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Allgemeine Zeitung, Nr. 14, 15. Januar 1924.

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Allgemeine Zeitung. Nr. 14 Dienstag, den 15. Januar 1924.
MÜNCHENER STADTZEITUNG
[Spaltenumbruch]
Das Wohlfahrtsamt München

Das Wohlfahrtsamt München, nach dem Kriege
geschaffen ist die Zusammenfassung der alten
und neuen Fürsorgeeinrichtungen. Die jüngsten
Fürsorgezweige wurden in verschiedenen Zentral-
stellen ausgebildet, die die im Frieden gewohnte
Zusammenarbeit vielfach vermissen ließen. Der
Verwaltungsapparat war enorm. Mit ein und
derselben Familie beschäftigten sich oft ohne Wis-
sen voneinander die verschiedensten Fürsorge-
zweige, schickten ihre Erhebungs, und Fürsorge-
organe ins Haus, arbeiteten neben- oder gegen-
einander, gaben zwei- oder dreimal, ließen sich von
den Schlauen und Gewissenlosen ausnutzen, an-
dere, die verschämt beiseite standen, gingen da-
gegen leer aus. Die großen Städte, mit ihnen
auch München, gingen nun zur Zusammen-
fassung der verschiedenen Fürsorge-
zweige in Wohlfahrtsämter
über. Eine
völlig einheitliche Fürsorge war nach den bestehen-
den Gesetzen und Vorschriften nicht möglich. Hier
kann nur das Reich eingreifen, bei dem jetzt auch
die ersten Vorbereitungen für eine Vereinheit-
lichung getroffen werden.

Das Wohlfahrtsamt München umfaßt heute
folgende Hauptfürsorgearten: Armen-
pflege, Stiftungswesen, Kriegsbeschädigten- und
Kriegshinterbliebenenfürsorge, Sozial- und Klein-
rentnerfürsorge, Minderbemitteltenfürsorge und
allgemeine Kriegsfolgenhilfe. Nicht einbezogen
sind Jugendfürsorge und Erwerbslosenfürsorge.

Klar war, daß der Massenverkehr in diesem
Amte bei der heutigen Massennot nicht in einem
auch noch so großen Gebäude ohne Nachteil für
Gesamtwohl, Staat und Hillfesuchende bewältigt
werden konnte. Daher gliederte man das Wohl-
fahrtsamt in das Hauptwohlfahrtsamt
als Zentrale im Rathaus
und in 11 Be-
zirkswohlfahrtsämter.
Ein 12. Zweig-
amt dient zur Entlastung.

Das Hauptamt im Rathaus leitet
das Ganze, stellt die Grundsätze der Fürsorge
auf, wacht über die Durchführung, entscheidet in
besonders schwierigen und kostspieligen Fällen, ist
Beschwerdeinstanz gegen Entscheidungen der
Außenstellen, vermittelt den Verkehr mit den vor-
gesetzten Stellen und sorgt für die Bereitstellung
der erforderlichen Mittel. Ihm obliegt auch die
Aufnahme in die dem Referat unterstehenden
5 Anstalten: St. Martinspital, Gasteigspital,
Hl. Kreuzspital, St. Josefspital und Hl. Geist-
spital mit über 2000 Betten, die Betreuung der
Pfründner in diesen Anstalten und die Ergän-
zungsfürsorge für Personen in anderen städt. oder
privaten Anstalten, die die Pensionspreise aus
eigenem nicht oder nicht ganz bezahlen können.
Schließlich wird auch eine Geschäftsstelle für
24 Suppenanstalten geführt, in denen täg-
lich 5000 Personen gespeist werden.

Die Bezirkswohlfahrtsämter mit
ihren Ausschüssen arbeiten und entscheiden dem-
nach in Normalfällen selbständig. Die Bedürf-
tigen des Bezirks eines Bezirkswohlfahrtsamtes
gehen nur bei diesem aus und ein. Den Gesuch-
stellern werden die weiten Wege zu einer Zen-
trale erspart. Das Verfahren ist kurz und einfach.
Die Entscheidung gründet sich auf die eigenen
Wahrnehmungen der Entscheidenden. München
darf sich rühmen, mit dieser Einrich-
tung bahnbrechend vorangegangen
zu sein.

Der Herbst 1923 brachte eine starke Belastungs-
probe für das Wohlfahrtsamt und seine Zweig-
ämter, die bestanden wurde. Ehrenamtliche und
berufliche Organe haben sich in gleich anerken-
nungswerter Weise in die Bewältigung der Auf-
gabe geteilt. Der Vorwurf, das Wohlfahrtsamt
arbeite bureaukratisch, ist nicht gerechtfertigt. In
der Armenpflege liegen nach wie vor Prüfung der
Gesuche, Hausbesuche, Entscheidung der Gesuche
und Betreuung der Familien in den Händen
ehrenamtlicher Organe. In der übrigen Fürsorge
steht ihnen mindestens die Entscheidung, also die
wichtigste Befugnis der Fürsorge zu. In Aus-
schüssen sind vertreten neben Stadtrat und Armen-
[Spaltenumbruch] rat die Geistlichkeit, alle möglichen privaten Wohl-
tätigkeitsorganisationen, konfessionelle und pari-
tätische Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wie die
Sozial- und Kleinrentner usw.

Beruflich tätig sind beim Vollzug der
Fürsorge im Wohlfahrtsamt zur Zeit 337 Per-
sonen.
Nach den ihm zugewiesenen Geschäfts-
aufgaben gliedert sich das Hauptwohlfahrtsamt in
folgende Abteilungen:

1. Geschäftsabtellung, 2. Rechts- und Revi-
sionsabteilung, 3. Abteilung für Stiftungen, Spi-
täler und Altersheime, 4. Zentrale der Fürsorge
für Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene,
5. Abteilung für Gebrechlichenfürsorge, 6. Abtei-
lung für Auswärtigen, und Wohnungsfürsorge,
7. Zentralauskunftsstelle für Wohlfahrtspflege,
8. Geschäftsstelle für Suppenanstalten.

Die Bezirkswohlfahrtsämter sind eingeteilt:

1. in die allgemeine Abteilung, in der insbeson-
dere die Fürsorge für die Sozialrentner, Klein-
rentner und für die Minderbemittelten durchge-
führt wird,

2. in die Abteilung, für Armenpflege,

3. in die Abteilung für Kriegsbeschädigten- und
Kriegshinterbliebenenfürsorge. Angeschlossen ist
eine Kassenstelle und nach Bildung des Jugend-
amtes auch eine Abteilung für Jugendfürsorge.

Sollten die jetzigen stabilen Verhältnisse an-
dauern, wird alsbald mit einem Abbau des
Personals
begonnen werden. Ehrenamt-
lich tätig
sind in der Armenpflege neben dem
Armenrat, der aus 117 gesetzlichen und gewähl-
ten Mitgliedern besteht, insgesamt 1600 Di-
striktsvorsteher"
Armenpfleger und Armen-
pflegerinnen, in der übrigen Fürsorge sind etwa
150 ehrenamtliche Personen tätig.
(Fortsetzung folgt.)

Artistenversammlung

Während in Deutschland ausländischen Artisten
gern Gastrecht geboten wird, machen unsere Va-
rietee- und Kleinkunst-Leute im Auslande die
merkwürdigsten Erfahrungen. Die Dinge sind so
schlimm, daß der Bezirk Süddeutschland der "In-
ternationalen Artistenloge" zu ihrer Klärung eine
Versammlung einberief. Fossil, der Bezirksvor-
sitzende, gab das einleitende Referat, in dem ge-
sagt wurde, mit welchen Schikanen man den deut-
schen Artisten Auslandsgastspiele vereckeln Schwie-
rigkeiten bei der Einreise, bürokratische Wider-
stände während des Aufenthaltes und schließlich
-- Ausweisungen! In England bestehe ein Be-
schluß der dortigen Organisation, nach dem bis
fünf Jahre nach dem Kriege kein Artist der Mit-
telmächte im Insellande auftreten dürfe. Am em-
pörendsten aber ist die Feindseligkeit, ale deutsche
Artisten neuerdings in Oesterreich finden. Darum
sollte kein deutscher Artist mehr nach Oesterreich
oder den feindlich gesinnten Ländern abschließen
und Deutschland sollte endlich auch wie diese Län-
der, eine Zentralfremdenpolizeistelle -- wie sie
Bayern schon hat -- schaffen, die die Einreiseve-
willigung den Artisten nur in Fühlungnahme mit
der Organisaton gibt. Schließlich schlug Herr Fos-
sil
die Annahme folgender Entschließung vor:

Die versammelten Mitglieder der
Intern. Artistenloge nehmen mit
Entrüstung Kenntnis von dem Ver-
halten einiger ausländischer Arti-
stenorganisationen und Auslands-
behörden deutschen Artisten gegen-
über. Die Mitgliedschaft erwartet
daß die deutschen Behörden die Ein-
reise- und Aufenthaltsgenehmig-
ung den österreichischen und Schwei-
zer Artisten nur dann erteilt, wenn
die Intern. Artistenloge vor der Ein-
reise die Erklärung abgegeben hat,
daß vom Standpunkt des Arbeits-
marktes Bedenken nicht bestehen.
Bisher geschieht bis zu einem ge-
wissen Grade dieses Zusammen-
wirken von Polizel und Artistenloge
in Bayern, speziell in München.
Diese Gepflogenheit soll anerkannt
werden, muß aber feste Formen an-
[Spaltenumbruch] nehmen u. sich über ganz Bayern und
das ganze Reich ausdehnen. Von der
Presse erwarten die Mitglieder,
daß sie die Bestrebungen der Ar-
tistenloge durch Aufklärungsarti-
kel in allen Ländern unterstützt. Die
Mitglieder der Artistenloge for-
dern ferner die Spitzenverbände der
Gewerkschaften in allen Ländern
auf, Kollektivverträge, Verständi-
gungs- und Versöhnungsverhand-
lungen einzuleiten.

