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Allgemeine Zeitung, Nr. 14, 17. Januar 1929.

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"AZ am Abend" Nr. 14 Donnerstag, den 17. Januar
Münchener Konzerte

Im Weihnachtsmonat ließ der Konzertbetrieb
quantitaliv etwas nach. Es gab sogar konzertlose
Tage. Auffallend war der schlechte Besuch der vom
Verberquartett
bestrittenen Schubertfeier im Odeon, trotz-
dem das Programm zwei der herrlichsten Werke
der Kammermusikliteratur brachte: des Meisters
Streichquintett in C und das F-Dur-Oktett mit
Bläsern. Die Leere des Saals schien auf Berber
verstimmend zu wirken, denn das Quintett kam
diesmal nicht so überquellend und schön wie im
Sommer im Brunnenhof der Residenz. Das
Oktett (unter Mitwirktung einiger Herren vom
Staatstheaterorchester) wirkte darauf in einer
prächtigen Ausdeutung versöhnend.

Margot Leunder hatte sich für wirkungs-
volle Lieder von Flick-Steger und tiefer-
gehende Gesänge von Karl Ettinger er-
folgreich eingesetzt. Eva Liebenberg war
man für unbekanntere Schubertlieder dank-
bar. Sie sang mit starker Einfühlung in den
Geist der Lieder innerlich packend. Unterstützt
von ihrem schönen satten Alt fesselt sie durch den
vornehmen Stil ihrer Kunst. Neue Weihnachts-
lieder Trunks, die Marie Trunk-Del-
bran
vermittelte, bestechen wie alles, was Trunk
schreibt, äußerlich ohne eine stark persönliche
Handschrift zu verraten.

Im vierten Abend des
Vereins für zeitgenössische Musik
hörte man ein Cembalokonzert von de
Falla
unterhaltsame Musik, die aber nicht den
Wunsch erweckt, sie ein zweites Mal zu hören.
Die bedeutendste Gabe des fast mageren Pro-
gramms waren die Serenaden (Op. 35) in Form
einer kleinen Kantate nach (schlechten!) roman-
tischen Texten für Sopran, Oboe, Bratsche und
Cello von Paul Hindemith. Dieses Werk
enthüllt seine Schönheit, den Reichtum seiner
Musik nur dem, der sich näher mit ihm beschäf-
tigt. Die Aufführung -- so gut sie in manchem
geraten war -- erschöpfte nicht alle Möglichkeiten.
In dem kleinen Konzert nach Lautensätzen des
16. Jahrhunderts für Cembalo, Flöte, Oboe,
Fagott, Trompete, Posaune und Schlagzeug von
Karl Orff störte die ungenügende Vorberei-
tung. Man hatte mehr den Eindruck eines rasch
improvisierten häuslichen Musizierens als den
eines verantwortungsvoll vorbereiteten Konzerts
und hätte sich dazu am liebsten eine Zigarette
angezündet. Ob das für die Propagierung zeit-
genössischer Musik gut ist, ist eine offene Frage.

Am zweiten Weihnachtsfeiertag -- einem un-
günstigen Konzerttag -- spielte die Trio-Ver-
einigung Schmid-Lindner, Szanto und
Disclez unter Mitwirkung des Bratschisten
Haas-Brahms. Es wurde wie immer sehr
schön und kultiviert musiziert, im Finale des
Quartetts gab es mehr: Mitreißendes Tempera-
ment und wohltuende Abwesenheit aller dämpfen-
den professoralen Würde. Ich habe die Herren
schon lange nicht mehr so aus sich herausgehen
hören: es war beglückend. Die Klavierabende
Lampes, der Mozart vollendet gespielt haben
soll, und des feinsinnigen Erwin Koervers
mußte ich mir leider entgehen lassen.

August Leopolder und Otto Graef
waren die ersten, die man im neuen Jahr
hörte. Ueber ihr schon wiederholt gewürdigtes
Spiel auf zwei Klavieren ist Neues nicht zu
sagen. Hat man ihnen etwas vorzuwerfen, ist es
nur das überlange anstrengende Programm.
Man erträgt den Klang von zwei Klavieren als
normaler Mensch im Konzertsaal nicht länger als
eine Stunde. Nach ihnen kam der
Jazz auf vier Flügeln
in der Tonhalle. Was man da erlebte, war eine
angenehme Ueberraschung. Die "Vier" (Pome-
ranc, Zakin, Mittmann
und Gelb-
trunk
) musizieren mit seltener rhythmischer
Präzision und da jeder von ihnen über eine sub-
tile Anschlagstechnik verfügt, entstehen Klang-
wirkungen feinster und reichster Art. Die befürch-
tete Entfesselung dicker Klangmassen blieb aus.
Der Reiz der Neuheit vermochte die Tonhalle
[Spaltenumbruch] aber doch nicht ganz zu füllen. Das tänzerische
Element schien stärker vertreten als das musika-
lische. -- Wildhagen und die Altistin Irma
Drummer
sangen aus dem italienischen Lie-
derbuch von Hugo Wolf in der Form von
Wechselgesängen. Ich hörte, da der Abend mit
dem des Jazz auf vier Flügeln kollidierte, nur
die vorausgehenden Einzelgesänge. Auf der
männlichen Seite ein berauschend schönes Organ,
auf der weiblichen mehr ein Eindringen in den
Gehalt der Lieder. Hellmuth Baentsch
war mehr als nur ein gewandter Begleiter.

Das Prisca-Quartett brachte als Neu-
heit ein einsätziges Werk von
Alexander Tscherepnin,
das in dem Komponisten einen starken, wenn auch
nicht originellen Melodiker erkennen läßt. Das
Werk zeigt klare Disposition und formale Ge-
schlossenheit und ist in keiner Weise problematisch.
Erschließt sich sofort beim ersten Hören. -- Im
Liederabend des durch eine Erkältung in der
vollen Entfaltung seiner Mittel gehemmten Ro-
bert Hager
konstatiert man die starke Emp-
findungsfähigkeit und Gestaltungskraft des Sän-
gers, der aber stimmtechnisch an seinem schönen
Material noch arbeiten muß. Ueber den Barito-
nisten Hans Streck wird mir berichtet: er
bewege sich in einer stark aufsteigenden Linie.

Sei zuletzt noch der Sonatenabend der Gei-
gerin Elisabeth Bischoff und des Pia-
nisten Ado Dammert erwähnt; zwei Künst-
ler, die sich prächtig ergänzen. Die A-Dur-Sonate
von Ildebrando Pizzetti, die sie als
Novum brachten, kann die Herkunft aus dem
Lande Puccinis nicht verleugnen. Sie ist dank-
bar, klang- und melodienfreudig und vor allem:
sie ist aus dem Charakter der beiden Instrumente
heraus erdacht. Von südländischer Glut erfüllt in
den beiden ersten Sätzen und im Finale von
kecker Ausgelassenheit und Unbeschwertheit. We.

