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Allgemeine Zeitung. Nr. 127. München, 17. März 1908.

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München, Dienstag Allgemeine Zeitung 17. März 1908. Nr. 127.
Münchener Stadtanzeiger.

Erinnerung war, lebhafte Ovationen. Marya Delvard ist der
Typus des Ueberweibes. Oder des Unterweibes? Wie sie seit
einigen Tagen von den Anschlagsäulen herabschaut, schlanker als
schlank, auf der löwenzahnstengelhaft biegsamen Figur ein inter-
essanter Kopf mit scharsprofiliertem Gesicht und sprechenden
großen Augen -- so präsentiert sie sich auf der kleinen Bühne bei
Trefler, fast eine Karikatur. Hans Hyan, Schlemihl, Roda-Roda
u. a. waren die Autoren ihres gestrigen Programms, und sie
verstand es vortrefflich, den Dichtungen, ob sie soziale Probleme
behandelten, ob sie sarkastischen Inhaltes waren, oder -- wie in
einem italienischen Volkslied -- keck-heitere Töne anschlugen,
lebendigen Ausdruck zu verleihen und alle Pointen zu indi-
vidualistisch starker Geltung zu bringen. Ihre eigentümlich
fesselnde, von der gewollt eigenartigen Erscheinung natürlich
stark beeinträchtigte Vortragsweise erzielte, wie stets, einen
starken Erfolg, was übrigens auch von Monsieur Henri, Marya
Delvards hier ebenfalls wohlbekanntem temperamentvollen
Partner -- teils als Begleiter am Flügel, teils mit eigenen
Produktionen -- in vollem Maße zu konstatieren ist.

* Tarifbewegung im Baugewerbe.

Die Maurer und
Bauhilfsarbeiter Münchens haben am Sonntag Vormittag
in zwei Versammlungen den Bericht über die stattgefun-
denen Tarifverhandlungen entgegengenommen. Den Ver-
tretern der Arbeiter in den Tarifverhandlungen vor dem
Einigungsamte wurde das Vertrauen ausgesprochen und
in einer Resolution auf die Möglichkeit eines für das wirt-
schaftliche Leben Münchens, vor allem auch für die Aus-
stellung verhängnisvollen Konflikts hingewiesen.

Bayerische Chronik.
Das neue Gehaltsregulativ.

Die Verbände der Kanzlisten bei den Justiz-
behörden Bayerns
und des Kanzleipersonals der
kgl. bayer. Staatseisenbahnen
hatten für Sonntag
Landesversammlungen nach München einberufen. Die
Kanzlisten bei den Justizbehörden hielten ihre Landesver-
sammlung in den Zentraisälen ab mit der Tagesordnung: "Stel-
lungnahme gegen die Zurücksetzung der Justizkanzlisten in der
neuen Gehaltsordnung." Als Vertreter der Landragsfraktionen
wohnten der Versammlung bei: Oberlandesgerichtsrat Gerich-
ten
(lib.), Amtsrichter Haus (Zentr.), Arbeitersekretär
Königbauer (Zentr.) und Magistratsrat Eduard Schmid
(Soz.). Nach herzlichen Begrüßungsworten des Vorsitzenden,
Postexpeditor Abele-München, führte der Referent, Sekre-
tariatsassistent Dittmar-München, aus: Die Erregung der
Kanzlisten sei eine allgemeine, man hätte sie wenigstens zum
Teil hintanhalten können, wenn die Staatsregierung nicht so ge-
heimnisvoll in dieser Frage vorgegangen wäre. Die Aufgabe
sei, die Regierung und die Volksvertretung zu überzeugen, daß
die Kanzlisten bei den Justizbehörden in dem neuen Gehalts-
regulativ nicht so behandelt wurden wie sie es verdient haben.
In erster Linie sei der Anfangsgehalt eines Sekretariatsassisten-
ten (bisher Sekretariatsgehilfe) von 1275 M auf 1200 M herab-
gesetzt worden. Auch bei der zweiten Gehaltsvorrückung erleidet
dieser Beamte eine Einbuße von 45 M, und erst mit dem siebenten
Dienstjahre beträgt seine jährliche Aufbesserung 45 M. Mit dem
16. Dienst- und dem 45. bis 50. Lebensjahre bekommt er nach
dem neuen Gehaltsregulativ einen Gehalt von 1950 M, während
er nach dem alten in der gleichen Zeit einschließlich einer
Zulage von 200 M einen solchen von 1995 M erhalten würde;
also auch hier ist wieder eine Einbuße von 45 M zu verzeich-
nen. Genau so verhält es sich beim Kanzleiexpeditor. Die nicht
in den Etat aufgenommenen Beamten und Bediensteten sind voll-
ständig leer ausgegangen. Für diese sollte gerechterweise
die gleiche achtprozentige Zulage eintreten wie für die in den
Etat aufgenommenen Beamten und Bediensteten. Es sollten vom
21. Lebensjahre an alle Beamten und Bediensteten etatsmäßig
sein. Das Justizkanzleipersonal setzt nun in die Volksvertretung
das Vertrauen, daß sie ihnen zu Hilfe kommt. Der Redner schließt
seine mit stürmischem Beifall aufgenommene Rede mit dem Rufe:
"Seid einig, einig, einig!" Der zweite Referent, Kanzleiexpeditor
Deggendorfer-Dingolfing, wünscht, daß das neue Regula-
tiv nicht erst am 1. Januar 1909, sondern schon am 1. Oktober
1908 in Krast trete. Die neue Gehaltsordnung habe aber den
70,000 Beamten in Bayern eine große Enttäuschung gebracht.
Durch eine derartige Behandlung wie in dem Gehaltsregulativ
kann die Arbeitsfreudigkeit der Beamten nicht gehoben
werden. In der sich anschließenden Diskussion erklärt Abg. Ober-
landesgerichtsrat Gerichten namens der liberalen Partei, daß
diese auf dem Standpunkt stehe, daß mit dem neuen Gehalts-
regulativ ein zufriedener Beamtenstand geschaffen werden soll.
Das Personal könne davon überzeugt sein, daß die Volksvertre-
tung gerechten Wünschen entgegenkommen werde. Abg. Amtsrichter
Dr. Haus (Zentr.) schließt sich den Ausführungen des Vorred-
ners an und versichert, daß seine Partei die Klagen des Kanzlei-
personals mit Wohlwollen behandeln werde. Namens der sozial-
demokratischen Partei erklärt Abg. Eduard Schmid, daß seine
Partei entschieden für die Aufbesserung des Kanzleipersonals ein-
treten werde. Wenn ihn etwas in den Ausführungen der beiden
Referenten befremdet habe, so war es ihre Bescheidenheit. Nach
einer weiteren Diskussion kam nachstehende Resolution zur
Annahme:

"Die zu München versammelten Kanzlisten bei den
Justizbehörden Bayerns erklären, daß ihnen in der neuen Ge-
haltsordnung eine unverdiente Zurücksetzung wider-
fahren ist. Sie legen Verwahrung ein gegen die in der neuen
Gehaltsordnung zum Ausdruck gebrachte Annahme, daß die
Dienstleistung der Kanzleiexpeditoren und Sekretariatsassistenten,
dann der Buchhalter und Verwaltungsoffizianten bei den Straf-
anstalten bisher zu gut bezahlt waren und daß in der neuen
Gehaltsordnung diese Beamtengruppen nicht nur von jeder Ge-
haltserhöhung ausgeschlossen sind, sondern sogar sich eine Gehalts-
erniedrigung gefallen lassen müssen. Sie beauftragen ihre Stan-
desvertretung, in einer Denkschrift der kgl. Staatsregierung und
Volksvertretung die umfangreiche und verantwortungsvolle
Dienstleistung des Justizkanzleipersonals darzulegen und für diese
eine bessere Berücksichtigung in der neuen Gehaltsordnung zu
erbitten."