Diese Entschließung
wurde mit Beifall auf- und einstimmig ange-
nommen.

Für die Gefallenen der Bayer. Vereinsbank.

Samstag nachmittag wurde in der Halle der
"Bayer. Vereinsbank" vor der von Prof. Riemer-
schmid geschaffenen bronzenen Gedenktafel der im
Weltkrieg gefallenen Beamten der Bank in ein-
drucksvoller Feier gedacht. Zwei Offiziere mit
entblößtem Säbel flankierten als Ehrenwache die
Gedenktafel. Mit getragener Musik begann die
Feier. Dann hielt Geheimrat Pöhlmann als
erster Direktor der Bank die Gedächtnisrede. Die
Erinnerungstafel, so sagte er, möge auch für die
Lebenden eine Erinnerungstafel sein: die er-
hebende Erinnerung an die Opfer, die gebracht
worden seien. Und seine Opferfähigkeit sei der
Maßstab für die Daseins- und Entwicklungs-
berechtigung eines Volkes. Möge diese Gedenk-
tafel ein Kleinod dieses Hauses sein, den Dahin-
gegangenen zum Dank, den Lebenden zur Mah-
nung, den Kommenden zum Vorbild. Unter den
Klängen des "Guten Kameraden" legte Geheim-
rat Pöhlmann einen Lorbeerkranz nieder. Für
die auswärtigen Zweigstellen weihte Geheimrat
Hilcken-Würzburg, für den Betriebsrat
Herr Schreiber Kranz und Nachruf. Ein Weihe-
spruch, von Eugen Roth und Musik (Klavier Frl.
Edenhofer, Geige Herr Igl, der auch "Die Ver-
borgenheit" von Hugo Wolf gesungen hatte) be-
schlossen die Feier.

Zwischenfestsetzung der Ortslöhne.

Das Bayer.
Oberversicherungsamt München hat die Ortslöhne
(ortsübliche Tagesentgelte gewöhnlicher Tagarbei-
ter) für den Stadtbezirk München mit Wirkung
vom 1. Januar 1924 ab bis zur nächsten allge-
meinen Festsetzung, wie folgt, festgesetzt: männliche
über 21 Jahre 2,10 M, von 16--21 Jahre 1,65 M.,
unter 16 Jahren 1,05 M; weibliche über 21 Jahre
1,35 M, von 16--21 Jahren 1,05 M, unter 16 Jah-
ren 0,75 M.


Die Maul- und Klauenseuche ist bei verschiedenen
Landwirten in Kirchstockach, Gemeinde Brunnthal,
und in Großhadern erloschen. Da auch die Des-
infektion ordnungsgemäß durchgeführt worden ist,
hat das Bezirksamt München die sämtlichen
Schutzmaßnahmen aufgehoben. Damit
ist der Bezirk München-Land wieder frei von
Maul- und Klauenseuche.

Kleine Zeitung
Vermählt:

Dipl.-Ing. Gustav Heilmann und
Frau Wally geb. Kiefer; Georg Engl und Frau
Centa verw. Stemmer; Bernhard Rupperport
und Frau Betty.

Gestorben:

Steuerinspektor Georg Christoph
Brunn; Wilh. Helfer; Buchdruckereibesitzer
Wilh. Heppes; Kaufmann Heinr. Wenger;
Rechnungsoberinspektorsgattin Anna Strößen-
reuther
geb. Lotter; Sami Günzburger,
Augsburg; Sophie Gräff, ehem. Weißwaren-
geschäftsinhaberin.


Staatsrat Lang, der derzeitige stellver-
tretende Leiter des Landwirtschaftsministeriums,
glitt, wie wir mit Bedauern vernehmen, infolge
Glatteises aus und zog sich eine nicht uner-
hebliche Armverletzung
zu.

Geburtstag.

Dr. Seb. Schlittenbauer,
Generalsekretär des Bayerischen Bauernvereins,
feiert am 21. Januar das Fest des 50 jährigen
Geburtstages. -- Am 14. Januar vollendete Ober-
lehrer und Bezirksschulrat a. D. Anton Stau-
ber-Kemnath
sein 70. Lebensjahr.

[Spaltenumbruch]
Gestorben.

Freifrau Ida v. Malfen, geb.
Gräfin Butler, die aus München stammende Witwe
des 1891 gestorbenen Hofmarschalls des Prinzen
Ludwig von Bayern Kämmerers Frhrn. Albert
v. Malsen, ist auf Schloß Marzoll bei Reichenhall
im 86. Lebensjahre entschlafen.

Personalien.

Der Rat a. d. St. am Landgerichte
München I Th. Werner wurde in den Stand
dieses Gerichtes eingerückt; der Rat am Ober-
landesgericht München Josef Haisermann,
stellvertretendes Mitglied der Dißiplinarkammer
München für richterliche Beamte, zum Mitglied
und der Rat am Oberlandesgerichte München
Lorenz Gerstlauer zum stellvertretenden Mit-
glied der Dißiplinarkammer München für richter-
liche Beamte ernannt.


Zum Handelsrichter bei den Kammern für
Handelssachen am Landgerichte München I Han-
delsrichter Dr. Max Jodlbauer, Kommerzien-
rat; Valentin Walter, Kaufmann und Kom-
merzienrat, wiederernannt.

Aus den Parteien
Deutsche Demokratische Partei.

Der Kreis-
verband München hält Dienstag den 15. Ja-
nuar, abends 1/28 Uhr, im Kreuzbräu, Brunn-
straße 7 (Saal 2), seine ordentliche Jah-
reshauptversammlung
ab. Nach Erle-
digung der geschäftlichen Angelegenheiten (Jah-
resbericht usw.) wird der Vorsitzende der demo-
kratisch Stadtratsfraktion, Stadtrat K. Hübsch,
über "Die Tätigkeit der demokrati-
schen Stadtratsfraktion im Mün-
chener Rathaus"
sprechen. Zutritt nur ge-
gen Mitgliedsausweis.

Reichsgründungsfeier

Die Jugendgruppe Isargau der
Deutschen Volkspartei
hielt am Mon-
tag abend im Mathildensaal eine gut besuchte
schlichte Reichsgründungsfeier ab. Nach einer
warmherzigen Begrüßungsansprache des Vorsitzen-
den cand. jur. Trampler, die eine stimmungs-
volle Ehrung der gefallenen Helden einschloß, hielt
General Exz. Karl v. Schoch die in den ewigen
Befreiungskampf Deutschlands zurückführende
Festrede. Von Armenien über das römische Kaiser-
tum bis zu Bismarck erhebt sich das Gespenst der
deutschen Zwietracht. Köstliche Provinzen gingen
im Laufe der Jahrhunderte verloren: das Elsaß,
die Niederlande, die Schweiz, Konfessioneller
Hader zerriß das deutsche Volk.

Die Befreiungskämpfe brachten einen ungeheu-
ren seelischen Aufschwung, politisch aber nur die
Enttäuschung des Deutschen Bundes. Auch 1848
schuf keine reale Lösung. Doch schon war der neue
Siegfried geboren, der Mann von "Blut und
Eisen", der Mann der weisen Mäßigung von 1866:
Bismarck! Der Reichsschöpfer kannte die leben-
digen Kräfte seiner Zeit, darum konnte er das
neue Deutsche Reich schaffen, die Spannungen
lösen, das Volk zu einer lebendigen Einheit zu-
sammenschmieden: Nimmer scheidet uns der
Main! Einheitsgedanke und Föderalismus schmol-
zen in seinem Reichsbau zu einem mächtigen
Werk zusammen.
Was könnten wir ihm heute sagen? Nichts
anderes als: Meister, es ging über unsere Kraft!
Und er würde das richtige Wort finden im inner-
politischen Streit, im Kampfe gegen einen über-
triebenen Unitarismus und Zentralismus. Wenn
wir aber rufen: Zurück zu Bismarck! -- Dann
müssen wir uns mit allen Kräften gegen die von
Frankreich betriebene Zerschlagung Preußens
wehren. Das muß auch denen gesagt werden, die
seit Jahren den Ruf erschallen lassen: Los von
Preußen, los von Berlin!
Mit der Mahnung des greisen Alten vom Sach-
senwalde, einig zu sein und über dem Partei-
geist den nationalen Gedanken vor
Europa leuchten zu lassen, auszuhalten in jeder
Bedrängnis, und dem Bekenntnis zu einem
mächtigen Deutschen Reich
schloß der
Redner des Abends seine packenden Ausführun-
gen, an die sich das "Deutschlandlied" auschloß.

[Spaltenumbruch]


Der Meister des jüngsten Tages

14
Roman

Warum sagt er mir das? -- fragte ich mich
verwundert und beunruhigt. -- Warum sieht er
mich so sonderbar an? Gibt er mir etwa am
Ende die Schuld an Eugen Bischoffs Selbstmord?
Und ich sagte leise:

"Er ist freiwillig aus dem Leben geschieden."

"So? Freiwillig?" rief der Ingenieur mit einer
Heftigkeit, die mich erschreckte. "Sind Sie dessen
ganz gewiß? Ich will Ihnen etwas sagen, Baron:
Ich war der Erste hier im Zimmer. Die Türe
war von innen versperrt, ich habe das Fenster
eingeschlagen, da liegen noch die Scherben. Ich
habe sein Gesicht gesehen, ich war der erste, der
sein Gesicht gesehen hat. Und ich sage Ihnen:
das Entsetzen, das die Gesichter jener Fünfhundert
am Munhofluß verzerrt hat, die im Dunkeln den
Hügel hinaufliefen und wußten, daß sie im näch-
sten Augenblick den Draht berühren würden, --
dieses Entsetzen war nichts gegen den Ausdruck
auf Eugen Bischoffs Gesicht. Er hat Angst ge-
habt, irrsinnige Angst vor etwas, was uns
verborgen ist. Und vor dieser Angst hat er sich zu
dem Revolver geflüchtet. Wie in ein Asyl. Frei-
willig aus dem Leben geschieden? Nein! Baron.
Eugen Bischoff ist in den Tod gehetzt worden."

