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Allgemeine Zeitung, Nr. 10, 12. Januar 1929.

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"AZ am Abend" Nr. 10 Samstag. den 12., Sonntag, den 13. Januar
[Spaltenumbruch]
Der Umbau der Alten Akademie
[Spaltenumbruch]

Unser Artikel "Helft den Münchner Mu-
seen" in der Ausgahe vom 9. d. M. hat in
folgender Zuschrift seine erste Resonanz ge-
funden. Da die Frage des Umbaus des sog.
"Wilhelminums" zweifellos weite Kreise in-
teressiert, geben wir ihr gerne Raum:

Als ich den Aufruf von Herrn Ha. B. betref-
fend die Münchner Museen in Ihrem Blatte vom
9. d. M. las, freute ich mich ehrlich ob dieses
würdigen Vorschlages und daß die "AZ" sich für
diesen Zweck in so weitgehendem Maße zur Ver-
fügung stellt. Ich erinnerte mich sofort des so
verheißungsvollen Planes, der im Sommer ver-
gangenen Jahres betr. die wissenschaftlichen
Staatssammlungen nicht nur in der "AZ", son-
dern auch in allen anderen führenden Münchner
Blättern zum Teil in ganz großer Aufmachung
veröffentlicht wurde. Ich wartete in der Zwi-
schenzeit immer auf einen weiteren Bericht in
dieser, die breite Oeffentlichkeit außerordentlich
interessierenden Sache. Mit mir werden sich sicher
nicht wenig Interessierte schon öfter die Frage
vorgelegt haben, ja, was ist denn nun eigentlich
mit diesem außerordentlichen erfolgversprechenden
Umbauprojekt der Alten Akademie geworden?

Das sogenannte "Wilhelminum", das ist
das Gebäude der Alten bayer. Akademie der
Wissenschaften in der Neuhauserstraße, sollte
besser geeignete und mehr Räume durch Ein-
und Aufbau im gesamten Gebäudekomplex er-
halten, wenn es die Parterre-Straßenfront in
der Neuhauserftraße für Einbauten von Laden-
lokalen freigeben würde. Das vorliegende An-
gebot sollte dem Staat nicht nur keinerlei Un-
kosten verursachen, im Gegenteil, der Staat oder
die staatlichen Sammlungen sollten neben den
besseren und mehr Räumen -- nach denen sie
schreien (mit Recht!) -- auch noch ganz erhebliche
fährliche Pachtsummen erhalten. Das war doch
ein konkreter Vorschlag, wie man sich m. E. kaum
einen besseren vorstellen könnte. Was wurde nun
daraus, wie steht es nun damit? Offenbar ein
Gewährsmann wußte in einer führenden Münch-
ner Zeitung in dieser Sache sogar zu berichten,
daß für das Projekt die unmittelbar daran inter-
[Spaltenumbruch] essierten Stellen wie die Leitung der Akademie
und des Generalkanservatoriums der Sammlun-
gen gewonnen wären, d. h. sie sähen in dem vor-
liegenden Angebot zum erstenmal ein praktisch
durchführbares, wirklich ernst zu nehmendes An-
gebot, das einen brauchbaren Weg zur Behebung
der unerträglich gewordenen Raumnot weist und
eine gute Grundlage für Verhandlungen böte.
Sind nun eigentlich Verhandlungen im Gange
oder hat sich die Angelegenheit zerschlagen? Im
letzteren Falle hätte die Oeffentlichkeit ein Recht,
auf eine einwandfreie Erklärung in dieser Sache
von der maßgebenden staatlichen Behörde zu be-
stehen.

Das Finanzministerium kann wohl kaum gegen
Annahme eines solchen Angebots gestimmt haben!
Sollte vielleicht die Monumental-Baukommission
einen Haken wegen der nötigen Fassadenände-
rung gefunden haben? Aber selbst wenn dies der
Fall sein sollte, die Entscheidung liegt doch in
solchen Fällen beim Innenministerium -- als
oberster Baubehörde. Es ist doch unbestreitbar,
daß die Vorteile für den Staat, die staatlichen
Sammlungen, die breite Oeffentlichkeit gegenüber
etwaigen Bedenken von seiten einiger Aestheten
oder Idiologen (wenn auch prominenter) so
dominierend sind (jedenfalls nach den diesbezüg-
lichen Bekanntmachungen in der Presse), daß sich
der Laie wie der Fachmann nur schwer vorstellen
kann, daß ein solches Angebot unbeachtet blieb
oder wegen der Fassadenänderungsfrage abge-
lehnt wurde. Oder stecken gar berücksichtigte per-
sönliche Interessen dahinter? Ein führender Bau-
künstler Münchens äußerte sich seinerzeit als ich
mit ihm das Projekt besprach, dahingehend, daß
eine Aenderung der Parterrefassade -- bei einem
bißchen guten Willen -- ohne Schädigung des
Ganzen durchaus möglich wäre. Und deshalb
nochmals meine Frage: Gönnt man unseren
wissenschaftlichen Sammlungen keine besseren und
mehr Räume, wenn diese umsonst geboten wer-
den mit der Aussicht, daß durch die angebotene
Pachtsumme in absehbarer Zeit ein neuer Mu-
seumsbau erstellt werden kann, ohne Beihilfe des
Staates?



