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Allgemeine Zeitung, Nr. 157, 5. Juni 1860.

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Das Münchener Kunstgenossenhaus.

* Seit einer Reihe von Jahren trägt sich die Münchener Künstlerschaft
mit dem Gedanken, innerhalb des Weichbildes der bayerischen Metropole ein
Genofsenhaus zu bauen. Die Verwirklichung des Planes stieß auf mehr-
fache Hindernisse, aber die wachgewordene Idee konnte nicht mehr unterdrückt
werden. Sie war die nothwendige und unmittelbare Folge eines corpora-
tiven Bewußtseyns, das sich der hiesigen Künstler von dem Moment an be-
mächtigt hatte als sie ihre Genossenschaft nach Umfang und Inhalt zu jener
Bedeutung herangewachsen fühlten welche eine Gleichberechtigung mit den
übrigen Körperschaften der Stadt in sich schließt.

Es ist natürlich daß es einer solcher Corporation daran liegt einen sicht-
baren Ausdruck dieser Berechtigung, einen Mittelpunkt zu gewinnen, der
gleichzeitig Zeugniß gebe von ihrem wohlerworbenen Heimathrecht an einer
Stelle, wo -- wie kaum irgendwo in Deutschland -- die Kunst ihren Wohn-
sitz aufgebaut. München hat durch die Munificenz zweier Könige, deren
glorreiche Regierung bishin epochemachend für die deutsche Kunst war, die
Bedeutung einer großen Stadt erlangt. Die zahlreiche Künstlerschaft, die
sich während dieser Periode hier ansiedelte, bildete in mannichfacher Beziehung
die Vermittlung dieses äußeren Glanzes und dieser Größe, in deren unmit-
telbarem Gefolge das Wachsthum des inneren Wohlstandes, der Sitte und
Cultur sich befindet. Die beiden erhabenen Regenten bedienten sich der
Künstlerschaft als eines nicht gering zu schätzenden Werkzeuges zur Erreichung
jenes Ziels, und es durfte sich diese letztere ihrer Mitarbeit am Aufbau des
neuen Münchens einigermaßen rühmen. Zudem halten wir dafür daß die
Künstler auch in gesellschaftlicher Beziehung hier einiges Anrecht auf corpo
rative Geltung erworben haben. Seit nahezu vierzig Jahren haben sie Freud
und Leid der Stadt redlich getheilt; der Ruhm Münchens ist ihnen wie ihr
eigener am Herzen gelegen. Sie haben einer ehrenwerthen Bürgerschaft nach
ihren Kräften ein Entgelt geboten für den Genuß freundlichen Wohlwol-
lens und ungeschmälerter gesellschaftlicher Rechte, und ihr erfinderischer Geist
hat nicht selten dem allgemeinen Vortheil eine reiche Quelle zu erschließen ge-
wußt. Gestützt auf diese Thatsachen rechtfertigte sich der immer lebhafter
auftauchende Gedanke, daß gerade München eines Vereinigungspunktes be-
dürfe für die zerstreuten Glieder einer nicht unbedeutenden und mit einer
edlen Mission des menschlichen Geistes betrauten Schichte der Gesellschaft.
Es mußte in dem Wunsch der Künstler liegen dieser Ansicht hauptsächlich bei
den Vätern der Stadt Geltung zu verschaffen um von ihnen bei Erreichung
ihres Zwecks -- dem Bau eines Kunstgenossenhauses -- die unumgänglich
nothwendige Unterstützung zu erlangen.

