er ihnen liefert, ihre dämonische Eier zu legen. Da gilt es festzu-
stehen, und das schwierige Werk trotz alledem und alledem zu Ende zu führen,
auf daß Oesterreich wieder der Anker und die Hoffnung Europa's werde. Die
Wiener Ztg. hat selbst verkündigt: "durch das kaiserliche Patent vom 5 März
werde ein Centralorgan für die höchsten und allgemeinen Interessen der Mon-
archie geschaffen, überall und allenthalben solle der Bevölkerung Theilnahme
an den öffentlichen Angelegenheiten, Raum zur Mitwirkung für die eigenen
Interessen gewährt werden." Nun ist der Augenblick gekommen diese Worte
zur Wahrheit werden zu lassen, auf daß das Mißtrauen des eigenen Volks,
und das Hohngeschrei des Auslands aufhöre. R. d. A. Z.
[Spaltenumbruch]
Zum neuen Oeſterreich.

(Beſchluß.)

h Aus dem ſo erwachten und zu geſunder Entfaltung berechtigten geiſtigen
Leben iſt ſchon jenes Inſtitut hervorgegangen das der Vorläufer für die poli-
tiſche Entwicklung der Nationen und Staaten in der Gegenwart iſt: die
Preſſe. Sie iſt ebenfalls eine Errungenſchaft des „neuen Oeſterreichs,“ denn
man kann ihr Leben eigentlich erſt von der Anerkennung der Preßfreiheit im
Princip datiren. Es iſt unläugbar daß die Praxis nicht das Princip zur
vollen Geltung kommen läßt, aber es iſt auch eben ſo gewiß daß für die
Preßfreiheit die Geiſter geſchult und herangezogen werden müſſen. Aller
Freiheit muß, wenn ſie ſegensreich ſeyn ſoll, Selbſtbeſchränkung zur
Seite ſtehen, und dieſe iſt nur das Reſultat allſeitiger gereifter Entwicklung.
Daß es in dieſer Beziehung Oeſterreich noch ſehr an gereiften Kräften fehlt,
davon liefern gerade die Preßzuſtände Oeſterreichs den Beweis, denn außer
Wien beſteht trotz der Selbſtändigkeit der großen Kronländer keine große
Preſſe. Daß eine ſolche wenigſtens in Wien in den Grundzügen vorhanden,
erachten wir ſchon als etwas ganz außerordentliches, wenn man den unge-
heuren Sprung bedenkt der zwiſchen den Zuſtänden von heute und denen liegt
die vor kaum 12 Jahren beſtanden. Wenn die Regierung in der prakti-
ſchen Handhabung der Preßfreiheit nicht immer den Wünſchen, ja dem berech-
tigten Verlangen genügt hat, darf man vergeſſen daß die Regierung ſelbſt
lernen muß, daß ſie ſelbſt in die neuen Inſtitutionen hinein wachſen muß,
daß dieſelben ihr eben ſo fremd waren und ſind als dem übrigen Oeſterreich?
Oeſterreich kann unmöglich von ſeinen ihm ſelbſt ausnahmslos entſproſſenen,
mit ihm verkörperten Staatsmännern verlangen daß ſie über den Inſti-
tutionen ſtehen die ſie gegründet, denn die Staatsmänner wurzeln, bei der
kurzen Periode welche erſt das neue Oeſterreich umfaßt, ausnahmslos in einer
Zeit welche jene Inſtitutionen nicht gekannt. Darum rechnen wir es auch
wahrlich der öſterreichiſchen Regierung nicht zum Vorwurf an daß ſie bei der
Gründung des verſtärkten Reichsraths, mit faſt ängſtlicher Vorſicht vorwärts
gieng. Daß dieſer Schritt ein Vorwärts war, werden ſelbſt die erbit-
tertſten Feinde Oeſterreichs nicht läugnen können.

