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Allgemeine Zeitung, Nr. 13, 13. Januar 1872.

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Allgemeine Zeitung.
Nr. 13. Augsburg, Sonnabend, 13 Januar 1872.
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Gosen.
Uebersicht.

Die croatischen Ausgleichsverhandlungen.
Zur Besoldungsfrage der Staatsdiener mit besonderer Rücksicht
auf Bayern. II.
Aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika.
Aus der französischen Rationalversammlung.
Deutsches Reich.
Aus Bayern: Lebhafte Scenen in den Kammeraus-
schüssen. Hr. v. Hohe +. München: Ein Nekrolog für Prof. Greil. Berlin:
Die Telegramme aus Frankreich. Kriegsliteratur. Vom Hofe. Prinz Ferdinand
von Solms-Braunfels +. Caplan Haßler. Beziehungen zu Frankreich. Franzö-
sisches Geld. Vermeintlicher kirchlicher Nothstand in Berlin.
Oesterreichisch-ungarische Monarchie. Aus Oesterreich: Der Adreß-
entwurf des Herrenhauses. Interpellation wegen des Erzbischofs von Olmütz.
Wien: Graf Beust. Dementi. Allerlei Manöver. Zur Lage.
Schweiz. Bern: Wiederaufnahme der Bundesrevision. Vertagung der Bundes-
revision. Bundesrath Dr. Dubs.
Großbritannien. Die Rede Lord Derby's in Liverpool. Die Verbindung
zwischen England und Frankreich. Hofnachrichten. Der Oberst Chesney und
sein Bericht. Das Marinebudget. Gatling-Geschütze. Der republicanische Club
in Glasgow. Der englische Telegraphenverkehr.
Frankreich. Das linke Centrum und die Verfassungsfrage. Bischof Dupan-
loup. General Cremer. Dupont +. Kriegsgerichtsverhandlungen. Der Herzog
v. Persigny. Aus dem Budgetausschuß. Graf Arnim und Hr. Thiers.
Italien. Rom: Die Reorganisation der Universität Rom.
Dänemark. Kopenhagen: Die nordschleswigische Frage.
Rußland. St. Petersburg: Oesterreichische Blätter über russische
Friedenspolitik.
Türkei. Aus der Türkei: Das neue Jahr ohne neue Hoffnungen. Die Ver-
kehrtheit der türkischen Maßregeln in Bulgarien und Bosnien. Die Spannung
zwischen Montenegro und der Pforte und die russische Vermittlung.
Verschiedenes.



Telegraphische Berichte.

Abgeordnetenkammer. Abg. Pfarrer
Rußwurm interpellirt die Regierung wegen des Amberger Begräbnißfalles,
leitet aus der gewaltsamen Bewirkung des Glockengeläutes und aus der Gestat-
tung gottesdienstlicher Handlungen von Seiten des excommunicirten Professors
Friedrich mehrere Verfassungsverletzungen her, und fragt: was die Regierung zur
Wiederherstellung der verletzten Rechte thun werde. Cultusminister v. Lutz stellt
zunächst die Thatsachen richtig, weist nach daß das Verfahren der Regierung der
Oberpfalz ganz correct gewesen, da die ersten Anordnungen dem Stadtmagistrat
Amberg überlassen worden seien, der über Gemeindekirchen auch volle Verfügung habe.
Die Regierung der Oberpfalz habe nur verfügt daß der verstorbene Zunner als Katholik
zu behandeln sei, und darin Recht gehabt, da sie den Standpunkt der Staatsregierung
in dieser Frage zu dem ihrigen gemacht. Die Staatsregierung hat nur die civilrechtli-
chen Folgen der Excommunication abzuwehren; in Gewissensfragen mischt sie sich nicht.
Der verstorbene Zunner hatte ein Recht in weltlichen Formen als Katholik behan-
delt zu werden. Die Frage wegen Läutung der Sterbeglocke und der Stadtpfarr-
glocken sei noch offen, da die betreffenden Localverhältnisse dem Minister noch nicht
bekannt sind; den Schutz des katholischen Kircheneigenthums werde die Staats-
regierung stets übernehmen, ohne deßhalb die Frage über das Verhältniß zwischen
Kirchenbesitz und Gemeindebesitz an einer Kirche präjudiciren zu wollen.