Das in Amerika beschlagnahmte
deutsche Eigentum
Letzter Termin für die Anmeldung von Ansprüchen
[Spaltenumbruch]

Die anscheinend immer noch weit verbrei-
tete Ansicht, die amerikanische Regierung
werde, nachdem das Freigabegesetz einmal
erlassen worden ist, von sich aus die
Rückgabe der beschlagnahmten deutschen
Werte anordnen und sie den deutschen Eigen-
tümern zustellen, ist keineswegs zu-
treffend.
Im Hinblick auf den bevor-
stehenden Ablauf der Frist soll daher noch
einmal darauf hingewiesen werden, daß die
deutschen Eigentümer sich selbst um die
Wiedererlangung ihres Vermögens beküm-
mern und in einer an den Alien Property
Custodian zu richtende Eingabe, für die
gewisse Formen vorgeschrieben sind, die
Rückgabe ihres beschlagnahmten Eigentums
ausdrücklich beantragen müssen. Diesem An-
trag sind die Unterlagen beizufügen, aus
denen die Berechtigung der Antragsteller
einwandfrei hervorgeht. Der Antrag muß
nach dem amerikanischen Freigabegesetz
bis zum 10. März 1929
gestellt werden. Liegt dieser Antrag nicht
spätestens bis zu diesem Termin dem Alien
Property Custodian in Washington vor, so
ist das Eigentum für den deutschen Berech-
eigten endgültig verloren. Sofortiges Han-
deln ist gegebenenfalls also unerläßlich.

In diesem Zusammenhang sei ferner noch
darauf aufmerksam gemacht, daß deutsche
Firmen, die Vorkriegsforderungen gegen
amerikanische Kunden haben, nur dann
einen Freigabeantrag an den Alien Pro-
perty Custodian stellen können, wenn die
amerikanischen Kunden die Schuldbeträge
seinerzeit an den Alien Property Custodian
überwiesen haben, wie es das amerikanische
Gesetz über den Handel mit dem Feind vor-
schrieb, der Custodian also tatsächlich Werte
des deutschen Freigabeberechtigten in Hän-
den hat.

Die deutschen Interessenten, die bei ihren
Anträgen Formfehler vermeiden wollen
oder nicht in der Lage sind, die Angelegen-
heit selbst zu betreiben, können sich an den
Deutsch-Amerikanischen Wirtschaftsverband,
Berlin NW 7, Neue Wilhelmstraße 12/14,
oder an die Amerika-Abteilung des Bundes
der Auslandsdeutschen, Berlin NW 6,
Luisenstraße 27/28 wenden, die bereit sind,
auch Nichtmitgliedern Auskunft zu erteilen
und Hilfe angedeihen zu lassen. Die Inan-
spruchnahme eines sachverständigen Bera-
ters empfiehlt sich auch deshalb, weil dieser
Berater bei der endgültigen Abrechnung
über das freizugebende Vermögen prüfen
könnte, ob bei der Erhebung der Steuern
und der Berechnung der Verwaltungskosten
[Spaltenumbruch] alle diejenigen Punkte berücksichtigt worden
sind, die im Interesse der Rückgabe-Berech-
tigten geltend gemacht werden können.



Ueber 174 000 Rundsunkhörer
in Bayern

Vis 1. Januar 1929 hat die Zahl der
Rundfunkteilnehmer in Bayern weiter zu-
genommen und sich auf einen Stand von
174 102 postalisch genehmigter Anlagen er-
höht. Die Zunahme beträgt seit Oktober
1928 rund 22 860.



Kammerspiele im Schauspielhaus:

In der allei-
nigen Uraufführung des Lustspiels "Vettern" von
Rudolf Schneider-Schelde am Samstag, den
12. Januar, abends 7 Uhr, wirken mit die Da-
men Anneliese Born, Maria Byk, die Herren: Jo-
sef Eichheim, Kurt Horwitz, Richard Revy, Heinz
Rühmann, Franz Scharwenka. Die Inßenierung
liegt in Händen von Kurt Reiß. -- Das einmalige
Tanzgastspiel Mary Wigmans am Sams-
tag, den 12. Januar, nachts 10 Uhr, bringt als
vollständig neues Programm die beiden Zyklen
"Visionen" -- sechs Gestalten -- und die "spo-
nische Suite (drei Tänze). Mary Wigman hatte
mit diesem Programm kürzlich in Berlin einen
außerordentlichen Erfolg. Am Flügel: Will
Goetze.



Richard Revy wird an den Münchner Kammer-
spielen Bernard Shaws Historie "Cäsar
und Kleopatra
inßenieren.

[irrelevantes Material]
[Spaltenumbruch]
Der Zensor auf der Bühne
Ein Spottstück auf die russische Theaterzensur
[Spaltenumbruch]

Wie alle anderen Aeußerungen des öffentlichen
Lebens ist in Rußland auch das Theaterstück
einer strengen Zensur unterwosen. Die Bühne
darf nur solche Stücke aufführen, die den echten
bolschewistischen Geist atmen und die vorher von
dem Zensor auf ihre Tendenz genau geprüft
worden sind. Werke der klassischen Literatur
werden so lange umgemodelt, bis sie das Ge-
fallen des Zensors finden. Die Strenge der
Zensur kennt keine Ausnahmen. Sie scheint es
aber doch vertragen zu können,
daß man sich über sie lustig macht.
Denn sonst wäre es nicht zu verstehen, daß in
dem Kamerny Theater, einer Moskauer Bühne,
unter dem Titel "Die Scharlachinsel" ein Stück
gegeben werden kann, das eine ebenso lustige
wie scharfe Satire auf die russische Bühnenzensur
darstellt.