Er hob die Decke, die den Toten verhüllte, ein
wenig in die Höhe und blickte ihm in das starre
Gesicht.

"Wie mit einer Peitsche in den Tod gehetzt,"
sagte er dann mit einer Ergriffenheit in der
[Spaltenumbruch] Stimme, die gar nicht seinem sonstigen Wesen
entsprach.

Ich hatte mich abgewendet. Ich konnte nicht
hinsehen.

"Sie meinen also," sagte ich nach einer Weile,
und die Kehle war mir wie zugeschnürt, das
Sprechen machte mir Mühe. "Wenn ich Sie recht
verstehe, meinen Sie also, daß er es erfahren
hat, -- daß es ihm auf irgendeine Art zu Ohren
gekommen ist --"

"Was denn? Wovon sprechen Sie?"

"Sie wissen vermutlich, daß das Bankhaus zu-
sammengebrochen ist, dem er sein Vermögen an-
vertraut hat?"

"So? -- Sehen Sie, das hab ich nicht gewußt.
Das höre ich jetzt zum erstenmal. -- Nein, Baron,
das ist es nicht gewesen. Die Angst, die in seinem
Gesichte stand, die war von anderer Art. Geld?
Nein. Um Geld ist es hier nicht gegangen. Sie
müßten sein Gesicht gesehen haben, erklären läßt
sich das nicht."

"Als ich ins Zimmer kam," fuhr er nach einem
Augenblick des Schweigens fort, "da hat er noch
sprechen können. Es waren nur ein paar Worte
ich habe sie verstanden, obwohl sie mehr gehaucht
als gesprochen waren. -- Sehr sonderbare Worte.
Freilich, im Munde eines Sterbenden --"

Er ging im Zimmer auf und nieder und schüt-
telte den Kopf.

"Sonderbare Worte. -- Ich kannte ihn eigentlich
so wenig. So wenig weiß einer vom anderen. Sie
kannten ihn besser oder zumindest länger: Sagen
Sie mir, wie war sein Verhältnis zur Religion?
Ich meine zur Kirche. Hielten Sie ihn für
fromm?"

[Spaltenumbruch]

"Fromm? Er war abergläubisch, wie die mei-
sten Schauspieler. In Kleinigkeiten abergläubisch.
Frömmigkeit im Sinne der Kirche hab ich niemals
an ihm wahrgenommen."

"Sollte dennoch das sein letzter Gedanke ge-
wesen sein? Dieses Märchen für gläubige Kin-
der?" fragte der Ingenieur und sah mich unver-
wandt an.

Ich sagte nichts, ich wußte nicht, wovon er
sprach. Er erwartete wohl auch keine Antwort.

"Nevermind," sagte er zu sich selbst mit einer
leichten Handbewegung. "Auch eines von den
Dingen, denen wir nie auf den Grund kommen
werden."

Er nahm den Revolver vom Tisch und sah ihn
an mit einem Blick, der erkennen ließ, daß er an
etwas anderes dachte. Dann legte er ihn wieder
aus der Hand.

"Wie kam er denn eigentlich zu dieser Waffe?"
fragte ich. "War sie sein Eigentum?"

Der Ingenieur fuhr aus seinen Gedanken auf.

"Zu diesem Revolver? Ja, er war sein Eigen-
tum. Er hat ihn immer bei sich getragen, sagt
Felix. Wenn er des Nachts nach Hause ging, mußte
er über Felder und an Bauplätzen vorbei. Viel
lichtscheues Gesindel. Er hatte Furcht vor nächt-
lichen Begegnungen. -- Das war eben das Ver-
hängnisvolle, daß er den Revolver schußfertig bei
sich trug. Ein Sprung aus dem Fenster -- das
wäre in diesem Fall weiter nicht schlimm gewesen.
Eine Sehnenzerrung, eine leichte Verstauchung,
und vielleicht nicht einmal das."

Er öffnete das Fenster und blickte hinaus. Ein
paar Sekunden lang stand er so, und der Wind
schüttelte und bauschte die Fenstergardinen. Drau-
[Spaltenumbruch] ßen rauschten die Kastanienbäume. Die Papiere
auf dem Schreibtische flatterten in die Höhe, und
ein verwelktes Kastanienblatt, das sich ins Zim-
mer verirrt hatte, huschte lautlos über den Fuß-
boden.

Der Ingenieur schloß das Fenster und wandte
sich wieder mir zu:

"Er war kein Feigling. Nein, bei Gott, ein
Feigling war er nicht. Er hat es seinem Mörder
nicht leicht gemacht."

"Seinem Mörder?"

"Gewiß. Seinem Mörder. Er ist in den Tod
gejagt worden. Sehen Sie, hier stand er, und
dort stand der andere."

Er wies auf die Stelle an der Wand, in deren
Betrachtung vertieft ich ihn bei meinem Eintritt
ins Zimmer angetroffen hatte.

"Sie standen einander gegenüber," sagte er
langsam und sah mich dabei an. "Aug' in Aug'
standen sie, wie bei einem Duell."

Mich überlief es kalt, als ich ihn mit solcher
Sicherheit, als wäre er dabei gewesen, von der
Sache sprechen hörte.

"Und wen" -- fragte ich beklommen, und wie-
derum verspürte ich das Würgen im Hals --,
"wen halten Sie für den Mörder?"

Der Ingenieur sah mich schweigend an, er sagte
kein Wort, hob langsam die Schultern und ließ sie
wieder sinken.

"Sind Sie denn noch immer da?" kam es plötz-
lich von der Türe her. "Warum gehen Sie denn
nicht?"

Ich fuhr erschrocken herum. In der Türe stand
Doktor Gorski und sein Blick galt mir.
(Fortsetzung folgt.)

Allgemeine Zeitung. Nr. 14 Dienstag, den 15. Januar 1924.
MÜNCHENER STADTZEITUNG
[Spaltenumbruch]
Das Wohlfahrtsamt München

Das Wohlfahrtsamt München, nach dem Kriege
geſchaffen iſt die Zuſammenfaſſung der alten
und neuen Fürſorgeeinrichtungen. Die jüngſten
Fürſorgezweige wurden in verſchiedenen Zentral-
ſtellen ausgebildet, die die im Frieden gewohnte
Zuſammenarbeit vielfach vermiſſen ließen. Der
Verwaltungsapparat war enorm. Mit ein und
derſelben Familie beſchäftigten ſich oft ohne Wiſ-
ſen voneinander die verſchiedenſten Fürſorge-
zweige, ſchickten ihre Erhebungs, und Fürſorge-
organe ins Haus, arbeiteten neben- oder gegen-
einander, gaben zwei- oder dreimal, ließen ſich von
den Schlauen und Gewiſſenloſen ausnutzen, an-
dere, die verſchämt beiſeite ſtanden, gingen da-
gegen leer aus. Die großen Städte, mit ihnen
auch München, gingen nun zur Zuſammen-
faſſung der verſchiedenen Fürſorge-
zweige in Wohlfahrtsämter
über. Eine
völlig einheitliche Fürſorge war nach den beſtehen-
den Geſetzen und Vorſchriften nicht möglich. Hier
kann nur das Reich eingreifen, bei dem jetzt auch
die erſten Vorbereitungen für eine Vereinheit-
lichung getroffen werden.

Das Wohlfahrtsamt München umfaßt heute
folgende Hauptfürſorgearten: Armen-
pflege, Stiftungsweſen, Kriegsbeſchädigten- und
Kriegshinterbliebenenfürſorge, Sozial- und Klein-
rentnerfürſorge, Minderbemitteltenfürſorge und
allgemeine Kriegsfolgenhilfe. Nicht einbezogen
ſind Jugendfürſorge und Erwerbsloſenfürſorge.

Klar war, daß der Maſſenverkehr in dieſem
Amte bei der heutigen Maſſennot nicht in einem
auch noch ſo großen Gebäude ohne Nachteil für
Geſamtwohl, Staat und Hillfeſuchende bewältigt
werden konnte. Daher gliederte man das Wohl-
fahrtsamt in das Hauptwohlfahrtsamt
als Zentrale im Rathaus
und in 11 Be-
zirkswohlfahrtsämter.
Ein 12. Zweig-
amt dient zur Entlaſtung.

Das Hauptamt im Rathaus leitet
das Ganze, ſtellt die Grundſätze der Fürſorge
auf, wacht über die Durchführung, entſcheidet in
beſonders ſchwierigen und koſtſpieligen Fällen, iſt
Beſchwerdeinſtanz gegen Entſcheidungen der
Außenſtellen, vermittelt den Verkehr mit den vor-
geſetzten Stellen und ſorgt für die Bereitſtellung
der erforderlichen Mittel. Ihm obliegt auch die
Aufnahme in die dem Referat unterſtehenden
5 Anſtalten: St. Martinſpital, Gaſteigſpital,
Hl. Kreuzſpital, St. Joſefſpital und Hl. Geiſt-
ſpital mit über 2000 Betten, die Betreuung der
Pfründner in dieſen Anſtalten und die Ergän-
zungsfürſorge für Perſonen in anderen ſtädt. oder
privaten Anſtalten, die die Penſionspreiſe aus
eigenem nicht oder nicht ganz bezahlen können.
Schließlich wird auch eine Geſchäftsſtelle für
24 Suppenanſtalten geführt, in denen täg-
lich 5000 Perſonen geſpeiſt werden.