Vorbörse. Creditactien 344, Lombarden 214.60, Anglo-
Austrian 343.25, Napoleons 9.11, Unionsbank 298. Tendem: fest.


Schlußcurse. 3proc Consols 92, 1882er Amerikaner
92, Türken 52 1/8 , 3proc. Spanier 31.


Goldagio 108 3/8 . Wechsel in Gold 1091/4, 1882er Bonds
110, 1885er 1093/4, 1904er 1093/4, Illinois 134. Eriebahn 35, Baumwolle 211/2,
Petroleum in Philadelphia 221/4, Mehl --.



Die croatischen Ausgleichsverhaudlungen.

Die Unterhandlungen zwischen der ungarischen Regierung
und den croatischen Parteien, über welche wir jüngst berichtet haben, sind zum
vorläufigen Abschlusse gelangt. Die Conferenzen wurden auf unbestimmte Zeit
vertagt; officiöse Stimmen versichern daß fie später in Pest wieder aufgenommen
werden sollen.

Was nun die Ergebnisse der Wiener Ausgleichsverhandlungen betrifft, so
begegnet man selbst in den Kreisen der deakistischen Organe den widersprechendsten
Mittheilungen. Während nämlich die "Reform" behauptet: daß "die Verhandlungen
einen befriedigenden Abschluß gefunden haben," behauptet "Pesti Naplo:" daß
die "Unterhandlungen zu keinem definitiven Ergebnisse geführt." Auf welcher
Seite ist die Wahrheit? So viel man aus den spärlichen Kundgebungen über die
in Wien gepflogenen Verhandlungen ersieht, sind beide Theile im Recht. Bestimmt
formulirte Punkte sind nicht festgestellt, nicht acceptirt worden; dennoch wurde
einiges erzielt.

Vor allem hat die ungarische Negierung directe Fühlung genommen mit der
[Spaltenumbruch] so sehr gefürchteten croatischen National-Partei, und dabei die alte Erfahrung ge-
macht daß der Teufel niemals so schwarz ist als man ihn zu malen pflegt. Sie hat
den "nationalen" Gravamina und Wünschen auf den Zahn gefühlt, und gefunden
daß auch hier die modernen Nationalitäts-Politiker der Duodez-Nationen stets
groß und gewaltig sind in aufgebauschten Phrasen, daß sie aber kleinlaut werden
sobald man sie auffordert ihre dunklen Ahnungen und Strebungen in die klare
deutliche Sprache des Alltagslebens zu übersetzen. Diese doppelte Wahrnehmung
ist jedenfalls ein schätzenswerther Gewinn für die ungarische Regierung.

Aber auch die "Nationalen" haben manches gewonnen. Es wurde ihnen
nicht minder die Gelegenheit jene gefürchtete, angefeindete und reichlich verketzerte
"magyarische" Regierung von Angesicht zu Angesicht zu sehen, und dabei zu ver-
nehmen daß diese Regierung einer vernünftigen, gesetzmäßigen Revision des Aus-
gleichsgesetzes vom Jahr 1868 principiell nicht abgeneigt sei. Doch müßte vorerst
die croatische "Nationalpartei" den Boden starrer Negation verlassen, sich auf die
Basis von 1868 stellen und dann ihre gemäßigten Wünsche genau formuliren.
Das thaten nun die Nationalen. Sie acceptirten das Gesetz vom Jahr 1868 als
Ausgleichsbasis, und überreichten dem Grafen Lonyay ein Memorandum, worin
sie sich bemühten die Wünsche und Beschwerden des "dreieinigen" Königreichs zu
präcisiren. Was nun von diesem Memorandum an die Oeffentlichkeit gedrungen
-- denn der Wortlaut ist leider noch unbekannt -- vermag nicht die Achtung vor
der Ideenklarheit dieser "Nationalen" zu erhöhen.