Der Verfasser des Stückes ist Mikhail Bul-
gakow,
ein junger Autor, der etwas von der



Der Todestag Ernst von Wildenbruchs
[Abbildung]

jährt sich am 15. Januar zum 20. Male. Seine
dramatischen Dichtungen, unter denen "Väter
und Söhne", "Die Quitzows", "Der neue Herr",
"Heinrich und Heinrichs Geschlecht" und "Die
Rabensteinerin" am erfolgreichsten waren, haben
ihn überlebt.



satirischen Ader Gogols geerbt hat. Er ver-
tritt in der zeitgenössischen russischen Literatur
eine etwas freiere und unabhängigere Note als
die anderen. Seine Werke gehen alle bis zur
äußersten Grenze der dichterischen Freiheit, die
in Sowjetrußland erlaubt ist. Es bedurfte erst
eines harten Kampfes, ehe die Aufführung einer
dramatisierten Erzählung Bulgakows auf der
Bühne des Moskauer Kunsttheaters zugelassen
wurde. Der Zensor erhob zunächst
Einspruch,
weil in dieser Erzählung die weißen (zaristischen)
Offiziere zwar als die Vertreter einer verlorenen
Sache, aber doch als tapfere und freundliche
Menschen dargestellt werden. Auch mit einer
anderen Dichtung, einer Satire auf das zeit-
genössische Rußland, hat Bulgakow bei den
strenggläubigen Kommunisten Anstoß erregt.

Um so seltsamer mutet es an, daß der Zensor
eine Verspottung seiner eigenen Tätigkeit auf
der Bühne zugelassen hat. Die Moslauer sind
ihm dafür sicher von Herzen dankbar, denn sie
besuchen allabendlich scharenweise das Kamerny
Theater und erfreuen sich aufs höchste an einem
Stück, das die Kritik der offiziellen Sowjetpresse
vergebens als langweilig herabzusetzen versucht
hat. Es muß den Russen besonders wohltun, sich
einmal über eine Persönlichkeit lustig zu machen,
die ihnen das Leben genug versauert.

Der Zensor tritt, ein wenig
als komische Person charakterisiert
und dargestellt, selbst in dem Stücke auf. Die
erste Szene der "Scharlachinsel" spielt in dem
Büro eines Moskauer Theaters. Der Direktor
teilt dem Zensor mit, daß er ein neues Drama
[Spaltenumbruch] aufzuführen beabsichtige, ein Stück, das politisch
vollständig einwandfrei sei. Der Zensor erklärt
sich bereit, der Generalprobe beizuwohnen, um
zu prüfen, ob das Stück zur Aufführung zuge-
lassen werden könne. In den übrigen Szenen
entrollt sich dann die Generalprobe, das Ganze
eine beißende Satire auf die Bindung der dich-
terischen Gestaltungsfreiheit durch den Zwang
des politischen Glaubensbekenntnisses. Und mit-
ten in der Reihenfolge dieser lustigen Szenen
steht der Zensor als Zielscheibe des Spottes und
der Satire.

Die "Scharlachinsel" ist ein kleiner Fleck Erde,
der nur in der Phantasie des Dichters besteht.
Aber auch dieses Stück Erde steht im Zeichen
des Gegensatzes von "weiß" und "rot". Die
"Weißen" sind natürlich die Unterdrücker. Sie
sind eine kleine Minderheit, haben aber die
Inselbewohner vollständig unterjocht und herr-
schen unter ihrem König als Tyrannen. Die
Eingeborenen sind, wenn auch nicht der Haut-
farbe, so doch der Gesinnung nach "rot". Zu den
handelnden Personen gesellt sich als Vertreter
des Kapitalismus und als Feind der "Roten"
der unvermeidliche Engländer.
Die Bühne verwandelt sich in das Deck eines
englischen Handelsdampfers. Der Besitzer des
Schiffes, Lord Glenarvon, tritt mit dem König
der "Weißen" in Verbindung. Er kauft die gan-
zen Perlenschätze der Insel für ein Fäßchen Rum
und bare tausend Pfund. So bleibt alles in
dem Rahmen der kommunistischen Anschauungen.
Der König ist ein Verräter, der heimlich die
Schätze seines Landes verkauft, der Engländer
der gewissenlose Händler, der alles mit seinem
Gelde verseucht. Aber man merkt an jedem Satz,
daß der Dichter selbst diese Darstellung nicht ernst
nimmt, sondern die vorgeschriebene Lehrmeinung
in das Lächerliche zieht.

Die Komödie beginnt in dem Augenblick, in
dem der Zensor, ein mit der Brille bewaffneter
Mann in mittleren Jahren, die Bühne betritt.
Er trägt die stattliche Mappe, ohne die man sich
einen Sowjetbeamten in Rußland überhaupt
nicht mehr vorstellen kann. Der Direktor weist
ihm auf dem Deck des Schiffes einen Ehrenplatz
an, der ihm einen guten Ueberblick gestattet. Und
nun macht der Zensor die Fahrt des Schiffes
mit. Von Szene zu Szene wird es interessanter.
Als der Verkaufsvertrag auf der "Scharlach-
insel" ruchbar wird,
empören sich die "Roten".
Die Engländer müssen den "Weißen" und ihrem
König zu Hilfe kommen. Sie bereiten sich dar-
auf vor, die ganze Insel zu erobern und dem
englischen Reiche einzuverleiben. Ihre Aussich-
ten sind günstig. Denn der Anführer der "Roten"
entpuppt sich als ein Schurke, der mit den
"Weißen" und ihren fremden Helfershelfern ge-
meinsame Sache macht. Aber die rote Revolu-
tion behält doch trotz aller Hindernisse zuletzt die
Oberhand. Die "Weißen" werden zum größten
Teil erschlagen und die Engländer müssen ab-
ziehen, ohne auch nur eine Perle erbeutet zu
haben. Die Sonne erhebt sich blutig rot und
grüßt die siegreiche Revolution. Der übliche und
unvermeidliche Schluß!