Im Katholischen Gesellschaftshaus tagte gleichfalls Sonn-
tag Nachmittag der Kanzleigehilfenverband der bayerischen
Verkehrsanstalten. Aus allen Kreisen Bayerns waren Mitglieder
erschienen. Nach Begrüßungsworten des Vorsitzenden gab Ver-
bandssekretär Stark ein umfangreiches Referat über die
Wünsche dieser Kategorie. Sie lassen sich kurz so zusammenfassen:
Das Kanzleipersonal soll, so weit es keine abgeschlossene Vor-
bildung besitzt, in die Gehaltsklasse von 1700 M mit Vorrückung
bis zu 3100 M eingereiht werden. Von 3 zu 3 Jahren soll eine
Zulage von 200 M erfolgen. Die Wartezeit soll auf die status-
mäßige Anstellung angerechnet werden. Eine vollständige Gleich-
stellung mit dem Kanzleipersonal der Post soll angestrebt werden.
Die lebhafte Diskussion hielt sich streng in dem Rahmen dieser
Anregungen und förderte naturgemäß neue Gesichtspunkte nicht
mehr zutage. Nach 41/2stündiger Dauer wurde nachstehende Reso-
lution
gefaßt:

Das Kanzleipersonal der Staatseisenbahn bedauert auf das
[Spaltenumbruch] lebhafteste, daß in der neuen Gehaltsordnung trotz des Grund-
satzes, gleiche Vorbildung, gleiche Rechte, eine ein-
heitliche
Regelung der Verhältnisse des Kanzleiper-
sonals aller Ressorts
nicht durchgeführt und nament-
lich das der Eisenbahn ganz besonders zurückgesetzt wurde. Daß
es nicht einmal mit dem -- dem gleichen Ministerium -- unter-
stellten Postkanzleipersonal, das keine andere Ausbildung besitzt,
ebenso nicht anders verwendet wird, gleichgestellt wurde, muß es
als eine ganz willkürliche unverdiente Herabwürdi-
gung seines Standes
betrachten, zumal erwiesenermaßen
diese Gleichstellung wiederholt versprochen und vom Landtag ge-
wünscht wurde. Die Versammlung beaustragt die Vorstandschaft,
daß sie mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln auf eine
Gleichstellung mit dem gleich vorgebildeten und voll-
ständig gleichartig verwendeten Kanzleipersonal aller übrigen
Behörden, insbesondere dem der Post, hinwirkt. Als selbstver-
ständliche Forderung muß die Anrechnung der übermäßig langen
Wartezeit bis zur statusmäßigen Anstellung gegenüber dem Post-
kanzleipersonal betrachtet werden. Zugleich stellt die Versamm-
lung sowohl an die Staatsregierung als auch an den Landtag
die dringendste Bitte, eine allen Beteiligten gerecht wer-
dende Lösung dieser die Gehaltsnerhältnisse vier Jahrzehnte
hinaus festlegende Frage herbeizuführen.

Unter Dankesworten an die Redner und an die Landtags-
abgeordneten Löweneck und Cadau wurde die würdig ver-
laufene Versammlung geschlossen.

* Ministervortrag.

Se. kgl. Hoheit der Prinzregent
haben heute vormittag den Staatsminister des Innern
v. Brettreich zum Vortrag empfangen.

* Die Vakanzen in den bayerischen Domkapiteln.

Die
Wiederbesetzung der durch den Tod des Domkapitulars, Ge-
neralvikars Maurer in Bamberg erledigte Stelle steht in
diesem Monate der Krone zu; die Ernennung eines Gene-
ralvikars, welche Stelle der Verstorbene hatte, ist lediglich
Sache des Erzbischofs und wird vor der Allerhöchsten Er-
nennung erfolgen.

In bezug auf die Besetzung der Stelle eines Dom-
propstes in Regensburg kann die Allgemeine Zeitung
melden, daß offiziell aus Rom noch keine Meldung vorliegt;
die definitive Ernennung eines neuen Domherrn in Mün-
chen an die Stelle des verstorbenen Dr. Specht ist vorerst
noch nicht erfolgt; es läßt sich also eine sichere Angabe einer
Persönlichkeit nicht machen.


Das Manöver des 2. Armee-
korps findet heuer im nordwestlichen Teil der Pfalz statt.
Ein Teil der Truppen nimmt bekanntlich am Kaiser-
manöver
teil. Ein Korpsmanöver wird nicht abge-
halten. Die 7. Infanterie-Brigade wird eine dreitägige
Festungskriegsübung bei Germersheim vornehmen.


(Privattelegr.)
Der vierfache Kindsmörder, der Schmied Höfling, ge-
stand dem Untersuchungsrichter ein, daß er in Gemeinschaft
seiner beiden Stieftöchter die Kinder ermordet, zwei im
Keller vergraben und zwei in den Main geworfen habe.

Gerichtssaal.
Räuberische Erpressung an einem Mitglied des bayerischen
Königshauses.

(Privattelegramm.)
Die Verhandlung gegen den Bauer Johann Hofmeier und
Genossen wegen räuberischer Erpressung, begangen an dem
Herzog Franz Joseph von Bayern, ist erst morgen, Diens-
tag. Den Vorsitz führt Landgerichtsdirektor Höcherl, die Ver-
teidigung des Hofmeier Rechtsanwalt Kohl-München. Vom
Staatsanwalt sind 22 Zeugen geladen. Die Verhandlung dürfte
voraussichtlich am Dienstag Abend zu Ende geführt werden
können.

[Spaltenumbruch]
Aus den Nachbarländern.