Aber auch von noch einem andern Gesichtspunkt als dem bezeichneten
allgemeinen aus stellte sich das Unternehmen als ein gemeinnütziges dar. Die
derzeitigen Verhältnisse des Kunstvereins und der von ihm benutzten Locali-
täten bildeten eine zweite wichtige Grundlage des von den Künstlern entwor-
fenen Plans. Das Kunstvereinslocal, wie es jetzt ist, entspricht den heutigen
Anforderungen so wenig daß die Beschaffung eines bessern eine Pflicht für die
Bereinsbehörden geworden ist. Bilder von beträchtlicher Größe z. B. kön-
nen in München im Kunstverein nicht zur Ausstellung kommen. Die
Beleuchtung ist, wenige Plätze ausgenommen, so ungünstig daß viele
Künstler vorziehen ihre Werke unausgestellt zu versenden, als daß sie sich
bequemen dieselben dem zweifelhaften Licht des Kunstvereins auszusetzen.
Secretär und Conservator müssen sich mit einem Raum begnügen, und für
die Sitzungen der Behörden ist gar keiner vorhanden. Endlich ist das Local
wegen seines Miethverhältnisses nicht nur ein äußerst theurer, sondern auch
ein durchaus schwankender Besitz, und sind wir recht berichtet -- so ist die
Frage über die Auflösung des Miethvertrags bereits ventilirt. Mit allem
Fug mußte es also der Genossenschaft daran liegen auch die leitenden Organe
des Kunstvereins für ihre Idee zu gewinnen, und sie that es gleichzeitig im
eigenen Interesse desselben, indem sie ihm durch den Bau des Künstlerhauses
ein all seinen Ansprüchen gerechtes Ausstellungslocal versprechen konnte. Die-
ses Moment war um so höher in Anschlag zu bringen, als nicht nur auf diesem
Weg der namhafteste Theil der zu erwartenden Rente für gesichert angesehen
werden konnte, sondern auch weil sich mit höchster Wahrscheinlichkeit erwarten
ließ daß der Kunstverein mit den ihm zur Disposition stehenden Mitteln sich
direct am Bau betheiligen werde. Der Bestand des Kunstvereins gehört mit
zu den Lebensfragen der Münchener Künstlerschaft. Er garantirt derselben
einen nicht unbedeutenden Bruchtheil ihres Einkommens, indem er jährlich
circa 27,000 fl. für Kunstwerke verausgabt.

Die Erwähnung dieser Quelle des Künstlereinkommens leitet unmittel-
bar auf eine andere Betrachtung; neben ihr und der reichen Munificenz un-
serer beiden kunstliebenden Könige ist es vorzugsweise das Ausland aus wel-
chem wohl der größte Theil der hiesigen Künstler seinen Verdienst schöpft.
Von welchem Umfang aber dieser Verdienst sey, läßt sich aus der Summe
des Consumtionswerths leicht ermessen. Durch eine einfache Berechnung
kann bewiesen werden daß die Masse der Künstler jährlich 6 -- 700,000 fl.
hierorts verzehrt, wobei die mit der Kunst verbundene gewerbliche Seite und
der Verbrauch eines enormen Materials nicht eingerechnet ist. Zählt man
hiezu noch den Nutzen welchen die Stadt aus den durch Kunst und Künstler
herbeigezogenen Fremden zieht, so bildet sich eine materielle Grundlage für
das von den Künstlern beabsichtigte Gesuch, welche der städtische Magistrat,
an welchen jenes gerichtet werden sollte, wohl nicht unterschätzt haben würde.

Aber neben allem diesen sollte noch ein edlerer -- ein rein menschlicher
Zweck ein Hauptmotiv des Unternehmens bilden. Wie das projectirte Künstler-
haus Münchens vorzugsweise aus von der Künstlerschaft Münchens erbrach-
ten Mitteln aufgebaut werden sollte, so sollte es auch hinwieder nach der
Vollendung ein fruchtbringendes Capital für die Genossenschaft selbst werden.
Es lag in der Natur der Sache den Bau zu einem möglichst reutirlichen zu
machen. Er sollte nachgerade mit den Capitalien des bereits bestehenden
Künstlerunterstützungsvereins die reale Grundlage einer namhaften Stif-
tung bilden, deren Früchte verarmten und verunglückten Künstlern und ihren
Relicten zu gute kommen sollten. In dieser rein menschlichen Absicht gipfelte,
wie schon bemerkt, der ganze Plan. Die Freiheit des Künstlerstandes, sonst
ein goldenes Gut, schließt eine der traurigsten Kehrseiten ein, wenn Krankheit,
Alter und Tod ihre unerbittlichen Rechte geltend machen. Frei und unab-
hängig hat der Künstler in der Welt seiner Ideale zu schaffen -- nur auf
seine eigene Kraft gestützt; bricht aber diese Kraft, so wird nicht selten gerade
seine Unabhängigkeit von der wirklichen Welt sein Verderben in dieser. Der
Staat hat in den meisten Fällen keine Verpflichtungen gegen ihn, die Hülfe
der Fachgenossen zehrt sich auf, und in Dunkelheit verkommt nicht selten der
Träger eines einst berühmten Namens. Die Trauergestalten von Wittwen
und Waisen verdüstern diese Schicksalsbilder, die wie ein drohender Schatten
der Zukunft fast jedes Künstlerleben verfolgen. Bewegt von solchen unläug-
baren Thatsachen haben die Künstler Münchens vor 15 Jahren einen Unter-
stützungsverein gegründet. Bemühungen und Opfer aller Art steigerten
den Fonds von einem winzigen Anfang bis zu einer Höhe, die es jetzt schon
möglich macht manche unverschuldete Noth zu lindern und insbesondere
den Relicten von Künstlern Trost und Hülfe zu spenden. Von seinem end-
lichen Ziel aber, einem Pensionsverein nach dem Vorbild des in Wien be-
stehenden, ist der Verein noch auf lange Jahre entfernt, wenn ihm nicht außer-
ordentliche Förderungen zu Theil werden sollten. Eine solche Förderung nun
erhofften die Künstler zuversichtlich bei der Erbauung ihres Genossenhauses
von Seiten einer Stadt zu finden, die in der Sphäre der wohlthätigen Stif-
tungen so viele erhebende Beweise von Gemeinsinn und Opferwilligkeit gege-
ben hat.

