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Allgemeine Zeitung, Nr. 13, 13. Januar 1872.

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[Spaltenumbruch] lichen Vertragsweg abgetreten hat, und das wieder im Wege von Tausch und Ver
trägen nach langer Zeit an den Herrscher Oesterreichs, nicht Ungarns, gefallen ist.
Ist aber schon Ungarns Recht auf Croatien mehr als zweifelhaft, so besitzt Croa-
tien noch weit weniger Rechtstitel, man müßte denn Großmachtswünsche und
nationale Declamationen für solche erklären. Daß die croatischen "Nationalen"
um die "Macht der St. Stephanskrone" so sehr besorgt sind, macht ihrem Patrio-
tismus Ehre, nur findet diese Sorge wenig Vertrauen. "Man merkt die Absicht,
und wird verstimmt."

Ein weiterer wesentlicher Punkt der Unterhandlungen in Wien drehte sich
darum: "wie Croatien im ungarischen Reichstage vertreten sein solle, ob in der
bisherigen Weise, oder auf dem Wege directer Wahlen, oder wie bis 1848 durch
Oratoren. Ferner, welchen Einfluß das eroatische Votum auf ungarische Ange-
legenheiten haben soll. Der Grund für die Ventilirung dieses Punktes liegt darin
daß die Zahl der croatischen Delegirten nach Provincialisirung der Gränze sich auf
60 vermehren wird, die als eine besondere Fraction im ungarischen Reichstag
immer ein entscheidendes Votum besitzen würden, was keinem Theil als billig erschien."
So eine officiöse Stimme. Ist es nicht bezeichnend daß die ungarische Negierung die
Vermehrung der croatischen Reichstagsdeputirten fürchtet? Der Grund liegt wohl
darin daß man in Pest und Agram nicht Reichs- oder Landes-, sondern eben hüben
und drüben Nationalpolitik treibt. Die nationale Hegemonie ist das oberste
Axiom nach welchem Magyaren und Croaten die Regierung geleitet wissen wollen.
Daher die Furcht vor der gegenseitigen Ueberstimmung. Es soll auch gelungen
sein "einen Modus zur Beseitigung dieser Schwierigkeit durch eine Art der Vertre-
tung Croatiens zu finden." Worin dieser Modus, diese "Art der Vertretung" be-
stehe, sagt die Regierungs-Sibylle nicht.

Nachdem über das croatische Memorandum der Nationalen und der Unio-
nisten -- denn auch diese ließen sich vernehmen -- noch unter Vorsitz Sr. Majestät ein
Ministerrath abgehalten worden war, worin die Forderungen der croatischen Natio-
nalpartei nicht in allen Stücken genehmigt wurden, beschloß man den oft vertagten
croatischen Landtag auf den 15 Januar l. J. einzuberufen. Da sollten die Natio-
nalen ihre Forderungen stellen, sodann werde man dieselben durch Regnicolar-De-
putationen weiter in Verhandlung ziehen. Sollten aber die Nationalen in ihren
Ansprüchen übertrieben sein, dann würde der Landtag aufgelöst werden. -- Schließ-
lich noch die Bemerkung daß die gewünschte Fusion zwischen den Nationalen und
den regierungsfreundlichen Unionisten nicht gelungen ist. Auf die weitere Entwick-
lung der Dinge in Agram darf man gespannt sein.



Zur Besoldungsfrage der Staatsdiener mit besonderer Rücksicht
auf Bayern.
II.

v. Zur Vergleichung dessen was eine Familie braucht, und dessen was die
dermaligen Besoldungen bieten, wollen wir einen Collegialrath (Appellations-
gerichts- oder Regierungsrath) wählen, welcher in der mittleren Gehaltsclasse von
2000 Gulden steht. Sein Alter wird in der Regel etwas unter oder über 50 Jahre
sein, und seine Familie soll nicht stark sein. Angenommen er habe vier Kinder
und ein Dienstmädchen, so werden sich die allerunabweisbarsten Bedürfnisse der
Familie berechnen wie folgt. Wir beginnen mit denjenigen Ausgaben bei welchen
eine weitgehende Sparsamkeit nicht möglich ist, weil Erziehung, Stellung und gei-
stiges Bedürfniß eine Gränze ziehen, unter welche nicht heruntergegangen werden
kann, und dessen die andern Posten, deren Verwendung sich dem Auge der Oeffent-
lichkeit mehr entzieht, welche also mehr Elasticität besitzen, später nachfolgen.

1. Die Wohnung. Unser Collegialrath muß bescheiden sein, und darauf
verzichten sich in bequemer Lage der Stadt behaglich auszubreiten. Er wird aber
für eine beschränkte Wohnung in einem entlegenen Stadttheil in den meisten
Städten mindestens 350 fl., in manchen mehr bezahlen müssen, wenn er kann.

2. Die Kleidung und Schuhe. Wenn wir annehmen daß den Söhnen vor-
zugsweise die abgelegten, nur nicht ganz zu Tode getragenen Kleidungsstücke des
Vaters und den Töchtern jene der Mutter zurecht gemacht werden, so wird es doch
nicht möglich sein bei großer Einfachheit mit weniger als 150 fl. des Jahres aus-
zukommen. Was kosten nur die Stiefel und Schuhe! Schmuck, Pelzwerke u. dgl.,
dürfen nicht vorkommen.