Heute nachmittag hielt
hier unter dem Vorsitze des Kardinals Dr. Katschthaler
der Katholische Universitätsverein seine
25. Generalversammlung ab. Von München war Kammer-
präsident Dr. v. Orterer erschienen. Nach dem Kassen-
berichte flossen dem Verein im abgelaufenen Jahre an
Spenden 158,506 Kr. zu. Das Vereinsvermögen beträgt
2,856,507 Kr. Der Verein wird das fürsterzbischöfliche Col-
legium Borromanum ankaufen, um die Universität dort
unterzubringen. Für heuer ist die Eröffnung von zwei
Fakultäten
in Aussicht genommen. In der eigent-
lichen. Vereinsfestrede polemisierte Domprediger Schmi-
derer
(Salzburg) gegen die modernen Universitäten und
deren Professoren, die die Aufgabe der Hochschule, gesunde
und gute Menschen zu erziehen, nicht erfüllen und nicht er-
füllen können, weil die Professoren Gottesleugner
seien. Zur Erreichung dieses Zieles sei daher die Errich-
tung einer katholischen freien Universität unbedingt not-
wendig.

Dr. v. Orterer überbrachte zunächst die Grüße und
Gratulationen der deutschen, im besonderen der bayeri-
schen Katholiken,
die stets treu zur Universitätssache
halten werden. Auch er polemisiert gegen die Hochschulen,
streift die letzten Vorgänge in Wien, Graz, Innsbruck und
München und bezeichnet die Errichtung der freien katho-
lischen Universität als nationale Tat. Redner fordert
schließlich zu unermüdlicher Propaganda für die katholi-
schen Universitäten auf, die er persönlich nach allen Kräften
fördern werde.

Aus aller Welt.
* Eine gefährliche Spielerei.

Schulpflichtige Knaben erbra-
chen, wie uns ein Privattelegramm aus Kiel meldet, das
Pulvermagazin in einem Steinbruch. Sie entdeckten eine
Menge Pulver, das sie in einer Vertiefung auf freiem Feld an-
zündeten. Das Pulver explodierte mit großer Kraft.
Ein Knabe verlor das Augenlicht und mußte tödlich ver-
letzt
dem Hospital übergeben werden. Mehrere andere seiner
Gesährten wurden leichter verletzt.

* Ruhestörungen auf einer Pariser Nadrennbahn.

In der
Maschinenhalle auf dem Marsfelde kam es gestern abend nach
dem Rennen um den Großen Preis der velozipedischen Ver-
einigung Frankreichs, wobei der Radfahrer Jaquelin erster
wurde, jedoch infolge einer Beschwerde seines Mitbewerbers dis-
qualifiziert worden war, zu großen Ruhestörungen. Die Zu-
schauer beschimpften die Preisrichter, zertrümmerten
die Schranken und Bänke, warfen brennende Holzstücke auf die
Fahrbahn und richteten schließlich in der Maschinenhalle große
Verwüstungen
an. Dreihundert Schutzleute wur-
den aufgeboten, um die Ruhe wieder herzustellen. Zehn Ruhe-
störer wurden verhaftet.

* Neue Bombenexplosionen in Barcelona.

Wie aus Bar-
celona berichtet wird, ereignete sich dort eine neue Bombenexplo-
sion. Sie erfolgte um 1 Uhr mittags in der Nähe eines Flei-
scherladens in der St. Josestraße, eine der Seitenstraßen der La
Ramba-Promenade. Eine Frau, die gerade die Fenster reinigte,
wurde so schwer verletzt, daß ihr die beiden Beine amputiert wer-
den mußten. An ihrem Aufkommen wird gezweifelt. Außerdem
erlitten zwei andere Frauen leichtere Verletzungen. Es handelt
sich um einen Racheakt gegen die in der Nähe wohnende Fleischer-
familie.


Nach einer Lloydmeldung aus
Durban ist der Dampfer Newarkcastle der Union Castle
Line in der Richard-Bai bei der Mündung des Umchlatuzi-
River gestrandet. Ein Teil der Mannschaft ist in
Durban gelandet. Ein Regierungsschlepper ist zur Hilfe-
leistung abgegangen.

Bei der Strandung des Newarkcastle sind nach einem
weiteren Londoner Privattelegramm eine Dame und
zwei Mann
der Besatzung ertrunken. Drei Schlepp-
dampfer und zwei Leichter sind mit 200 Arbeitern zur Hilfe-
leistung in See gegangen.

[irrelevantes Material]
[irrelevantes Material]
München, Dienstag Allgemeine Zeitung 17. März 1908. Nr. 127.
Münchener Stadtanzeiger.

Erinnerung war, lebhafte Ovationen. Marya Delvard iſt der
Typus des Ueberweibes. Oder des Unterweibes? Wie ſie ſeit
einigen Tagen von den Anſchlagſäulen herabſchaut, ſchlanker als
ſchlank, auf der löwenzahnſtengelhaft biegſamen Figur ein inter-
eſſanter Kopf mit ſcharſprofiliertem Geſicht und ſprechenden
großen Augen — ſo präſentiert ſie ſich auf der kleinen Bühne bei
Trefler, faſt eine Karikatur. Hans Hyan, Schlemihl, Roda-Roda
u. a. waren die Autoren ihres geſtrigen Programms, und ſie
verſtand es vortrefflich, den Dichtungen, ob ſie ſoziale Probleme
behandelten, ob ſie ſarkaſtiſchen Inhaltes waren, oder — wie in
einem italieniſchen Volkslied — keck-heitere Töne anſchlugen,
lebendigen Ausdruck zu verleihen und alle Pointen zu indi-
vidualiſtiſch ſtarker Geltung zu bringen. Ihre eigentümlich
feſſelnde, von der gewollt eigenartigen Erſcheinung natürlich
ſtark beeinträchtigte Vortragsweiſe erzielte, wie ſtets, einen
ſtarken Erfolg, was übrigens auch von Monſieur Henri, Marya
Delvards hier ebenfalls wohlbekanntem temperamentvollen
Partner — teils als Begleiter am Flügel, teils mit eigenen
Produktionen — in vollem Maße zu konſtatieren iſt.

* Tarifbewegung im Baugewerbe.

Die Maurer und
Bauhilfsarbeiter Münchens haben am Sonntag Vormittag
in zwei Verſammlungen den Bericht über die ſtattgefun-
denen Tarifverhandlungen entgegengenommen. Den Ver-
tretern der Arbeiter in den Tarifverhandlungen vor dem
Einigungsamte wurde das Vertrauen ausgeſprochen und
in einer Reſolution auf die Möglichkeit eines für das wirt-
ſchaftliche Leben Münchens, vor allem auch für die Aus-
ſtellung verhängnisvollen Konflikts hingewieſen.

Bayeriſche Chronik.
Das neue Gehaltsregulativ.