Von den eben beleuchteten Gesichtspunkten ausgehend, hatte eine Künstler-
Generalversammlung vom 3 März beschlossen, eine Adresse nebst provisori-
schen Bauplanen an den Magistrat zu richten, mit der bestimmten Bitte um
einen Bauplatz. Aber noch ehe diese Actenstücke vollendet waren, trat ein in
einer Correspondenz vom 26 März in d. Bl. bezeichneter Zwischenfall ein,
welcher den Schritten der erwählten Vertrauensmänner Einhalt that. Eine
weitere Künstler-Generalversammlung vom 3 Mai beschloß die Angelegenheit
zu vertagen. Langgenährte Wünsche verstummten vor den Geboten einer
tiefgefühlten Pietät. Aber die Künstler Münchens können die Hoffnung
nicht aufgeben, eine Sache noch zu erringen die in Hannover bereits erreicht,
in Düsseldorf in praktischen Angriff genommen und in Wien gleichfalls ange-
strebt wird; sie können die Hoffnung nicht aufgeben an maßgebender Stelle
endlich die Idee eines Hauses zur Geltung zu bringen das der deutschen
Kunst und ihren Jüngern, vor allem aber der reinsten Humanität dienen soll.

[irrelevantes Material]

Das Münchener Kunſtgenoſſenhaus.

* Seit einer Reihe von Jahren trägt ſich die Münchener Künſtlerſchaft
mit dem Gedanken, innerhalb des Weichbildes der bayeriſchen Metropole ein
Genofſenhaus zu bauen. Die Verwirklichung des Planes ſtieß auf mehr-
fache Hinderniſſe, aber die wachgewordene Idee konnte nicht mehr unterdrückt
werden. Sie war die nothwendige und unmittelbare Folge eines corpora-
tiven Bewußtſeyns, das ſich der hieſigen Künſtler von dem Moment an be-
mächtigt hatte als ſie ihre Genoſſenſchaft nach Umfang und Inhalt zu jener
Bedeutung herangewachſen fühlten welche eine Gleichberechtigung mit den
übrigen Körperſchaften der Stadt in ſich ſchließt.