3. Unterricht und Brennmaterial. Einen Sohn aus der laufenden Ein-
nahme auf der Universität zu erhalten, ist von vornherein unmöglich. Die Mittel
hiezu müssen in jüngeren Jahren erspart worden sein, und wenn dieß nicht möglich
war, oder versäumt worden ist, so können die Söhne eben nicht studieren (denn eine
Verwendung von Capitalien welche in andern Lebenskreisen als im Staatsdienste
vom Vater gesammelt worden sind, dürfen wir als unwirthschaftlich nicht anneh-
men), oder der Vater muß sich mit der Hoffnung trösten daß ihm eine baldige Beför-
derung die Möglichkeit gewähre seinen Kindern die nämliche Bildung angedeihen zu
lassen die er selbst genossen hat. Nehmen wir also an daß die zwei Söhne das
Gymnasium oder ähnliche Anstalten, die Mädchen aber eine Töchterschule besuchen.
Privatunterricht in der Musik und andern wünschenswerthen Fertigkeiten muß
auf das allergeringste Maß, und zwar nur für eines oder das andere der Kinder,
beschränkt werden. Gleichwohl aber wird eine Summe von 150 fl. kaum
ausreichen.

4. Beheizung und Beleuchtung wird, da unsere Familie sich im Winter unmög-
lich ganz auf ein Zimmer beschränken kann, weil die Kinder viele Zeit zu Hausarbei-
ten verwenden müssen, und besonders wenn auch der Vater zu Haus arbeiten muß,
unmöglich mit weniger als 95 fl. beschafft werden können.

5. Für Steuern, Umlagen, Stempel u. dgl. dürfen wir in mäßigftem An-
satze 40 fl., 6. für Assecuranzen und Wittwenfondsbeiträge 50 fl. in Aufrechnung
bringen, wobei natürlich von einer Lebensversicherung oder einer ähnlichen sehr
nothwendigen Fürsorge für den Todesfall des Familienvaters keine Rede sein kann.

7. Die Magd erfordert an Lohn und Geschenken 60 fl.

8. Der Arzt und Apotheker darf nicht mehr als 40 fl. kosten, wobei un-
vermeidliche Ausgaben für Mineralwasser u. dgl. eingerechnet sein müssen. Größere
[Spaltenumbruch] Krankheiten, Badecuren, Erholungsreisen u. dgl. dürsen nicht vorkommen. Dazu
reichen die Einnahmen schlechterdings nicht.

9) Ehrenausgaben. Wer kann sich einer Unzahl von Vereinen, freiwilligen
Beiträgen und wie alle die kleinern oder größern Anforderungen heißen, ganz ent-
ziehen? Weihnachts- und Neujahrsgeschenke an die Glieder der Familie und son-
stige Angehörige gehören eben auch zu den nothwendigen Ausgaben, und wenn für
das alles 50 fl. verwendet werden, so ist schon ein weitgehendes Maß von Zurück-
haltung nöthig, und müssen viele nicht eben unberechtigte Anforderungen ab-
gewiesen werden.

10) Hausgeräthe und Wäsche erfordern bei großer Einfachheit, wenn nur
die Reinlichkeit und der unabweisbare Anstand gewahrt werden sollen, 60 fl.

11) Buchhändler und Buchbinder liefern das Handwerkszeug des geistigen
Arbeiters und das Material für die Bildung der Kinder, aber die Bibliothek darf
keine Liebhaberei sein. Unser Beamter wird kaum das Nöthigste für 30 fl. an-
schaffen können.

12) Allerlei Kleinigkeiten, wie Schreibmaterialen und Porti, Bäder im
Sommer, Schlittschuhe im Winter, Zeitungen u. s. f. mögen mit 25 fl. -- noth-
dürftig genug -- in Ansatz kommen.

Rechnen wir die vorhergehenden Beträge zusammen, bei welchen schon ein
weitgehendes Maß von Sparsamkeit und Enhaltsamkeit vorausgesetzt ist, eine
Lebensweise wie sie der Stellung eines Collegialraths im bürgerlichen Leben nicht
entspricht, so finden wir eine Summe von 1100 fl., und es bleiben also:

13) zur Nahrung noch 900 fl. übrig. Davon kann eine Familie von sieben
Köpfen allerdings leben, aber eben auch nur auf einem Fuße der dem Maß-
stab keineswegs entspricht für welchen man einen höhern Beamten berechtigt zu
glauben pflegt.

Für die Nahrung eines Soldaten bezahlt der Staat im Falle der Einquar-
tierung täglich beiläufig 36 kr., und jedermann weiß daß der Quartierträger in
der Stadt, wenn er nicht den ärmern Classen angehört, damit kaum seine Auslagen
gedeckt sieht. Rechnen wir nun auch die beiden jüngern Kinder unseres Beamten
für eine Person und nehmen die sieben Köpfe für sechs an, so finden wir eine
Summe von 1314 fl. Das ist aber viel zu viel. Die Fleischnahrung, so noth-
wendig sie für die bleichsüchtige, stubensitzende, überarbeitete Generation unser er
Jugend wäre, muß zurücktreten, und die Kartoffeln spielen eine hervorragende Rolle.
Von Geflügel und Wildpret ist schon gar keine Sprache. Wein und Cigarren sind
Genüsse, welche aus der Besoldung nicht bestritten werden können, so wünschenswerth
auch der erstere für den in den Jahren vorrückenden Familienvater und so ange-
nehm die letztern sind. Gesellige Vergnügungen, Theater, Concerte, Sommer-
frische, so wohlthuend sie bei mäßigem Genusse für das körperliche und geistige
Befinden, so fördernd für die Arbeitskraft selbst sie auch sein würden, sind ver-
botene Früchte für den Collegialrath der auf seine Besoldung angewiesen ist; für
Lebensversicherung u. dgl. gibt es keine Mittel. Man mag zu diesen Berechnun-
gen und Angaben den Kopf schütteln und ungläubig lächeln -- damit sind sie aber
nicht widerlegt. Sie gründen sich auf Thatsachen und genaue Buchführungen,
und liefern den Beweis daß die Besoldungen der Staatsdiener für die reiferen
Altersstufen unbedingt unzulänglich sind.