Aber der Zensor ist nicht zufrieden. Er er-
klärt, so dürfe das Stück nicht aufgeführt wer-
den. Der Direktor fragt verblüfft nach den
Gründen. "Und die englischen Matrosen?, lau-
tet die Gegenfrage. Sind sie nicht Proletarier?
Warum unterstützen sie nicht die Revolution?
Das Stück -- so stellt der Zensor wütend fest --
ist gegenrevolutionär. Der Verfasser hat von
den Grundsätzen der roten Internationale keine
Ahnung. Vielleicht wünscht er auch nicht ein-
mal den Sieg der Weltrevolution." Mit dieser
vernichtenden Kritik will der Zensor die Bühne
verlassen. Aber der Direktor hält ihn zurück.
Richts ist leichter, als das Stück zu ändern. Eine
Schlußßene wird angehängt, in der
die englischen Matrosen meulern,
den Lord und den Kapitän in Ketten werfen und
nach der Insel zurückfahren, um sich mit den
"Roten" dort zu verbrüdern. Nun gibt der
Zensor seine Zustimmung und alles ist in
Ordnung.

Man kann es den Moskauern gönnen, daß sie
Gelegenheit haben, einmal von Herzen über den
Zensor zu lachen. Denn dieser Mann verdirbt
ihnen oft genug die Laune.



Theater am Gärtnerplatz.

In den Auffüh-
rungen der Novität: "Evelyne" (Erstaufführung
Samstag, 12. Januar wird die Modeschau (im
5. Bilde) vom Modellhaus J. Ney, Maffeistr. 6,
der Modeschmuck von der Firma V. Tochter-
mann,
Maffeistraße 4, gestellt.

Die neuen Dekarationen sind vom Theater-
maler Theo Thaller, die Kostüme von Alois
Baumann und Anna Jung in den eigenen Werk-
stätten des Theaters hergestellt. Tänze: Bo[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
Dorsay. Im 1. Akt spielt das Tanzorchester George
Schells auf der Bühne.

"Das Extemporale", das beliebte, vielgegebene
Lustspiel in 3 Akten von Sturm und Färber,
kommt mit gütiger Erlaubnis der Direktion der
Münchner Kammerspiele durch zeitweise engage-
mentslose Bühnenkünstler Münchens, am Sonn-
tag, den 13. Januar 1929, abends 8 Uhr im Dom
Pedrosaal in Reuhausen
(Haltestelle
Waisenhaus der Linie 4) zur einmaligen Auf-
führung. Diese Theaterabende im sonst theater-
losen Neuhausen werden zu einem beliebten ge-
sellschaftlichen Treffpunkt für ein gutes Familien-
publikum. Als Darsteller sind in der Vorstellung
beteiligt: die Damen Marlit, Braune, Müller-Mar-
berg, die Herren Braune, Denzel, Heinrich, Voß-
Preise RM. 1,50, 0,99, 0,60.



Kunstverein München e. V.,

München. Die Aus-
stellung der Künstlergruppe "Der Bund" schließt
am Sonntag, den 13. Januar 1929.

Anschließend kommen Sammelausstellung von
Ida Diem-Tilp, Maria Langer-Schöl-
ler
-Dachau, (Aquarelle und Graphit), E. Mül-
ler-Zierhold.

„AZ am Abend“ Nr. 10 Samstag. den 12., Sonntag, den 13. Januar
[Spaltenumbruch]
Der Umbau der Alten Akademie
[Spaltenumbruch]

Unſer Artikel „Helft den Münchner Mu-
ſeen“ in der Ausgahe vom 9. d. M. hat in
folgender Zuſchrift ſeine erſte Reſonanz ge-
funden. Da die Frage des Umbaus des ſog.
„Wilhelminums“ zweifellos weite Kreiſe in-
tereſſiert, geben wir ihr gerne Raum:

Als ich den Aufruf von Herrn Ha. B. betref-
fend die Münchner Muſeen in Ihrem Blatte vom
9. d. M. las, freute ich mich ehrlich ob dieſes
würdigen Vorſchlages und daß die „AZ“ ſich für
dieſen Zweck in ſo weitgehendem Maße zur Ver-
fügung ſtellt. Ich erinnerte mich ſofort des ſo
verheißungsvollen Planes, der im Sommer ver-
gangenen Jahres betr. die wiſſenſchaftlichen
Staatsſammlungen nicht nur in der „AZ“, ſon-
dern auch in allen anderen führenden Münchner
Blättern zum Teil in ganz großer Aufmachung
veröffentlicht wurde. Ich wartete in der Zwi-
ſchenzeit immer auf einen weiteren Bericht in
dieſer, die breite Oeffentlichkeit außerordentlich
intereſſierenden Sache. Mit mir werden ſich ſicher
nicht wenig Intereſſierte ſchon öfter die Frage
vorgelegt haben, ja, was iſt denn nun eigentlich
mit dieſem außerordentlichen erfolgverſprechenden
Umbauprojekt der Alten Akademie geworden?