Es iſt natürlich daß es einer ſolcher Corporation daran liegt einen ſicht-
baren Ausdruck dieſer Berechtigung, einen Mittelpunkt zu gewinnen, der
gleichzeitig Zeugniß gebe von ihrem wohlerworbenen Heimathrecht an einer
Stelle, wo — wie kaum irgendwo in Deutſchland — die Kunſt ihren Wohn-
ſitz aufgebaut. München hat durch die Munificenz zweier Könige, deren
glorreiche Regierung bishin epochemachend für die deutſche Kunſt war, die
Bedeutung einer großen Stadt erlangt. Die zahlreiche Künſtlerſchaft, die
ſich während dieſer Periode hier anſiedelte, bildete in mannichfacher Beziehung
die Vermittlung dieſes äußeren Glanzes und dieſer Größe, in deren unmit-
telbarem Gefolge das Wachsthum des inneren Wohlſtandes, der Sitte und
Cultur ſich befindet. Die beiden erhabenen Regenten bedienten ſich der
Künſtlerſchaft als eines nicht gering zu ſchätzenden Werkzeuges zur Erreichung
jenes Ziels, und es durfte ſich dieſe letztere ihrer Mitarbeit am Aufbau des
neuen Münchens einigermaßen rühmen. Zudem halten wir dafür daß die
Künſtler auch in geſellſchaftlicher Beziehung hier einiges Anrecht auf corpo
rative Geltung erworben haben. Seit nahezu vierzig Jahren haben ſie Freud
und Leid der Stadt redlich getheilt; der Ruhm Münchens iſt ihnen wie ihr
eigener am Herzen gelegen. Sie haben einer ehrenwerthen Bürgerſchaft nach
ihren Kräften ein Entgelt geboten für den Genuß freundlichen Wohlwol-
lens und ungeſchmälerter geſellſchaftlicher Rechte, und ihr erfinderiſcher Geiſt
hat nicht ſelten dem allgemeinen Vortheil eine reiche Quelle zu erſchließen ge-
wußt. Geſtützt auf dieſe Thatſachen rechtfertigte ſich der immer lebhafter
auftauchende Gedanke, daß gerade München eines Vereinigungspunktes be-
dürfe für die zerſtreuten Glieder einer nicht unbedeutenden und mit einer
edlen Miſſion des menſchlichen Geiſtes betrauten Schichte der Geſellſchaft.
Es mußte in dem Wunſch der Künſtler liegen dieſer Anſicht hauptſächlich bei
den Vätern der Stadt Geltung zu verſchaffen um von ihnen bei Erreichung
ihres Zwecks — dem Bau eines Kunſtgenoſſenhauſes — die unumgänglich
nothwendige Unterſtützung zu erlangen.

Aber auch von noch einem andern Geſichtspunkt als dem bezeichneten
allgemeinen aus ſtellte ſich das Unternehmen als ein gemeinnütziges dar. Die
derzeitigen Verhältniſſe des Kunſtvereins und der von ihm benutzten Locali-
täten bildeten eine zweite wichtige Grundlage des von den Künſtlern entwor-
fenen Plans. Das Kunſtvereinslocal, wie es jetzt iſt, entſpricht den heutigen
Anforderungen ſo wenig daß die Beſchaffung eines beſſern eine Pflicht für die
Bereinsbehörden geworden iſt. Bilder von beträchtlicher Größe z. B. kön-
nen in München im Kunſtverein nicht zur Ausſtellung kommen. Die
Beleuchtung iſt, wenige Plätze ausgenommen, ſo ungünſtig daß viele
Künſtler vorziehen ihre Werke unausgeſtellt zu verſenden, als daß ſie ſich
bequemen dieſelben dem zweifelhaften Licht des Kunſtvereins auszuſetzen.
Secretär und Conſervator müſſen ſich mit einem Raum begnügen, und für
die Sitzungen der Behörden iſt gar keiner vorhanden. Endlich iſt das Local
wegen ſeines Miethverhältniſſes nicht nur ein äußerſt theurer, ſondern auch
ein durchaus ſchwankender Beſitz, und ſind wir recht berichtet — ſo iſt die
Frage über die Auflöſung des Miethvertrags bereits ventilirt. Mit allem
Fug mußte es alſo der Genoſſenſchaft daran liegen auch die leitenden Organe
des Kunſtvereins für ihre Idee zu gewinnen, und ſie that es gleichzeitig im
eigenen Intereſſe desſelben, indem ſie ihm durch den Bau des Künſtlerhauſes
ein all ſeinen Anſprüchen gerechtes Ausſtellungslocal verſprechen konnte. Die-
ſes Moment war um ſo höher in Anſchlag zu bringen, als nicht nur auf dieſem
Weg der namhafteſte Theil der zu erwartenden Rente für geſichert angeſehen
werden konnte, ſondern auch weil ſich mit höchſter Wahrſcheinlichkeit erwarten
ließ daß der Kunſtverein mit den ihm zur Dispoſition ſtehenden Mitteln ſich
direct am Bau betheiligen werde. Der Beſtand des Kunſtvereins gehört mit
zu den Lebensfragen der Münchener Künſtlerſchaft. Er garantirt derſelben
einen nicht unbedeutenden Bruchtheil ihres Einkommens, indem er jährlich
circa 27,000 fl. für Kunſtwerke verausgabt.