Anna Bahr-Mildenburg
über das Schauspiel in der Oper

Zum Besten des Stipendienfonds der
Staatlichen Akademie der Tonkunst

Um es gleich zu sagen, der Stipendienfonds
dürfte durch das karge Häuflein, das gekommen
war, um eine der klügsten Frauen über das
Theater sprechen zu hören, nicht sehr bereichert
werden. Was Frau Vahr-Mildenburg
sagte und wie sie es sagte, war zu vernehmen
erfreulich in einer Zeit, in der die "Tages-
mode
" die Oper allzusehr vom Standpunkt des
absoluten (!) Musikers aus betrachtet. Sie betont
mit Recht, daß der Sänger auch Schauspieler sein
müsse. Und um es sein zu können, müsse er
denken und fühlen und aus geistiger
Erkenntnis
heraus seine Rolle gestalten wie
es der Schauspieler tue. An Beispielen aus Opern
von Gluck bis Richard Strauß wurde gezeigt, wie
sie ihren Schülern den Weg zur künstlerischen
Lösung ihrer Aufgabe weist. Das meiste hat sie
selbst dargestellt, einiges an Schülern der Aka-
demie der Tonkunst demonstriert. Treffende
Worte fand sie für die Darstellung der Opern
Mozarts, bei dem der Sänger wie bei
Wagner das Spiel aus der Musik herausholen
müsse. Mozart habe eben denselben genialen Blick
für die Szene gehabt wie der Bayreuther.

Der Abend war anregend und trotz seiner drei-
stündigen Dauer nicht ermüdend. Man hat die
geistige und physische Leistung dieser seltenen
Frau bewundert, die fast drei Stunden ununter-
brochen auf der Szene stand, geistvoll plauderte
und dazwischen in allen Stilarten agierte mit dem
Temperament einer Zwanzigjährigen und der
Abgeklärtheit einer reifen Frau. München kann
glücklich sein, sie in seinen Mauern zu haben. Als
dankbare Anerkennung quittierte man ihr mit
einem halbleeren Saal.




Kammersänger Fritz Fitzau hat an der Städti-
schen Oper in Berlin in den zwei ersten Auffüh-
rungen der Neueinstudierung von Humperdincks
"Königskinder" erfolgreich den "Königssohn" ge-
sungen.

[Spaltenumbruch]
"Deutschlands Jugend als Machtfaktor
in der Politik der Gegenwart"

Professor von Eckardt im Akademisch-Politischen Club

Im Rahmen des Vortragszyklus "Die junge
Generation
", den der Akademisch-Politische
Club veranstaltet, sprach Herr Professor von
Eckardt,
Dozent für Zeitungswissenschaft in
Heidelberg, über: "Deutschlands Jugend als
Machtfaktor in der Politik der Gegenwart".

Der Vortragende verstand es als älterer Kom-
militone, Kriegsteilnehmer und Mitbegründer der
"Deutschen Studentenschaft" der studierenden Ju-
gend besonders nahe zu kommen. Frei von
trockener Dogmatik und aufgelockert durch kon-
krete Beispiele bot sein Vortrag eine überwälti-
gende Fülle von Gedanken -- fast zu viel für
den Rahmen eines Abends.

Soziologe aus dem Kreis des zu früh verstor-
benen Max Weber, ging Professor v. Eckardt
in allgemeinen Ausführungen auf das Wesen der
Politik vom soziologischen Standpunkt aus ein,
um es im besonderen in Beziehung zur heutigen
Jugend und zu den großen Aufgaben, die dieser
zufällt, zu bringen.

Aus einer interessanten Betrachtung der poli-
tischen Entwicklung in Italien und Rußland zog
er den Schluß, daß der Weg zur Diktatur eines
einzelnen oder einer Minderheit in Deutschland
bei dem hohen Bildungsniveau der Massen nicht
denkbar sei. Unser Weg sei, erwählten Führern
Gefolgschaft zu leisten, nicht kritiklos, aber vor
allem nicht überkritisierend ("Die Besatzung des
Schiffes soll mit dem Mann am Steuer nicht
reden", Lloyd George). Ueberkritik, ein deutscher
Grundfehler, hat es verschuldet, daß Führer im
Stich gelassen wurden, wenn die Gefolgschaft den
Weg ihrer Politik nicht verstand.

Andere politische Fehler begehen die Parteien,
[Spaltenumbruch] die im Endziel schließlich dasselbe wollen, gegen
das Gesetz der primären Reihenfolge.

Das Hauptproblem unserer politischen Entwick-
lung ist der Gegensatz zwischen der älteren Ge-
neration und der Jugend. Dieser Gegensatz ist
besonders scharf, weil die Zwischengeneration, die
heute Träger der Politik sein müßte, durch den
Krieg dezimiert ist. Die ältere Generation, in
Mechanik erstarrt, hat kein Verständnis für die
Illusion der Jugend (Ideal -- Idee -- Illusion!).
Bald ruft sie sie, bald drängt sie sie wieder zu-
rück. Die Jugend muß ihre ganze Einstellung
zur Politik nach dem Gesichtspunkt regeln, daß
sie in absehbarer Zeit Träger der Politik sein
wird. Rückschauend muß sie aus der Geschichte
lernen, denn Geschichte ist festgewordene Politik,
so wie Politik von heute Geschichte von morgen
ist. Mit der Gegenwartspolitik soll sie sich ohne
blinden Autoritätsgedanken, sachlich kritisierend
auseinandersetzen, nicht ethische Momente in die
Politik hineinbringen wollen, denn Politik ist auf
Wirkung abgestellt und verschlungene Wege lassen
sich nicht vermeiden. Ein solches Studium der
Gegenwart wird die Jugend befähigen, ihrer
Aufgabe gerecht zu werden, Probleme zu lösen,
die heute sich schon bemerkbar machen, aber
brennend sein werden, wenn die heutige Jugend
am Ruder ist.

Die anschließende Diskussion gab Professor von
Eckardt Gelegenheit, auf einzelne Punkte, die den
Diskussionsrednern besonders am Herzen lagen,
so z. B. auf die Mitarbeit in den politischen
Parteien, des Näheren einzugehen. Im eindrucks-
vollen Schlußwort gab er der Hoffnung Aus-
druck, daß Deutschland von einem Volk höchster
Kulturleistungen zu einem wahren Kulturvolk
werden möge.



VON DEN BÜHNEN
Residenztheater.