Das ſogenannte „Wilhelminum“, das iſt
das Gebäude der Alten bayer. Akademie der
Wiſſenſchaften in der Neuhauſerſtraße, ſollte
beſſer geeignete und mehr Räume durch Ein-
und Aufbau im geſamten Gebäudekomplex er-
halten, wenn es die Parterre-Straßenfront in
der Neuhauſerftraße für Einbauten von Laden-
lokalen freigeben würde. Das vorliegende An-
gebot ſollte dem Staat nicht nur keinerlei Un-
koſten verurſachen, im Gegenteil, der Staat oder
die ſtaatlichen Sammlungen ſollten neben den
beſſeren und mehr Räumen — nach denen ſie
ſchreien (mit Recht!) — auch noch ganz erhebliche
fährliche Pachtſummen erhalten. Das war doch
ein konkreter Vorſchlag, wie man ſich m. E. kaum
einen beſſeren vorſtellen könnte. Was wurde nun
daraus, wie ſteht es nun damit? Offenbar ein
Gewährsmann wußte in einer führenden Münch-
ner Zeitung in dieſer Sache ſogar zu berichten,
daß für das Projekt die unmittelbar daran inter-
[Spaltenumbruch] eſſierten Stellen wie die Leitung der Akademie
und des Generalkanſervatoriums der Sammlun-
gen gewonnen wären, d. h. ſie ſähen in dem vor-
liegenden Angebot zum erſtenmal ein praktiſch
durchführbares, wirklich ernſt zu nehmendes An-
gebot, das einen brauchbaren Weg zur Behebung
der unerträglich gewordenen Raumnot weiſt und
eine gute Grundlage für Verhandlungen böte.
Sind nun eigentlich Verhandlungen im Gange
oder hat ſich die Angelegenheit zerſchlagen? Im
letzteren Falle hätte die Oeffentlichkeit ein Recht,
auf eine einwandfreie Erklärung in dieſer Sache
von der maßgebenden ſtaatlichen Behörde zu be-
ſtehen.

Das Finanzminiſterium kann wohl kaum gegen
Annahme eines ſolchen Angebots geſtimmt haben!
Sollte vielleicht die Monumental-Baukommiſſion
einen Haken wegen der nötigen Faſſadenände-
rung gefunden haben? Aber ſelbſt wenn dies der
Fall ſein ſollte, die Entſcheidung liegt doch in
ſolchen Fällen beim Innenminiſterium — als
oberſter Baubehörde. Es iſt doch unbeſtreitbar,
daß die Vorteile für den Staat, die ſtaatlichen
Sammlungen, die breite Oeffentlichkeit gegenüber
etwaigen Bedenken von ſeiten einiger Aeſtheten
oder Idiologen (wenn auch prominenter) ſo
dominierend ſind (jedenfalls nach den diesbezüg-
lichen Bekanntmachungen in der Preſſe), daß ſich
der Laie wie der Fachmann nur ſchwer vorſtellen
kann, daß ein ſolches Angebot unbeachtet blieb
oder wegen der Faſſadenänderungsfrage abge-
lehnt wurde. Oder ſtecken gar berückſichtigte per-
ſönliche Intereſſen dahinter? Ein führender Bau-
künſtler Münchens äußerte ſich ſeinerzeit als ich
mit ihm das Projekt beſprach, dahingehend, daß
eine Aenderung der Parterrefaſſade — bei einem
bißchen guten Willen — ohne Schädigung des
Ganzen durchaus möglich wäre. Und deshalb
nochmals meine Frage: Gönnt man unſeren
wiſſenſchaftlichen Sammlungen keine beſſeren und
mehr Räume, wenn dieſe umſonſt geboten wer-
den mit der Ausſicht, daß durch die angebotene
Pachtſumme in abſehbarer Zeit ein neuer Mu-
ſeumsbau erſtellt werden kann, ohne Beihilfe des
Staates?



Das in Amerika beſchlagnahmte
deutſche Eigentum
Letzter Termin für die Anmeldung von Anſprüchen
[Spaltenumbruch]

Die anſcheinend immer noch weit verbrei-
tete Anſicht, die amerikaniſche Regierung
werde, nachdem das Freigabegeſetz einmal
erlaſſen worden iſt, von ſich aus die
Rückgabe der beſchlagnahmten deutſchen
Werte anordnen und ſie den deutſchen Eigen-
tümern zuſtellen, iſt keineswegs zu-
treffend.
Im Hinblick auf den bevor-
ſtehenden Ablauf der Friſt ſoll daher noch
einmal darauf hingewieſen werden, daß die
deutſchen Eigentümer ſich ſelbſt um die
Wiedererlangung ihres Vermögens beküm-
mern und in einer an den Alien Property
Cuſtodian zu richtende Eingabe, für die
gewiſſe Formen vorgeſchrieben ſind, die
Rückgabe ihres beſchlagnahmten Eigentums
ausdrücklich beantragen müſſen. Dieſem An-
trag ſind die Unterlagen beizufügen, aus
denen die Berechtigung der Antragſteller
einwandfrei hervorgeht. Der Antrag muß
nach dem amerikaniſchen Freigabegeſetz
bis zum 10. März 1929
geſtellt werden. Liegt dieſer Antrag nicht
ſpäteſtens bis zu dieſem Termin dem Alien
Property Cuſtodian in Waſhington vor, ſo
iſt das Eigentum für den deutſchen Berech-
eigten endgültig verloren. Sofortiges Han-
deln iſt gegebenenfalls alſo unerläßlich.