Wir haben ſchon oben erklärt daß es gegen deutſches Weſen iſt
den Accent nur darauf zu legen was eine Inſtitution, zumal eine politiſche,
unmittelbar gewährt. Die Hauptſache ſcheint uns die Frage: ob ſie über-
haupt eine Bedeutung hat, und dann ob ſie entwickelbar iſt. Nun iſt note-
riſch daß ſchon der alte Reichsrath unabhängig vom Miniſterium war, und
einen bedeutenden Einfluß übte; der Einfluß des verſtärkten Reichraths wird
ſicher ein noch viel größerer ſeyn, und man kann ſchon jetzt mit abſoluter Ge-
wißheit behaupten daß die Regierung keine Maßregeln gegen die Entſchei-
dung des Reichsraths ergreifen wird.

Wenn die außerordentlichen Reichsräthe auch keinen Gehalt erhalten, ſo
ſteht es doch ſicher den Candidatsvertretungen frei den von ihnen gewählten
Abgeordneten Diäten anzuweiſen. Dieſe einfache Maßnahme ſichert eine
ſehr zu beachtende Freiheit der Wahl, wozu noch kommt daß das Verhältniß
zwiſchen den gewählten und den ernannten Reichsräthen noch nicht feſtgeſetzt
iſt. Es geht daraus hervor daß die Regierung beabſichtigt dem ſich geltend
machenden Bedürfniß Rechnung zu tragen. Den Debatten des Reichsraths
iſt (§. 8 des Reichsrathspatents vom 5 März) die Veröffentlichung der Bera-
thungen zugeſichert. Es iſt das ein in unſern Augen außerordentliches Zu-
geſtändniß; die fehlende Oeffentlichkeit der Sitzungen iſt dagegen für das
große Ganze eine ziemlich werthloſe Zugabe, ſo angenehm ſie local ſeyn mag.

Alle politiſchen Inſtitutionen welche die Theilnahme des Volkes an
der Regierung ſichern, ſind vor allem in unſern Augen auch als Schulen werth-
voll. Als Schulen für Staatsmänner. Wer die Intereſſen des Volkes zu vertre-
ten berufen, wird ſie gründlicher erforſchen und ihnen ſpäter als Miniſter leichter
und ſicherer genügen als der Beamte, welcher ſtets nur in abhängiger Stellung
ſie kennen gelernt hat. An Staatsmännern hat aber Oeſterreich Mangel, und
zwar Mangel weil ihm eben Inſtitutionen fehlten wo das ſtaatsmänniſche Talent
ſich frei entfalten, ſchulen und zur Geltung bringen konnte. Der Reichsrath
muß, das iſt wenigſtens unſere Anſchauung, für die nächſte Zeit weſentlich
auch als die Schule für die zukünftigen Staatsmänner und Leiter Oeſterreichs
betrachtet, und für dieſen Zweck bei ſeiner formellen Ausbildung Rückſicht ge-
nommen werden.*)

[Spaltenumbruch]

So iſt in allen Gebieten des ſtaatlichen Lebens in Oeſterreich großes,
ja außerordentliches geleiſtet, und gerade das chaotiſche Treiben in welches
die Kräfte dort gekommen ſind beweist am meiſten dafür. Jedenfalls haben
wir ein Recht die Feinde Oeſterreichs, die ſtets von der Stagnation oder gar
von dem Rückſchritt im Kaiſerreich ſprechen, zu fragen: ob das alles nichts iſt?

Man ſoll zudem keinen Blick auf den außerordentlichen Umſchwung in
den innern Verhältniſſen Oeſterreichs werfen, nicht hervorheben was die Re-
gierung ihrerſeits wirklich, und zwar unter außerordentlich ſchwierigen Um-
ſtänden geleiſtet hat, ohne die Frage aufzuwerfen: welchen Gebrauch macht
denn die Bevölkerung von den ihr gewordenen Inſtitutionen? Handhabt ſie
dieſelben, wenn auch nicht mit beſonderm Geſchick, doch mit voller Thätigkeit,
emſig bemüht ihnen den höchſten Gewinn zu entlocken den man aus ihnen
ziehen kann? Welcher Oeſterreicher wird darauf bejahend antworten? Die
Freiheit iſt in keiner Richtung ein bequemes Geſchenk. Sie iſt unzertrennbar
von der Verantwortung, von der Concurrenz, von der Sorge. Wer je die
Freiheit in ihrer Urſprünglichkeit gekoſtet, wer je verſuchte auf freier Erde ein
freier Mann zu ſeyn, der freien jungfräulichen Erde den erſten Tribut ent-
lockend, der weiß auch daß hinfort die Deviſe ſeines Leben „ſchlecht leben und
hart arbeiten“ war. Unabhängigkeit — und es gibt keine Freiheit ohne ſie —
hat jedenfalls zweierlei zur Baſis: arbeiten und ſparen. Nur ſo kann ſie
geſichert, nur ſo kann ſie erhalten werden. Wird man uns in Oeſterreich
widerſprechen, wenn wir ſagen daß dieſe beiden Cardinaltugenden des deut-
ſchen Volkes, dieſe Träger der Freiheit, ſich im Donaureich nur noch äußerſt
ſchwach vertreten finden? Und doch hängt gerade von den Leiſtungen des
Einzelnen in dieſen Richtungen ab was das Ganze in Allen leiſten kann.