Die Veranstaltungen der Baye-
rischen Staatstheater zur Lessingfeier wer-
den am Sonntag, den 20. Januar, mit einer
Morgenveranstaltung eröffnet, in wel-
cher Universitätsprofessor Dr. Hans Heinrich Bor-
cherdt die Gedächtnisrede über das Thema "Les-
sings Persönlichkeit" halten wird. Im zweiten Teil
sprechen Alois Wohlmuth und die Rezitatorin
Anne Larsen als Gast Peosa und Verse des Dich-
ters. Das Birkigt-Quartett umrahmt die Morgen-
feier mit Haydn'scher Musik.

Residenztheater.

Die Erstaufführung des Spiels
"Perlenkomödie" von Bruno Frank ist auf
Mittwoch, den 23. Januar, verscho-
ben
worden. Statt dessen ist Samstag, 19. Ja-
nuar, "Das Postfräulein", Sonntag, 20. Ja-
nuar, "Die Frau, die jeder sucht", Diens-
tag, 22. Januar, "Karl und Anna".

Theatergemeinde München.

Den Schluß der
diesjährigen Konzertsaison 1928 29 bildet ein Gast-
spiel des Petersburger Generalmusildirektors Pro-
fessor Nikolai Malko, der zum erstenmal in
München dirigieren wird, zu gleicher Zeit, in der
Generalmusikdirektor Knappertsbusch in Peters-
burg auf Gastspielreise ist. Malko wird am 23.
und 24. Januar Werke von Tschaikowsky, Rimsky-
Korsakoff, Beethoven und Brahms in der Ton-
halle dirigieren. Karten für die Teilnehmer auf
der Geschäftsstelle, Weinstraße 13/2, Zimmer 129.

Theater am Gärtnerplatz.

Margarete Slezak
beginnt ihr diesjähriges Gastspiel am 26. Januar
in der Titelrolle der Leo-Fall-Operette: "Die
Kaiserin
" (Fürstenliebe). Bis dahin bleibt die
zugkräftige, allabendlich mit größtem Erfolg auf-
genommene Novität "Evelyne" täglich auf dem
Spielplan.

[Spaltenumbruch]
Fliegende Blätter
und Meggendorfer Blätter vereinigt

Der Beginn des neuen Jahrgangs der Meggen-
dorfer Blätter, von dem die beiden ersten Num-
mern vorliegen, bedeutet einen wichtigen Augen-
blick in der Geschichte dieses altbewährten Fami-
lienwitzblattes. Denn von der ersten Nummer
des neuen Jahres an gibt der Verlag J. F.
Schreiber in München ein Witzblatt heraus, das
die Vereinigung der von ihm bis jetzt verlegten
Meggendorfer Blätter mit den von ihm neu über-
nommenen Fliegenden Blättern darstellt und den
Titel "Fliegende Blätter und Meggendorfer Blät-
ter" führt.

Damit sind die Traditionen, die Wirkungskraft
und das Wesen zweier Witzblätter zu einheitlichem
Schaffen verbunden, die stets dem Humor an sich,
der Fröhlichkeit und der Satire gedient haben,
ohne sich an Instinkte ihrer Leser wenden zu wol-
len, deren Befriedigung mit Humor und Lustig-
keit nichts zu tun haben.




Die Bayerische Landesbühne hat soeben die er-
folgreiche Tournee von "Leinen aus Irland", die
sie in 28 Städte führte, beschlossen. In Vor-
bereitung befindet sich das Alt-Münchner Lust-
spiel von Martin Schleich "Bürger und Junker"
in der Neubearbeitung von Dr. E. L. Stahl.
Diese Vorstellung wird das 50jährige Bühnen-
Jubiläum von Phily Schroth bringen. Gleichzeitig
wird eine Tournee mit dem Wiener Schwank von
Engel und Horst "Die Welt ohne Männer" laufen.
Regisseur Carl Marowsky, Bühnenbild: Leo Bot-
has. Die berühmte Rolle der Pepi Glöckner und
Hansi Niese, Gusti Brandl, wird die junge Münch-
nerin Eva Schalze spielen.



[irrelevantes Material]
„AZ am Abend“ Nr. 14 Donnerstag, den 17. Januar
Münchener Konzerte

Im Weihnachtsmonat ließ der Konzertbetrieb
quantitaliv etwas nach. Es gab ſogar konzertloſe
Tage. Auffallend war der ſchlechte Beſuch der vom
Verberquartett
beſtrittenen Schubertfeier im Odeon, trotz-
dem das Programm zwei der herrlichſten Werke
der Kammermuſikliteratur brachte: des Meiſters
Streichquintett in C und das F-Dur-Oktett mit
Bläſern. Die Leere des Saals ſchien auf Berber
verſtimmend zu wirken, denn das Quintett kam
diesmal nicht ſo überquellend und ſchön wie im
Sommer im Brunnenhof der Reſidenz. Das
Oktett (unter Mitwirktung einiger Herren vom
Staatstheaterorcheſter) wirkte darauf in einer
prächtigen Ausdeutung verſöhnend.

Margot Leunder hatte ſich für wirkungs-
volle Lieder von Flick-Steger und tiefer-
gehende Geſänge von Karl Ettinger er-
folgreich eingeſetzt. Eva Liebenberg war
man für unbekanntere Schubertlieder dank-
bar. Sie ſang mit ſtarker Einfühlung in den
Geiſt der Lieder innerlich packend. Unterſtützt
von ihrem ſchönen ſatten Alt feſſelt ſie durch den
vornehmen Stil ihrer Kunſt. Neue Weihnachts-
lieder Trunks, die Marie Trunk-Del-
bran
vermittelte, beſtechen wie alles, was Trunk
ſchreibt, äußerlich ohne eine ſtark perſönliche
Handſchrift zu verraten.

Im vierten Abend des
Vereins für zeitgenöſſiſche Muſik
hörte man ein Cembalokonzert von de
Falla
unterhaltſame Muſik, die aber nicht den
Wunſch erweckt, ſie ein zweites Mal zu hören.
Die bedeutendſte Gabe des faſt mageren Pro-
gramms waren die Serenaden (Op. 35) in Form
einer kleinen Kantate nach (ſchlechten!) roman-
tiſchen Texten für Sopran, Oboe, Bratſche und
Cello von Paul Hindemith. Dieſes Werk
enthüllt ſeine Schönheit, den Reichtum ſeiner
Muſik nur dem, der ſich näher mit ihm beſchäf-
tigt. Die Aufführung — ſo gut ſie in manchem
geraten war — erſchöpfte nicht alle Möglichkeiten.
In dem kleinen Konzert nach Lautenſätzen des
16. Jahrhunderts für Cembalo, Flöte, Oboe,
Fagott, Trompete, Poſaune und Schlagzeug von
Karl Orff ſtörte die ungenügende Vorberei-
tung. Man hatte mehr den Eindruck eines raſch
improviſierten häuslichen Muſizierens als den
eines verantwortungsvoll vorbereiteten Konzerts
und hätte ſich dazu am liebſten eine Zigarette
angezündet. Ob das für die Propagierung zeit-
genöſſiſcher Muſik gut iſt, iſt eine offene Frage.