Das Memorandum beklagt vorerst die Beeinträchtigung der Landes-Auto-
nomie durch die Stellung der croatischen Executivorgane. Der Minister für Croa-
tien, welcher bestimmt ist in eroatisch-ungarischen Angelegenheiten den Vermittler zu
machen, sei zu einem integrirenden Theile des ungarischen Ministeriums geworden,
und dehne seine Macht sogar über den Chef Croatiens, den Ban, aus, während
letzterer doch nach dem Gesetz ein unabhängiger, nur dem croatischen Landtage
verantwortlicher Functionär sein solle. Diesem abnormen Zustande möge ein
Ende gemacht werden. Die von mehreren Blättern gebrachte weitere Mittheilung
daß die "Nationalen" auch verlangt hätten: der Ban möge in Zukunft zugleich
auch Präsident des Agramer obersten Gerichtshofes sein, welcher Wunsch allerdings
etwas sehr sonderbar wäre, wird jedoch neuestens als unrichtig dementirt.

Hinsichtlich der Finanzfrage erklären die croatischen Parteiführer, da sie durch-
aus keine Kenntniß über die Activa und Passiva haben, sich nur auf den Wunsch
zu beschränken daß ein desinitiver Ausweis über das Landesvermögen und die
darauf haftenden Lasten angefertigt werde, der seinerzeit dem Landtage zur wei-
tern Beschlußfassung vorgelegt werden soll; doch müssen sie schon jetzt betonen daß
das bisher übliche Pauschalsystem aufzulassen sei.

Die "Nationalen" thaten klug daran daß sie über die heikle Finanzfrage
in so unklarer, verschwommener Weise ihre Wünsche äußerten. Auch Ungarn
wünscht einen "definitiven Ausweis" über das Vermögen, die Einnahmen und
Ausgaben des "dreieinigen" Königreiches; solche dürre Zahlen sind am besten ge-
eignet die Hohlheit der Nationalitätsphrasen bloßzulegen. Die HH. Groß-
Croaten hätten bis heute noch keine einzige Meile Eisenbahn oder Straße, wenn
diese früher nicht durch Oesterreichs, jetzt durch Ungarns Geld und Credit erbaut
worden wären. Croatien ist für Ungarn eine finanzielle Last, die unser Deficit
vermehrt und Ungarn bisher nur eitel Feindschaft und Hader eingebracht hat.

Auch bezüglich der Stellung der Militärgränze und Dalmatiens enthält das
croatische Memorandum einige Wünsche. Es beruft sich auf das kgl. Reseript
vom 9 Mai 1861, in welchem einerseits die territoriale Integrität des "dreieinigen"
Königreichs feierlich zugesichert, und andrerseits entschieden erklärt wurde daß die
staatsrechtliche Stellung dieses Königreichs zur ungarischen Krone ohne Mitwir-
kung der Militärgränze nicht geregelt werden könne. Dabei bemerken die "Natio-
nalen" daß es ja nur im Interesse der ungarischen Regierung liegen müsse durch
Verwirklichung der angeführten königlichen Worte einerseits jeden Vorwand zu einer
künftigen Antastung des Ausgleichs zu beseitigen, und anbrerseits die Macht der
St. Stephanskrone wesentlich zu vermehren.

Was die "Nationalen" von der Militärgränze sprechen, hat bereits seine
Erledigung darin gefunden daß die Auflösung und Provincialisirung dieser Gränze
theils eingeleitet, theils im einzelnen auch schon durchgeführt wurde. Und gerade
Croatien hat bereits eine Vergrößerung durch zwei Comitate (Warasdin und Bello-
var) erfahren. Daß die Umvandlung schrittweise, successive geschieht, ist ebenso
klug als für die Gränzer vortheilhaft und für jeden Unbefangenen einleuchtend,
wenn man erwägt daß es sich hier um die Abänderung der durch drei Jahrhun-
derte gewordenen Zustände und Verhältnisse handelt. Die kühne Phantasie der
Südslaven überfliegt allerdings jedes Hinderniß.

Daß die Militärgränze zur "Krone des heil. Stephan" gehört, ist staats-
rechtlich und historisch ausgemacht; anders steht es um Dalmatien, dessen Vertre-
ter heut im österreichischen Reichsrathe sitzen. Selbst die schärfsten staatsrecht-
lichen und historischen Deductionen werden die Zweifler nicht bekehren, die nicht
begreifen können welche Rechte diese Krone auf ein Land haben soll das sie nie-
mals vollständig oder unbestritten beseffen, dessen Besitztheil sie dann im ordent-

Allgemeine Zeitung.
Nr. 13. Augsburg, Sonnabend, 13 Januar 1872.
Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Goſen.
Ueberſicht.