Die Sache erklärt sich auch außerordentlich einfach. Unsere Gehalte sind
vor einem halben Jahrhundert und noch früher regulirt worden, und haben seitdem
keine Aenderung erfahren welche der Rede werth wäre. Seitdem aber find -- das
weiß jeder der nicht mehr jung ist, und dazu bedarf es gar keiner statistischen Nach-
weise -- die Lebensmittel und die Arbeitslöhne auf das Doppelte ihres früheren
Betrages und zum Theil noch höher gestiegen, und der ganze Lebensbedarf hat sich
in dem nämlichen Maße vertheuert. Ausgenommen sind allenfalls die Kleiderstoffe.
aber dafür sind auch die Anforderungen der Mode und des Anstandes, und nament-
lich die des Schneiders und des Schuhmachers, um so mehr gestiegen.

Es ist also ganz natürlich und nothwendig daß jetzt schlechterdings nicht
mehr genügt was früher reichlich war, und daß Staatsdiener welche man zu den
höheren zu rechnen pflegt, in Kleidung, Nahrung und Lebensgenuß entschieden hinter
dem zurückstehen was sich der mittlere Bürgerstand gönnen darf.

Freilich finden sich gerade in diesem Stand und unter der Landbevölkerung,
welche in unserer zweiten Kammer, entsprechend den Bevölkerungsverhältnissen
unseres Landes, zahlreich und ausschlaggebend vertreten ist, wenige welche zugeben
werden daß sie ein größeres oder wenigstens verhältnißmäßig besseres Einkommen
haben als ein Staatsdiener der mittleren Stufen. Allein das rührt davon her
daß sie ihr Einkommen nicht zu kennen pflegen: die einen weil sie über das was
sie im Haushalt verbrauchen nicht genau Buch führen und deßhalb die Ausgaben
dafür unterschätzen; die anderen weil sie nicht nur dieß unterlassen, sondern auch
die selbst verbrauchten Erträgnisse ihrer Wirthschaft nicht in Anschlag bringen, oder
wenigstens bedeutend unterschätzen. Größere Unternehmer in Handel, Industrie
und Landwirthschaft, welche genaue Aufschreibung führen über das was sie für ihre
Person und ihre Familie verbrauchen, werden die Richtigkeit dieser Berechnungen
und Vergleichungen anerkennen. Das in diesen ausgedehnten Schichten der Be-
völkerung verbreitete Vorurtheil über die vermeintlich günstigere Lage der Besol-
deten trägt selbst dazu bei den Zudrang zum Staatsdienste zu steigern, und Freiheit
der Concurrenz illusorisch zu machen. Aber nicht nur hier, sondern auch in den
höchsten Kreisen unserer Bureaukratie, bei den berufenen Vertretern der Staats-
dienerschaft, scheint nach den Erfahrungen des Jahres 1868 das Verständniß für die
Bedürfnisse der Beamten in dem Maße zu fehlen, als die betreffenden Personen
dem Niveau einer beengten ökonomischen Stellung entrückt sind. Sonst würde
man das Regulativ jenes Jahres nicht so widerstandslos haben fallen lassen.

Neuerdings soll die Lösung der Besoldungsfrage zwar auf die zahlreichen
Anregungen der Presse hin wieder in Angriff genommen worden sein, aber das
Vertrauen der Staatsdiener daß ein rechter Ernst damit werde gemacht werden, ist
in Folge der bisherigen Erfahrungen gering, und die Besorgniß daß durch eine zu
weit gehende Fürsorge für das bloße Alter eine allzu große Summe in Anspruch
genommen und dadurch das Schicksal des ganzen Antrags gefährdet werde,
liegt nahe.

Dazu kommt daß den gestellten Anforderungen auf Verminderung der Be-

[Spaltenumbruch] lichen Vertragsweg abgetreten hat, und das wieder im Wege von Tauſch und Ver
trägen nach langer Zeit an den Herrſcher Oeſterreichs, nicht Ungarns, gefallen iſt.
Iſt aber ſchon Ungarns Recht auf Croatien mehr als zweifelhaft, ſo beſitzt Croa-
tien noch weit weniger Rechtstitel, man müßte denn Großmachtswünſche und
nationale Declamationen für ſolche erklären. Daß die croatiſchen „Nationalen“
um die „Macht der St. Stephanskrone“ ſo ſehr beſorgt ſind, macht ihrem Patrio-
tismus Ehre, nur findet dieſe Sorge wenig Vertrauen. „Man merkt die Abſicht,
und wird verſtimmt.“

Ein weiterer weſentlicher Punkt der Unterhandlungen in Wien drehte ſich
darum: „wie Croatien im ungariſchen Reichstage vertreten ſein ſolle, ob in der
bisherigen Weiſe, oder auf dem Wege directer Wahlen, oder wie bis 1848 durch
Oratoren. Ferner, welchen Einfluß das eroatiſche Votum auf ungariſche Ange-
legenheiten haben ſoll. Der Grund für die Ventilirung dieſes Punktes liegt darin
daß die Zahl der croatiſchen Delegirten nach Provincialiſirung der Gränze ſich auf
60 vermehren wird, die als eine beſondere Fraction im ungariſchen Reichstag
immer ein entſcheidendes Votum beſitzen würden, was keinem Theil als billig erſchien.“
So eine officiöſe Stimme. Iſt es nicht bezeichnend daß die ungariſche Negierung die
Vermehrung der croatiſchen Reichstagsdeputirten fürchtet? Der Grund liegt wohl
darin daß man in Peſt und Agram nicht Reichs- oder Landes-, ſondern eben hüben
und drüben Nationalpolitik treibt. Die nationale Hegemonie iſt das oberſte
Axiom nach welchem Magyaren und Croaten die Regierung geleitet wiſſen wollen.
Daher die Furcht vor der gegenſeitigen Ueberſtimmung. Es ſoll auch gelungen
ſein „einen Modus zur Beſeitigung dieſer Schwierigkeit durch eine Art der Vertre-
tung Croatiens zu finden.“ Worin dieſer Modus, dieſe „Art der Vertretung“ be-
ſtehe, ſagt die Regierungs-Sibylle nicht.