Am zweiten Weihnachtsfeiertag — einem un-
günſtigen Konzerttag — ſpielte die Trio-Ver-
einigung Schmid-Lindner, Szanto und
Diſclez unter Mitwirkung des Bratſchiſten
Haas-Brahms. Es wurde wie immer ſehr
ſchön und kultiviert muſiziert, im Finale des
Quartetts gab es mehr: Mitreißendes Tempera-
ment und wohltuende Abweſenheit aller dämpfen-
den profeſſoralen Würde. Ich habe die Herren
ſchon lange nicht mehr ſo aus ſich herausgehen
hören: es war beglückend. Die Klavierabende
Lampes, der Mozart vollendet geſpielt haben
ſoll, und des feinſinnigen Erwin Koervers
mußte ich mir leider entgehen laſſen.

Auguſt Leopolder und Otto Graef
waren die erſten, die man im neuen Jahr
hörte. Ueber ihr ſchon wiederholt gewürdigtes
Spiel auf zwei Klavieren iſt Neues nicht zu
ſagen. Hat man ihnen etwas vorzuwerfen, iſt es
nur das überlange anſtrengende Programm.
Man erträgt den Klang von zwei Klavieren als
normaler Menſch im Konzertſaal nicht länger als
eine Stunde. Nach ihnen kam der
Jazz auf vier Flügeln
in der Tonhalle. Was man da erlebte, war eine
angenehme Ueberraſchung. Die „Vier“ (Pome-
ranc, Zakin, Mittmann
und Gelb-
trunk
) muſizieren mit ſeltener rhythmiſcher
Präziſion und da jeder von ihnen über eine ſub-
tile Anſchlagstechnik verfügt, entſtehen Klang-
wirkungen feinſter und reichſter Art. Die befürch-
tete Entfeſſelung dicker Klangmaſſen blieb aus.
Der Reiz der Neuheit vermochte die Tonhalle
[Spaltenumbruch] aber doch nicht ganz zu füllen. Das tänzeriſche
Element ſchien ſtärker vertreten als das muſika-
liſche. — Wildhagen und die Altiſtin Irma
Drummer
ſangen aus dem italieniſchen Lie-
derbuch von Hugo Wolf in der Form von
Wechſelgeſängen. Ich hörte, da der Abend mit
dem des Jazz auf vier Flügeln kollidierte, nur
die vorausgehenden Einzelgeſänge. Auf der
männlichen Seite ein berauſchend ſchönes Organ,
auf der weiblichen mehr ein Eindringen in den
Gehalt der Lieder. Hellmuth Baentſch
war mehr als nur ein gewandter Begleiter.

Das Prisca-Quartett brachte als Neu-
heit ein einſätziges Werk von
Alexander Tſcherepnin,
das in dem Komponiſten einen ſtarken, wenn auch
nicht originellen Melodiker erkennen läßt. Das
Werk zeigt klare Dispoſition und formale Ge-
ſchloſſenheit und iſt in keiner Weiſe problematiſch.
Erſchließt ſich ſofort beim erſten Hören. — Im
Liederabend des durch eine Erkältung in der
vollen Entfaltung ſeiner Mittel gehemmten Ro-
bert Hager
konſtatiert man die ſtarke Emp-
findungsfähigkeit und Geſtaltungskraft des Sän-
gers, der aber ſtimmtechniſch an ſeinem ſchönen
Material noch arbeiten muß. Ueber den Barito-
niſten Hans Streck wird mir berichtet: er
bewege ſich in einer ſtark aufſteigenden Linie.

Sei zuletzt noch der Sonatenabend der Gei-
gerin Eliſabeth Biſchoff und des Pia-
niſten Ado Dammert erwähnt; zwei Künſt-
ler, die ſich prächtig ergänzen. Die A-Dur-Sonate
von Ildebrando Pizzetti, die ſie als
Novum brachten, kann die Herkunft aus dem
Lande Puccinis nicht verleugnen. Sie iſt dank-
bar, klang- und melodienfreudig und vor allem:
ſie iſt aus dem Charakter der beiden Inſtrumente
heraus erdacht. Von ſüdländiſcher Glut erfüllt in
den beiden erſten Sätzen und im Finale von
kecker Ausgelaſſenheit und Unbeſchwertheit. We.

Anna Bahr-Mildenburg
über das Schauſpiel in der Oper

Zum Beſten des Stipendienfonds der
Staatlichen Akademie der Tonkunſt

Um es gleich zu ſagen, der Stipendienfonds
dürfte durch das karge Häuflein, das gekommen
war, um eine der klügſten Frauen über das
Theater ſprechen zu hören, nicht ſehr bereichert
werden. Was Frau Vahr-Mildenburg
ſagte und wie ſie es ſagte, war zu vernehmen
erfreulich in einer Zeit, in der die „Tages-
mode
“ die Oper allzuſehr vom Standpunkt des
abſoluten (!) Muſikers aus betrachtet. Sie betont
mit Recht, daß der Sänger auch Schauſpieler ſein
müſſe. Und um es ſein zu können, müſſe er
denken und fühlen und aus geiſtiger
Erkenntnis
heraus ſeine Rolle geſtalten wie
es der Schauſpieler tue. An Beiſpielen aus Opern
von Gluck bis Richard Strauß wurde gezeigt, wie
ſie ihren Schülern den Weg zur künſtleriſchen
Löſung ihrer Aufgabe weiſt. Das meiſte hat ſie
ſelbſt dargeſtellt, einiges an Schülern der Aka-
demie der Tonkunſt demonſtriert. Treffende
Worte fand ſie für die Darſtellung der Opern
Mozarts, bei dem der Sänger wie bei
Wagner das Spiel aus der Muſik herausholen
müſſe. Mozart habe eben denſelben genialen Blick
für die Szene gehabt wie der Bayreuther.

Der Abend war anregend und trotz ſeiner drei-
ſtündigen Dauer nicht ermüdend. Man hat die
geiſtige und phyſiſche Leiſtung dieſer ſeltenen
Frau bewundert, die faſt drei Stunden ununter-
brochen auf der Szene ſtand, geiſtvoll plauderte
und dazwiſchen in allen Stilarten agierte mit dem
Temperament einer Zwanzigjährigen und der
Abgeklärtheit einer reifen Frau. München kann
glücklich ſein, ſie in ſeinen Mauern zu haben. Als
dankbare Anerkennung quittierte man ihr mit
einem halbleeren Saal.