Die croatiſchen Ausgleichsverhandlungen.
Zur Beſoldungsfrage der Staatsdiener mit beſonderer Rückſicht
auf Bayern. II.
Aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika.
Aus der franzöſiſchen Rationalverſammlung.
Deutſches Reich.
Aus Bayern: Lebhafte Scenen in den Kammeraus-
ſchüſſen. Hr. v. Hohe †. München: Ein Nekrolog für Prof. Greil. Berlin:
Die Telegramme aus Frankreich. Kriegsliteratur. Vom Hofe. Prinz Ferdinand
von Solms-Braunfels †. Caplan Haßler. Beziehungen zu Frankreich. Franzö-
ſiſches Geld. Vermeintlicher kirchlicher Nothſtand in Berlin.
Oeſterreichiſch-ungariſche Monarchie. Aus Oeſterreich: Der Adreß-
entwurf des Herrenhauſes. Interpellation wegen des Erzbiſchofs von Olmütz.
Wien: Graf Beuſt. Dementi. Allerlei Manöver. Zur Lage.
Schweiz. Bern: Wiederaufnahme der Bundesreviſion. Vertagung der Bundes-
reviſion. Bundesrath Dr. Dubs.
Großbritannien. Die Rede Lord Derby’s in Liverpool. Die Verbindung
zwiſchen England und Frankreich. Hofnachrichten. Der Oberſt Chesney und
ſein Bericht. Das Marinebudget. Gatling-Geſchütze. Der republicaniſche Club
in Glasgow. Der engliſche Telegraphenverkehr.
Frankreich. Das linke Centrum und die Verfaſſungsfrage. Biſchof Dupan-
loup. General Cremer. Dupont †. Kriegsgerichtsverhandlungen. Der Herzog
v. Perſigny. Aus dem Budgetausſchuß. Graf Arnim und Hr. Thiers.
Italien. Rom: Die Reorganiſation der Univerſität Rom.
Dänemark. Kopenhagen: Die nordſchleswigiſche Frage.
Rußland. St. Petersburg: Oeſterreichiſche Blätter über ruſſiſche
Friedenspolitik.
Türkei. Aus der Türkei: Das neue Jahr ohne neue Hoffnungen. Die Ver-
kehrtheit der türkiſchen Maßregeln in Bulgarien und Bosnien. Die Spannung
zwiſchen Montenegro und der Pforte und die ruſſiſche Vermittlung.
Verſchiedenes.



Telegraphiſche Berichte.

Abgeordnetenkammer. Abg. Pfarrer
Rußwurm interpellirt die Regierung wegen des Amberger Begräbnißfalles,
leitet aus der gewaltſamen Bewirkung des Glockengeläutes und aus der Geſtat-
tung gottesdienſtlicher Handlungen von Seiten des excommunicirten Profeſſors
Friedrich mehrere Verfaſſungsverletzungen her, und fragt: was die Regierung zur
Wiederherſtellung der verletzten Rechte thun werde. Cultusminiſter v. Lutz ſtellt
zunächſt die Thatſachen richtig, weist nach daß das Verfahren der Regierung der
Oberpfalz ganz correct geweſen, da die erſten Anordnungen dem Stadtmagiſtrat
Amberg überlaſſen worden ſeien, der über Gemeindekirchen auch volle Verfügung habe.
Die Regierung der Oberpfalz habe nur verfügt daß der verſtorbene Zunner als Katholik
zu behandeln ſei, und darin Recht gehabt, da ſie den Standpunkt der Staatsregierung
in dieſer Frage zu dem ihrigen gemacht. Die Staatsregierung hat nur die civilrechtli-
chen Folgen der Excommunication abzuwehren; in Gewiſſensfragen miſcht ſie ſich nicht.
Der verſtorbene Zunner hatte ein Recht in weltlichen Formen als Katholik behan-
delt zu werden. Die Frage wegen Läutung der Sterbeglocke und der Stadtpfarr-
glocken ſei noch offen, da die betreffenden Localverhältniſſe dem Miniſter noch nicht
bekannt ſind; den Schutz des katholiſchen Kircheneigenthums werde die Staats-
regierung ſtets übernehmen, ohne deßhalb die Frage über das Verhältniß zwiſchen
Kirchenbeſitz und Gemeindebeſitz an einer Kirche präjudiciren zu wollen.