Auch das will gelernt ſeyn.

Von dem großen grundbeſitzenden Adel bis zum Bauern hinab fieht jeder ſich
auf einmal aus den gewohnten Verhältniſſen geriſſen; durchaus neuen An-
ſprüchen ſoll er mit den alten Kräften genügen. Da wollen denn dieſe nir-
gends ausreichen. In ſeiner großen grundbeſitzenden Ariſtokratie beſitzt
Oeſterreich ein mächtiges politiſches Element. Auf der Baſis eines großen
ſichern Beſitzes der ihn mit allen großen Intereſſen des Landes verbindet,
der ihm einen Einfluß gibt auf weite Kreiſe, der ihn der Sorge um das täg-
liche Brod enthebt, iſt der große Grundbeſitzer vorzugsweiſe geeignet Träger
des politiſchen Volkslebens im höhern Sinn des Wortes zu ſeyn. Aber dazu
iſt nur eine „working aristocracy“ beſähigt, und wir glauben daß der hohe
öſterreichiſche Adel noch wenig dem engliſchen Vorbild entſpricht. Mit dem
Motto „Noblesse oblige“ iſt’s nicht gethan; es gibt keine Rechte ohne Pflich-
ten, und man kann einer Pflicht nicht genügen ohne Kraft, wenn auch der
Wille da iſt ſie zu gebrauchen.

Die Bodenbefreiung hat eine Maſſe freier kleiner Grundeigenthümer
geſchaffen, aber die Sorge welche die Regierung in ganzen Provinzen treffen
muß um denſelben dieſes Grundeigenthum künſtlich zu ſichern, zeigt daß viel-
fach der Bauer den Werth des großen Geſchenkes verkennt welches ihm als
Erſatz für die harten Prüfungen geworden durch die er gegangen. „Arbeiten
und Sparen“ dürfen wir daher vorderhand vorzugsweiſe allein von den bür-
gerlichen Elementen erwarten, und damit wird dieſes noch mehr denn in
irgendeinem andern Lande in Oeſterreich zum Träger des Fortſchrittes und der
Freiheit. Das neue Oeſterreich, wir müſſen es wiederholen, hängt in ſei-
ner Entwicklung weſentlich von dem ab was der Bürgerſtand im Donau-
reich leiſtet, und wir vertrauen ihm, weil der Hauptſache nach vorzugsweiſe das
deutſche Element in dem bunten nationalen Gefüge Oeſterreichs den Bürgerſtand
bildet. Arbeiten und Sparen ſind die Eigenſchaften welche von je dem deut-
ſchen Volk eigenthümlich waren. Man geſtatte uns hier aus dem Programm des
großen öſterreichiſchen Staatsmannes der eben heimgegangen iſt, nachſtehende
*)

*) Bekanntlich ſind Landtage bei der Schaffung des Reichsraths abermals ver-
ſprochen worden, wie dieß bereits in der deutſchen Bundesacte vor faſt fünf-
zig Jahren geſchehen. Eine der erſten und bedeutendſten Petitionen dieſer
Landtage wird die Umwandlung der Wahl der Reichsräthe in directe ſelbſtän-
dige ſeyn, ſtatt der dreifachen Vorſchläge, die jetzt vorgeſchrieben ſind. Wie kann
man, zumal da nur ſehr wenige Vertreter für jedes einzelne Kronland beſtimmt
ſind, von dreifachen Vorſchlägen reden, und doch allgemeines Vertrauen für
dieſe zweifelhaften Repräſentanten desſelben fordern? Schon der zweite in der
Wahl iſt ja oft nur der Erkoreue der Minderheit; wie erſt drei Candidaten
unter denen der Regierung die Wahl bliebe! Man würde dann ſchließen: ſie
nehme überall nur die Gefügigſten heraus. Man erwäge wohl auf welcher
Bahn man ſteht! Die Monarchie iſt zum zweitenmal an den Rand der Creditloſigkeit
und des Zerfalls gebracht, ja zwei Geſchichtſchreiber von Heidelberg haben es
*) jüngſt in einem Document ausgeſprochen daß dieß ihr unentrinnbares Schickſal ſey.