Kammerſänger Fritz Fitzau hat an der Städti-
ſchen Oper in Berlin in den zwei erſten Auffüh-
rungen der Neueinſtudierung von Humperdincks
„Königskinder“ erfolgreich den „Königsſohn“ ge-
ſungen.

[Spaltenumbruch]
„Deutſchlands Jugend als Machtfaktor
in der Politik der Gegenwart“

Profeſſor von Eckardt im Akademiſch-Politiſchen Club

Im Rahmen des Vortragszyklus „Die junge
Generation
“, den der Akademiſch-Politiſche
Club veranſtaltet, ſprach Herr Profeſſor von
Eckardt,
Dozent für Zeitungswiſſenſchaft in
Heidelberg, über: „Deutſchlands Jugend als
Machtfaktor in der Politik der Gegenwart“.

Der Vortragende verſtand es als älterer Kom-
militone, Kriegsteilnehmer und Mitbegründer der
„Deutſchen Studentenſchaft“ der ſtudierenden Ju-
gend beſonders nahe zu kommen. Frei von
trockener Dogmatik und aufgelockert durch kon-
krete Beiſpiele bot ſein Vortrag eine überwälti-
gende Fülle von Gedanken — faſt zu viel für
den Rahmen eines Abends.

Soziologe aus dem Kreis des zu früh verſtor-
benen Max Weber, ging Profeſſor v. Eckardt
in allgemeinen Ausführungen auf das Weſen der
Politik vom ſoziologiſchen Standpunkt aus ein,
um es im beſonderen in Beziehung zur heutigen
Jugend und zu den großen Aufgaben, die dieſer
zufällt, zu bringen.

Aus einer intereſſanten Betrachtung der poli-
tiſchen Entwicklung in Italien und Rußland zog
er den Schluß, daß der Weg zur Diktatur eines
einzelnen oder einer Minderheit in Deutſchland
bei dem hohen Bildungsniveau der Maſſen nicht
denkbar ſei. Unſer Weg ſei, erwählten Führern
Gefolgſchaft zu leiſten, nicht kritiklos, aber vor
allem nicht überkritiſierend („Die Beſatzung des
Schiffes ſoll mit dem Mann am Steuer nicht
reden“, Lloyd George). Ueberkritik, ein deutſcher
Grundfehler, hat es verſchuldet, daß Führer im
Stich gelaſſen wurden, wenn die Gefolgſchaft den
Weg ihrer Politik nicht verſtand.

Andere politiſche Fehler begehen die Parteien,
[Spaltenumbruch] die im Endziel ſchließlich dasſelbe wollen, gegen
das Geſetz der primären Reihenfolge.

Das Hauptproblem unſerer politiſchen Entwick-
lung iſt der Gegenſatz zwiſchen der älteren Ge-
neration und der Jugend. Dieſer Gegenſatz iſt
beſonders ſcharf, weil die Zwiſchengeneration, die
heute Träger der Politik ſein müßte, durch den
Krieg dezimiert iſt. Die ältere Generation, in
Mechanik erſtarrt, hat kein Verſtändnis für die
Illuſion der Jugend (Ideal — Idee — Illuſion!).
Bald ruft ſie ſie, bald drängt ſie ſie wieder zu-
rück. Die Jugend muß ihre ganze Einſtellung
zur Politik nach dem Geſichtspunkt regeln, daß
ſie in abſehbarer Zeit Träger der Politik ſein
wird. Rückſchauend muß ſie aus der Geſchichte
lernen, denn Geſchichte iſt feſtgewordene Politik,
ſo wie Politik von heute Geſchichte von morgen
iſt. Mit der Gegenwartspolitik ſoll ſie ſich ohne
blinden Autoritätsgedanken, ſachlich kritiſierend
auseinanderſetzen, nicht ethiſche Momente in die
Politik hineinbringen wollen, denn Politik iſt auf
Wirkung abgeſtellt und verſchlungene Wege laſſen
ſich nicht vermeiden. Ein ſolches Studium der
Gegenwart wird die Jugend befähigen, ihrer
Aufgabe gerecht zu werden, Probleme zu löſen,
die heute ſich ſchon bemerkbar machen, aber
brennend ſein werden, wenn die heutige Jugend
am Ruder iſt.

Die anſchließende Diskuſſion gab Profeſſor von
Eckardt Gelegenheit, auf einzelne Punkte, die den
Diskuſſionsrednern beſonders am Herzen lagen,
ſo z. B. auf die Mitarbeit in den politiſchen
Parteien, des Näheren einzugehen. Im eindrucks-
vollen Schlußwort gab er der Hoffnung Aus-
druck, daß Deutſchland von einem Volk höchſter
Kulturleiſtungen zu einem wahren Kulturvolk
werden möge.



VON DEN BÜHNEN
Reſidenztheater.

Die Veranſtaltungen der Baye-
riſchen Staatstheater zur Leſſingfeier wer-
den am Sonntag, den 20. Januar, mit einer
Morgenveranſtaltung eröffnet, in wel-
cher Univerſitätsprofeſſor Dr. Hans Heinrich Bor-
cherdt die Gedächtnisrede über das Thema „Leſ-
ſings Perſönlichkeit“ halten wird. Im zweiten Teil
ſprechen Alois Wohlmuth und die Rezitatorin
Anne Larſen als Gaſt Peoſa und Verſe des Dich-
ters. Das Birkigt-Quartett umrahmt die Morgen-
feier mit Haydn’ſcher Muſik.

Reſidenztheater.

Die Erſtaufführung des Spiels
Perlenkomödie“ von Bruno Frank iſt auf
Mittwoch, den 23. Januar, verſcho-
ben
worden. Statt deſſen iſt Samstag, 19. Ja-
nuar, „Das Poſtfräulein“, Sonntag, 20. Ja-
nuar, „Die Frau, die jeder ſucht“, Diens-
tag, 22. Januar, „Karl und Anna“.

Theatergemeinde München.

Den Schluß der
diesjährigen Konzertſaiſon 1928 29 bildet ein Gaſt-
ſpiel des Petersburger Generalmuſildirektors Pro-
feſſor Nikolai Malko, der zum erſtenmal in
München dirigieren wird, zu gleicher Zeit, in der
Generalmuſikdirektor Knappertsbuſch in Peters-
burg auf Gaſtſpielreiſe iſt. Malko wird am 23.
und 24. Januar Werke von Tſchaikowſky, Rimſky-
Korſakoff, Beethoven und Brahms in der Ton-
halle dirigieren. Karten für die Teilnehmer auf
der Geſchäftsſtelle, Weinſtraße 13/2, Zimmer 129.

Theater am Gärtnerplatz.