Vorbörſe. Creditactien 344, Lombarden 214.60, Anglo-
Auſtrian 343.25, Napoleons 9.11, Unionsbank 298. Tendem: feſt.


Schlußcurſe. 3proc Conſols 92, 1882er Amerikaner
92, Türken 52⅛, 3proc. Spanier 31.


Goldagio 108⅜. Wechſel in Gold 109¼, 1882er Bonds
110, 1885er 109¾, 1904er 109¾, Illinois 134. Eriebahn 35, Baumwolle 21½,
Petroleum in Philadelphia 22¼, Mehl —.



Die croatiſchen Ausgleichsverhaudlungen.

Die Unterhandlungen zwiſchen der ungariſchen Regierung
und den croatiſchen Parteien, über welche wir jüngſt berichtet haben, ſind zum
vorläufigen Abſchluſſe gelangt. Die Conferenzen wurden auf unbeſtimmte Zeit
vertagt; officiöſe Stimmen verſichern daß fie ſpäter in Peſt wieder aufgenommen
werden ſollen.

Was nun die Ergebniſſe der Wiener Ausgleichsverhandlungen betrifft, ſo
begegnet man ſelbſt in den Kreiſen der deakiſtiſchen Organe den widerſprechendſten
Mittheilungen. Während nämlich die „Reform“ behauptet: daß „die Verhandlungen
einen befriedigenden Abſchluß gefunden haben,“ behauptet „Peſti Naplo:“ daß
die „Unterhandlungen zu keinem definitiven Ergebniſſe geführt.“ Auf welcher
Seite iſt die Wahrheit? So viel man aus den ſpärlichen Kundgebungen über die
in Wien gepflogenen Verhandlungen erſieht, ſind beide Theile im Recht. Beſtimmt
formulirte Punkte ſind nicht feſtgeſtellt, nicht acceptirt worden; dennoch wurde
einiges erzielt.

Vor allem hat die ungariſche Negierung directe Fühlung genommen mit der
[Spaltenumbruch] ſo ſehr gefürchteten croatiſchen National-Partei, und dabei die alte Erfahrung ge-
macht daß der Teufel niemals ſo ſchwarz iſt als man ihn zu malen pflegt. Sie hat
den „nationalen“ Gravamina und Wünſchen auf den Zahn gefühlt, und gefunden
daß auch hier die modernen Nationalitäts-Politiker der Duodez-Nationen ſtets
groß und gewaltig ſind in aufgebauſchten Phraſen, daß ſie aber kleinlaut werden
ſobald man ſie auffordert ihre dunklen Ahnungen und Strebungen in die klare
deutliche Sprache des Alltagslebens zu überſetzen. Dieſe doppelte Wahrnehmung
iſt jedenfalls ein ſchätzenswerther Gewinn für die ungariſche Regierung.

Aber auch die „Nationalen“ haben manches gewonnen. Es wurde ihnen
nicht minder die Gelegenheit jene gefürchtete, angefeindete und reichlich verketzerte
„magyariſche“ Regierung von Angeſicht zu Angeſicht zu ſehen, und dabei zu ver-
nehmen daß dieſe Regierung einer vernünftigen, geſetzmäßigen Reviſion des Aus-
gleichsgeſetzes vom Jahr 1868 principiell nicht abgeneigt ſei. Doch müßte vorerſt
die croatiſche „Nationalpartei“ den Boden ſtarrer Negation verlaſſen, ſich auf die
Baſis von 1868 ſtellen und dann ihre gemäßigten Wünſche genau formuliren.
Das thaten nun die Nationalen. Sie acceptirten das Geſetz vom Jahr 1868 als
Ausgleichsbaſis, und überreichten dem Grafen Lonyay ein Memorandum, worin
ſie ſich bemühten die Wünſche und Beſchwerden des „dreieinigen“ Königreichs zu
präciſiren. Was nun von dieſem Memorandum an die Oeffentlichkeit gedrungen
— denn der Wortlaut iſt leider noch unbekannt — vermag nicht die Achtung vor
der Ideenklarheit dieſer „Nationalen“ zu erhöhen.