Die Bezirkswohlfahrtsämter mit
ihren Ausſchüſſen arbeiten und entſcheiden dem-
nach in Normalfällen ſelbſtändig. Die Bedürf-
tigen des Bezirks eines Bezirkswohlfahrtsamtes
gehen nur bei dieſem aus und ein. Den Geſuch-
ſtellern werden die weiten Wege zu einer Zen-
trale erſpart. Das Verfahren iſt kurz und einfach.
Die Entſcheidung gründet ſich auf die eigenen
Wahrnehmungen der Entſcheidenden. München
darf ſich rühmen, mit dieſer Einrich-
tung bahnbrechend vorangegangen
zu ſein.

Der Herbſt 1923 brachte eine ſtarke Belaſtungs-
probe für das Wohlfahrtsamt und ſeine Zweig-
ämter, die beſtanden wurde. Ehrenamtliche und
berufliche Organe haben ſich in gleich anerken-
nungswerter Weiſe in die Bewältigung der Auf-
gabe geteilt. Der Vorwurf, das Wohlfahrtsamt
arbeite bureaukratiſch, iſt nicht gerechtfertigt. In
der Armenpflege liegen nach wie vor Prüfung der
Geſuche, Hausbeſuche, Entſcheidung der Geſuche
und Betreuung der Familien in den Händen
ehrenamtlicher Organe. In der übrigen Fürſorge
ſteht ihnen mindeſtens die Entſcheidung, alſo die
wichtigſte Befugnis der Fürſorge zu. In Aus-
ſchüſſen ſind vertreten neben Stadtrat und Armen-
[Spaltenumbruch] rat die Geiſtlichkeit, alle möglichen privaten Wohl-
tätigkeitsorganiſationen, konfeſſionelle und pari-
tätiſche Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wie die
Sozial- und Kleinrentner uſw.

Beruflich tätig ſind beim Vollzug der
Fürſorge im Wohlfahrtsamt zur Zeit 337 Per-
ſonen.
Nach den ihm zugewieſenen Geſchäfts-
aufgaben gliedert ſich das Hauptwohlfahrtsamt in
folgende Abteilungen:

1. Geſchäftsabtellung, 2. Rechts- und Revi-
ſionsabteilung, 3. Abteilung für Stiftungen, Spi-
täler und Altersheime, 4. Zentrale der Fürſorge
für Kriegsbeſchädigte und Kriegshinterbliebene,
5. Abteilung für Gebrechlichenfürſorge, 6. Abtei-
lung für Auswärtigen, und Wohnungsfürſorge,
7. Zentralauskunftsſtelle für Wohlfahrtspflege,
8. Geſchäftsſtelle für Suppenanſtalten.

Die Bezirkswohlfahrtsämter ſind eingeteilt:

1. in die allgemeine Abteilung, in der insbeſon-
dere die Fürſorge für die Sozialrentner, Klein-
rentner und für die Minderbemittelten durchge-
führt wird,

2. in die Abteilung, für Armenpflege,

3. in die Abteilung für Kriegsbeſchädigten- und
Kriegshinterbliebenenfürſorge. Angeſchloſſen iſt
eine Kaſſenſtelle und nach Bildung des Jugend-
amtes auch eine Abteilung für Jugendfürſorge.

Sollten die jetzigen ſtabilen Verhältniſſe an-
dauern, wird alsbald mit einem Abbau des
Perſonals
begonnen werden. Ehrenamt-
lich tätig
ſind in der Armenpflege neben dem
Armenrat, der aus 117 geſetzlichen und gewähl-
ten Mitgliedern beſteht, insgeſamt 1600 Di-
ſtriktsvorſteher„
Armenpfleger und Armen-
pflegerinnen, in der übrigen Fürſorge ſind etwa
150 ehrenamtliche Perſonen tätig.
(Fortſetzung folgt.)

Artiſtenverſammlung

Während in Deutſchland ausländiſchen Artiſten
gern Gaſtrecht geboten wird, machen unſere Va-
rietee- und Kleinkunſt-Leute im Auslande die
merkwürdigſten Erfahrungen. Die Dinge ſind ſo
ſchlimm, daß der Bezirk Süddeutſchland der „In-
ternationalen Artiſtenloge“ zu ihrer Klärung eine
Verſammlung einberief. Foſſil, der Bezirksvor-
ſitzende, gab das einleitende Referat, in dem ge-
ſagt wurde, mit welchen Schikanen man den deut-
ſchen Artiſten Auslandsgaſtſpiele vereckeln Schwie-
rigkeiten bei der Einreiſe, bürokratiſche Wider-
ſtände während des Aufenthaltes und ſchließlich
— Ausweiſungen! In England beſtehe ein Be-
ſchluß der dortigen Organiſation, nach dem bis
fünf Jahre nach dem Kriege kein Artiſt der Mit-
telmächte im Inſellande auftreten dürfe. Am em-
pörendſten aber iſt die Feindſeligkeit, ale deutſche
Artiſten neuerdings in Oeſterreich finden. Darum
ſollte kein deutſcher Artiſt mehr nach Oeſterreich
oder den feindlich geſinnten Ländern abſchließen
und Deutſchland ſollte endlich auch wie dieſe Län-
der, eine Zentralfremdenpolizeiſtelle — wie ſie
Bayern ſchon hat — ſchaffen, die die Einreiſeve-
willigung den Artiſten nur in Fühlungnahme mit
der Organiſaton gibt. Schließlich ſchlug Herr Foſ-
ſil
die Annahme folgender Entſchließung vor:

Die verſammelten Mitglieder der
Intern. Artiſtenloge nehmen mit
Entrüſtung Kenntnis von dem Ver-
halten einiger ausländiſcher Arti-
ſtenorganiſationen und Auslands-
behörden deutſchen Artiſten gegen-
über. Die Mitgliedſchaft erwartet
daß die deutſchen Behörden die Ein-
reiſe- und Aufenthaltsgenehmig-
ung den öſterreichiſchen und Schwei-
zer Artiſten nur dann erteilt, wenn
die Intern. Artiſtenloge vor der Ein-
reiſe die Erklärung abgegeben hat,
daß vom Standpunkt des Arbeits-
marktes Bedenken nicht beſtehen.
Bisher geſchieht bis zu einem ge-
wiſſen Grade dieſes Zuſammen-
wirken von Polizel und Artiſtenloge
in Bayern, ſpeziell in München.
Dieſe Gepflogenheit ſoll anerkannt
werden, muß aber feſte Formen an-
[Spaltenumbruch] nehmen u. ſich über ganz Bayern und
das ganze Reich ausdehnen. Von der
Preſſe erwarten die Mitglieder,
daß ſie die Beſtrebungen der Ar-
tiſtenloge durch Aufklärungsarti-
kel in allen Ländern unterſtützt. Die
Mitglieder der Artiſtenloge for-
dern ferner die Spitzenverbände der
Gewerkſchaften in allen Ländern
auf, Kollektivverträge, Verſtändi-
gungs- und Verſöhnungsverhand-
lungen einzuleiten.

Dieſe Entſchließung
wurde mit Beifall auf- und einſtimmig ange-
nommen.

Für die Gefallenen der Bayer. Vereinsbank.

Samstag nachmittag wurde in der Halle der
„Bayer. Vereinsbank“ vor der von Prof. Riemer-
ſchmid geſchaffenen bronzenen Gedenktafel der im
Weltkrieg gefallenen Beamten der Bank in ein-
drucksvoller Feier gedacht. Zwei Offiziere mit
entblößtem Säbel flankierten als Ehrenwache die
Gedenktafel. Mit getragener Muſik begann die
Feier. Dann hielt Geheimrat Pöhlmann als
erſter Direktor der Bank die Gedächtnisrede. Die
Erinnerungstafel, ſo ſagte er, möge auch für die
Lebenden eine Erinnerungstafel ſein: die er-
hebende Erinnerung an die Opfer, die gebracht
worden ſeien. Und ſeine Opferfähigkeit ſei der
Maßſtab für die Daſeins- und Entwicklungs-
berechtigung eines Volkes. Möge dieſe Gedenk-
tafel ein Kleinod dieſes Hauſes ſein, den Dahin-
gegangenen zum Dank, den Lebenden zur Mah-
nung, den Kommenden zum Vorbild. Unter den
Klängen des „Guten Kameraden“ legte Geheim-
rat Pöhlmann einen Lorbeerkranz nieder. Für
die auswärtigen Zweigſtellen weihte Geheimrat
Hilcken-Würzburg, für den Betriebsrat
Herr Schreiber Kranz und Nachruf. Ein Weihe-
ſpruch, von Eugen Roth und Muſik (Klavier Frl.
Edenhofer, Geige Herr Igl, der auch „Die Ver-
borgenheit“ von Hugo Wolf geſungen hatte) be-
ſchloſſen die Feier.

Zwiſchenfeſtſetzung der Ortslöhne.

Das Bayer.
Oberverſicherungsamt München hat die Ortslöhne
(ortsübliche Tagesentgelte gewöhnlicher Tagarbei-
ter) für den Stadtbezirk München mit Wirkung
vom 1. Januar 1924 ab bis zur nächſten allge-
meinen Feſtſetzung, wie folgt, feſtgeſetzt: männliche
über 21 Jahre 2,10 M, von 16—21 Jahre 1,65 M.,
unter 16 Jahren 1,05 M; weibliche über 21 Jahre
1,35 M, von 16—21 Jahren 1,05 M, unter 16 Jah-
ren 0,75 M.


Die Maul- und Klauenſeuche iſt bei verſchiedenen
Landwirten in Kirchſtockach, Gemeinde Brunnthal,
und in Großhadern erloſchen. Da auch die Des-
infektion ordnungsgemäß durchgeführt worden iſt,
hat das Bezirksamt München die ſämtlichen
Schutzmaßnahmen aufgehoben. Damit
iſt der Bezirk München-Land wieder frei von
Maul- und Klauenſeuche.

Kleine Zeitung
Vermählt:

Dipl.-Ing. Guſtav Heilmann und
Frau Wally geb. Kiefer; Georg Engl und Frau
Centa verw. Stemmer; Bernhard Rupperport
und Frau Betty.