Margarete Slezak
beginnt ihr diesjähriges Gaſtſpiel am 26. Januar
in der Titelrolle der Leo-Fall-Operette: „Die
Kaiſerin
“ (Fürſtenliebe). Bis dahin bleibt die
zugkräftige, allabendlich mit größtem Erfolg auf-
genommene Novität „Evelyne“ täglich auf dem
Spielplan.

[Spaltenumbruch]
Fliegende Blätter
und Meggendorfer Blätter vereinigt

Der Beginn des neuen Jahrgangs der Meggen-
dorfer Blätter, von dem die beiden erſten Num-
mern vorliegen, bedeutet einen wichtigen Augen-
blick in der Geſchichte dieſes altbewährten Fami-
lienwitzblattes. Denn von der erſten Nummer
des neuen Jahres an gibt der Verlag J. F.
Schreiber in München ein Witzblatt heraus, das
die Vereinigung der von ihm bis jetzt verlegten
Meggendorfer Blätter mit den von ihm neu über-
nommenen Fliegenden Blättern darſtellt und den
Titel „Fliegende Blätter und Meggendorfer Blät-
ter“ führt.

Damit ſind die Traditionen, die Wirkungskraft
und das Weſen zweier Witzblätter zu einheitlichem
Schaffen verbunden, die ſtets dem Humor an ſich,
der Fröhlichkeit und der Satire gedient haben,
ohne ſich an Inſtinkte ihrer Leſer wenden zu wol-
len, deren Befriedigung mit Humor und Luſtig-
keit nichts zu tun haben.




Die Bayeriſche Landesbühne hat ſoeben die er-
folgreiche Tournee von „Leinen aus Irland“, die
ſie in 28 Städte führte, beſchloſſen. In Vor-
bereitung befindet ſich das Alt-Münchner Luſt-
ſpiel von Martin Schleich „Bürger und Junker“
in der Neubearbeitung von Dr. E. L. Stahl.
Dieſe Vorſtellung wird das 50jährige Bühnen-
Jubiläum von Phily Schroth bringen. Gleichzeitig
wird eine Tournee mit dem Wiener Schwank von
Engel und Horſt „Die Welt ohne Männer“ laufen.
Regiſſeur Carl Marowſky, Bühnenbild: Leo Bot-
has. Die berühmte Rolle der Pepi Glöckner und
Hanſi Nieſe, Guſti Brandl, wird die junge Münch-
nerin Eva Schalze ſpielen.