Das Memorandum beklagt vorerſt die Beeinträchtigung der Landes-Auto-
nomie durch die Stellung der croatiſchen Executivorgane. Der Miniſter für Croa-
tien, welcher beſtimmt iſt in eroatiſch-ungariſchen Angelegenheiten den Vermittler zu
machen, ſei zu einem integrirenden Theile des ungariſchen Miniſteriums geworden,
und dehne ſeine Macht ſogar über den Chef Croatiens, den Ban, aus, während
letzterer doch nach dem Geſetz ein unabhängiger, nur dem croatiſchen Landtage
verantwortlicher Functionär ſein ſolle. Dieſem abnormen Zuſtande möge ein
Ende gemacht werden. Die von mehreren Blättern gebrachte weitere Mittheilung
daß die „Nationalen“ auch verlangt hätten: der Ban möge in Zukunft zugleich
auch Präſident des Agramer oberſten Gerichtshofes ſein, welcher Wunſch allerdings
etwas ſehr ſonderbar wäre, wird jedoch neueſtens als unrichtig dementirt.

Hinſichtlich der Finanzfrage erklären die croatiſchen Parteiführer, da ſie durch-
aus keine Kenntniß über die Activa und Paſſiva haben, ſich nur auf den Wunſch
zu beſchränken daß ein deſinitiver Ausweis über das Landesvermögen und die
darauf haftenden Laſten angefertigt werde, der ſeinerzeit dem Landtage zur wei-
tern Beſchlußfaſſung vorgelegt werden ſoll; doch müſſen ſie ſchon jetzt betonen daß
das bisher übliche Pauſchalſyſtem aufzulaſſen ſei.

Die „Nationalen“ thaten klug daran daß ſie über die heikle Finanzfrage
in ſo unklarer, verſchwommener Weiſe ihre Wünſche äußerten. Auch Ungarn
wünſcht einen „definitiven Ausweis“ über das Vermögen, die Einnahmen und
Ausgaben des „dreieinigen“ Königreiches; ſolche dürre Zahlen ſind am beſten ge-
eignet die Hohlheit der Nationalitätsphraſen bloßzulegen. Die HH. Groß-
Croaten hätten bis heute noch keine einzige Meile Eiſenbahn oder Straße, wenn
dieſe früher nicht durch Oeſterreichs, jetzt durch Ungarns Geld und Credit erbaut
worden wären. Croatien iſt für Ungarn eine finanzielle Laſt, die unſer Deficit
vermehrt und Ungarn bisher nur eitel Feindſchaft und Hader eingebracht hat.

Auch bezüglich der Stellung der Militärgränze und Dalmatiens enthält das
croatiſche Memorandum einige Wünſche. Es beruft ſich auf das kgl. Reſeript
vom 9 Mai 1861, in welchem einerſeits die territoriale Integrität des „dreieinigen“
Königreichs feierlich zugeſichert, und andrerſeits entſchieden erklärt wurde daß die
ſtaatsrechtliche Stellung dieſes Königreichs zur ungariſchen Krone ohne Mitwir-
kung der Militärgränze nicht geregelt werden könne. Dabei bemerken die „Natio-
nalen“ daß es ja nur im Intereſſe der ungariſchen Regierung liegen müſſe durch
Verwirklichung der angeführten königlichen Worte einerſeits jeden Vorwand zu einer
künftigen Antaſtung des Ausgleichs zu beſeitigen, und anbrerſeits die Macht der
St. Stephanskrone weſentlich zu vermehren.