Geſtorben:

Steuerinſpektor Georg Chriſtoph
Brunn; Wilh. Helfer; Buchdruckereibeſitzer
Wilh. Heppes; Kaufmann Heinr. Wenger;
Rechnungsoberinſpektorsgattin Anna Strößen-
reuther
geb. Lotter; Sami Günzburger,
Augsburg; Sophie Gräff, ehem. Weißwaren-
geſchäftsinhaberin.


Staatsrat Lang, der derzeitige ſtellver-
tretende Leiter des Landwirtſchaftsminiſteriums,
glitt, wie wir mit Bedauern vernehmen, infolge
Glatteiſes aus und zog ſich eine nicht uner-
hebliche Armverletzung
zu.

Geburtstag.

Dr. Seb. Schlittenbauer,
Generalſekretär des Bayeriſchen Bauernvereins,
feiert am 21. Januar das Feſt des 50 jährigen
Geburtstages. — Am 14. Januar vollendete Ober-
lehrer und Bezirksſchulrat a. D. Anton Stau-
ber-Kemnath
ſein 70. Lebensjahr.

[Spaltenumbruch]
Geſtorben.

Freifrau Ida v. Malfen, geb.
Gräfin Butler, die aus München ſtammende Witwe
des 1891 geſtorbenen Hofmarſchalls des Prinzen
Ludwig von Bayern Kämmerers Frhrn. Albert
v. Malſen, iſt auf Schloß Marzoll bei Reichenhall
im 86. Lebensjahre entſchlafen.

Perſonalien.

Der Rat a. d. St. am Landgerichte
München I Th. Werner wurde in den Stand
dieſes Gerichtes eingerückt; der Rat am Ober-
landesgericht München Joſef Haiſermann,
ſtellvertretendes Mitglied der Diſziplinarkammer
München für richterliche Beamte, zum Mitglied
und der Rat am Oberlandesgerichte München
Lorenz Gerſtlauer zum ſtellvertretenden Mit-
glied der Diſziplinarkammer München für richter-
liche Beamte ernannt.


Zum Handelsrichter bei den Kammern für
Handelsſachen am Landgerichte München I Han-
delsrichter Dr. Max Jodlbauer, Kommerzien-
rat; Valentin Walter, Kaufmann und Kom-
merzienrat, wiederernannt.

Aus den Parteien
Deutſche Demokratiſche Partei.

Der Kreis-
verband München hält Dienstag den 15. Ja-
nuar, abends ½8 Uhr, im Kreuzbräu, Brunn-
ſtraße 7 (Saal 2), ſeine ordentliche Jah-
reshauptverſammlung
ab. Nach Erle-
digung der geſchäftlichen Angelegenheiten (Jah-
resbericht uſw.) wird der Vorſitzende der demo-
kratiſch Stadtratsfraktion, Stadtrat K. Hübſch,
über „Die Tätigkeit der demokrati-
ſchen Stadtratsfraktion im Mün-
chener Rathaus“
ſprechen. Zutritt nur ge-
gen Mitgliedsausweis.

Reichsgründungsfeier

Die Jugendgruppe Iſargau der
Deutſchen Volkspartei
hielt am Mon-
tag abend im Mathildenſaal eine gut beſuchte
ſchlichte Reichsgründungsfeier ab. Nach einer
warmherzigen Begrüßungsanſprache des Vorſitzen-
den cand. jur. Trampler, die eine ſtimmungs-
volle Ehrung der gefallenen Helden einſchloß, hielt
General Exz. Karl v. Schoch die in den ewigen
Befreiungskampf Deutſchlands zurückführende
Feſtrede. Von Armenien über das römiſche Kaiſer-
tum bis zu Bismarck erhebt ſich das Geſpenſt der
deutſchen Zwietracht. Köſtliche Provinzen gingen
im Laufe der Jahrhunderte verloren: das Elſaß,
die Niederlande, die Schweiz, Konfeſſioneller
Hader zerriß das deutſche Volk.

Die Befreiungskämpfe brachten einen ungeheu-
ren ſeeliſchen Aufſchwung, politiſch aber nur die
Enttäuſchung des Deutſchen Bundes. Auch 1848
ſchuf keine reale Löſung. Doch ſchon war der neue
Siegfried geboren, der Mann von „Blut und
Eiſen“, der Mann der weiſen Mäßigung von 1866:
Bismarck! Der Reichsſchöpfer kannte die leben-
digen Kräfte ſeiner Zeit, darum konnte er das
neue Deutſche Reich ſchaffen, die Spannungen
löſen, das Volk zu einer lebendigen Einheit zu-
ſammenſchmieden: Nimmer ſcheidet uns der
Main! Einheitsgedanke und Föderalismus ſchmol-
zen in ſeinem Reichsbau zu einem mächtigen
Werk zuſammen.
Was könnten wir ihm heute ſagen? Nichts
anderes als: Meiſter, es ging über unſere Kraft!
Und er würde das richtige Wort finden im inner-
politiſchen Streit, im Kampfe gegen einen über-
triebenen Unitarismus und Zentralismus. Wenn
wir aber rufen: Zurück zu Bismarck! — Dann
müſſen wir uns mit allen Kräften gegen die von
Frankreich betriebene Zerſchlagung Preußens
wehren. Das muß auch denen geſagt werden, die
ſeit Jahren den Ruf erſchallen laſſen: Los von
Preußen, los von Berlin!
Mit der Mahnung des greiſen Alten vom Sach-
ſenwalde, einig zu ſein und über dem Partei-
geiſt den nationalen Gedanken vor
Europa leuchten zu laſſen, auszuhalten in jeder
Bedrängnis, und dem Bekenntnis zu einem
mächtigen Deutſchen Reich
ſchloß der
Redner des Abends ſeine packenden Ausführun-
gen, an die ſich das „Deutſchlandlied“ auſchloß.

[Spaltenumbruch]


Der Meiſter des jüngſten Tages

14
Roman

Warum ſagt er mir das? — fragte ich mich
verwundert und beunruhigt. — Warum ſieht er
mich ſo ſonderbar an? Gibt er mir etwa am
Ende die Schuld an Eugen Biſchoffs Selbſtmord?
Und ich ſagte leiſe:

„Er iſt freiwillig aus dem Leben geſchieden.“

„So? Freiwillig?“ rief der Ingenieur mit einer
Heftigkeit, die mich erſchreckte. „Sind Sie deſſen
ganz gewiß? Ich will Ihnen etwas ſagen, Baron:
Ich war der Erſte hier im Zimmer. Die Türe
war von innen verſperrt, ich habe das Fenſter
eingeſchlagen, da liegen noch die Scherben. Ich
habe ſein Geſicht geſehen, ich war der erſte, der
ſein Geſicht geſehen hat. Und ich ſage Ihnen:
das Entſetzen, das die Geſichter jener Fünfhundert
am Munhofluß verzerrt hat, die im Dunkeln den
Hügel hinaufliefen und wußten, daß ſie im näch-
ſten Augenblick den Draht berühren würden, —
dieſes Entſetzen war nichts gegen den Ausdruck
auf Eugen Biſchoffs Geſicht. Er hat Angſt ge-
habt, irrſinnige Angſt vor etwas, was uns
verborgen iſt. Und vor dieſer Angſt hat er ſich zu
dem Revolver geflüchtet. Wie in ein Aſyl. Frei-
willig aus dem Leben geſchieden? Nein! Baron.
Eugen Biſchoff iſt in den Tod gehetzt worden.“

Er hob die Decke, die den Toten verhüllte, ein
wenig in die Höhe und blickte ihm in das ſtarre
Geſicht.

„Wie mit einer Peitſche in den Tod gehetzt,“
ſagte er dann mit einer Ergriffenheit in der
[Spaltenumbruch] Stimme, die gar nicht ſeinem ſonſtigen Weſen
entſprach.

Ich hatte mich abgewendet. Ich konnte nicht
hinſehen.

„Sie meinen alſo,“ ſagte ich nach einer Weile,
und die Kehle war mir wie zugeſchnürt, das
Sprechen machte mir Mühe. „Wenn ich Sie recht
verſtehe, meinen Sie alſo, daß er es erfahren
hat, — daß es ihm auf irgendeine Art zu Ohren
gekommen iſt —“

„Was denn? Wovon ſprechen Sie?“

„Sie wiſſen vermutlich, daß das Bankhaus zu-
ſammengebrochen iſt, dem er ſein Vermögen an-
vertraut hat?“

„So? — Sehen Sie, das hab ich nicht gewußt.
Das höre ich jetzt zum erſtenmal. — Nein, Baron,
das iſt es nicht geweſen. Die Angſt, die in ſeinem
Geſichte ſtand, die war von anderer Art. Geld?
Nein. Um Geld iſt es hier nicht gegangen. Sie
müßten ſein Geſicht geſehen haben, erklären läßt
ſich das nicht.“

„Als ich ins Zimmer kam,“ fuhr er nach einem
Augenblick des Schweigens fort, „da hat er noch
ſprechen können. Es waren nur ein paar Worte
ich habe ſie verſtanden, obwohl ſie mehr gehaucht
als geſprochen waren. — Sehr ſonderbare Worte.
Freilich, im Munde eines Sterbenden —“

Er ging im Zimmer auf und nieder und ſchüt-
telte den Kopf.

„Sonderbare Worte. — Ich kannte ihn eigentlich
ſo wenig. So wenig weiß einer vom anderen. Sie
kannten ihn beſſer oder zumindeſt länger: Sagen
Sie mir, wie war ſein Verhältnis zur Religion?
Ich meine zur Kirche. Hielten Sie ihn für
fromm?“

[Spaltenumbruch]

„Fromm? Er war abergläubiſch, wie die mei-
ſten Schauſpieler. In Kleinigkeiten abergläubiſch.
Frömmigkeit im Sinne der Kirche hab ich niemals
an ihm wahrgenommen.“

„Sollte dennoch das ſein letzter Gedanke ge-
weſen ſein? Dieſes Märchen für gläubige Kin-
der?“ fragte der Ingenieur und ſah mich unver-
wandt an.