[irrelevantes Material]
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[Seite 10[10]/0010] „AZ am Abend“ Nr. 14 Donnerstag, den 17. Januar Münchener Konzerte Im Weihnachtsmonat ließ der Konzertbetrieb quantitaliv etwas nach. Es gab ſogar konzertloſe Tage. Auffallend war der ſchlechte Beſuch der vom Verberquartett beſtrittenen Schubertfeier im Odeon, trotz- dem das Programm zwei der herrlichſten Werke der Kammermuſikliteratur brachte: des Meiſters Streichquintett in C und das F-Dur-Oktett mit Bläſern. Die Leere des Saals ſchien auf Berber verſtimmend zu wirken, denn das Quintett kam diesmal nicht ſo überquellend und ſchön wie im Sommer im Brunnenhof der Reſidenz. Das Oktett (unter Mitwirktung einiger Herren vom Staatstheaterorcheſter) wirkte darauf in einer prächtigen Ausdeutung verſöhnend. Margot Leunder hatte ſich für wirkungs- volle Lieder von Flick-Steger und tiefer- gehende Geſänge von Karl Ettinger er- folgreich eingeſetzt. Eva Liebenberg war man für unbekanntere Schubertlieder dank- bar. Sie ſang mit ſtarker Einfühlung in den Geiſt der Lieder innerlich packend. Unterſtützt von ihrem ſchönen ſatten Alt feſſelt ſie durch den vornehmen Stil ihrer Kunſt. Neue Weihnachts- lieder Trunks, die Marie Trunk-Del- bran vermittelte, beſtechen wie alles, was Trunk ſchreibt, äußerlich ohne eine ſtark perſönliche Handſchrift zu verraten. Im vierten Abend des Vereins für zeitgenöſſiſche Muſik hörte man ein Cembalokonzert von de Falla unterhaltſame Muſik, die aber nicht den Wunſch erweckt, ſie ein zweites Mal zu hören. Die bedeutendſte Gabe des faſt mageren Pro- gramms waren die Serenaden (Op. 35) in Form einer kleinen Kantate nach (ſchlechten!) roman- tiſchen Texten für Sopran, Oboe, Bratſche und Cello von Paul Hindemith. Dieſes Werk enthüllt ſeine Schönheit, den Reichtum ſeiner Muſik nur dem, der ſich näher mit ihm beſchäf- tigt. Die Aufführung — ſo gut ſie in manchem geraten war — erſchöpfte nicht alle Möglichkeiten. In dem kleinen Konzert nach Lautenſätzen des 16. Jahrhunderts für Cembalo, Flöte, Oboe, Fagott, Trompete, Poſaune und Schlagzeug von Karl Orff ſtörte die ungenügende Vorberei- tung. Man hatte mehr den Eindruck eines raſch improviſierten häuslichen Muſizierens als den eines verantwortungsvoll vorbereiteten Konzerts und hätte ſich dazu am liebſten eine Zigarette angezündet. Ob das für die Propagierung zeit- genöſſiſcher Muſik gut iſt, iſt eine offene Frage. Am zweiten Weihnachtsfeiertag — einem un- günſtigen Konzerttag — ſpielte die Trio-Ver- einigung Schmid-Lindner, Szanto und Diſclez unter Mitwirkung des Bratſchiſten Haas-Brahms. Es wurde wie immer ſehr ſchön und kultiviert muſiziert, im Finale des Quartetts gab es mehr: Mitreißendes Tempera- ment und wohltuende Abweſenheit aller dämpfen- den profeſſoralen Würde. Ich habe die Herren ſchon lange nicht mehr ſo aus ſich herausgehen hören: es war beglückend. Die Klavierabende Lampes, der Mozart vollendet geſpielt haben ſoll, und des feinſinnigen Erwin Koervers mußte ich mir leider entgehen laſſen. Auguſt Leopolder und Otto Graef waren die erſten, die man im neuen Jahr hörte. Ueber ihr ſchon wiederholt gewürdigtes Spiel auf zwei Klavieren iſt Neues nicht zu ſagen. Hat man ihnen etwas vorzuwerfen, iſt es nur das überlange anſtrengende Programm. Man erträgt den Klang von zwei Klavieren als normaler Menſch im Konzertſaal nicht länger als eine Stunde. Nach ihnen kam der Jazz auf vier Flügeln in der Tonhalle. Was man da erlebte, war eine angenehme Ueberraſchung. Die „Vier“ (Pome- ranc, Zakin, Mittmann und Gelb- trunk) muſizieren mit ſeltener rhythmiſcher Präziſion und da jeder von ihnen über eine ſub- tile Anſchlagstechnik verfügt, entſtehen Klang- wirkungen feinſter und reichſter Art. Die befürch- tete Entfeſſelung dicker Klangmaſſen blieb aus. Der Reiz der Neuheit vermochte die Tonhalle aber doch nicht ganz zu füllen. Das tänzeriſche Element ſchien ſtärker vertreten als das muſika- liſche. — Wildhagen und die Altiſtin Irma Drummer ſangen aus dem italieniſchen Lie- derbuch von Hugo Wolf in der Form von Wechſelgeſängen. Ich hörte, da der Abend mit dem des Jazz auf vier Flügeln kollidierte, nur die vorausgehenden Einzelgeſänge. Auf der männlichen Seite ein berauſchend ſchönes Organ, auf der weiblichen mehr ein Eindringen in den Gehalt der Lieder. Hellmuth Baentſch war mehr als nur ein gewandter Begleiter. Das Prisca-Quartett brachte als Neu- heit ein einſätziges Werk von Alexander Tſcherepnin, das in dem Komponiſten einen ſtarken, wenn auch nicht originellen Melodiker erkennen läßt. Das Werk zeigt klare Dispoſition und formale Ge- ſchloſſenheit und iſt in keiner Weiſe problematiſch. Erſchließt ſich ſofort beim erſten Hören. — Im Liederabend des durch eine Erkältung in der vollen Entfaltung ſeiner Mittel gehemmten Ro- bert Hager konſtatiert man die ſtarke Emp- findungsfähigkeit und Geſtaltungskraft des Sän- gers, der aber ſtimmtechniſch an ſeinem ſchönen Material noch arbeiten muß. Ueber den Barito- niſten Hans Streck wird mir berichtet: er bewege ſich in einer ſtark aufſteigenden Linie. Sei zuletzt noch der Sonatenabend der Gei- gerin Eliſabeth Biſchoff und des Pia- niſten Ado Dammert erwähnt; zwei Künſt- ler, die ſich prächtig ergänzen. Die A-Dur-Sonate von Ildebrando Pizzetti, die ſie als Novum brachten, kann die Herkunft aus dem Lande Puccinis nicht verleugnen. Sie iſt dank- bar, klang- und melodienfreudig und vor allem: ſie iſt aus dem Charakter der beiden Inſtrumente heraus erdacht. Von ſüdländiſcher Glut erfüllt in den beiden erſten Sätzen und im Finale von kecker Ausgelaſſenheit und Unbeſchwertheit. We. Anna Bahr-Mildenburg über das Schauſpiel in der Oper Zum Beſten des Stipendienfonds der Staatlichen Akademie der Tonkunſt Um es gleich zu ſagen, der Stipendienfonds dürfte durch das karge Häuflein, das gekommen war, um eine der klügſten Frauen über das Theater ſprechen zu hören, nicht ſehr bereichert werden. Was Frau Vahr-Mildenburg ſagte und wie ſie es ſagte, war zu vernehmen erfreulich in einer Zeit, in der die „Tages- mode“ die Oper allzuſehr vom Standpunkt des abſoluten (!) Muſikers aus betrachtet. Sie betont mit Recht, daß der Sänger auch Schauſpieler ſein müſſe. Und um es ſein zu können, müſſe er denken und fühlen und aus geiſtiger Erkenntnis heraus ſeine Rolle geſtalten wie es der Schauſpieler tue. An Beiſpielen aus Opern von Gluck bis Richard Strauß wurde gezeigt, wie ſie ihren Schülern den Weg zur künſtleriſchen Löſung ihrer Aufgabe weiſt. Das meiſte hat ſie ſelbſt dargeſtellt, einiges an Schülern der Aka- demie der Tonkunſt demonſtriert. Treffende Worte fand ſie für die Darſtellung der Opern Mozarts, bei dem der Sänger wie bei Wagner das Spiel aus der Muſik herausholen müſſe. Mozart habe eben denſelben genialen Blick für die Szene gehabt wie der Bayreuther. Der Abend war anregend und trotz ſeiner drei- ſtündigen Dauer nicht ermüdend. Man hat die geiſtige und phyſiſche Leiſtung dieſer ſeltenen Frau bewundert, die faſt drei Stunden ununter- brochen auf der Szene ſtand, geiſtvoll plauderte und dazwiſchen in allen Stilarten agierte mit dem