Die Erwähnung dieſer Quelle des Künſtlereinkommens leitet unmittel-
bar auf eine andere Betrachtung; neben ihr und der reichen Munificenz un-
ſerer beiden kunſtliebenden Könige iſt es vorzugsweiſe das Ausland aus wel-
chem wohl der größte Theil der hieſigen Künſtler ſeinen Verdienſt ſchöpft.
Von welchem Umfang aber dieſer Verdienſt ſey, läßt ſich aus der Summe
des Conſumtionswerths leicht ermeſſen. Durch eine einfache Berechnung
kann bewieſen werden daß die Maſſe der Künſtler jährlich 6 — 700,000 fl.
hierorts verzehrt, wobei die mit der Kunſt verbundene gewerbliche Seite und
der Verbrauch eines enormen Materials nicht eingerechnet iſt. Zählt man
hiezu noch den Nutzen welchen die Stadt aus den durch Kunſt und Künſtler
herbeigezogenen Fremden zieht, ſo bildet ſich eine materielle Grundlage für
das von den Künſtlern beabſichtigte Geſuch, welche der ſtädtiſche Magiſtrat,
an welchen jenes gerichtet werden ſollte, wohl nicht unterſchätzt haben würde.

Aber neben allem dieſen ſollte noch ein edlerer — ein rein menſchlicher
Zweck ein Hauptmotiv des Unternehmens bilden. Wie das projectirte Künſtler-
haus Münchens vorzugsweiſe aus von der Künſtlerſchaft Münchens erbrach-
ten Mitteln aufgebaut werden ſollte, ſo ſollte es auch hinwieder nach der
Vollendung ein fruchtbringendes Capital für die Genoſſenſchaft ſelbſt werden.
Es lag in der Natur der Sache den Bau zu einem möglichſt reutirlichen zu
machen. Er ſollte nachgerade mit den Capitalien des bereits beſtehenden
Künſtlerunterſtützungsvereins die reale Grundlage einer namhaften Stif-
tung bilden, deren Früchte verarmten und verunglückten Künſtlern und ihren
Relicten zu gute kommen ſollten. In dieſer rein menſchlichen Abſicht gipfelte,
wie ſchon bemerkt, der ganze Plan. Die Freiheit des Künſtlerſtandes, ſonſt
ein goldenes Gut, ſchließt eine der traurigſten Kehrſeiten ein, wenn Krankheit,
Alter und Tod ihre unerbittlichen Rechte geltend machen. Frei und unab-
hängig hat der Künſtler in der Welt ſeiner Ideale zu ſchaffen — nur auf
ſeine eigene Kraft geſtützt; bricht aber dieſe Kraft, ſo wird nicht ſelten gerade
ſeine Unabhängigkeit von der wirklichen Welt ſein Verderben in dieſer. Der
Staat hat in den meiſten Fällen keine Verpflichtungen gegen ihn, die Hülfe
der Fachgenoſſen zehrt ſich auf, und in Dunkelheit verkommt nicht ſelten der
Träger eines einſt berühmten Namens. Die Trauergeſtalten von Wittwen
und Waiſen verdüſtern dieſe Schickſalsbilder, die wie ein drohender Schatten
der Zukunft faſt jedes Künſtlerleben verfolgen. Bewegt von ſolchen unläug-
baren Thatſachen haben die Künſtler Münchens vor 15 Jahren einen Unter-
ſtützungsverein gegründet. Bemühungen und Opfer aller Art ſteigerten
den Fonds von einem winzigen Anfang bis zu einer Höhe, die es jetzt ſchon
möglich macht manche unverſchuldete Noth zu lindern und insbeſondere
den Relicten von Künſtlern Troſt und Hülfe zu ſpenden. Von ſeinem end-
lichen Ziel aber, einem Penſionsverein nach dem Vorbild des in Wien be-
ſtehenden, iſt der Verein noch auf lange Jahre entfernt, wenn ihm nicht außer-
ordentliche Förderungen zu Theil werden ſollten. Eine ſolche Förderung nun
erhofften die Künſtler zuverſichtlich bei der Erbauung ihres Genoſſenhauſes
von Seiten einer Stadt zu finden, die in der Sphäre der wohlthätigen Stif-
tungen ſo viele erhebende Beweiſe von Gemeinſinn und Opferwilligkeit gege-
ben hat.