So ſehr wir dieſe Befürchtung im Intereſſe der Partei für übertrieben halten, und
ſo ſehr wir die nachhaltige Kraft des Staats zu zeigen uns bemühen, ſo iſt doch die
Lage ernſt genug. Sollten unter dieſen Umſtänden nicht einzelne Landtage, wenn
ſie einmal ins Leben gerufen ſind, eine überwältigende Kraft über den Reichs-
rath ausüben, der vor jener wenigſtens indirect revolutionären Gewalt offen-
bar in zweite Linie gedrängt würde, wenn er nicht aus des Landes beſten
und vertrauenswürdigſten Männern beſteht? Die Schaffung dieſer Landtage
und eine Reform des unförmlichen Gemeindepatentes ſind die zwei größten Auf-
gaben die dem verſtärkten Reichsrath zukommen, wodurch er ſich unſterbliche
Verdienſte um die Monarchie wie um die Ruhe Europa’s erwerben wird.
Der Lohn iſt ſo groß, daß man meinen ſollte davor müßten alle Sonderge-
lüſte und jede Parteileidenſchaſt ſchweigen. Rings um den öſterreichiſchen
Staaten-Compler ſpäht die Lüge und der Verrath bereit in jede Lücke und
Blöße die er ihnen liefert, ihre dämoniſche Eier zu legen. Da gilt es feſtzu-
ſtehen, und das ſchwierige Werk trotz alledem und alledem zu Ende zu führen,
auf daß Oeſterreich wieder der Anker und die Hoffnung Europa’s werde. Die
Wiener Ztg. hat ſelbſt verkündigt: „durch das kaiſerliche Patent vom 5 März
werde ein Centralorgan für die höchſten und allgemeinen Intereſſen der Mon-
archie geſchaffen, überall und allenthalben ſolle der Bevölkerung Theilnahme
an den öffentlichen Angelegenheiten, Raum zur Mitwirkung für die eigenen
Intereſſen gewährt werden.“ Nun iſt der Augenblick gekommen dieſe Worte
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[2638/0010] Zum neuen Oeſterreich. (Beſchluß.) h Aus dem ſo erwachten und zu geſunder Entfaltung berechtigten geiſtigen Leben iſt ſchon jenes Inſtitut hervorgegangen das der Vorläufer für die poli- tiſche Entwicklung der Nationen und Staaten in der Gegenwart iſt: die Preſſe. Sie iſt ebenfalls eine Errungenſchaft des „neuen Oeſterreichs,“ denn man kann ihr Leben eigentlich erſt von der Anerkennung der Preßfreiheit im Princip datiren. Es iſt unläugbar daß die Praxis nicht das Princip zur vollen Geltung kommen läßt, aber es iſt auch eben ſo gewiß daß für die Preßfreiheit die Geiſter geſchult und herangezogen werden müſſen. Aller Freiheit muß, wenn ſie ſegensreich ſeyn ſoll, Selbſtbeſchränkung zur Seite ſtehen, und dieſe iſt nur das Reſultat allſeitiger gereifter Entwicklung. Daß es in dieſer Beziehung Oeſterreich noch ſehr an gereiften Kräften fehlt, davon liefern gerade die Preßzuſtände Oeſterreichs den Beweis, denn außer Wien beſteht trotz der Selbſtändigkeit der großen Kronländer keine große Preſſe. Daß eine ſolche wenigſtens in Wien in den Grundzügen vorhanden, erachten wir ſchon als etwas ganz außerordentliches, wenn man den unge- heuren Sprung bedenkt der zwiſchen den Zuſtänden von heute und denen liegt die vor kaum 12 Jahren beſtanden. Wenn die Regierung in der prakti- ſchen Handhabung der Preßfreiheit nicht immer den Wünſchen, ja dem berech- tigten Verlangen genügt hat, darf man vergeſſen daß die Regierung ſelbſt lernen muß, daß ſie ſelbſt in die neuen Inſtitutionen hinein wachſen