Nachdem über das croatiſche Memorandum der Nationalen und der Unio-
niſten — denn auch dieſe ließen ſich vernehmen — noch unter Vorſitz Sr. Majeſtät ein
Miniſterrath abgehalten worden war, worin die Forderungen der croatiſchen Natio-
nalpartei nicht in allen Stücken genehmigt wurden, beſchloß man den oft vertagten
croatiſchen Landtag auf den 15 Januar l. J. einzuberufen. Da ſollten die Natio-
nalen ihre Forderungen ſtellen, ſodann werde man dieſelben durch Regnicolar-De-
putationen weiter in Verhandlung ziehen. Sollten aber die Nationalen in ihren
Anſprüchen übertrieben ſein, dann würde der Landtag aufgelöst werden. — Schließ-
lich noch die Bemerkung daß die gewünſchte Fuſion zwiſchen den Nationalen und
den regierungsfreundlichen Unioniſten nicht gelungen iſt. Auf die weitere Entwick-
lung der Dinge in Agram darf man geſpannt ſein.



Zur Beſoldungsfrage der Staatsdiener mit beſonderer Rückſicht
auf Bayern.
II.

v. Zur Vergleichung deſſen was eine Familie braucht, und deſſen was die
dermaligen Beſoldungen bieten, wollen wir einen Collegialrath (Appellations-
gerichts- oder Regierungsrath) wählen, welcher in der mittleren Gehaltsclaſſe von
2000 Gulden ſteht. Sein Alter wird in der Regel etwas unter oder über 50 Jahre
ſein, und ſeine Familie ſoll nicht ſtark ſein. Angenommen er habe vier Kinder
und ein Dienſtmädchen, ſo werden ſich die allerunabweisbarſten Bedürfniſſe der
Familie berechnen wie folgt. Wir beginnen mit denjenigen Ausgaben bei welchen
eine weitgehende Sparſamkeit nicht möglich iſt, weil Erziehung, Stellung und gei-
ſtiges Bedürfniß eine Gränze ziehen, unter welche nicht heruntergegangen werden
kann, und deſſen die andern Poſten, deren Verwendung ſich dem Auge der Oeffent-
lichkeit mehr entzieht, welche alſo mehr Elaſticität beſitzen, ſpäter nachfolgen.

1. Die Wohnung. Unſer Collegialrath muß beſcheiden ſein, und darauf
verzichten ſich in bequemer Lage der Stadt behaglich auszubreiten. Er wird aber
für eine beſchränkte Wohnung in einem entlegenen Stadttheil in den meiſten
Städten mindeſtens 350 fl., in manchen mehr bezahlen müſſen, wenn er kann.

2. Die Kleidung und Schuhe. Wenn wir annehmen daß den Söhnen vor-
zugsweiſe die abgelegten, nur nicht ganz zu Tode getragenen Kleidungsſtücke des
Vaters und den Töchtern jene der Mutter zurecht gemacht werden, ſo wird es doch
nicht möglich ſein bei großer Einfachheit mit weniger als 150 fl. des Jahres aus-
zukommen. Was koſten nur die Stiefel und Schuhe! Schmuck, Pelzwerke u. dgl.,
dürfen nicht vorkommen.

3. Unterricht und Brennmaterial. Einen Sohn aus der laufenden Ein-
nahme auf der Univerſität zu erhalten, iſt von vornherein unmöglich. Die Mittel
hiezu müſſen in jüngeren Jahren erſpart worden ſein, und wenn dieß nicht möglich
war, oder verſäumt worden iſt, ſo können die Söhne eben nicht ſtudieren (denn eine
Verwendung von Capitalien welche in andern Lebenskreiſen als im Staatsdienſte
vom Vater geſammelt worden ſind, dürfen wir als unwirthſchaftlich nicht anneh-
men), oder der Vater muß ſich mit der Hoffnung tröſten daß ihm eine baldige Beför-
derung die Möglichkeit gewähre ſeinen Kindern die nämliche Bildung angedeihen zu
laſſen die er ſelbſt genoſſen hat. Nehmen wir alſo an daß die zwei Söhne das
Gymnaſium oder ähnliche Anſtalten, die Mädchen aber eine Töchterſchule beſuchen.
Privatunterricht in der Muſik und andern wünſchenswerthen Fertigkeiten muß
auf das allergeringſte Maß, und zwar nur für eines oder das andere der Kinder,
beſchränkt werden. Gleichwohl aber wird eine Summe von 150 fl. kaum
ausreichen.

4. Beheizung und Beleuchtung wird, da unſere Familie ſich im Winter unmög-
lich ganz auf ein Zimmer beſchränken kann, weil die Kinder viele Zeit zu Hausarbei-
ten verwenden müſſen, und beſonders wenn auch der Vater zu Haus arbeiten muß,
unmöglich mit weniger als 95 fl. beſchafft werden können.

5. Für Steuern, Umlagen, Stempel u. dgl. dürfen wir in mäßigftem An-
ſatze 40 fl., 6. für Aſſecuranzen und Wittwenfondsbeiträge 50 fl. in Aufrechnung
bringen, wobei natürlich von einer Lebensverſicherung oder einer ähnlichen ſehr
nothwendigen Fürſorge für den Todesfall des Familienvaters keine Rede ſein kann.

7. Die Magd erfordert an Lohn und Geſchenken 60 fl.

8. Der Arzt und Apotheker darf nicht mehr als 40 fl. koſten, wobei un-
vermeidliche Ausgaben für Mineralwaſſer u. dgl. eingerechnet ſein müſſen. Größere
[Spaltenumbruch] Krankheiten, Badecuren, Erholungsreiſen u. dgl. dürſen nicht vorkommen. Dazu
reichen die Einnahmen ſchlechterdings nicht.