Von den eben beleuchteten Geſichtspunkten ausgehend, hatte eine Künſtler-
Generalverſammlung vom 3 März beſchloſſen, eine Adreſſe nebſt proviſori-
ſchen Bauplanen an den Magiſtrat zu richten, mit der beſtimmten Bitte um
einen Bauplatz. Aber noch ehe dieſe Actenſtücke vollendet waren, trat ein in
einer Correſpondenz vom 26 März in d. Bl. bezeichneter Zwiſchenfall ein,
welcher den Schritten der erwählten Vertrauensmänner Einhalt that. Eine
weitere Künſtler-Generalverſammlung vom 3 Mai beſchloß die Angelegenheit
zu vertagen. Langgenährte Wünſche verſtummten vor den Geboten einer
tiefgefühlten Pietät. Aber die Künſtler Münchens können die Hoffnung
nicht aufgeben, eine Sache noch zu erringen die in Hannover bereits erreicht,
in Düſſeldorf in praktiſchen Angriff genommen und in Wien gleichfalls ange-
ſtrebt wird; ſie können die Hoffnung nicht aufgeben an maßgebender Stelle
endlich die Idee eines Hauſes zur Geltung zu bringen das der deutſchen
Kunſt und ihren Jüngern, vor allem aber der reinſten Humanität dienen ſoll.