muß, daß dieſelben ihr eben ſo fremd waren und ſind als dem übrigen Oeſterreich? Oeſterreich kann unmöglich von ſeinen ihm ſelbſt ausnahmslos entſproſſenen, mit ihm verkörperten Staatsmännern verlangen daß ſie über den Inſti- tutionen ſtehen die ſie gegründet, denn die Staatsmänner wurzeln, bei der kurzen Periode welche erſt das neue Oeſterreich umfaßt, ausnahmslos in einer Zeit welche jene Inſtitutionen nicht gekannt. Darum rechnen wir es auch wahrlich der öſterreichiſchen Regierung nicht zum Vorwurf an daß ſie bei der Gründung des verſtärkten Reichsraths, mit faſt ängſtlicher Vorſicht vorwärts gieng. Daß dieſer Schritt ein Vorwärts war, werden ſelbſt die erbit- tertſten Feinde Oeſterreichs nicht läugnen können. Wir haben ſchon oben erklärt daß es gegen deutſches Weſen iſt den Accent nur darauf zu legen was eine Inſtitution, zumal eine politiſche, unmittelbar gewährt. Die Hauptſache ſcheint uns die Frage: ob ſie über- haupt eine Bedeutung hat, und dann ob ſie entwickelbar iſt. Nun iſt note- riſch daß ſchon der alte Reichsrath unabhängig vom Miniſterium war, und einen bedeutenden Einfluß übte; der Einfluß des verſtärkten Reichraths wird ſicher ein noch viel größerer ſeyn, und man kann ſchon jetzt mit abſoluter Ge- wißheit behaupten daß die Regierung keine Maßregeln gegen die Entſchei- dung des Reichsraths ergreifen wird. Wenn die außerordentlichen Reichsräthe auch keinen Gehalt erhalten, ſo ſteht es doch ſicher den Candidatsvertretungen frei den von ihnen gewählten Abgeordneten Diäten anzuweiſen. Dieſe einfache Maßnahme ſichert eine ſehr zu beachtende Freiheit der Wahl, wozu noch kommt daß das Verhältniß zwiſchen den gewählten und den ernannten Reichsräthen noch nicht feſtgeſetzt iſt. Es geht daraus hervor daß die Regierung beabſichtigt dem ſich geltend machenden Bedürfniß Rechnung zu tragen. Den Debatten des Reichsraths iſt (§. 8 des Reichsrathspatents vom 5 März) die Veröffentlichung der Bera- thungen zugeſichert. Es iſt das ein in unſern Augen außerordentliches Zu- geſtändniß; die fehlende Oeffentlichkeit der Sitzungen iſt dagegen für das große Ganze eine ziemlich werthloſe Zugabe, ſo angenehm ſie local ſeyn mag. Alle politiſchen Inſtitutionen welche die Theilnahme des Volkes an der Regierung ſichern, ſind vor allem in unſern Augen auch als Schulen werth- voll. Als Schulen für Staatsmänner. Wer die Intereſſen des Volkes zu vertre- ten berufen, wird ſie gründlicher erforſchen und ihnen ſpäter als Miniſter leichter und ſicherer genügen als der Beamte, welcher ſtets nur in abhängiger Stellung ſie kennen gelernt hat. An Staatsmännern hat aber Oeſterreich Mangel, und zwar Mangel weil ihm eben Inſtitutionen fehlten wo das ſtaatsmänniſche Talent ſich frei entfalten, ſchulen und zur Geltung bringen konnte. Der Reichsrath muß, das iſt wenigſtens unſere Anſchauung, für die nächſte Zeit weſentlich auch als die Schule für die zukünftigen Staatsmänner und Leiter Oeſterreichs betrachtet, und für dieſen Zweck bei ſeiner formellen Ausbildung Rückſicht ge- nommen werden. *) So iſt in allen Gebieten des ſtaatlichen Lebens in Oeſterreich großes, ja außerordentliches geleiſtet, und gerade das chaotiſche