9) Ehrenausgaben. Wer kann ſich einer Unzahl von Vereinen, freiwilligen
Beiträgen und wie alle die kleinern oder größern Anforderungen heißen, ganz ent-
ziehen? Weihnachts- und Neujahrsgeſchenke an die Glieder der Familie und ſon-
ſtige Angehörige gehören eben auch zu den nothwendigen Ausgaben, und wenn für
das alles 50 fl. verwendet werden, ſo iſt ſchon ein weitgehendes Maß von Zurück-
haltung nöthig, und müſſen viele nicht eben unberechtigte Anforderungen ab-
gewieſen werden.

10) Hausgeräthe und Wäſche erfordern bei großer Einfachheit, wenn nur
die Reinlichkeit und der unabweisbare Anſtand gewahrt werden ſollen, 60 fl.

11) Buchhändler und Buchbinder liefern das Handwerkszeug des geiſtigen
Arbeiters und das Material für die Bildung der Kinder, aber die Bibliothek darf
keine Liebhaberei ſein. Unſer Beamter wird kaum das Nöthigſte für 30 fl. an-
ſchaffen können.

12) Allerlei Kleinigkeiten, wie Schreibmaterialen und Porti, Bäder im
Sommer, Schlittſchuhe im Winter, Zeitungen u. ſ. f. mögen mit 25 fl. — noth-
dürftig genug — in Anſatz kommen.

Rechnen wir die vorhergehenden Beträge zuſammen, bei welchen ſchon ein
weitgehendes Maß von Sparſamkeit und Enhaltſamkeit vorausgeſetzt iſt, eine
Lebensweiſe wie ſie der Stellung eines Collegialraths im bürgerlichen Leben nicht
entſpricht, ſo finden wir eine Summe von 1100 fl., und es bleiben alſo:

13) zur Nahrung noch 900 fl. übrig. Davon kann eine Familie von ſieben
Köpfen allerdings leben, aber eben auch nur auf einem Fuße der dem Maß-
ſtab keineswegs entſpricht für welchen man einen höhern Beamten berechtigt zu
glauben pflegt.

Für die Nahrung eines Soldaten bezahlt der Staat im Falle der Einquar-
tierung täglich beiläufig 36 kr., und jedermann weiß daß der Quartierträger in
der Stadt, wenn er nicht den ärmern Claſſen angehört, damit kaum ſeine Auslagen
gedeckt ſieht. Rechnen wir nun auch die beiden jüngern Kinder unſeres Beamten
für eine Perſon und nehmen die ſieben Köpfe für ſechs an, ſo finden wir eine
Summe von 1314 fl. Das iſt aber viel zu viel. Die Fleiſchnahrung, ſo noth-
wendig ſie für die bleichſüchtige, ſtubenſitzende, überarbeitete Generation unſer er
Jugend wäre, muß zurücktreten, und die Kartoffeln ſpielen eine hervorragende Rolle.
Von Geflügel und Wildpret iſt ſchon gar keine Sprache. Wein und Cigarren ſind
Genüſſe, welche aus der Beſoldung nicht beſtritten werden können, ſo wünſchenswerth
auch der erſtere für den in den Jahren vorrückenden Familienvater und ſo ange-
nehm die letztern ſind. Geſellige Vergnügungen, Theater, Concerte, Sommer-
friſche, ſo wohlthuend ſie bei mäßigem Genuſſe für das körperliche und geiſtige
Befinden, ſo fördernd für die Arbeitskraft ſelbſt ſie auch ſein würden, ſind ver-
botene Früchte für den Collegialrath der auf ſeine Beſoldung angewieſen iſt; für
Lebensverſicherung u. dgl. gibt es keine Mittel. Man mag zu dieſen Berechnun-
gen und Angaben den Kopf ſchütteln und ungläubig lächeln — damit ſind ſie aber
nicht widerlegt. Sie gründen ſich auf Thatſachen und genaue Buchführungen,
und liefern den Beweis daß die Beſoldungen der Staatsdiener für die reiferen
Altersſtufen unbedingt unzulänglich ſind.

Die Sache erklärt ſich auch außerordentlich einfach. Unſere Gehalte ſind
vor einem halben Jahrhundert und noch früher regulirt worden, und haben ſeitdem
keine Aenderung erfahren welche der Rede werth wäre. Seitdem aber find — das
weiß jeder der nicht mehr jung iſt, und dazu bedarf es gar keiner ſtatiſtiſchen Nach-
weiſe — die Lebensmittel und die Arbeitslöhne auf das Doppelte ihres früheren
Betrages und zum Theil noch höher geſtiegen, und der ganze Lebensbedarf hat ſich
in dem nämlichen Maße vertheuert. Ausgenommen ſind allenfalls die Kleiderſtoffe.
aber dafür ſind auch die Anforderungen der Mode und des Anſtandes, und nament-
lich die des Schneiders und des Schuhmachers, um ſo mehr geſtiegen.

Es iſt alſo ganz natürlich und nothwendig daß jetzt ſchlechterdings nicht
mehr genügt was früher reichlich war, und daß Staatsdiener welche man zu den
höheren zu rechnen pflegt, in Kleidung, Nahrung und Lebensgenuß entſchieden hinter
dem zurückſtehen was ſich der mittlere Bürgerſtand gönnen darf.