Ich ſagte nichts, ich wußte nicht, wovon er
ſprach. Er erwartete wohl auch keine Antwort.

Nevermind,“ ſagte er zu ſich ſelbſt mit einer
leichten Handbewegung. „Auch eines von den
Dingen, denen wir nie auf den Grund kommen
werden.“

Er nahm den Revolver vom Tiſch und ſah ihn
an mit einem Blick, der erkennen ließ, daß er an
etwas anderes dachte. Dann legte er ihn wieder
aus der Hand.

„Wie kam er denn eigentlich zu dieſer Waffe?“
fragte ich. „War ſie ſein Eigentum?“

Der Ingenieur fuhr aus ſeinen Gedanken auf.

„Zu dieſem Revolver? Ja, er war ſein Eigen-
tum. Er hat ihn immer bei ſich getragen, ſagt
Felix. Wenn er des Nachts nach Hauſe ging, mußte
er über Felder und an Bauplätzen vorbei. Viel
lichtſcheues Geſindel. Er hatte Furcht vor nächt-
lichen Begegnungen. — Das war eben das Ver-
hängnisvolle, daß er den Revolver ſchußfertig bei
ſich trug. Ein Sprung aus dem Fenſter — das
wäre in dieſem Fall weiter nicht ſchlimm geweſen.
Eine Sehnenzerrung, eine leichte Verſtauchung,
und vielleicht nicht einmal das.“

Er öffnete das Fenſter und blickte hinaus. Ein
paar Sekunden lang ſtand er ſo, und der Wind
ſchüttelte und bauſchte die Fenſtergardinen. Drau-
[Spaltenumbruch] ßen rauſchten die Kaſtanienbäume. Die Papiere
auf dem Schreibtiſche flatterten in die Höhe, und
ein verwelktes Kaſtanienblatt, das ſich ins Zim-
mer verirrt hatte, huſchte lautlos über den Fuß-
boden.

Der Ingenieur ſchloß das Fenſter und wandte
ſich wieder mir zu:

„Er war kein Feigling. Nein, bei Gott, ein
Feigling war er nicht. Er hat es ſeinem Mörder
nicht leicht gemacht.“

„Seinem Mörder?“

„Gewiß. Seinem Mörder. Er iſt in den Tod
gejagt worden. Sehen Sie, hier ſtand er, und
dort ſtand der andere.“

Er wies auf die Stelle an der Wand, in deren
Betrachtung vertieft ich ihn bei meinem Eintritt
ins Zimmer angetroffen hatte.

„Sie ſtanden einander gegenüber,“ ſagte er
langſam und ſah mich dabei an. „Aug’ in Aug’
ſtanden ſie, wie bei einem Duell.“

Mich überlief es kalt, als ich ihn mit ſolcher
Sicherheit, als wäre er dabei geweſen, von der
Sache ſprechen hörte.

„Und wen“ — fragte ich beklommen, und wie-
derum verſpürte ich das Würgen im Hals —,
„wen halten Sie für den Mörder?“

Der Ingenieur ſah mich ſchweigend an, er ſagte
kein Wort, hob langſam die Schultern und ließ ſie
wieder ſinken.

„Sind Sie denn noch immer da?“ kam es plötz-
lich von der Türe her. „Warum gehen Sie denn
nicht?“

Ich fuhr erſchrocken herum. In der Türe ſtand
Doktor Gorski und ſein Blick galt mir.
(Fortſetzung folgt.)