Was die „Nationalen“ von der Militärgränze ſprechen, hat bereits ſeine
Erledigung darin gefunden daß die Auflöſung und Provincialiſirung dieſer Gränze
theils eingeleitet, theils im einzelnen auch ſchon durchgeführt wurde. Und gerade
Croatien hat bereits eine Vergrößerung durch zwei Comitate (Warasdin und Bello-
var) erfahren. Daß die Umvandlung ſchrittweiſe, ſucceſſive geſchieht, iſt ebenſo
klug als für die Gränzer vortheilhaft und für jeden Unbefangenen einleuchtend,
wenn man erwägt daß es ſich hier um die Abänderung der durch drei Jahrhun-
derte gewordenen Zuſtände und Verhältniſſe handelt. Die kühne Phantaſie der
Südſlaven überfliegt allerdings jedes Hinderniß.

Daß die Militärgränze zur „Krone des heil. Stephan“ gehört, iſt ſtaats-
rechtlich und hiſtoriſch ausgemacht; anders ſteht es um Dalmatien, deſſen Vertre-
ter heut im öſterreichiſchen Reichsrathe ſitzen. Selbſt die ſchärfſten ſtaatsrecht-
lichen und hiſtoriſchen Deductionen werden die Zweifler nicht bekehren, die nicht
begreifen können welche Rechte dieſe Krone auf ein Land haben ſoll das ſie nie-
mals vollſtändig oder unbeſtritten beſeffen, deſſen Beſitztheil ſie dann im ordent-