Freilich finden ſich gerade in dieſem Stand und unter der Landbevölkerung,
welche in unſerer zweiten Kammer, entſprechend den Bevölkerungsverhältniſſen
unſeres Landes, zahlreich und ausſchlaggebend vertreten iſt, wenige welche zugeben
werden daß ſie ein größeres oder wenigſtens verhältnißmäßig beſſeres Einkommen
haben als ein Staatsdiener der mittleren Stufen. Allein das rührt davon her
daß ſie ihr Einkommen nicht zu kennen pflegen: die einen weil ſie über das was
ſie im Haushalt verbrauchen nicht genau Buch führen und deßhalb die Ausgaben
dafür unterſchätzen; die anderen weil ſie nicht nur dieß unterlaſſen, ſondern auch
die ſelbſt verbrauchten Erträgniſſe ihrer Wirthſchaft nicht in Anſchlag bringen, oder
wenigſtens bedeutend unterſchätzen. Größere Unternehmer in Handel, Induſtrie
und Landwirthſchaft, welche genaue Aufſchreibung führen über das was ſie für ihre
Perſon und ihre Familie verbrauchen, werden die Richtigkeit dieſer Berechnungen
und Vergleichungen anerkennen. Das in dieſen ausgedehnten Schichten der Be-
völkerung verbreitete Vorurtheil über die vermeintlich günſtigere Lage der Beſol-
deten trägt ſelbſt dazu bei den Zudrang zum Staatsdienſte zu ſteigern, und Freiheit
der Concurrenz illuſoriſch zu machen. Aber nicht nur hier, ſondern auch in den
höchſten Kreiſen unſerer Bureaukratie, bei den berufenen Vertretern der Staats-
dienerſchaft, ſcheint nach den Erfahrungen des Jahres 1868 das Verſtändniß für die
Bedürfniſſe der Beamten in dem Maße zu fehlen, als die betreffenden Perſonen
dem Niveau einer beengten ökonomiſchen Stellung entrückt ſind. Sonſt würde
man das Regulativ jenes Jahres nicht ſo widerſtandslos haben fallen laſſen.

Neuerdings ſoll die Löſung der Beſoldungsfrage zwar auf die zahlreichen
Anregungen der Preſſe hin wieder in Angriff genommen worden ſein, aber das
Vertrauen der Staatsdiener daß ein rechter Ernſt damit werde gemacht werden, iſt
in Folge der bisherigen Erfahrungen gering, und die Beſorgniß daß durch eine zu
weit gehende Fürſorge für das bloße Alter eine allzu große Summe in Anſpruch
genommen und dadurch das Schickſal des ganzen Antrags gefährdet werde,
liegt nahe.