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[Seite 4[4]/0004] Allgemeine Zeitung. Nr. 14 Dienstag, den 15. Januar 1924. MÜNCHENER STADTZEITUNG Das Wohlfahrtsamt München Das Wohlfahrtsamt München, nach dem Kriege geſchaffen iſt die Zuſammenfaſſung der alten und neuen Fürſorgeeinrichtungen. Die jüngſten Fürſorgezweige wurden in verſchiedenen Zentral- ſtellen ausgebildet, die die im Frieden gewohnte Zuſammenarbeit vielfach vermiſſen ließen. Der Verwaltungsapparat war enorm. Mit ein und derſelben Familie beſchäftigten ſich oft ohne Wiſ- ſen voneinander die verſchiedenſten Fürſorge- zweige, ſchickten ihre Erhebungs, und Fürſorge- organe ins Haus, arbeiteten neben- oder gegen- einander, gaben zwei- oder dreimal, ließen ſich von den Schlauen und Gewiſſenloſen ausnutzen, an- dere, die verſchämt beiſeite ſtanden, gingen da- gegen leer aus. Die großen Städte, mit ihnen auch München, gingen nun zur Zuſammen- faſſung der verſchiedenen Fürſorge- zweige in Wohlfahrtsämter über. Eine völlig einheitliche Fürſorge war nach den beſtehen- den Geſetzen und Vorſchriften nicht möglich. Hier kann nur das Reich eingreifen, bei dem jetzt auch die erſten Vorbereitungen für eine Vereinheit- lichung getroffen werden. Das Wohlfahrtsamt München umfaßt heute folgende Hauptfürſorgearten: Armen- pflege, Stiftungsweſen, Kriegsbeſchädigten- und Kriegshinterbliebenenfürſorge, Sozial- und Klein- rentnerfürſorge, Minderbemitteltenfürſorge und allgemeine Kriegsfolgenhilfe. Nicht einbezogen ſind Jugendfürſorge und Erwerbsloſenfürſorge. Klar war, daß der Maſſenverkehr in dieſem Amte bei der heutigen Maſſennot nicht in einem auch noch ſo großen Gebäude ohne Nachteil für Geſamtwohl, Staat und Hillfeſuchende bewältigt werden konnte. Daher gliederte man das Wohl- fahrtsamt in das Hauptwohlfahrtsamt als Zentrale im Rathaus und in 11 Be- zirkswohlfahrtsämter. Ein 12. Zweig- amt dient zur Entlaſtung. Das Hauptamt im Rathaus leitet das Ganze, ſtellt die Grundſätze der Fürſorge auf, wacht über die Durchführung, entſcheidet in beſonders ſchwierigen und koſtſpieligen Fällen, iſt Beſchwerdeinſtanz gegen Entſcheidungen der Außenſtellen, vermittelt den Verkehr mit den vor- geſetzten Stellen und ſorgt für die Bereitſtellung der erforderlichen Mittel. Ihm obliegt auch die Aufnahme in die dem Referat unterſtehenden 5 Anſtalten: St. Martinſpital, Gaſteigſpital, Hl. Kreuzſpital, St. Joſefſpital und Hl. Geiſt- ſpital mit über 2000 Betten, die Betreuung der Pfründner in dieſen Anſtalten und die Ergän- zungsfürſorge für Perſonen in anderen ſtädt. oder privaten Anſtalten, die die Penſionspreiſe aus eigenem nicht oder nicht ganz bezahlen können. Schließlich wird auch eine Geſchäftsſtelle für 24 Suppenanſtalten geführt, in denen täg- lich 5000 Perſonen geſpeiſt werden. Die Bezirkswohlfahrtsämter mit ihren Ausſchüſſen arbeiten und entſcheiden dem- nach in Normalfällen ſelbſtändig. Die Bedürf- tigen des Bezirks eines Bezirkswohlfahrtsamtes gehen nur bei dieſem aus und ein. Den Geſuch- ſtellern werden die weiten Wege zu einer Zen- trale erſpart. Das Verfahren iſt kurz und einfach. Die Entſcheidung gründet ſich auf die eigenen Wahrnehmungen der Entſcheidenden. München darf ſich rühmen, mit dieſer Einrich- tung bahnbrechend vorangegangen zu ſein. Der Herbſt 1923 brachte eine ſtarke Belaſtungs- probe für das Wohlfahrtsamt und ſeine Zweig- ämter, die beſtanden wurde. Ehrenamtliche und berufliche Organe haben ſich in gleich anerken- nungswerter Weiſe in die Bewältigung der Auf- gabe geteilt. Der Vorwurf, das Wohlfahrtsamt arbeite bureaukratiſch, iſt nicht gerechtfertigt. In der Armenpflege liegen nach wie vor Prüfung der Geſuche, Hausbeſuche, Entſcheidung der Geſuche und Betreuung der Familien in den Händen ehrenamtlicher Organe. In der übrigen Fürſorge ſteht ihnen mindeſtens die Entſcheidung, alſo die wichtigſte Befugnis der Fürſorge zu. In Aus- ſchüſſen ſind vertreten neben Stadtrat und Armen- rat die Geiſtlichkeit, alle möglichen privaten Wohl- tätigkeitsorganiſationen, konfeſſionelle und pari- tätiſche Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wie die Sozial- und Kleinrentner uſw. Beruflich tätig ſind beim Vollzug der Fürſorge im Wohlfahrtsamt zur Zeit 337 Per- ſonen. Nach den ihm zugewieſenen Geſchäfts- aufgaben gliedert ſich das Hauptwohlfahrtsamt in folgende Abteilungen: 1. Geſchäftsabtellung, 2. Rechts- und Revi- ſionsabteilung, 3. Abteilung für Stiftungen, Spi- täler und Altersheime, 4. Zentrale der Fürſorge für Kriegsbeſchädigte und Kriegshinterbliebene, 5. Abteilung für Gebrechlichenfürſorge, 6. Abtei- lung für Auswärtigen, und Wohnungsfürſorge, 7. Zentralauskunftsſtelle für Wohlfahrtspflege, 8. Geſchäftsſtelle für Suppenanſtalten. Die Bezirkswohlfahrtsämter ſind eingeteilt: 1. in die allgemeine Abteilung, in der insbeſon- dere die Fürſorge für die Sozialrentner, Klein- rentner und für die Minderbemittelten durchge- führt wird, 2. in die Abteilung, für Armenpflege, 3. in die Abteilung für Kriegsbeſchädigten- und Kriegshinterbliebenenfürſorge. Angeſchloſſen iſt eine Kaſſenſtelle und nach Bildung des Jugend- amtes auch eine Abteilung für Jugendfürſorge. Sollten die jetzigen ſtabilen Verhältniſſe an- dauern, wird alsbald mit einem Abbau des Perſonals begonnen werden. Ehrenamt- lich tätig ſind in der Armenpflege neben dem Armenrat, der aus 117 geſetzlichen und gewähl- ten Mitgliedern beſteht, insgeſamt 1600 Di- ſtriktsvorſteher„ Armenpfleger und Armen- pflegerinnen, in der übrigen Fürſorge ſind etwa 150 ehrenamtliche Perſonen tätig. (Fortſetzung folgt.) Artiſtenverſammlung Während in Deutſchland ausländiſchen Artiſten gern Gaſtrecht geboten wird, machen unſere Va- rietee- und Kleinkunſt-Leute im Auslande die merkwürdigſten Erfahrungen. Die Dinge ſind ſo ſchlimm, daß der Bezirk Süddeutſchland der „In- ternationalen Artiſtenloge“ zu ihrer Klärung eine Verſammlung einberief. Foſſil, der Bezirksvor- ſitzende, gab das einleitende Referat, in dem ge- ſagt wurde, mit welchen Schikanen man den deut- ſchen Artiſten Auslandsgaſtſpiele vereckeln Schwie- rigkeiten bei der Einreiſe, bürokratiſche Wider- ſtände während des Aufenthaltes und ſchließlich — Ausweiſungen! In England beſtehe ein Be- ſchluß der dortigen Organiſation, nach dem bis fünf Jahre nach dem Kriege kein Artiſt der Mit- telmächte im Inſellande auftreten dürfe. Am em- pörendſten aber iſt die Feindſeligkeit, ale deutſche Artiſten neuerdings in Oeſterreich finden. Darum ſollte kein deutſcher Artiſt mehr nach Oeſterreich oder den feindlich geſinnten Ländern abſchließen und Deutſchland ſollte endlich auch wie dieſe Län- der, eine Zentralfremdenpolizeiſtelle — wie ſie Bayern ſchon hat — ſchaffen, die die Einreiſeve- willigung den Artiſten nur in Fühlungnahme mit der Organiſaton gibt. Schließlich ſchlug Herr Foſ- ſil die Annahme folgender Entſchließung vor: Die verſammelten Mitglieder der Intern. Artiſtenloge nehmen mit Entrüſtung Kenntnis von dem Ver- halten einiger ausländiſcher Arti- ſtenorganiſationen und Auslands- behörden deutſchen Artiſten gegen- über. Die Mitgliedſchaft erwartet daß die deutſchen Behörden die Ein- reiſe- und Aufenthaltsgenehmig- ung den öſterreichiſchen und Schwei- zer Artiſten nur dann erteilt, wenn die Intern. Artiſtenloge vor der Ein- reiſe die Erklärung abgegeben hat, daß vom Standpunkt des Arbeits- marktes Bedenken nicht beſtehen. Bisher geſchieht bis zu einem ge- wiſſen Grade dieſes Zuſammen- wirken von Polizel und Artiſtenloge in Bayern, ſpeziell in München. Dieſe Gepflogenheit ſoll anerkannt werden, muß aber feſte Formen an- nehmen u. ſich über ganz Bayern und das ganze Reich ausdehnen. Von der Preſſe erwarten die Mitglieder, daß ſie die Beſtrebungen der Ar- tiſtenloge durch Aufklärungsarti- kel in allen Ländern unterſtützt. Die Mitglieder der Artiſtenloge for- dern ferner die Spitzenverbände der Gewerkſchaften in allen Ländern auf, Kollektivverträge, Verſtändi- gungs- und Verſöhnungsverhand- lungen einzuleiten. Dieſe Entſchließung wurde mit Beifall auf- und einſtimmig ange- nommen. Für die Gefallenen der Bayer. Vereinsbank. Samstag nachmittag wurde in der Halle der „Bayer. Vereinsbank“ vor der von Prof. Riemer- ſchmid geſchaffenen bronzenen Gedenktafel der im Weltkrieg gefallenen Beamten der Bank in ein- drucksvoller Feier gedacht. Zwei Offiziere mit entblößtem Säbel flankierten als Ehrenwache die Gedenktafel. Mit getragener Muſik begann die Feier. Dann hielt Geheimrat Pöhlmann als erſter Direktor der Bank die Gedächtnisrede. Die Erinnerungstafel, ſo ſagte er, möge auch für die Lebenden eine Erinnerungstafel ſein: die er- hebende Erinnerung an die Opfer, die gebracht worden ſeien. Und ſeine Opferfähigkeit ſei der Maßſtab für die Daſeins- und Entwicklungs- berechtigung eines Volkes. Möge dieſe Gedenk- tafel ein Kleinod dieſes Hauſes ſein, den Dahin- gegangenen zum Dank, den Lebenden zur Mah- nung, den Kommenden zum Vorbild. Unter den Klängen des „Guten Kameraden“ legte Geheim- rat Pöhlmann einen Lorbeerkranz nieder. Für die auswärtigen Zweigſtellen weihte Geheimrat Hilcken-Würzburg, für den Betriebsrat Herr Schreiber Kranz und Nachruf. Ein Weihe- ſpruch, von Eugen Roth und Muſik (Klavier Frl. Edenhofer, Geige Herr Igl, der auch „Die Ver- borgenheit“ von Hugo Wolf geſungen hatte) be- ſchloſſen die Feier. Zwiſchenfeſtſetzung der Ortslöhne. Das Bayer. Oberverſicherungsamt München hat die Ortslöhne (ortsübliche Tagesentgelte gewöhnlicher Tagarbei- ter) für den Stadtbezirk München mit Wirkung vom 1. Januar 1924 ab bis zur nächſten allge- meinen Feſtſetzung, wie folgt, feſtgeſetzt: männliche über 21 Jahre 2,10 M, von 16—21 Jahre 1,65 M., unter 16 Jahren 1,05 M; weibliche über 21 Jahre 1,35 M, von 16—21 Jahren 1,05 M, unter 16 Jah- ren 0,75 M. Die Maul- und Klauenſeuche iſt bei verſchiedenen Landwirten in Kirchſtockach, Gemeinde Brunnthal, und in Großhadern erloſchen. Da auch die Des- infektion ordnungsgemäß durchgeführt worden iſt, hat das Bezirksamt München die ſämtlichen Schutzmaßnahmen aufgehoben. Damit iſt der Bezirk München-Land wieder frei von Maul- und Klauenſeuche. Kleine Zeitung Vermählt: Dipl.