Treiben in welches die Kräfte dort gekommen ſind beweist am meiſten dafür. Jedenfalls haben wir ein Recht die Feinde Oeſterreichs, die ſtets von der Stagnation oder gar von dem Rückſchritt im Kaiſerreich ſprechen, zu fragen: ob das alles nichts iſt? Man ſoll zudem keinen Blick auf den außerordentlichen Umſchwung in den innern Verhältniſſen Oeſterreichs werfen, nicht hervorheben was die Re- gierung ihrerſeits wirklich, und zwar unter außerordentlich ſchwierigen Um- ſtänden geleiſtet hat, ohne die Frage aufzuwerfen: welchen Gebrauch macht denn die Bevölkerung von den ihr gewordenen Inſtitutionen? Handhabt ſie dieſelben, wenn auch nicht mit beſonderm Geſchick, doch mit voller Thätigkeit, emſig bemüht ihnen den höchſten Gewinn zu entlocken den man aus ihnen ziehen kann? Welcher Oeſterreicher wird darauf bejahend antworten? Die Freiheit iſt in keiner Richtung ein bequemes Geſchenk. Sie iſt unzertrennbar von der Verantwortung, von der Concurrenz, von der Sorge. Wer je die Freiheit in ihrer Urſprünglichkeit gekoſtet, wer je verſuchte auf freier Erde ein freier Mann zu ſeyn, der freien jungfräulichen Erde den erſten Tribut ent- lockend, der weiß auch daß hinfort die Deviſe ſeines Leben „ſchlecht leben und hart arbeiten“ war. Unabhängigkeit — und es gibt keine Freiheit ohne ſie — hat jedenfalls zweierlei zur Baſis: arbeiten und ſparen. Nur ſo kann ſie geſichert, nur ſo kann ſie erhalten werden. Wird man uns in Oeſterreich widerſprechen, wenn wir ſagen daß dieſe beiden Cardinaltugenden des deut- ſchen Volkes, dieſe Träger der Freiheit, ſich im Donaureich nur noch äußerſt ſchwach vertreten finden? Und doch hängt gerade von den Leiſtungen des Einzelnen in dieſen Richtungen ab was das Ganze in Allen leiſten kann. Auch das will gelernt ſeyn. Von dem großen grundbeſitzenden Adel bis zum Bauern hinab fieht jeder ſich auf einmal aus den gewohnten Verhältniſſen geriſſen; durchaus neuen An- ſprüchen ſoll er mit den alten Kräften genügen. Da wollen denn dieſe nir- gends ausreichen. In ſeiner großen grundbeſitzenden Ariſtokratie beſitzt Oeſterreich ein mächtiges politiſches Element. 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Die Bodenbefreiung hat eine Maſſe freier kleiner Grundeigenthümer geſchaffen, aber die Sorge welche die Regierung in ganzen Provinzen treffen muß um denſelben dieſes Grundeigenthum künſtlich zu ſichern, zeigt daß viel- fach der Bauer den Werth des großen Geſchenkes verkennt welches ihm als Erſatz für die harten Prüfungen geworden durch die er gegangen. „Arbeiten und Sparen“ dürfen wir daher vorderhand vorzugsweiſe allein von den bür- gerlichen Elementen erwarten, und damit wird dieſes noch mehr denn in irgendeinem andern Lande in Oeſterreich zum Träger des Fortſchrittes und der Freiheit. Das neue Oeſterreich, wir müſſen es wiederholen, hängt in ſei- ner Entwicklung weſentlich von dem ab was der Bürgerſtand im Donau- reich leiſtet, und wir vertrauen ihm, weil der Hauptſache nach vorzugsweiſe das deutſche Element in dem bunten nationalen Gefüge Oeſterreichs den Bürgerſtand bildet. Arbeiten und Sparen ſind die Eigenſchaften welche von je dem deut- ſchen Volk eigenthümlich waren. Man