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[0001] Allgemeine Zeitung. Nr. 13. Augsburg, Sonnabend, 13 Januar 1872. Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Goſen. Ueberſicht. Die croatiſchen Ausgleichsverhandlungen. Zur Beſoldungsfrage der Staatsdiener mit beſonderer Rückſicht auf Bayern. II. Aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Aus der franzöſiſchen Rationalverſammlung. Deutſches Reich. Aus Bayern: Lebhafte Scenen in den Kammeraus- ſchüſſen. Hr. v. Hohe †. München: Ein Nekrolog für Prof. Greil. Berlin: Die Telegramme aus Frankreich. Kriegsliteratur. Vom Hofe. Prinz Ferdinand von Solms-Braunfels †. Caplan Haßler. Beziehungen zu Frankreich. Franzö- ſiſches Geld. Vermeintlicher kirchlicher Nothſtand in Berlin. Oeſterreichiſch-ungariſche Monarchie. Aus Oeſterreich: Der Adreß- entwurf des Herrenhauſes. Interpellation wegen des Erzbiſchofs von Olmütz. Wien: Graf Beuſt. Dementi. Allerlei Manöver. Zur Lage. Schweiz. Bern: Wiederaufnahme der Bundesreviſion. 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Abg. Pfarrer Rußwurm interpellirt die Regierung wegen des Amberger Begräbnißfalles, leitet aus der gewaltſamen Bewirkung des Glockengeläutes und aus der Geſtat- tung gottesdienſtlicher Handlungen von Seiten des excommunicirten Profeſſors Friedrich mehrere Verfaſſungsverletzungen her, und fragt: was die Regierung zur Wiederherſtellung der verletzten Rechte thun werde. Cultusminiſter v. Lutz ſtellt zunächſt die Thatſachen richtig, weist nach daß das Verfahren der Regierung der Oberpfalz ganz correct geweſen, da die erſten Anordnungen dem Stadtmagiſtrat Amberg überlaſſen worden ſeien, der über Gemeindekirchen auch volle Verfügung habe. Die Regierung der Oberpfalz habe nur verfügt daß der verſtorbene Zunner als Katholik zu behandeln ſei, und darin Recht gehabt, da ſie den Standpunkt der Staatsregierung in dieſer Frage zu dem ihrigen gemacht. Die Staatsregierung hat nur die civilrechtli- chen Folgen der Excommunication abzuwehren; in Gewiſſensfragen miſcht ſie ſich nicht. Der verſtorbene Zunner hatte ein Recht in weltlichen Formen als Katholik behan- delt zu werden. Die Frage wegen Läutung der Sterbeglocke und der Stadtpfarr- glocken ſei noch offen, da die betreffenden Localverhältniſſe dem Miniſter noch nicht bekannt ſind; den Schutz des katholiſchen Kircheneigenthums werde die Staats- regierung ſtets übernehmen, ohne deßhalb die Frage über das Verhältniß zwiſchen Kirchenbeſitz und Gemeindebeſitz an einer Kirche präjudiciren zu wollen. * Wien, 12 Jan. Vorbörſe. Creditactien 344, Lombarden 214.60, Anglo- Auſtrian 343.25, Napoleons 9.11, Unionsbank 298. Tendem: feſt. * London, 11 Jan Schlußcurſe. 3proc Conſols 92[FORMEL], 1882er Amerikaner 92[FORMEL], Türken 52⅛, 3proc. Spanier 31[FORMEL]. * New-York, 11 Jan. Goldagio 108⅜. Wechſel in Gold 109¼, 1882er Bonds 110, 1885er 109¾, 1904er 109¾, Illinois 134. Eriebahn 35, Baumwolle 21½, Petroleum in Philadelphia 22¼, Mehl —. Die croatiſchen Ausgleichsverhaudlungen. ⊙ Peſt, 10 Jan. Die Unterhandlungen zwiſchen der ungariſchen Regierung und den croatiſchen Parteien, über welche wir jüngſt berichtet haben, ſind zum vorläufigen Abſchluſſe gelangt. Die Conferenzen wurden auf unbeſtimmte Zeit vertagt; officiöſe Stimmen verſichern daß fie ſpäter in Peſt wieder aufgenommen werden ſollen. Was nun die Ergebniſſe der Wiener Ausgleichsverhandlungen betrifft, ſo begegnet man ſelbſt in den Kreiſen der deakiſtiſchen Organe den widerſprechendſten Mittheilungen. Während nämlich die „Reform“ behauptet: daß „die Verhandlungen einen befriedigenden Abſchluß gefunden haben,“ behauptet „Peſti Naplo:“ daß die „Unterhandlungen zu keinem definitiven Ergebniſſe geführt.“ Auf welcher Seite iſt die Wahrheit? So viel man aus den ſpärlichen Kundgebungen über die in Wien gepflogenen Verhandlungen erſieht, ſind beide Theile im Recht. Beſtimmt formulirte Punkte ſind nicht feſtgeſtellt, nicht acceptirt worden; dennoch wurde einiges erzielt. Vor allem hat die ungariſche Negierung directe Fühlung genommen mit der ſo ſehr gefürchteten croatiſchen National-Partei, und dabei die alte Erfahrung ge- macht daß der Teufel niemals ſo ſchwarz iſt als man ihn zu malen pflegt. Sie hat den „nationalen“ Gravamina und Wünſchen auf den Zahn gefühlt, und gefunden daß auch hier die modernen Nationalitäts-Politiker der Duodez-Nationen ſtets groß und gewaltig ſind in aufgebauſchten Phraſen, daß ſie aber kleinlaut werden ſobald man ſie auffordert ihre dunklen Ahnungen und Strebungen in die klare deutliche Sprache des Alltagslebens zu überſetzen. Dieſe doppelte Wahrnehmung iſt jedenfalls ein ſchätzenswerther Gewinn für die ungariſche Regierung. Aber auch die „Nationalen“ haben manches gewonnen. 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Croatien iſt für Ungarn eine finanzielle Laſt, die unſer Deficit vermehrt und Ungarn bisher nur eitel Feindſchaft und Hader eingebracht hat. Auch bezüglich der Stellung der Militärgränze und Dalmatiens enthält das croatiſche Memorandum einige Wünſche. Es beruft ſich auf das kgl. Reſeript vom 9 Mai 1861, in welchem einerſeits die territoriale Integrität des „dreieinigen“ Königreichs feierlich zugeſichert, und andrerſeits entſchieden erklärt wurde daß die ſtaatsrechtliche Stellung dieſes Königreichs zur ungariſchen Krone ohne Mitwir- kung der Militärgränze nicht geregelt werden könne. Dabei bemerken die „Natio- nalen“ daß es ja nur im Intereſſe der ungariſchen Regierung liegen müſſe durch Verwirklichung der angeführten königlichen Worte einerſeits jeden Vorwand zu einer künftigen Antaſtung des Ausgleichs zu beſeitigen, und anbrerſeits die Macht der St. Stephanskrone weſentlich zu vermehren. 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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 13, 13. Januar 1872, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine13_1872/1>, abgerufen am 03.12.2024.