Dazu kommt daß den geſtellten Anforderungen auf Verminderung der Be-

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[178/0002] lichen Vertragsweg abgetreten hat, und das wieder im Wege von Tauſch und Ver trägen nach langer Zeit an den Herrſcher Oeſterreichs, nicht Ungarns, gefallen iſt. Iſt aber ſchon Ungarns Recht auf Croatien mehr als zweifelhaft, ſo beſitzt Croa- tien noch weit weniger Rechtstitel, man müßte denn Großmachtswünſche und nationale Declamationen für ſolche erklären. Daß die croatiſchen „Nationalen“ um die „Macht der St. Stephanskrone“ ſo ſehr beſorgt ſind, macht ihrem Patrio- tismus Ehre, nur findet dieſe Sorge wenig Vertrauen. „Man merkt die Abſicht, und wird verſtimmt.“ Ein weiterer weſentlicher Punkt der Unterhandlungen in Wien drehte ſich darum: „wie Croatien im ungariſchen Reichstage vertreten ſein ſolle, ob in der bisherigen Weiſe, oder auf dem Wege directer Wahlen, oder wie bis 1848 durch Oratoren. Ferner, welchen Einfluß das eroatiſche Votum auf ungariſche Ange- legenheiten haben ſoll. Der Grund für die Ventilirung dieſes Punktes liegt darin daß die Zahl der croatiſchen Delegirten nach Provincialiſirung der Gränze ſich auf 60 vermehren wird, die als eine beſondere Fraction im ungariſchen Reichstag immer ein entſcheidendes Votum beſitzen würden, was keinem Theil als billig erſchien.“ So eine officiöſe Stimme. Iſt es nicht bezeichnend daß die ungariſche Negierung die Vermehrung der croatiſchen Reichstagsdeputirten fürchtet? Der Grund liegt wohl darin daß man in Peſt und Agram nicht Reichs- oder Landes-, ſondern eben hüben und drüben Nationalpolitik treibt. Die nationale Hegemonie iſt das oberſte Axiom nach welchem Magyaren und Croaten die Regierung geleitet wiſſen wollen. Daher die Furcht vor der gegenſeitigen Ueberſtimmung. Es ſoll auch gelungen ſein „einen Modus zur Beſeitigung dieſer Schwierigkeit durch eine Art der Vertre- tung Croatiens zu finden.“ Worin dieſer Modus, dieſe „Art der Vertretung“ be- ſtehe, ſagt die Regierungs-Sibylle nicht. Nachdem über das croatiſche Memorandum der Nationalen und der Unio- niſten — denn auch dieſe ließen ſich vernehmen — noch unter Vorſitz Sr. Majeſtät ein Miniſterrath abgehalten worden war, worin die Forderungen der croatiſchen Natio- nalpartei nicht in allen Stücken genehmigt wurden, beſchloß man den oft vertagten croatiſchen Landtag auf den 15 Januar l. J. einzuberufen. Da ſollten die Natio- nalen ihre Forderungen ſtellen, ſodann werde man dieſelben durch Regnicolar-De- putationen weiter in Verhandlung ziehen. Sollten aber die Nationalen in ihren Anſprüchen übertrieben ſein, dann würde der Landtag aufgelöst werden. — Schließ- lich noch die Bemerkung daß die gewünſchte Fuſion zwiſchen den Nationalen und den regierungsfreundlichen Unioniſten nicht gelungen iſt. Auf die weitere Entwick- lung der Dinge in Agram darf man geſpannt ſein. Zur Beſoldungsfrage der Staatsdiener mit beſonderer Rückſicht auf Bayern. II. v. Zur Vergleichung deſſen was eine Familie braucht, und deſſen was die dermaligen Beſoldungen bieten, wollen wir einen Collegialrath (Appellations- gerichts- oder Regierungsrath) wählen, welcher in der mittleren Gehaltsclaſſe von 2000 Gulden ſteht. Sein Alter wird in der Regel etwas unter oder über 50 Jahre ſein, und ſeine Familie ſoll nicht ſtark ſein. Angenommen er habe vier Kinder und ein Dienſtmädchen, ſo werden ſich die allerunabweisbarſten Bedürfniſſe der Familie berechnen wie folgt. Wir beginnen mit denjenigen Ausgaben bei welchen eine weitgehende Sparſamkeit nicht möglich iſt, weil Erziehung, Stellung und gei- ſtiges Bedürfniß eine Gränze ziehen, unter welche nicht heruntergegangen werden kann, und deſſen die andern Poſten, deren Verwendung ſich dem Auge der Oeffent- lichkeit mehr entzieht, welche alſo mehr Elaſticität beſitzen, ſpäter nachfolgen. 1. Die Wohnung. Unſer Collegialrath muß beſcheiden ſein, und darauf verzichten ſich in bequemer Lage der Stadt behaglich auszubreiten. Er wird aber für eine beſchränkte Wohnung in einem entlegenen Stadttheil in den meiſten Städten mindeſtens 350 fl., in manchen mehr bezahlen müſſen, wenn er kann. 2. Die Kleidung und Schuhe. Wenn wir annehmen daß den Söhnen vor- zugsweiſe die abgelegten, nur nicht ganz zu Tode getragenen Kleidungsſtücke des Vaters und den Töchtern jene der Mutter zurecht gemacht werden, ſo wird es doch nicht möglich ſein bei großer Einfachheit mit weniger als 150 fl. des Jahres aus- zukommen. Was koſten nur die Stiefel und Schuhe! Schmuck, Pelzwerke u. dgl., dürfen nicht vorkommen. 3. Unterricht und Brennmaterial. Einen Sohn aus der laufenden Ein- nahme auf der Univerſität zu erhalten, iſt von vornherein unmöglich. Die Mittel hiezu müſſen in jüngeren Jahren erſpart worden ſein, und wenn dieß nicht möglich war, oder verſäumt worden iſt, ſo können die Söhne eben nicht ſtudieren (denn eine Verwendung von Capitalien welche in andern Lebenskreiſen als im Staatsdienſte vom Vater geſammelt worden ſind, dürfen wir als unwirthſchaftlich nicht anneh- men), oder der Vater muß ſich mit der Hoffnung tröſten daß ihm eine baldige Beför- derung die Möglichkeit gewähre ſeinen Kindern die nämliche Bildung angedeihen zu laſſen die er ſelbſt genoſſen hat. Nehmen wir alſo an daß die zwei Söhne das Gymnaſium oder ähnliche Anſtalten, die Mädchen aber eine Töchterſchule beſuchen. Privatunterricht in der Muſik und andern wünſchenswerthen Fertigkeiten muß auf das allergeringſte Maß, und zwar nur für eines oder das andere der Kinder, beſchränkt werden. Gleichwohl aber wird eine Summe von 150 fl. kaum ausreichen. 4. Beheizung und Beleuchtung wird, da unſere Familie ſich im Winter unmög- lich ganz auf ein Zimmer beſchränken kann, weil die Kinder viele Zeit zu Hausarbei- ten verwenden müſſen, und beſonders wenn auch der Vater zu Haus arbeiten muß, unmöglich mit weniger als 95 fl. beſchafft werden können. 5. Für Steuern, Umlagen, Stempel u. dgl. dürfen wir in mäßigftem An- ſatze 40 fl., 6. für Aſſecuranzen und Wittwenfondsbeiträge 50 fl. in Aufrechnung bringen, wobei natürlich von einer Lebensverſicherung oder einer ähnlichen ſehr nothwendigen Fürſorge für den Todesfall des Familienvaters keine Rede ſein kann. 7. Die Magd erfordert an Lohn und Geſchenken 60 fl. 8. Der Arzt und Apotheker darf nicht mehr als 40 fl. koſten, wobei un- vermeidliche Ausgaben für Mineralwaſſer u. dgl. eingerechnet ſein müſſen. Größere Krankheiten, Badecuren, Erholungsreiſen u. dgl. dürſen nicht vorkommen. Dazu reichen die Einnahmen ſchlechterdings nicht. 