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[2626/0014] Das Münchener Kunſtgenoſſenhaus. * Seit einer Reihe von Jahren trägt ſich die Münchener Künſtlerſchaft mit dem Gedanken, innerhalb des Weichbildes der bayeriſchen Metropole ein Genofſenhaus zu bauen. Die Verwirklichung des Planes ſtieß auf mehr- fache Hinderniſſe, aber die wachgewordene Idee konnte nicht mehr unterdrückt werden. Sie war die nothwendige und unmittelbare Folge eines corpora- tiven Bewußtſeyns, das ſich der hieſigen Künſtler von dem Moment an be- mächtigt hatte als ſie ihre Genoſſenſchaft nach Umfang und Inhalt zu jener Bedeutung herangewachſen fühlten welche eine Gleichberechtigung mit den übrigen Körperſchaften der Stadt in ſich ſchließt. Es iſt natürlich daß es einer ſolcher Corporation daran liegt einen ſicht- baren Ausdruck dieſer Berechtigung, einen Mittelpunkt zu gewinnen, der gleichzeitig Zeugniß gebe von ihrem wohlerworbenen Heimathrecht an einer Stelle, wo — wie kaum irgendwo in Deutſchland — die Kunſt ihren Wohn- ſitz aufgebaut. München hat durch die Munificenz zweier Könige, deren glorreiche Regierung bishin epochemachend für die deutſche Kunſt war, die Bedeutung einer großen Stadt erlangt. Die zahlreiche Künſtlerſchaft, die ſich während dieſer Periode hier anſiedelte, bildete in mannichfacher Beziehung die Vermittlung dieſes äußeren Glanzes und dieſer Größe, in deren unmit- telbarem Gefolge das Wachsthum des inneren Wohlſtandes, der Sitte und Cultur ſich befindet. Die beiden erhabenen Regenten bedienten ſich der Künſtlerſchaft als eines nicht gering zu ſchätzenden Werkzeuges zur Erreichung jenes Ziels, und es durfte ſich dieſe letztere ihrer Mitarbeit am Aufbau des neuen Münchens einigermaßen rühmen. Zudem halten wir dafür daß die Künſtler auch in geſellſchaftlicher Beziehung hier einiges Anrecht auf corpo rative Geltung erworben haben. Seit nahezu vierzig Jahren haben ſie Freud und Leid der Stadt redlich getheilt; der Ruhm Münchens iſt ihnen wie ihr eigener am Herzen gelegen. Sie haben einer ehrenwerthen Bürgerſchaft nach ihren Kräften ein Entgelt geboten für den Genuß freundlichen Wohlwol- lens und ungeſchmälerter geſellſchaftlicher Rechte, und ihr erfinderiſcher Geiſt hat nicht ſelten dem allgemeinen Vortheil eine reiche Quelle zu erſchließen ge- wußt. Geſtützt auf dieſe Thatſachen rechtfertigte ſich der immer lebhafter auftauchende Gedanke, daß gerade München eines Vereinigungspunktes be- dürfe für die zerſtreuten Glieder einer nicht unbedeutenden und mit einer edlen Miſſion des menſchlichen Geiſtes betrauten Schichte der Geſellſchaft. Es mußte in dem Wunſch der Künſtler liegen dieſer Anſicht hauptſächlich bei den Vätern der Stadt Geltung zu verſchaffen um von ihnen bei Erreichung ihres Zwecks — dem Bau eines Kunſtgenoſſenhauſes — die unumgänglich nothwendige Unterſtützung zu erlangen. Aber auch von noch einem andern Geſichtspunkt als dem bezeichneten allgemeinen aus ſtellte ſich das Unternehmen als ein gemeinnütziges dar. Die derzeitigen Verhältniſſe des Kunſtvereins und der von ihm benutzten Locali- täten bildeten eine zweite wichtige Grundlage des von den Künſtlern entwor- fenen Plans. Das Kunſtvereinslocal, wie es jetzt iſt, entſpricht den heutigen Anforderungen ſo wenig daß die Beſchaffung eines beſſern eine Pflicht für die Bereinsbehörden geworden iſt. Bilder von beträchtlicher Größe z. B. kön- nen in München im Kunſtverein nicht zur Ausſtellung kommen. Die Beleuchtung iſt, wenige Plätze ausgenommen, ſo ungünſtig daß viele Künſtler vorziehen ihre Werke unausgeſtellt zu verſenden, als daß ſie ſich bequemen dieſelben dem zweifelhaften Licht des Kunſtvereins auszuſetzen. Secretär und Conſervator müſſen ſich mit einem Raum begnügen, und für die Sitzungen der Behörden iſt gar keiner vorhanden. Endlich iſt das Local wegen ſeines Miethverhältniſſes nicht nur ein äußerſt theurer, ſondern auch ein durchaus ſchwankender Beſitz, und ſind wir recht berichtet — ſo iſt die Frage über die Auflöſung des Miethvertrags bereits ventilirt. Mit allem Fug mußte es alſo der Genoſſenſchaft daran liegen auch die leitenden Organe des Kunſtvereins für ihre Idee zu gewinnen, und ſie that es gleichzeitig im eigenen Intereſſe desſelben, indem ſie ihm durch den Bau des Künſtlerhauſes ein all ſeinen Anſprüchen gerechtes Ausſtellungslocal verſprechen konnte. Die- ſes Moment war um ſo höher in Anſchlag zu bringen, als nicht nur auf dieſem Weg der namhafteſte Theil der zu erwartenden Rente für geſichert angeſehen werden konnte, ſondern auch weil ſich mit höchſter Wahrſcheinlichkeit erwarten ließ daß der Kunſtverein