Temperament einer Zwanzigjährigen und der Abgeklärtheit einer reifen Frau. München kann glücklich ſein, ſie in ſeinen Mauern zu haben. Als dankbare Anerkennung quittierte man ihr mit einem halbleeren Saal. We. Kammerſänger Fritz Fitzau hat an der Städti- ſchen Oper in Berlin in den zwei erſten Auffüh- rungen der Neueinſtudierung von Humperdincks „Königskinder“ erfolgreich den „Königsſohn“ ge- ſungen. „Deutſchlands Jugend als Machtfaktor in der Politik der Gegenwart“ Profeſſor von Eckardt im Akademiſch-Politiſchen Club Im Rahmen des Vortragszyklus „Die junge Generation“, den der Akademiſch-Politiſche Club veranſtaltet, ſprach Herr Profeſſor von Eckardt, Dozent für Zeitungswiſſenſchaft in Heidelberg, über: „Deutſchlands Jugend als Machtfaktor in der Politik der Gegenwart“. Der Vortragende verſtand es als älterer Kom- militone, Kriegsteilnehmer und Mitbegründer der „Deutſchen Studentenſchaft“ der ſtudierenden Ju- gend beſonders nahe zu kommen. Frei von trockener Dogmatik und aufgelockert durch kon- krete Beiſpiele bot ſein Vortrag eine überwälti- gende Fülle von Gedanken — faſt zu viel für den Rahmen eines Abends. Soziologe aus dem Kreis des zu früh verſtor- benen Max Weber, ging Profeſſor v. Eckardt in allgemeinen Ausführungen auf das Weſen der Politik vom ſoziologiſchen Standpunkt aus ein, um es im beſonderen in Beziehung zur heutigen Jugend und zu den großen Aufgaben, die dieſer zufällt, zu bringen. Aus einer intereſſanten Betrachtung der poli- tiſchen Entwicklung in Italien und Rußland zog er den Schluß, daß der Weg zur Diktatur eines einzelnen oder einer Minderheit in Deutſchland bei dem hohen Bildungsniveau der Maſſen nicht denkbar ſei. Unſer Weg ſei, erwählten Führern Gefolgſchaft zu leiſten, nicht kritiklos, aber vor allem nicht überkritiſierend („Die Beſatzung des Schiffes ſoll mit dem Mann am Steuer nicht reden“, Lloyd George). Ueberkritik, ein deutſcher Grundfehler, hat es verſchuldet, daß Führer im Stich gelaſſen wurden, wenn die Gefolgſchaft den Weg ihrer Politik nicht verſtand. Andere politiſche Fehler begehen die Parteien, die im Endziel ſchließlich dasſelbe wollen, gegen das Geſetz der primären Reihenfolge. Das Hauptproblem unſerer politiſchen Entwick- lung iſt der Gegenſatz zwiſchen der älteren Ge- neration und der Jugend. Dieſer Gegenſatz iſt beſonders ſcharf, weil die Zwiſchengeneration, die heute Träger der Politik ſein müßte, durch den Krieg dezimiert iſt. Die ältere Generation, in Mechanik erſtarrt, hat kein Verſtändnis für die Illuſion der Jugend (Ideal — Idee — Illuſion!). Bald ruft ſie ſie, bald drängt ſie ſie wieder zu- rück. Die Jugend muß ihre ganze Einſtellung zur Politik nach dem Geſichtspunkt regeln, daß ſie in abſehbarer Zeit Träger der Politik ſein wird. Rückſchauend muß ſie aus der Geſchichte lernen, denn Geſchichte iſt feſtgewordene Politik, ſo wie Politik von heute Geſchichte von morgen iſt. Mit der Gegenwartspolitik ſoll ſie ſich ohne blinden Autoritätsgedanken, ſachlich kritiſierend auseinanderſetzen, nicht ethiſche Momente in die Politik hineinbringen wollen, denn Politik iſt auf Wirkung abgeſtellt und verſchlungene Wege laſſen ſich nicht vermeiden. Ein ſolches Studium der Gegenwart wird die Jugend befähigen, ihrer Aufgabe gerecht zu werden, Probleme zu löſen, die heute ſich ſchon bemerkbar machen, aber brennend ſein werden, wenn die heutige Jugend am Ruder iſt. Die anſchließende Diskuſſion gab Profeſſor von Eckardt Gelegenheit, auf einzelne Punkte, die den Diskuſſionsrednern beſonders am Herzen lagen, ſo z. B. auf die Mitarbeit in den politiſchen Parteien, des Näheren einzugehen. Im eindrucks- vollen Schlußwort gab er der Hoffnung Aus- druck, daß Deutſchland von einem Volk höchſter Kulturleiſtungen zu einem wahren Kulturvolk werden möge. VON DEN BÜHNEN Reſidenztheater. Die Veranſtaltungen der Baye- riſchen Staatstheater zur Leſſingfeier wer- den am Sonntag, den 20. Januar, mit einer Morgenveranſtaltung eröffnet, in wel- cher Univerſitätsprofeſſor Dr. Hans Heinrich Bor- cherdt die Gedächtnisrede über das Thema „Leſ- ſings Perſönlichkeit“ halten wird. Im zweiten Teil ſprechen Alois Wohlmuth und die Rezitatorin Anne Larſen als Gaſt Peoſa und Verſe des Dich- ters. Das Birkigt-Quartett umrahmt die Morgen- feier mit Haydn’ſcher Muſik. Reſidenztheater. Die Erſtaufführung des Spiels „Perlenkomödie“ von Bruno Frank iſt auf Mittwoch, den 23. Januar, verſcho- ben worden. Statt deſſen iſt Samstag, 19. Ja- nuar, „Das Poſtfräulein“, Sonntag, 20. Ja- nuar, „Die Frau, die jeder ſucht“, Diens- tag, 22. Januar, „Karl und Anna“. Theatergemeinde München. Den Schluß der diesjährigen Konzertſaiſon 1928 29 bildet ein Gaſt- ſpiel des Petersburger Generalmuſildirektors Pro- feſſor Nikolai Malko, der zum erſtenmal in München dirigieren wird, zu gleicher Zeit, in der Generalmuſikdirektor Knappertsbuſch in Peters- burg auf Gaſtſpielreiſe iſt. Malko wird am 23. und 24. Januar Werke von Tſchaikowſky, Rimſky- Korſakoff, Beethoven und Brahms in der Ton- halle dirigieren. Karten für die Teilnehmer auf der Geſchäftsſtelle, Weinſtraße 13/2, Zimmer 129. Theater am Gärtnerplatz. Margarete Slezak beginnt ihr diesjähriges Gaſtſpiel am 26. Januar in der Titelrolle der Leo-Fall-Operette: „Die Kaiſerin“ (Fürſtenliebe). Bis dahin bleibt die zugkräftige, allabendlich mit größtem Erfolg auf- genommene Novität „Evelyne“ täglich auf dem Spielplan. Fliegende Blätter und Meggendorfer Blätter vereinigt Der Beginn des neuen Jahrgangs der Meggen- dorfer Blätter, von dem die beiden erſten Num- mern vorliegen, bedeutet einen wichtigen Augen- blick in der Geſchichte dieſes altbewährten Fami- lienwitzblattes. Denn von der erſten Nummer des neuen Jahres an gibt der Verlag J. F. Schreiber in München ein Witzblatt heraus, das die Vereinigung der von ihm bis jetzt verlegten Meggendorfer Blätter mit den von ihm neu über- nommenen Fliegenden Blättern darſtellt und den Titel „Fliegende Blätter und Meggendorfer Blät- ter“ führt. Damit ſind die Traditionen, die Wirkungskraft und das Weſen zweier Witzblätter zu einheitlichem Schaffen verbunden, die ſtets dem Humor an ſich, der Fröhlichkeit und der Satire gedient haben, ohne ſich an Inſtinkte ihrer Leſer wenden zu wol- len, deren Befriedigung mit Humor und Luſtig- keit nichts zu tun haben. Die Bayeriſche Landesbühne hat ſoeben die er- folgreiche Tournee von „Leinen aus Irland“, die ſie in 28 Städte führte, beſchloſſen. In Vor- bereitung befindet ſich das Alt-Münchner Luſt- ſpiel von Martin Schleich „Bürger und Junker“ in der Neubearbeitung von Dr. E. L. Stahl. Dieſe Vorſtellung wird das 50jährige Bühnen- Jubiläum von Phily Schroth bringen. Gleichzeitig wird eine Tournee mit dem Wiener Schwank von Engel und Horſt „Die Welt ohne Männer“ laufen. Regiſſeur Carl Marowſky, Bühnenbild: Leo Bot- has. Die berühmte Rolle der Pepi Glöckner und Hanſi Nieſe, Guſti Brandl, wird die junge Münch- nerin Eva Schalze ſpielen. _

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 14, 17. Januar 1929, S. Seite 10[10]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine14_1929/10>, abgerufen am 24.11.2024.