9) Ehrenausgaben. Wer kann ſich einer Unzahl von Vereinen, freiwilligen Beiträgen und wie alle die kleinern oder größern Anforderungen heißen, ganz ent- ziehen? Weihnachts- und Neujahrsgeſchenke an die Glieder der Familie und ſon- ſtige Angehörige gehören eben auch zu den nothwendigen Ausgaben, und wenn für das alles 50 fl. verwendet werden, ſo iſt ſchon ein weitgehendes Maß von Zurück- haltung nöthig, und müſſen viele nicht eben unberechtigte Anforderungen ab- gewieſen werden. 10) Hausgeräthe und Wäſche erfordern bei großer Einfachheit, wenn nur die Reinlichkeit und der unabweisbare Anſtand gewahrt werden ſollen, 60 fl. 11) Buchhändler und Buchbinder liefern das Handwerkszeug des geiſtigen Arbeiters und das Material für die Bildung der Kinder, aber die Bibliothek darf keine Liebhaberei ſein. Unſer Beamter wird kaum das Nöthigſte für 30 fl. an- ſchaffen können. 12) Allerlei Kleinigkeiten, wie Schreibmaterialen und Porti, Bäder im Sommer, Schlittſchuhe im Winter, Zeitungen u. ſ. f. mögen mit 25 fl. — noth- dürftig genug — in Anſatz kommen. Rechnen wir die vorhergehenden Beträge zuſammen, bei welchen ſchon ein weitgehendes Maß von Sparſamkeit und Enhaltſamkeit vorausgeſetzt iſt, eine Lebensweiſe wie ſie der Stellung eines Collegialraths im bürgerlichen Leben nicht entſpricht, ſo finden wir eine Summe von 1100 fl., und es bleiben alſo: 13) zur Nahrung noch 900 fl. übrig. Davon kann eine Familie von ſieben Köpfen allerdings leben, aber eben auch nur auf einem Fuße der dem Maß- ſtab keineswegs entſpricht für welchen man einen höhern Beamten berechtigt zu glauben pflegt. Für die Nahrung eines Soldaten bezahlt der Staat im Falle der Einquar- tierung täglich beiläufig 36 kr., und jedermann weiß daß der Quartierträger in der Stadt, wenn er nicht den ärmern Claſſen angehört, damit kaum ſeine Auslagen gedeckt ſieht. Rechnen wir nun auch die beiden jüngern Kinder unſeres Beamten für eine Perſon und nehmen die ſieben Köpfe für ſechs an, ſo finden wir eine Summe von 1314 fl. Das iſt aber viel zu viel. Die Fleiſchnahrung, ſo noth- wendig ſie für die bleichſüchtige, ſtubenſitzende, überarbeitete Generation unſer er Jugend wäre, muß zurücktreten, und die Kartoffeln ſpielen eine hervorragende Rolle. Von Geflügel und Wildpret iſt ſchon gar keine Sprache. Wein und Cigarren ſind Genüſſe, welche aus der Beſoldung nicht beſtritten werden können, ſo wünſchenswerth auch der erſtere für den in den Jahren vorrückenden Familienvater und ſo ange- nehm die letztern ſind. Geſellige Vergnügungen, Theater, Concerte, Sommer- friſche, ſo wohlthuend ſie bei mäßigem Genuſſe für das körperliche und geiſtige Befinden, ſo fördernd für die Arbeitskraft ſelbſt ſie auch ſein würden, ſind ver- botene Früchte für den Collegialrath der auf ſeine Beſoldung angewieſen iſt; für Lebensverſicherung u. dgl. gibt es keine Mittel. Man mag zu dieſen Berechnun- gen und Angaben den Kopf ſchütteln und ungläubig lächeln — damit ſind ſie aber nicht widerlegt. Sie gründen ſich auf Thatſachen und genaue Buchführungen, und liefern den Beweis daß die Beſoldungen der Staatsdiener für die reiferen Altersſtufen unbedingt unzulänglich ſind. Die Sache erklärt ſich auch außerordentlich einfach. Unſere Gehalte ſind vor einem halben Jahrhundert und noch früher regulirt worden, und haben ſeitdem keine Aenderung erfahren welche der Rede werth wäre. Seitdem aber find — das weiß jeder der nicht mehr jung iſt, und dazu bedarf es gar keiner ſtatiſtiſchen Nach- weiſe — die Lebensmittel und die Arbeitslöhne auf das Doppelte ihres früheren Betrages und zum Theil noch höher geſtiegen, und der ganze Lebensbedarf hat ſich in dem nämlichen Maße vertheuert. Ausgenommen ſind allenfalls die Kleiderſtoffe. aber dafür ſind auch die Anforderungen der Mode und des Anſtandes, und nament- lich die des Schneiders und des Schuhmachers, um ſo mehr geſtiegen. Es iſt alſo ganz natürlich und nothwendig daß jetzt ſchlechterdings nicht mehr genügt was früher reichlich war, und daß Staatsdiener welche man zu den höheren zu rechnen pflegt, in Kleidung, Nahrung und Lebensgenuß entſchieden hinter dem zurückſtehen was ſich der mittlere Bürgerſtand gönnen darf. Freilich finden ſich gerade in dieſem Stand und unter der Landbevölkerung, welche in unſerer zweiten Kammer, entſprechend den Bevölkerungsverhältniſſen unſeres Landes, zahlreich und ausſchlaggebend vertreten iſt, wenige welche zugeben werden daß ſie ein größeres oder wenigſtens verhältnißmäßig beſſeres Einkommen haben als ein Staatsdiener der mittleren Stufen. Allein das rührt davon her daß ſie ihr Einkommen nicht zu kennen pflegen: die einen weil ſie über das was ſie im Haushalt verbrauchen nicht genau Buch führen und deßhalb die Ausgaben dafür unterſchätzen; die anderen weil ſie nicht nur dieß unterlaſſen, ſondern auch die ſelbſt verbrauchten Erträgniſſe ihrer Wirthſchaft nicht in Anſchlag bringen, oder wenigſtens bedeutend unterſchätzen. Größere Unternehmer in Handel, Induſtrie und Landwirthſchaft, welche genaue Aufſchreibung führen über das was ſie für ihre Perſon und ihre Familie verbrauchen, werden die Richtigkeit dieſer Berechnungen und Vergleichungen anerkennen. Das in dieſen ausgedehnten Schichten der Be- völkerung verbreitete Vorurtheil über die vermeintlich günſtigere Lage der Beſol- deten trägt ſelbſt dazu bei den Zudrang zum Staatsdienſte zu ſteigern, und Freiheit der Concurrenz illuſoriſch zu machen. Aber nicht nur hier, ſondern auch in den höchſten Kreiſen unſerer Bureaukratie, bei den berufenen Vertretern der Staats- dienerſchaft, ſcheint nach den Erfahrungen des Jahres 1868 das Verſtändniß für die Bedürfniſſe der Beamten in dem Maße zu fehlen, als die betreffenden Perſonen dem Niveau einer beengten ökonomiſchen Stellung entrückt ſind. Sonſt würde man das Regulativ jenes Jahres nicht ſo widerſtandslos haben fallen laſſen. Neuerdings ſoll die Löſung der Beſoldungsfrage zwar auf die zahlreichen Anregungen der Preſſe hin wieder in Angriff genommen worden ſein, aber das Vertrauen der Staatsdiener daß ein rechter Ernſt damit werde gemacht werden, iſt in Folge der bisherigen Erfahrungen gering, und die Beſorgniß daß durch eine zu weit gehende Fürſorge für das bloße Alter eine allzu große Summe in Anſpruch genommen und dadurch das Schickſal des ganzen Antrags gefährdet werde, liegt nahe. Dazu kommt daß den geſtellten Anforderungen auf Verminderung der Be-

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 13, 13. Januar 1872, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine13_1872/2>, abgerufen am 11.12.2024.