In dieſem Zuſammenhang ſei ferner noch
darauf aufmerkſam gemacht, daß deutſche
Firmen, die Vorkriegsforderungen gegen
amerikaniſche Kunden haben, nur dann
einen Freigabeantrag an den Alien Pro-
perty Cuſtodian ſtellen können, wenn die
amerikaniſchen Kunden die Schuldbeträge
ſeinerzeit an den Alien Property Cuſtodian
überwieſen haben, wie es das amerikaniſche
Geſetz über den Handel mit dem Feind vor-
ſchrieb, der Cuſtodian alſo tatſächlich Werte
des deutſchen Freigabeberechtigten in Hän-
den hat.

Die deutſchen Intereſſenten, die bei ihren
Anträgen Formfehler vermeiden wollen
oder nicht in der Lage ſind, die Angelegen-
heit ſelbſt zu betreiben, können ſich an den
Deutſch-Amerikaniſchen Wirtſchaftsverband,
Berlin NW 7, Neue Wilhelmſtraße 12/14,
oder an die Amerika-Abteilung des Bundes
der Auslandsdeutſchen, Berlin NW 6,
Luiſenſtraße 27/28 wenden, die bereit ſind,
auch Nichtmitgliedern Auskunft zu erteilen
und Hilfe angedeihen zu laſſen. Die Inan-
ſpruchnahme eines ſachverſtändigen Bera-
ters empfiehlt ſich auch deshalb, weil dieſer
Berater bei der endgültigen Abrechnung
über das freizugebende Vermögen prüfen
könnte, ob bei der Erhebung der Steuern
und der Berechnung der Verwaltungskoſten
[Spaltenumbruch] alle diejenigen Punkte berückſichtigt worden
ſind, die im Intereſſe der Rückgabe-Berech-
tigten geltend gemacht werden können.



Ueber 174 000 Rundſunkhörer
in Bayern

Vis 1. Januar 1929 hat die Zahl der
Rundfunkteilnehmer in Bayern weiter zu-
genommen und ſich auf einen Stand von
174 102 poſtaliſch genehmigter Anlagen er-
höht. Die Zunahme beträgt ſeit Oktober
1928 rund 22 860.



Kammerſpiele im Schauſpielhaus:

In der allei-
nigen Uraufführung des Luſtſpiels „Vettern“ von
Rudolf Schneider-Schelde am Samstag, den
12. Januar, abends 7 Uhr, wirken mit die Da-
men Annelieſe Born, Maria Byk, die Herren: Jo-
ſef Eichheim, Kurt Horwitz, Richard Révy, Heinz
Rühmann, Franz Scharwenka. Die Inſzenierung
liegt in Händen von Kurt Reiß. — Das einmalige
Tanzgaſtſpiel Mary Wigmans am Sams-
tag, den 12. Januar, nachts 10 Uhr, bringt als
vollſtändig neues Programm die beiden Zyklen
„Viſionen“ — ſechs Geſtalten — und die „ſpo-
niſche Suite (drei Tänze). Mary Wigman hatte
mit dieſem Programm kürzlich in Berlin einen
außerordentlichen Erfolg. Am Flügel: Will
Goetze.



Richard Révy wird an den Münchner Kammer-
ſpielen Bernard Shaws Hiſtorie „Cäſar
und Kleopatra
inſzenieren.

[irrelevantes Material]
[Spaltenumbruch]
Der Zenſor auf der Bühne
Ein Spottſtück auf die ruſſiſche Theaterzenſur
[Spaltenumbruch]

Wie alle anderen Aeußerungen des öffentlichen
Lebens iſt in Rußland auch das Theaterſtück
einer ſtrengen Zenſur unterwoſen. Die Bühne
darf nur ſolche Stücke aufführen, die den echten
bolſchewiſtiſchen Geiſt atmen und die vorher von
dem Zenſor auf ihre Tendenz genau geprüft
worden ſind. Werke der klaſſiſchen Literatur
werden ſo lange umgemodelt, bis ſie das Ge-
fallen des Zenſors finden. Die Strenge der
Zenſur kennt keine Ausnahmen. Sie ſcheint es
aber doch vertragen zu können,
daß man ſich über ſie luſtig macht.
Denn ſonſt wäre es nicht zu verſtehen, daß in
dem Kamerny Theater, einer Moskauer Bühne,
unter dem Titel „Die Scharlachinſel“ ein Stück
gegeben werden kann, das eine ebenſo luſtige
wie ſcharfe Satire auf die ruſſiſche Bühnenzenſur
darſtellt.

Der Verfaſſer des Stückes iſt Mikhail Bul-
gakow,
ein junger Autor, der etwas von der



Der Todestag Ernſt von Wildenbruchs
[Abbildung]

jährt ſich am 15. Januar zum 20. Male. Seine
dramatiſchen Dichtungen, unter denen „Väter
und Söhne“, „Die Quitzows“, „Der neue Herr“,
„Heinrich und Heinrichs Geſchlecht“ und „Die
Rabenſteinerin“ am erfolgreichſten waren, haben
ihn überlebt.