mit den ihm zur Dispoſition ſtehenden Mitteln ſich direct am Bau betheiligen werde. Der Beſtand des Kunſtvereins gehört mit zu den Lebensfragen der Münchener Künſtlerſchaft. Er garantirt derſelben einen nicht unbedeutenden Bruchtheil ihres Einkommens, indem er jährlich circa 27,000 fl. für Kunſtwerke verausgabt. Die Erwähnung dieſer Quelle des Künſtlereinkommens leitet unmittel- bar auf eine andere Betrachtung; neben ihr und der reichen Munificenz un- ſerer beiden kunſtliebenden Könige iſt es vorzugsweiſe das Ausland aus wel- chem wohl der größte Theil der hieſigen Künſtler ſeinen Verdienſt ſchöpft. Von welchem Umfang aber dieſer Verdienſt ſey, läßt ſich aus der Summe des Conſumtionswerths leicht ermeſſen. Durch eine einfache Berechnung kann bewieſen werden daß die Maſſe der Künſtler jährlich 6 — 700,000 fl. hierorts verzehrt, wobei die mit der Kunſt verbundene gewerbliche Seite und der Verbrauch eines enormen Materials nicht eingerechnet iſt. Zählt man hiezu noch den Nutzen welchen die Stadt aus den durch Kunſt und Künſtler herbeigezogenen Fremden zieht, ſo bildet ſich eine materielle Grundlage für das von den Künſtlern beabſichtigte Geſuch, welche der ſtädtiſche Magiſtrat, an welchen jenes gerichtet werden ſollte, wohl nicht unterſchätzt haben würde. Aber neben allem dieſen ſollte noch ein edlerer — ein rein menſchlicher Zweck ein Hauptmotiv des Unternehmens bilden. Wie das projectirte Künſtler- haus Münchens vorzugsweiſe aus von der Künſtlerſchaft Münchens erbrach- ten Mitteln aufgebaut werden ſollte, ſo ſollte es auch hinwieder nach der Vollendung ein fruchtbringendes Capital für die Genoſſenſchaft ſelbſt werden. Es lag in der Natur der Sache den Bau zu einem möglichſt reutirlichen zu machen. Er ſollte nachgerade mit den Capitalien des bereits beſtehenden Künſtlerunterſtützungsvereins die reale Grundlage einer namhaften Stif- tung bilden, deren Früchte verarmten und verunglückten Künſtlern und ihren Relicten zu gute kommen ſollten. In dieſer rein menſchlichen Abſicht gipfelte, wie ſchon bemerkt, der ganze Plan. Die Freiheit des Künſtlerſtandes, ſonſt ein goldenes Gut, ſchließt eine der traurigſten Kehrſeiten ein, wenn Krankheit, Alter und Tod ihre unerbittlichen Rechte geltend machen. Frei und unab- hängig hat der Künſtler in der Welt ſeiner Ideale zu ſchaffen — nur auf ſeine eigene Kraft geſtützt; bricht aber dieſe Kraft, ſo wird nicht ſelten gerade ſeine Unabhängigkeit von der wirklichen Welt ſein Verderben in dieſer. Der Staat hat in den meiſten Fällen keine Verpflichtungen gegen ihn, die Hülfe der Fachgenoſſen zehrt ſich auf, und in Dunkelheit verkommt nicht ſelten der Träger eines einſt berühmten Namens. Die Trauergeſtalten von Wittwen und Waiſen verdüſtern dieſe Schickſalsbilder, die wie ein drohender Schatten der Zukunft faſt jedes Künſtlerleben verfolgen. Bewegt von ſolchen unläug- baren Thatſachen haben die Künſtler Münchens vor 15 Jahren einen Unter- ſtützungsverein gegründet. Bemühungen und Opfer aller Art ſteigerten den Fonds von einem winzigen Anfang bis zu einer Höhe, die es jetzt ſchon möglich macht manche unverſchuldete Noth zu lindern und insbeſondere den Relicten von Künſtlern Troſt und Hülfe zu ſpenden. Von ſeinem end- lichen Ziel aber, einem Penſionsverein nach dem Vorbild des in Wien be- ſtehenden, iſt der Verein noch auf lange Jahre entfernt, wenn ihm nicht außer- ordentliche Förderungen zu Theil werden ſollten. Eine ſolche Förderung nun erhofften die Künſtler zuverſichtlich bei der Erbauung ihres Genoſſenhauſes von Seiten einer Stadt zu finden, die in der Sphäre der wohlthätigen Stif- tungen ſo viele erhebende Beweiſe von Gemeinſinn und Opferwilligkeit gege- ben hat. Von den eben beleuchteten Geſichtspunkten ausgehend, hatte eine Künſtler- Generalverſammlung vom 3 März beſchloſſen, eine Adreſſe nebſt proviſori- ſchen Bauplanen an den Magiſtrat zu richten, mit der beſtimmten Bitte um einen Bauplatz. Aber noch ehe dieſe Actenſtücke vollendet waren, trat ein in einer Correſpondenz vom 26 März in d. Bl. bezeichneter Zwiſchenfall ein, welcher den Schritten der erwählten Vertrauensmänner Einhalt that. Eine weitere Künſtler-Generalverſammlung vom 3 Mai beſchloß die Angelegenheit zu vertagen. Langgenährte Wünſche verſtummten vor den Geboten einer tiefgefühlten Pietät. 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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2021-08-16T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 157, 5. Juni 1860, S. 2626. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine157_1860/14>, abgerufen am 21.11.2024.