Die Verbände der Kanzliſten bei den Juſtiz-
behörden Bayerns
und des Kanzleiperſonals der
kgl. bayer. Staatseiſenbahnen
hatten für Sonntag
Landesverſammlungen nach München einberufen. Die
Kanzliſten bei den Juſtizbehörden hielten ihre Landesver-
ſammlung in den Zentraiſälen ab mit der Tagesordnung: „Stel-
lungnahme gegen die Zurückſetzung der Juſtizkanzliſten in der
neuen Gehaltsordnung.“ Als Vertreter der Landragsfraktionen
wohnten der Verſammlung bei: Oberlandesgerichtsrat Gerich-
ten
(lib.), Amtsrichter Haus (Zentr.), Arbeiterſekretär
Königbauer (Zentr.) und Magiſtratsrat Eduard Schmid
(Soz.). Nach herzlichen Begrüßungsworten des Vorſitzenden,
Poſtexpeditor Abele-München, führte der Referent, Sekre-
tariatsaſſiſtent Dittmar-München, aus: Die Erregung der
Kanzliſten ſei eine allgemeine, man hätte ſie wenigſtens zum
Teil hintanhalten können, wenn die Staatsregierung nicht ſo ge-
heimnisvoll in dieſer Frage vorgegangen wäre. Die Aufgabe
ſei, die Regierung und die Volksvertretung zu überzeugen, daß
die Kanzliſten bei den Juſtizbehörden in dem neuen Gehalts-
regulativ nicht ſo behandelt wurden wie ſie es verdient haben.
In erſter Linie ſei der Anfangsgehalt eines Sekretariatsaſſiſten-
ten (bisher Sekretariatsgehilfe) von 1275 M auf 1200 M herab-
geſetzt worden. Auch bei der zweiten Gehaltsvorrückung erleidet
dieſer Beamte eine Einbuße von 45 M, und erſt mit dem ſiebenten
Dienſtjahre beträgt ſeine jährliche Aufbeſſerung 45 M. Mit dem
16. Dienſt- und dem 45. bis 50. Lebensjahre bekommt er nach
dem neuen Gehaltsregulativ einen Gehalt von 1950 M, während
er nach dem alten in der gleichen Zeit einſchließlich einer
Zulage von 200 M einen ſolchen von 1995 M erhalten würde;
alſo auch hier iſt wieder eine Einbuße von 45 M zu verzeich-
nen. Genau ſo verhält es ſich beim Kanzleiexpeditor. Die nicht
in den Etat aufgenommenen Beamten und Bedienſteten ſind voll-
ſtändig leer ausgegangen. Für dieſe ſollte gerechterweiſe
die gleiche achtprozentige Zulage eintreten wie für die in den
Etat aufgenommenen Beamten und Bedienſteten. Es ſollten vom
21. Lebensjahre an alle Beamten und Bedienſteten etatsmäßig
ſein. Das Juſtizkanzleiperſonal ſetzt nun in die Volksvertretung
das Vertrauen, daß ſie ihnen zu Hilfe kommt. Der Redner ſchließt
ſeine mit ſtürmiſchem Beifall aufgenommene Rede mit dem Rufe:
„Seid einig, einig, einig!“ Der zweite Referent, Kanzleiexpeditor
Deggendorfer-Dingolfing, wünſcht, daß das neue Regula-
tiv nicht erſt am 1. Januar 1909, ſondern ſchon am 1. Oktober
1908 in Kraſt trete. Die neue Gehaltsordnung habe aber den
70,000 Beamten in Bayern eine große Enttäuſchung gebracht.
Durch eine derartige Behandlung wie in dem Gehaltsregulativ
kann die Arbeitsfreudigkeit der Beamten nicht gehoben
werden. In der ſich anſchließenden Diskuſſion erklärt Abg. Ober-
landesgerichtsrat Gerichten namens der liberalen Partei, daß
dieſe auf dem Standpunkt ſtehe, daß mit dem neuen Gehalts-
regulativ ein zufriedener Beamtenſtand geſchaffen werden ſoll.
Das Perſonal könne davon überzeugt ſein, daß die Volksvertre-
tung gerechten Wünſchen entgegenkommen werde. Abg. Amtsrichter
Dr. Haus (Zentr.) ſchließt ſich den Ausführungen des Vorred-
ners an und verſichert, daß ſeine Partei die Klagen des Kanzlei-
perſonals mit Wohlwollen behandeln werde. Namens der ſozial-
demokratiſchen Partei erklärt Abg. Eduard Schmid, daß ſeine
Partei entſchieden für die Aufbeſſerung des Kanzleiperſonals ein-
treten werde. Wenn ihn etwas in den Ausführungen der beiden
Referenten befremdet habe, ſo war es ihre Beſcheidenheit. Nach
einer weiteren Diskuſſion kam nachſtehende Reſolution zur
Annahme:

„Die zu München verſammelten Kanzliſten bei den
Juſtizbehörden Bayerns erklären, daß ihnen in der neuen Ge-
haltsordnung eine unverdiente Zurückſetzung wider-
fahren iſt. Sie legen Verwahrung ein gegen die in der neuen
Gehaltsordnung zum Ausdruck gebrachte Annahme, daß die
Dienſtleiſtung der Kanzleiexpeditoren und Sekretariatsaſſiſtenten,
dann der Buchhalter und Verwaltungsoffizianten bei den Straf-
anſtalten bisher zu gut bezahlt waren und daß in der neuen
Gehaltsordnung dieſe Beamtengruppen nicht nur von jeder Ge-
haltserhöhung ausgeſchloſſen ſind, ſondern ſogar ſich eine Gehalts-
erniedrigung gefallen laſſen müſſen. Sie beauftragen ihre Stan-
desvertretung, in einer Denkſchrift der kgl. Staatsregierung und
Volksvertretung die umfangreiche und verantwortungsvolle
Dienſtleiſtung des Juſtizkanzleiperſonals darzulegen und für dieſe
eine beſſere Berückſichtigung in der neuen Gehaltsordnung zu
erbitten.“

Im Katholiſchen Geſellſchaftshaus tagte gleichfalls Sonn-
tag Nachmittag der Kanzleigehilfenverband der bayeriſchen
Verkehrsanſtalten. Aus allen Kreiſen Bayerns waren Mitglieder
erſchienen. Nach Begrüßungsworten des Vorſitzenden gab Ver-
bandsſekretär Stark ein umfangreiches Referat über die
Wünſche dieſer Kategorie. Sie laſſen ſich kurz ſo zuſammenfaſſen:
Das Kanzleiperſonal ſoll, ſo weit es keine abgeſchloſſene Vor-
bildung beſitzt, in die Gehaltsklaſſe von 1700 M mit Vorrückung
bis zu 3100 M eingereiht werden. Von 3 zu 3 Jahren ſoll eine
Zulage von 200 M erfolgen. Die Wartezeit ſoll auf die ſtatus-
mäßige Anſtellung angerechnet werden. Eine vollſtändige Gleich-
ſtellung mit dem Kanzleiperſonal der Poſt ſoll angeſtrebt werden.
Die lebhafte Diskuſſion hielt ſich ſtreng in dem Rahmen dieſer
Anregungen und förderte naturgemäß neue Geſichtspunkte nicht
mehr zutage. Nach 4½ſtündiger Dauer wurde nachſtehende Reſo-
lution
gefaßt:

Das Kanzleiperſonal der Staatseiſenbahn bedauert auf das
[Spaltenumbruch] lebhafteſte, daß in der neuen Gehaltsordnung trotz des Grund-
ſatzes, gleiche Vorbildung, gleiche Rechte, eine ein-
heitliche
Regelung der Verhältniſſe des Kanzleiper-
ſonals aller Reſſorts
nicht durchgeführt und nament-
lich das der Eiſenbahn ganz beſonders zurückgeſetzt wurde. Daß
es nicht einmal mit dem — dem gleichen Miniſterium — unter-
ſtellten Poſtkanzleiperſonal, das keine andere Ausbildung beſitzt,
ebenſo nicht anders verwendet wird, gleichgeſtellt wurde, muß es
als eine ganz willkürliche unverdiente Herabwürdi-
gung ſeines Standes
betrachten, zumal erwieſenermaßen
dieſe Gleichſtellung wiederholt verſprochen und vom Landtag ge-
wünſcht wurde. Die Verſammlung beauſtragt die Vorſtandſchaft,
daß ſie mit allen ihr zu Gebote ſtehenden Mitteln auf eine
Gleichſtellung mit dem gleich vorgebildeten und voll-
ſtändig gleichartig verwendeten Kanzleiperſonal aller übrigen
Behörden, insbeſondere dem der Poſt, hinwirkt. Als ſelbſtver-
ſtändliche Forderung muß die Anrechnung der übermäßig langen
Wartezeit bis zur ſtatusmäßigen Anſtellung gegenüber dem Poſt-
kanzleiperſonal betrachtet werden. Zugleich ſtellt die Verſamm-
lung ſowohl an die Staatsregierung als auch an den Landtag
die dringendſte Bitte, eine allen Beteiligten gerecht wer-
dende Löſung dieſer die Gehaltsnerhältniſſe vier Jahrzehnte
hinaus feſtlegende Frage herbeizuführen.

Unter Dankesworten an die Redner und an die Landtags-
abgeordneten Löweneck und Cadau wurde die würdig ver-
laufene Verſammlung geſchloſſen.

* Miniſtervortrag.

Se. kgl. Hoheit der Prinzregent
haben heute vormittag den Staatsminiſter des Innern
v. Brettreich zum Vortrag empfangen.

* Die Vakanzen in den bayeriſchen Domkapiteln.

Die
Wiederbeſetzung der durch den Tod des Domkapitulars, Ge-
neralvikars Maurer in Bamberg erledigte Stelle ſteht in
dieſem Monate der Krone zu; die Ernennung eines Gene-
ralvikars, welche Stelle der Verſtorbene hatte, iſt lediglich
Sache des Erzbiſchofs und wird vor der Allerhöchſten Er-
nennung erfolgen.

In bezug auf die Beſetzung der Stelle eines Dom-
propſtes in Regensburg kann die Allgemeine Zeitung
melden, daß offiziell aus Rom noch keine Meldung vorliegt;
die definitive Ernennung eines neuen Domherrn in Mün-
chen an die Stelle des verſtorbenen Dr. Specht iſt vorerſt
noch nicht erfolgt; es läßt ſich alſo eine ſichere Angabe einer
Perſönlichkeit nicht machen.


Das Manöver des 2. Armee-
korps findet heuer im nordweſtlichen Teil der Pfalz ſtatt.
Ein Teil der Truppen nimmt bekanntlich am Kaiſer-
manöver
teil. Ein Korpsmanöver wird nicht abge-
halten. Die 7. Infanterie-Brigade wird eine dreitägige
Feſtungskriegsübung bei Germersheim vornehmen.


(Privattelegr.)
Der vierfache Kindsmörder, der Schmied Höfling, ge-
ſtand dem Unterſuchungsrichter ein, daß er in Gemeinſchaft
ſeiner beiden Stieftöchter die Kinder ermordet, zwei im
Keller vergraben und zwei in den Main geworfen habe.

Gerichtsſaal.
Räuberiſche Erpreſſung an einem Mitglied des bayeriſchen
Königshauſes.

(Privattelegramm.)
Die Verhandlung gegen den Bauer Johann Hofmeier und
Genoſſen wegen räuberiſcher Erpreſſung, begangen an dem
Herzog Franz Joſeph von Bayern, iſt erſt morgen, Diens-
tag. Den Vorſitz führt Landgerichtsdirektor Höcherl, die Ver-
teidigung des Hofmeier Rechtsanwalt Kohl-München. Vom
Staatsanwalt ſind 22 Zeugen geladen. Die Verhandlung dürfte
vorausſichtlich am Dienstag Abend zu Ende geführt werden
können.

[Spaltenumbruch]
Aus den Nachbarländern.

Heute nachmittag hielt
hier unter dem Vorſitze des Kardinals Dr. Katſchthaler
der Katholiſche Univerſitätsverein ſeine
25. Generalverſammlung ab. Von München war Kammer-
präſident Dr. v. Orterer erſchienen. Nach dem Kaſſen-
berichte floſſen dem Verein im abgelaufenen Jahre an
Spenden 158,506 Kr. zu. Das Vereinsvermögen beträgt
2,856,507 Kr. Der Verein wird das fürſterzbiſchöfliche Col-
legium Borromanum ankaufen, um die Univerſität dort
unterzubringen. Für heuer iſt die Eröffnung von zwei
Fakultäten
in Ausſicht genommen. In der eigent-
lichen. Vereinsfeſtrede polemiſierte Domprediger Schmi-
derer
(Salzburg) gegen die modernen Univerſitäten und
deren Profeſſoren, die die Aufgabe der Hochſchule, geſunde
und gute Menſchen zu erziehen, nicht erfüllen und nicht er-
füllen können, weil die Profeſſoren Gottesleugner
ſeien. Zur Erreichung dieſes Zieles ſei daher die Errich-
tung einer katholiſchen freien Univerſität unbedingt not-
wendig.

Dr. v. Orterer überbrachte zunächſt die Grüße und
Gratulationen der deutſchen, im beſonderen der bayeri-
ſchen Katholiken,
die ſtets treu zur Univerſitätsſache
halten werden. Auch er polemiſiert gegen die Hochſchulen,
ſtreift die letzten Vorgänge in Wien, Graz, Innsbruck und
München und bezeichnet die Errichtung der freien katho-
liſchen Univerſität als nationale Tat. Redner fordert
ſchließlich zu unermüdlicher Propaganda für die katholi-
ſchen Univerſitäten auf, die er perſönlich nach allen Kräften
fördern werde.

Aus aller Welt.
* Eine gefährliche Spielerei.

Schulpflichtige Knaben erbra-
chen, wie uns ein Privattelegramm aus Kiel meldet, das
Pulvermagazin in einem Steinbruch. Sie entdeckten eine
Menge Pulver, das ſie in einer Vertiefung auf freiem Feld an-
zündeten. Das Pulver explodierte mit großer Kraft.
Ein Knabe verlor das Augenlicht und mußte tödlich ver-
letzt
dem Hoſpital übergeben werden. Mehrere andere ſeiner
Geſährten wurden leichter verletzt.

* Ruheſtörungen auf einer Pariſer Nadrennbahn.