ſatiriſchen Ader Gogols geerbt hat. Er ver-
tritt in der zeitgenöſſiſchen ruſſiſchen Literatur
eine etwas freiere und unabhängigere Note als
die anderen. Seine Werke gehen alle bis zur
äußerſten Grenze der dichteriſchen Freiheit, die
in Sowjetrußland erlaubt iſt. Es bedurfte erſt
eines harten Kampfes, ehe die Aufführung einer
dramatiſierten Erzählung Bulgakows auf der
Bühne des Moskauer Kunſttheaters zugelaſſen
wurde. Der Zenſor erhob zunächſt
Einſpruch,
weil in dieſer Erzählung die weißen (zariſtiſchen)
Offiziere zwar als die Vertreter einer verlorenen
Sache, aber doch als tapfere und freundliche
Menſchen dargeſtellt werden. Auch mit einer
anderen Dichtung, einer Satire auf das zeit-
genöſſiſche Rußland, hat Bulgakow bei den
ſtrenggläubigen Kommuniſten Anſtoß erregt.

Um ſo ſeltſamer mutet es an, daß der Zenſor
eine Verſpottung ſeiner eigenen Tätigkeit auf
der Bühne zugelaſſen hat. Die Moslauer ſind
ihm dafür ſicher von Herzen dankbar, denn ſie
beſuchen allabendlich ſcharenweiſe das Kamerny
Theater und erfreuen ſich aufs höchſte an einem
Stück, das die Kritik der offiziellen Sowjetpreſſe
vergebens als langweilig herabzuſetzen verſucht
hat. Es muß den Ruſſen beſonders wohltun, ſich
einmal über eine Perſönlichkeit luſtig zu machen,
die ihnen das Leben genug verſauert.

Der Zenſor tritt, ein wenig
als komiſche Perſon charakteriſiert
und dargeſtellt, ſelbſt in dem Stücke auf. Die
erſte Szene der „Scharlachinſel“ ſpielt in dem
Büro eines Moskauer Theaters. Der Direktor
teilt dem Zenſor mit, daß er ein neues Drama
[Spaltenumbruch] aufzuführen beabſichtige, ein Stück, das politiſch
vollſtändig einwandfrei ſei. Der Zenſor erklärt
ſich bereit, der Generalprobe beizuwohnen, um
zu prüfen, ob das Stück zur Aufführung zuge-
laſſen werden könne. In den übrigen Szenen
entrollt ſich dann die Generalprobe, das Ganze
eine beißende Satire auf die Bindung der dich-
teriſchen Geſtaltungsfreiheit durch den Zwang
des politiſchen Glaubensbekenntniſſes. Und mit-
ten in der Reihenfolge dieſer luſtigen Szenen
ſteht der Zenſor als Zielſcheibe des Spottes und
der Satire.

Die „Scharlachinſel“ iſt ein kleiner Fleck Erde,
der nur in der Phantaſie des Dichters beſteht.
Aber auch dieſes Stück Erde ſteht im Zeichen
des Gegenſatzes von „weiß“ und „rot“. Die
„Weißen“ ſind natürlich die Unterdrücker. Sie
ſind eine kleine Minderheit, haben aber die
Inſelbewohner vollſtändig unterjocht und herr-
ſchen unter ihrem König als Tyrannen. Die
Eingeborenen ſind, wenn auch nicht der Haut-
farbe, ſo doch der Geſinnung nach „rot“. Zu den
handelnden Perſonen geſellt ſich als Vertreter
des Kapitalismus und als Feind der „Roten“
der unvermeidliche Engländer.
Die Bühne verwandelt ſich in das Deck eines
engliſchen Handelsdampfers. Der Beſitzer des
Schiffes, Lord Glenarvon, tritt mit dem König
der „Weißen“ in Verbindung. Er kauft die gan-
zen Perlenſchätze der Inſel für ein Fäßchen Rum
und bare tauſend Pfund. So bleibt alles in
dem Rahmen der kommuniſtiſchen Anſchauungen.
Der König iſt ein Verräter, der heimlich die
Schätze ſeines Landes verkauft, der Engländer
der gewiſſenloſe Händler, der alles mit ſeinem
Gelde verſeucht. Aber man merkt an jedem Satz,
daß der Dichter ſelbſt dieſe Darſtellung nicht ernſt
nimmt, ſondern die vorgeſchriebene Lehrmeinung
in das Lächerliche zieht.

Die Komödie beginnt in dem Augenblick, in
dem der Zenſor, ein mit der Brille bewaffneter
Mann in mittleren Jahren, die Bühne betritt.
Er trägt die ſtattliche Mappe, ohne die man ſich
einen Sowjetbeamten in Rußland überhaupt
nicht mehr vorſtellen kann. Der Direktor weiſt
ihm auf dem Deck des Schiffes einen Ehrenplatz
an, der ihm einen guten Ueberblick geſtattet. Und
nun macht der Zenſor die Fahrt des Schiffes
mit. Von Szene zu Szene wird es intereſſanter.
Als der Verkaufsvertrag auf der „Scharlach-
inſel“ ruchbar wird,
empören ſich die „Roten“.
Die Engländer müſſen den „Weißen“ und ihrem
König zu Hilfe kommen. Sie bereiten ſich dar-
auf vor, die ganze Inſel zu erobern und dem
engliſchen Reiche einzuverleiben. Ihre Ausſich-
ten ſind günſtig. Denn der Anführer der „Roten“
entpuppt ſich als ein Schurke, der mit den
„Weißen“ und ihren fremden Helfershelfern ge-
meinſame Sache macht. Aber die rote Revolu-
tion behält doch trotz aller Hinderniſſe zuletzt die
Oberhand. Die „Weißen“ werden zum größten
Teil erſchlagen und die Engländer müſſen ab-
ziehen, ohne auch nur eine Perle erbeutet zu
haben. Die Sonne erhebt ſich blutig rot und
grüßt die ſiegreiche Revolution. Der übliche und
unvermeidliche Schluß!