-Ing. Guſtav Heilmann und Frau Wally geb. Kiefer; Georg Engl und Frau Centa verw. Stemmer; Bernhard Rupperport und Frau Betty. Geſtorben: Steuerinſpektor Georg Chriſtoph Brunn; Wilh. Helfer; Buchdruckereibeſitzer Wilh. Heppes; Kaufmann Heinr. Wenger; Rechnungsoberinſpektorsgattin Anna Strößen- reuther geb. Lotter; Sami Günzburger, Augsburg; Sophie Gräff, ehem. Weißwaren- geſchäftsinhaberin. Staatsrat Lang, der derzeitige ſtellver- tretende Leiter des Landwirtſchaftsminiſteriums, glitt, wie wir mit Bedauern vernehmen, infolge Glatteiſes aus und zog ſich eine nicht uner- hebliche Armverletzung zu. Geburtstag. Dr. Seb. Schlittenbauer, Generalſekretär des Bayeriſchen Bauernvereins, feiert am 21. Januar das Feſt des 50 jährigen Geburtstages. — Am 14. Januar vollendete Ober- lehrer und Bezirksſchulrat a. D. Anton Stau- ber-Kemnath ſein 70. Lebensjahr. Geſtorben. Freifrau Ida v. Malfen, geb. Gräfin Butler, die aus München ſtammende Witwe des 1891 geſtorbenen Hofmarſchalls des Prinzen Ludwig von Bayern Kämmerers Frhrn. Albert v. Malſen, iſt auf Schloß Marzoll bei Reichenhall im 86. Lebensjahre entſchlafen. Perſonalien. Der Rat a. d. St. am Landgerichte München I Th. Werner wurde in den Stand dieſes Gerichtes eingerückt; der Rat am Ober- landesgericht München Joſef Haiſermann, ſtellvertretendes Mitglied der Diſziplinarkammer München für richterliche Beamte, zum Mitglied und der Rat am Oberlandesgerichte München Lorenz Gerſtlauer zum ſtellvertretenden Mit- glied der Diſziplinarkammer München für richter- liche Beamte ernannt. Zum Handelsrichter bei den Kammern für Handelsſachen am Landgerichte München I Han- delsrichter Dr. Max Jodlbauer, Kommerzien- rat; Valentin Walter, Kaufmann und Kom- merzienrat, wiederernannt. Aus den Parteien Deutſche Demokratiſche Partei. Der Kreis- verband München hält Dienstag den 15. Ja- nuar, abends ½8 Uhr, im Kreuzbräu, Brunn- ſtraße 7 (Saal 2), ſeine ordentliche Jah- reshauptverſammlung ab. Nach Erle- digung der geſchäftlichen Angelegenheiten (Jah- resbericht uſw.) wird der Vorſitzende der demo- kratiſch Stadtratsfraktion, Stadtrat K. Hübſch, über „Die Tätigkeit der demokrati- ſchen Stadtratsfraktion im Mün- chener Rathaus“ ſprechen. Zutritt nur ge- gen Mitgliedsausweis. Reichsgründungsfeier Die Jugendgruppe Iſargau der Deutſchen Volkspartei hielt am Mon- tag abend im Mathildenſaal eine gut beſuchte ſchlichte Reichsgründungsfeier ab. Nach einer warmherzigen Begrüßungsanſprache des Vorſitzen- den cand. jur. Trampler, die eine ſtimmungs- volle Ehrung der gefallenen Helden einſchloß, hielt General Exz. Karl v. Schoch die in den ewigen Befreiungskampf Deutſchlands zurückführende Feſtrede. Von Armenien über das römiſche Kaiſer- tum bis zu Bismarck erhebt ſich das Geſpenſt der deutſchen Zwietracht. Köſtliche Provinzen gingen im Laufe der Jahrhunderte verloren: das Elſaß, die Niederlande, die Schweiz, Konfeſſioneller Hader zerriß das deutſche Volk. Die Befreiungskämpfe brachten einen ungeheu- ren ſeeliſchen Aufſchwung, politiſch aber nur die Enttäuſchung des Deutſchen Bundes. Auch 1848 ſchuf keine reale Löſung. Doch ſchon war der neue Siegfried geboren, der Mann von „Blut und Eiſen“, der Mann der weiſen Mäßigung von 1866: Bismarck! Der Reichsſchöpfer kannte die leben- digen Kräfte ſeiner Zeit, darum konnte er das neue Deutſche Reich ſchaffen, die Spannungen löſen, das Volk zu einer lebendigen Einheit zu- ſammenſchmieden: Nimmer ſcheidet uns der Main! Einheitsgedanke und Föderalismus ſchmol- zen in ſeinem Reichsbau zu einem mächtigen Werk zuſammen. Was könnten wir ihm heute ſagen? Nichts anderes als: Meiſter, es ging über unſere Kraft! Und er würde das richtige Wort finden im inner- politiſchen Streit, im Kampfe gegen einen über- triebenen Unitarismus und Zentralismus. Wenn wir aber rufen: Zurück zu Bismarck! — Dann müſſen wir uns mit allen Kräften gegen die von Frankreich betriebene Zerſchlagung Preußens wehren. Das muß auch denen geſagt werden, die ſeit Jahren den Ruf erſchallen laſſen: Los von Preußen, los von Berlin! Mit der Mahnung des greiſen Alten vom Sach- ſenwalde, einig zu ſein und über dem Partei- geiſt den nationalen Gedanken vor Europa leuchten zu laſſen, auszuhalten in jeder Bedrängnis, und dem Bekenntnis zu einem mächtigen Deutſchen Reich ſchloß der Redner des Abends ſeine packenden Ausführun- gen, an die ſich das „Deutſchlandlied“ auſchloß. Der Meiſter des jüngſten Tages 14 Roman von Leo Perutz Warum ſagt er mir das? — fragte ich mich verwundert und beunruhigt. — Warum ſieht er mich ſo ſonderbar an? Gibt er mir etwa am Ende die Schuld an Eugen Biſchoffs Selbſtmord? Und ich ſagte leiſe: „Er iſt freiwillig aus dem Leben geſchieden.“ „So? Freiwillig?“ rief der Ingenieur mit einer Heftigkeit, die mich erſchreckte. „Sind Sie deſſen ganz gewiß? Ich will Ihnen etwas ſagen, Baron: Ich war der Erſte hier im Zimmer. Die Türe war von innen verſperrt, ich habe das Fenſter eingeſchlagen, da liegen noch die Scherben. Ich habe ſein Geſicht geſehen, ich war der erſte, der ſein Geſicht geſehen hat. Und ich ſage Ihnen: das Entſetzen, das die Geſichter jener Fünfhundert am Munhofluß verzerrt hat, die im Dunkeln den Hügel hinaufliefen und wußten, daß ſie im näch- ſten Augenblick den Draht berühren würden, — dieſes Entſetzen war nichts gegen den Ausdruck auf Eugen Biſchoffs Geſicht. Er hat Angſt ge- habt, irrſinnige Angſt vor etwas, was uns verborgen iſt. Und vor dieſer Angſt hat er ſich zu dem Revolver geflüchtet. Wie in ein Aſyl. Frei- willig aus dem Leben geſchieden? Nein! Baron. Eugen Biſchoff iſt in den Tod gehetzt worden.“ Er hob die Decke, die den Toten verhüllte, ein wenig in die Höhe und blickte ihm in das ſtarre Geſicht. „Wie mit einer Peitſche in den Tod gehetzt,“ ſagte er dann mit einer Ergriffenheit in der Stimme, die gar nicht ſeinem ſonſtigen Weſen entſprach. Ich hatte mich abgewendet. Ich konnte nicht hinſehen. „Sie meinen alſo,“ ſagte ich nach einer Weile, und die Kehle war mir wie zugeſchnürt, das Sprechen machte mir Mühe. „Wenn ich Sie recht verſtehe, meinen Sie alſo, daß er es erfahren hat, — daß es ihm auf irgendeine Art zu Ohren gekommen iſt —“ „Was denn? Wovon ſprechen Sie?“ „Sie wiſſen vermutlich, daß das Bankhaus zu- ſammengebrochen iſt, dem er ſein Vermögen an- vertraut hat?“ „So? — Sehen Sie, das hab ich nicht gewußt. Das höre ich jetzt zum erſtenmal. — Nein, Baron, das iſt es nicht geweſen. Die Angſt, die in ſeinem Geſichte ſtand, die war von anderer Art. Geld? Nein. Um Geld iſt es hier nicht gegangen. Sie müßten ſein Geſicht geſehen haben, erklären läßt ſich das nicht.“ „Als ich ins Zimmer kam,“ fuhr er nach einem Augenblick des Schweigens fort, „da hat er noch ſprechen können. Es waren nur ein paar Worte ich habe ſie verſtanden, obwohl ſie mehr gehaucht als geſprochen waren. — Sehr ſonderbare Worte. Freilich, im Munde eines Sterbenden —“ Er ging im Zimmer auf und nieder und ſchüt- telte den Kopf. „Sonderbare Worte. — Ich kannte ihn eigentlich ſo wenig. So wenig weiß einer vom anderen. Sie kannten ihn beſſer oder zumindeſt länger: Sagen Sie mir, wie war ſein Verhältnis zur Religion? Ich meine zur Kirche. Hielten Sie ihn für fromm?“ „Fromm? Er war abergläubiſch, wie die mei- ſten Schauſpieler. In Kleinigkeiten abergläubiſch. Frömmigkeit im Sinne der Kirche hab ich niemals an ihm wahrgenommen.“ „Sollte dennoch das ſein letzter Gedanke ge- weſen ſein? Dieſes Märchen für gläubige Kin- der?“ fragte der Ingenieur und ſah mich unver- wandt an. Ich ſagte nichts, ich wußte nicht, wovon er ſprach. Er erwartete wohl auch keine Antwort. „Nevermind,“ ſagte er zu ſich ſelbſt mit einer leichten Handbewegung. „Auch eines von den Dingen, denen wir nie auf den Grund kommen werden.“ Er nahm den Revolver vom Tiſch und ſah ihn an mit einem Blick, der erkennen ließ, daß er an etwas anderes dachte. Dann legte er ihn wieder aus der Hand. „Wie kam er denn eigentlich zu dieſer Waffe?“ fragte ich. „War ſie ſein Eigentum?“ Der Ingenieur fuhr aus ſeinen Gedanken auf. „Zu dieſem Revolver? Ja, er war ſein Eigen- tum. Er hat ihn immer bei ſich getragen, ſagt Felix. Wenn er des Nachts nach Hauſe ging, mußte er über Felder und an Bauplätzen vorbei. Viel lichtſcheues Geſindel. Er hatte Furcht vor nächt- lichen Begegnungen. — Das war eben das Ver- hängnisvolle, daß er den Revolver ſchußfertig bei ſich trug. Ein Sprung aus dem Fenſter — das wäre in dieſem Fall weiter nicht ſchlimm geweſen. Eine Sehnenzerrung, eine leichte Verſtauchung, und vielleicht nicht einmal das.“ Er öffnete das Fenſter und blickte hinaus. Ein paar Sekunden lang ſtand er ſo, und der Wind ſchüttelte und bauſchte die Fenſtergardinen. Drau- ßen rauſchten die Kaſtanienbäume. Die Papiere auf dem Schreibtiſche flatterten in die Höhe, und ein verwelktes Kaſtanienblatt, das ſich ins Zim- mer verirrt hatte, huſchte lautlos über den Fuß- boden. Der Ingenieur ſchloß das Fenſter und wandte ſich wieder mir zu: „Er war kein Feigling. Nein, bei Gott, ein Feigling war er nicht. Er hat es ſeinem Mörder nicht leicht gemacht.“ „Seinem Mörder?“ „Gewiß. Seinem Mörder. Er iſt in den Tod gejagt worden. Sehen Sie, hier ſtand er, und dort ſtand der andere.“ Er wies auf die Stelle an der Wand, in deren Betrachtung vertieft ich ihn bei meinem Eintritt ins Zimmer angetroffen hatte. „Sie ſtanden einander gegenüber,“ ſagte er langſam und ſah mich dabei an. „Aug’ in Aug’ ſtanden ſie, wie bei einem Duell.“ Mich überlief es kalt, als ich ihn mit ſolcher Sicherheit, als wäre er dabei geweſen, von der Sache ſprechen hörte. „Und wen“ — fragte ich beklommen, und wie- derum verſpürte ich das Würgen im Hals —, „wen halten Sie für den Mörder?“ Der Ingenieur ſah mich ſchweigend an, er ſagte kein Wort, hob langſam die Schultern und ließ ſie wieder ſinken. „Sind Sie denn noch immer da?“ kam es plötz- lich von der Türe her. „Warum gehen Sie denn nicht?“ Ich fuhr erſchrocken herum. In der Türe ſtand Doktor Gorski und ſein Blick galt mir. (Fortſetzung folgt.)

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-12-19T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 14, 15. Januar 1924, S. Seite 4[4]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine14_1924/4>, abgerufen am 16.07.2024.