In der
Maſchinenhalle auf dem Marsfelde kam es geſtern abend nach
dem Rennen um den Großen Preis der velozipediſchen Ver-
einigung Frankreichs, wobei der Radfahrer Jaquelin erſter
wurde, jedoch infolge einer Beſchwerde ſeines Mitbewerbers dis-
qualifiziert worden war, zu großen Ruheſtörungen. Die Zu-
ſchauer beſchimpften die Preisrichter, zertrümmerten
die Schranken und Bänke, warfen brennende Holzſtücke auf die
Fahrbahn und richteten ſchließlich in der Maſchinenhalle große
Verwüſtungen
an. Dreihundert Schutzleute wur-
den aufgeboten, um die Ruhe wieder herzuſtellen. Zehn Ruhe-
ſtörer wurden verhaftet.

* Neue Bombenexploſionen in Barcelona.

Wie aus Bar-
celona berichtet wird, ereignete ſich dort eine neue Bombenexplo-
ſion. Sie erfolgte um 1 Uhr mittags in der Nähe eines Flei-
ſcherladens in der St. Joſéſtraße, eine der Seitenſtraßen der La
Ramba-Promenade. Eine Frau, die gerade die Fenſter reinigte,
wurde ſo ſchwer verletzt, daß ihr die beiden Beine amputiert wer-
den mußten. An ihrem Aufkommen wird gezweifelt. Außerdem
erlitten zwei andere Frauen leichtere Verletzungen. Es handelt
ſich um einen Racheakt gegen die in der Nähe wohnende Fleiſcher-
familie.


Nach einer Lloydmeldung aus
Durban iſt der Dampfer Newarkcaſtle der Union Caſtle
Line in der Richard-Bai bei der Mündung des Umchlatuzi-
River geſtrandet. Ein Teil der Mannſchaft iſt in
Durban gelandet. Ein Regierungsſchlepper iſt zur Hilfe-
leiſtung abgegangen.

Bei der Strandung des Newarkcaſtle ſind nach einem
weiteren Londoner Privattelegramm eine Dame und
zwei Mann
der Beſatzung ertrunken. Drei Schlepp-
dampfer und zwei Leichter ſind mit 200 Arbeitern zur Hilfe-
leiſtung in See gegangen.