geſtatte uns hier aus dem Programm des großen öſterreichiſchen Staatsmannes der eben heimgegangen iſt, nachſtehende *) *) Bekanntlich ſind Landtage bei der Schaffung des Reichsraths abermals ver- ſprochen worden, wie dieß bereits in der deutſchen Bundesacte vor faſt fünf- zig Jahren geſchehen. Eine der erſten und bedeutendſten Petitionen dieſer Landtage wird die Umwandlung der Wahl der Reichsräthe in directe ſelbſtän- dige ſeyn, ſtatt der dreifachen Vorſchläge, die jetzt vorgeſchrieben ſind. Wie kann man, zumal da nur ſehr wenige Vertreter für jedes einzelne Kronland beſtimmt ſind, von dreifachen Vorſchlägen reden, und doch allgemeines Vertrauen für dieſe zweifelhaften Repräſentanten desſelben fordern? Schon der zweite in der Wahl iſt ja oft nur der Erkoreue der Minderheit; wie erſt drei Candidaten unter denen der Regierung die Wahl bliebe! Man würde dann ſchließen: ſie nehme überall nur die Gefügigſten heraus. Man erwäge wohl auf welcher Bahn man ſteht! Die Monarchie iſt zum zweitenmal an den Rand der Creditloſigkeit und des Zerfalls gebracht, ja zwei Geſchichtſchreiber von Heidelberg haben es *) jüngſt in einem Document ausgeſprochen daß dieß ihr unentrinnbares Schickſal ſey. So ſehr wir dieſe Befürchtung im Intereſſe der Partei für übertrieben halten, und ſo ſehr wir die nachhaltige Kraft des Staats zu zeigen uns bemühen, ſo iſt doch die Lage ernſt genug. Sollten unter dieſen Umſtänden nicht einzelne Landtage, wenn ſie einmal ins Leben gerufen ſind, eine überwältigende Kraft über den Reichs- rath ausüben, der vor jener wenigſtens indirect revolutionären Gewalt offen- bar in zweite Linie gedrängt würde, wenn er nicht aus des Landes beſten und vertrauenswürdigſten Männern beſteht? Die Schaffung dieſer Landtage und eine Reform des unförmlichen Gemeindepatentes ſind die zwei größten Auf- gaben die dem verſtärkten Reichsrath zukommen, wodurch er ſich unſterbliche Verdienſte um die Monarchie wie um die Ruhe Europa’s erwerben wird. Der Lohn iſt ſo groß, daß man meinen ſollte davor müßten alle Sonderge- lüſte und jede Parteileidenſchaſt ſchweigen. Rings um den öſterreichiſchen Staaten-Compler ſpäht die Lüge und der Verrath bereit in jede Lücke und Blöße die er ihnen liefert, ihre dämoniſche Eier zu legen. Da gilt es feſtzu- ſtehen, und das ſchwierige Werk trotz alledem und alledem zu Ende zu führen, auf daß Oeſterreich wieder der Anker und die Hoffnung Europa’s werde. Die Wiener Ztg. hat ſelbſt verkündigt: „durch das kaiſerliche Patent vom 5 März werde ein Centralorgan für die höchſten und allgemeinen Intereſſen der Mon- archie geſchaffen, überall und allenthalben ſolle der Bevölkerung Theilnahme an den öffentlichen Angelegenheiten, Raum zur Mitwirkung für die eigenen Intereſſen gewährt werden.“ Nun iſt der Augenblick gekommen dieſe Worte zur Wahrheit werden zu laſſen, auf daß das Mißtrauen des eigenen Volks, und das Hohngeſchrei des Auslands aufhöre. R. d. A. Z.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2021-11-18T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 158, 6. Juni 1860, S. 2638. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine158_1860/10>, abgerufen am 22.12.2024.