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[Seite 4[4]/0004] München, Dienstag Allgemeine Zeitung 17. März 1908. Nr. 127. Münchener Stadtanzeiger. Erinnerung war, lebhafte Ovationen. Marya Delvard iſt der Typus des Ueberweibes. Oder des Unterweibes? Wie ſie ſeit einigen Tagen von den Anſchlagſäulen herabſchaut, ſchlanker als ſchlank, auf der löwenzahnſtengelhaft biegſamen Figur ein inter- eſſanter Kopf mit ſcharſprofiliertem Geſicht und ſprechenden großen Augen — ſo präſentiert ſie ſich auf der kleinen Bühne bei Trefler, faſt eine Karikatur. Hans Hyan, Schlemihl, Roda-Roda u. a. waren die Autoren ihres geſtrigen Programms, und ſie verſtand es vortrefflich, den Dichtungen, ob ſie ſoziale Probleme behandelten, ob ſie ſarkaſtiſchen Inhaltes waren, oder — wie in einem italieniſchen Volkslied — keck-heitere Töne anſchlugen, lebendigen Ausdruck zu verleihen und alle Pointen zu indi- vidualiſtiſch ſtarker Geltung zu bringen. Ihre eigentümlich feſſelnde, von der gewollt eigenartigen Erſcheinung natürlich ſtark beeinträchtigte Vortragsweiſe erzielte, wie ſtets, einen ſtarken Erfolg, was übrigens auch von Monſieur Henri, Marya Delvards hier ebenfalls wohlbekanntem temperamentvollen Partner — teils als Begleiter am Flügel, teils mit eigenen Produktionen — in vollem Maße zu konſtatieren iſt. * Tarifbewegung im Baugewerbe. Die Maurer und Bauhilfsarbeiter Münchens haben am Sonntag Vormittag in zwei Verſammlungen den Bericht über die ſtattgefun- denen Tarifverhandlungen entgegengenommen. Den Ver- tretern der Arbeiter in den Tarifverhandlungen vor dem Einigungsamte wurde das Vertrauen ausgeſprochen und in einer Reſolution auf die Möglichkeit eines für das wirt- ſchaftliche Leben Münchens, vor allem auch für die Aus- ſtellung verhängnisvollen Konflikts hingewieſen. Bayeriſche Chronik. Das neue Gehaltsregulativ. Die Verbände der Kanzliſten bei den Juſtiz- behörden Bayerns und des Kanzleiperſonals der kgl. bayer. Staatseiſenbahnen hatten für Sonntag Landesverſammlungen nach München einberufen. Die Kanzliſten bei den Juſtizbehörden hielten ihre Landesver- ſammlung in den Zentraiſälen ab mit der Tagesordnung: „Stel- lungnahme gegen die Zurückſetzung der Juſtizkanzliſten in der neuen Gehaltsordnung.“ Als Vertreter der Landragsfraktionen wohnten der Verſammlung bei: Oberlandesgerichtsrat Gerich- ten (lib.), Amtsrichter Haus (Zentr.), Arbeiterſekretär Königbauer (Zentr.) und Magiſtratsrat Eduard Schmid (Soz.). Nach herzlichen Begrüßungsworten des Vorſitzenden, Poſtexpeditor Abele-München, führte der Referent, Sekre- tariatsaſſiſtent Dittmar-München, aus: Die Erregung der Kanzliſten ſei eine allgemeine, man hätte ſie wenigſtens zum Teil hintanhalten können, wenn die Staatsregierung nicht ſo ge- heimnisvoll in dieſer Frage vorgegangen wäre. Die Aufgabe ſei, die Regierung und die Volksvertretung zu überzeugen, daß die Kanzliſten bei den Juſtizbehörden in dem neuen Gehalts- regulativ nicht ſo behandelt wurden wie ſie es verdient haben. In erſter Linie ſei der Anfangsgehalt eines Sekretariatsaſſiſten- ten (bisher Sekretariatsgehilfe) von 1275 M auf 1200 M herab- geſetzt worden. Auch bei der zweiten Gehaltsvorrückung erleidet dieſer Beamte eine Einbuße von 45 M, und erſt mit dem ſiebenten Dienſtjahre beträgt ſeine jährliche Aufbeſſerung 45 M. Mit dem 16. Dienſt- und dem 45. bis 50. Lebensjahre bekommt er nach dem neuen Gehaltsregulativ einen Gehalt von 1950 M, während er nach dem alten in der gleichen Zeit einſchließlich einer Zulage von 200 M einen ſolchen von 1995 M erhalten würde; alſo auch hier iſt wieder eine Einbuße von 45 M zu verzeich- nen. Genau ſo verhält es ſich beim Kanzleiexpeditor. Die nicht in den Etat aufgenommenen Beamten und Bedienſteten ſind voll- ſtändig leer ausgegangen. Für dieſe ſollte gerechterweiſe die gleiche achtprozentige Zulage eintreten wie für die in den Etat aufgenommenen Beamten und Bedienſteten. Es ſollten vom 21. Lebensjahre an alle Beamten und Bedienſteten etatsmäßig ſein. Das Juſtizkanzleiperſonal ſetzt nun in die Volksvertretung das Vertrauen, daß ſie ihnen zu Hilfe kommt. Der Redner ſchließt ſeine mit ſtürmiſchem Beifall aufgenommene Rede mit dem Rufe: „Seid einig, einig, einig!“ Der zweite Referent, Kanzleiexpeditor Deggendorfer-Dingolfing, wünſcht, daß das neue Regula- tiv nicht erſt am 1. Januar 1909, ſondern ſchon am 1. Oktober 1908 in Kraſt trete. Die neue Gehaltsordnung habe aber den 70,000 Beamten in Bayern eine große Enttäuſchung gebracht. Durch eine derartige Behandlung wie in dem Gehaltsregulativ kann die Arbeitsfreudigkeit der Beamten nicht gehoben werden. In der ſich anſchließenden Diskuſſion erklärt Abg. Ober- landesgerichtsrat Gerichten namens der liberalen Partei, daß dieſe auf dem Standpunkt ſtehe, daß mit dem neuen Gehalts- regulativ ein zufriedener Beamtenſtand geſchaffen werden ſoll. Das Perſonal könne davon überzeugt ſein, daß die Volksvertre- tung gerechten Wünſchen entgegenkommen werde. Abg. Amtsrichter Dr. Haus (Zentr.) ſchließt ſich den Ausführungen des Vorred- ners an und verſichert, daß ſeine Partei die Klagen des Kanzlei- perſonals mit Wohlwollen behandeln werde. Namens der ſozial- demokratiſchen Partei erklärt Abg. Eduard Schmid, daß ſeine Partei entſchieden für die Aufbeſſerung des Kanzleiperſonals ein- treten werde. Wenn ihn etwas in den Ausführungen der beiden Referenten befremdet habe, ſo war es ihre Beſcheidenheit. Nach einer weiteren Diskuſſion kam nachſtehende Reſolution zur Annahme: „Die zu München verſammelten Kanzliſten bei den Juſtizbehörden Bayerns erklären, daß ihnen in der neuen Ge- haltsordnung eine unverdiente Zurückſetzung wider- fahren iſt. Sie legen Verwahrung ein gegen die in der neuen Gehaltsordnung zum Ausdruck gebrachte Annahme, daß die Dienſtleiſtung der Kanzleiexpeditoren und Sekretariatsaſſiſtenten, dann der Buchhalter und Verwaltungsoffizianten bei den Straf- anſtalten bisher zu gut bezahlt waren und daß in der neuen Gehaltsordnung dieſe Beamtengruppen nicht nur von jeder Ge- haltserhöhung ausgeſchloſſen ſind, ſondern ſogar ſich eine Gehalts- erniedrigung gefallen laſſen müſſen. Sie beauftragen ihre Stan- desvertretung, in einer Denkſchrift der kgl. Staatsregierung und Volksvertretung die umfangreiche und verantwortungsvolle Dienſtleiſtung des Juſtizkanzleiperſonals darzulegen und für dieſe eine beſſere Berückſichtigung in der neuen Gehaltsordnung zu erbitten.“ Im Katholiſchen Geſellſchaftshaus tagte gleichfalls Sonn- tag Nachmittag der Kanzleigehilfenverband der bayeriſchen Verkehrsanſtalten. Aus allen Kreiſen Bayerns waren Mitglieder erſchienen. Nach Begrüßungsworten des Vorſitzenden gab Ver- bandsſekretär Stark ein umfangreiches Referat über die Wünſche dieſer Kategorie. Sie laſſen ſich kurz ſo zuſammenfaſſen: Das Kanzleiperſonal ſoll, ſo weit es keine abgeſchloſſene Vor- bildung beſitzt, in die Gehaltsklaſſe von 1700 M mit Vorrückung bis zu 3100 M eingereiht werden. Von 3 zu 3 Jahren ſoll eine Zulage von 200 M erfolgen. Die Wartezeit ſoll auf die ſtatus- mäßige Anſtellung angerechnet werden. Eine vollſtändige Gleich- ſtellung mit dem Kanzleiperſonal der Poſt ſoll angeſtrebt werden. Die lebhafte Diskuſſion hielt ſich ſtreng in dem Rahmen dieſer Anregungen und förderte naturgemäß neue Geſichtspunkte nicht mehr zutage. Nach 4½ſtündiger Dauer wurde nachſtehende Reſo- lution gefaßt: Das Kanzleiperſonal der Staatseiſenbahn bedauert auf das lebhafteſte, daß in der neuen Gehaltsordnung trotz des Grund- ſatzes, gleiche Vorbildung, gleiche Rechte, eine ein- heitliche Regelung der Verhältniſſe des Kanzleiper- ſonals aller Reſſorts nicht durchgeführt und nament- lich das der Eiſenbahn ganz beſonders zurückgeſetzt wurde. Daß es nicht einmal mit dem — dem gleichen Miniſterium — unter- ſtellten Poſtkanzleiperſonal, das keine andere Ausbildung beſitzt, ebenſo nicht anders verwendet wird, gleichgeſtellt wurde, muß es als eine ganz willkürliche unverdiente Herabwürdi- gung ſeines Standes betrachten, zumal erwieſenermaßen dieſe Gleichſtellung wiederholt verſprochen und vom Landtag ge- wünſcht wurde. Die Verſammlung beauſtragt die Vorſtandſchaft, daß ſie mit allen ihr zu Gebote ſtehenden Mitteln auf eine Gleichſtellung mit dem gleich vorgebildeten und voll- ſtändig gleichartig verwendeten Kanzleiperſonal aller übrigen Behörden, insbeſondere dem der Poſt, hinwirkt. Als ſelbſtver- ſtändliche Forderung muß die Anrechnung der übermäßig langen Wartezeit bis zur ſtatusmäßigen Anſtellung gegenüber dem Poſt- kanzleiperſonal betrachtet werden. Zugleich ſtellt die Verſamm- lung ſowohl an die Staatsregierung als auch an den Landtag die dringendſte Bitte, eine allen Beteiligten gerecht wer- dende Löſung dieſer die Gehaltsnerhältniſſe vier Jahrzehnte hinaus feſtlegende Frage herbeizuführen. Unter Dankesworten an die Redner und an die Landtags- abgeordneten Löweneck und Cadau wurde die würdig ver- laufene Verſammlung geſchloſſen. * Miniſtervortrag. Se. kgl. Hoheit der Prinzregent haben heute vormittag den Staatsminiſter des Innern v. Brettreich zum Vortrag empfangen. * Die Vakanzen in den bayeriſchen Domkapiteln. Die Wiederbeſetzung der durch den Tod des Domkapitulars, Ge- neralvikars Maurer in Bamberg erledigte Stelle ſteht in dieſem Monate der Krone zu; die Ernennung eines Gene- ralvikars, welche Stelle der Verſtorbene hatte, iſt lediglich Sache des Erzbiſchofs und wird vor der Allerhöchſten Er- nennung erfolgen. In bezug auf die Beſetzung der Stelle eines Dom- propſtes in Regensburg kann die Allgemeine Zeitung melden, daß offiziell aus Rom noch keine Meldung vorliegt; die definitive Ernennung eines neuen Domherrn in Mün- chen an die Stelle des verſtorbenen Dr. Specht iſt vorerſt noch nicht erfolgt; es läßt ſich alſo eine ſichere Angabe einer Perſönlichkeit nicht machen. □ Würzburg, 15. März. Das Manöver des 2. Armee- korps findet heuer im nordweſtlichen Teil der Pfalz ſtatt. Ein Teil der Truppen nimmt bekanntlich am Kaiſer- manöver teil. Ein Korpsmanöver wird nicht abge- halten. Die 7. Infanterie-Brigade wird eine dreitägige Feſtungskriegsübung bei Germersheim vornehmen. k. Würzburg, 16. März. 8.14 V. (Privattelegr.) Der vierfache Kindsmörder, der Schmied Höfling, ge- ſtand dem Unterſuchungsrichter ein, daß er in Gemeinſchaft ſeiner beiden Stieftöchter die Kinder ermordet, zwei im Keller vergraben und zwei in den Main geworfen habe. Gerichtsſaal. Räuberiſche Erpreſſung an einem Mitglied des bayeriſchen Königshauſes. rs. Eichſtätt, 16. März. 9.54 V. (Privattelegramm.) Die Verhandlung gegen den Bauer Johann Hofmeier und Genoſſen wegen räuberiſcher Erpreſſung, begangen an dem Herzog Franz Joſeph von Bayern, iſt erſt morgen, Diens- tag. Den Vorſitz führt Landgerichtsdirektor Höcherl, die Ver- teidigung des Hofmeier Rechtsanwalt Kohl-München. Vom Staatsanwalt ſind 22 Zeugen geladen. Die Verhandlung dürfte vorausſichtlich am Dienstag Abend zu Ende geführt werden können. Aus den Nachbarländern. —dt. Salzburg, 15. März. Heute nachmittag hielt hier unter dem Vorſitze des Kardinals Dr. Katſchthaler der Katholiſche Univerſitätsverein ſeine 25. Generalverſammlung ab. Von München war Kammer- präſident Dr. v. Orterer erſchienen. Nach dem Kaſſen- berichte floſſen dem Verein im abgelaufenen Jahre an Spenden 158,506 Kr. zu. Das Vereinsvermögen beträgt 2,856,507 Kr. Der Verein wird das fürſterzbiſchöfliche Col- legium Borromanum ankaufen, um die Univerſität dort unterzubringen. Für heuer iſt die Eröffnung von zwei Fakultäten in Ausſicht genommen. In der eigent- lichen. Vereinsfeſtrede polemiſierte Domprediger Schmi- derer (Salzburg) gegen die modernen Univerſitäten und deren Profeſſoren, die die Aufgabe der Hochſchule, geſunde und gute Menſchen zu erziehen, nicht erfüllen und nicht er- füllen können, weil die Profeſſoren Gottesleugner ſeien. Zur Erreichung dieſes Zieles ſei daher die Errich- tung einer katholiſchen freien Univerſität unbedingt not- wendig. Dr. v. Orterer überbrachte zunächſt die Grüße und Gratulationen der deutſchen, im beſonderen der bayeri- ſchen Katholiken, die ſtets treu zur Univerſitätsſache halten werden. Auch er polemiſiert gegen die Hochſchulen, ſtreift die letzten Vorgänge in Wien, Graz, Innsbruck und München und bezeichnet die Errichtung der freien katho- liſchen Univerſität als nationale Tat. Redner fordert ſchließlich zu unermüdlicher Propaganda für die katholi- ſchen Univerſitäten auf, die er perſönlich nach allen Kräften fördern werde. Aus aller Welt. * Eine gefährliche Spielerei. Schulpflichtige Knaben erbra- chen, wie uns ein Privattelegramm aus Kiel meldet, das Pulvermagazin in einem Steinbruch. Sie entdeckten eine Menge Pulver, das ſie in einer Vertiefung auf freiem Feld an- zündeten. Das Pulver explodierte mit großer Kraft. Ein Knabe verlor das Augenlicht und mußte tödlich ver- letzt dem Hoſpital übergeben werden. Mehrere andere ſeiner Geſährten wurden leichter verletzt. * Ruheſtörungen auf einer Pariſer Nadrennbahn. In der Maſchinenhalle auf dem Marsfelde kam es geſtern abend nach dem Rennen um den Großen Preis der velozipediſchen Ver- einigung Frankreichs, wobei der Radfahrer Jaquelin erſter wurde, jedoch infolge einer Beſchwerde ſeines Mitbewerbers dis- qualifiziert worden war, zu großen Ruheſtörungen. Die Zu- ſchauer beſchimpften die Preisrichter, zertrümmerten die Schranken und Bänke, warfen brennende Holzſtücke auf die Fahrbahn und richteten ſchließlich in der Maſchinenhalle große Verwüſtungen an. Dreihundert Schutzleute wur- den aufgeboten, um die Ruhe wieder herzuſtellen. Zehn Ruhe- ſtörer wurden verhaftet. * Neue Bombenexploſionen in Barcelona. Wie aus Bar- celona berichtet wird, ereignete ſich dort eine neue Bombenexplo- ſion. Sie erfolgte um 1 Uhr mittags in der Nähe eines Flei- ſcherladens in der St. Joſéſtraße, eine der Seitenſtraßen der La Ramba-Promenade. Eine Frau, die gerade die Fenſter reinigte, wurde ſo ſchwer verletzt, daß ihr die beiden Beine amputiert wer- den mußten. An ihrem Aufkommen wird gezweifelt. Außerdem erlitten zwei andere Frauen leichtere Verletzungen. Es handelt ſich um einen Racheakt gegen die in der Nähe wohnende Fleiſcher- familie. * London, 14. März. Nach einer Lloydmeldung aus Durban iſt der Dampfer Newarkcaſtle der Union Caſtle Line in der Richard-Bai bei der Mündung des Umchlatuzi- River geſtrandet. Ein Teil der Mannſchaft iſt in Durban gelandet. Ein Regierungsſchlepper iſt zur Hilfe- leiſtung abgegangen. Bei der Strandung des Newarkcaſtle ſind nach einem weiteren Londoner Privattelegramm eine Dame und zwei Mann der Beſatzung ertrunken. Drei Schlepp- dampfer und zwei Leichter ſind mit 200 Arbeitern zur Hilfe- leiſtung in See gegangen. _ _

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2021-09-13T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 127. München, 17. März 1908, S. Seite 4[4]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine127_1908/4>, abgerufen am 24.11.2024.