Aber der Zenſor iſt nicht zufrieden. Er er-
klärt, ſo dürfe das Stück nicht aufgeführt wer-
den. Der Direktor fragt verblüfft nach den
Gründen. „Und die engliſchen Matroſen?, lau-
tet die Gegenfrage. Sind ſie nicht Proletarier?
Warum unterſtützen ſie nicht die Revolution?
Das Stück — ſo ſtellt der Zenſor wütend feſt —
iſt gegenrevolutionär. Der Verfaſſer hat von
den Grundſätzen der roten Internationale keine
Ahnung. Vielleicht wünſcht er auch nicht ein-
mal den Sieg der Weltrevolution.“ Mit dieſer
vernichtenden Kritik will der Zenſor die Bühne
verlaſſen. Aber der Direktor hält ihn zurück.
Richts iſt leichter, als das Stück zu ändern. Eine
Schlußſzene wird angehängt, in der
die engliſchen Matroſen meulern,
den Lord und den Kapitän in Ketten werfen und
nach der Inſel zurückfahren, um ſich mit den
„Roten“ dort zu verbrüdern. Nun gibt der
Zenſor ſeine Zuſtimmung und alles iſt in
Ordnung.

Man kann es den Moskauern gönnen, daß ſie
Gelegenheit haben, einmal von Herzen über den
Zenſor zu lachen. Denn dieſer Mann verdirbt
ihnen oft genug die Laune.



Theater am Gärtnerplatz.

In den Auffüh-
rungen der Novität: „Evelyne“ (Erſtaufführung
Samstag, 12. Januar wird die Modeſchau (im
5. Bilde) vom Modellhaus J. Ney, Maffeiſtr. 6,
der Modeſchmuck von der Firma V. Tochter-
mann,
Maffeiſtraße 4, geſtellt.

Die neuen Dekarationen ſind vom Theater-
maler Theo Thaller, die Koſtüme von Alois
Baumann und Anna Jung in den eigenen Werk-
ſtätten des Theaters hergeſtellt. Tänze: Bo[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
Dorſay. Im 1. Akt ſpielt das Tanzorcheſter George
Schells auf der Bühne.

„Das Extemporale“, das beliebte, vielgegebene
Luſtſpiel in 3 Akten von Sturm und Färber,
kommt mit gütiger Erlaubnis der Direktion der
Münchner Kammerſpiele durch zeitweiſe engage-
mentsloſe Bühnenkünſtler Münchens, am Sonn-
tag, den 13. Januar 1929, abends 8 Uhr im Dom
Pedroſaal in Reuhauſen
(Halteſtelle
Waiſenhaus der Linie 4) zur einmaligen Auf-
führung. Dieſe Theaterabende im ſonſt theater-
loſen Neuhauſen werden zu einem beliebten ge-
ſellſchaftlichen Treffpunkt für ein gutes Familien-
publikum. Als Darſteller ſind in der Vorſtellung
beteiligt: die Damen Marlit, Braune, Müller-Mar-
berg, die Herren Braune, Denzel, Heinrich, Voß-
Preiſe RM. 1,50, 0,99, 0,60.



Kunſtverein München e. V.,

München. Die Aus-
ſtellung der Künſtlergruppe „Der Bund“ ſchließt
am Sonntag, den 13. Januar 1929.

Anſchließend kommen Sammelausſtellung von
Ida Diem-Tilp, Maria Langer-Schöl-
ler
-Dachau, (Aquarelle und Graphit), E. Mül-
ler-Zierhold.

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[Seite 12[12]/0012] „AZ am Abend“ Nr. 10 Samstag. den 12., Sonntag, den 13. Januar Der Umbau der Alten Akademie Unſer Artikel „Helft den Münchner Mu- ſeen“ in der Ausgahe vom 9. d. M. hat in folgender Zuſchrift ſeine erſte Reſonanz ge- funden. Da die Frage des Umbaus des ſog. „Wilhelminums“ zweifellos weite Kreiſe in- tereſſiert, geben wir ihr gerne Raum: Als ich den Aufruf von Herrn Ha. B. betref- fend die Münchner Muſeen in Ihrem Blatte vom 9. d. M. las, freute ich mich ehrlich ob dieſes würdigen Vorſchlages und daß die „AZ“ ſich für dieſen Zweck in ſo weitgehendem Maße zur Ver- fügung ſtellt. Ich erinnerte mich ſofort des ſo verheißungsvollen Planes, der im Sommer ver- gangenen Jahres betr. die wiſſenſchaftlichen Staatsſammlungen nicht nur in der „AZ“, ſon- dern auch in allen anderen führenden Münchner Blättern zum Teil in ganz großer Aufmachung veröffentlicht wurde. Ich wartete in der Zwi- ſchenzeit immer auf einen weiteren Bericht in dieſer, die breite Oeffentlichkeit außerordentlich intereſſierenden Sache. Mit mir werden ſich ſicher nicht wenig Intereſſierte ſchon öfter die Frage vorgelegt haben, ja, was iſt denn nun eigentlich mit dieſem außerordentlichen erfolgverſprechenden Umbauprojekt der Alten Akademie geworden? Das ſogenannte „Wilhelminum“, das iſt das Gebäude der Alten bayer. Akademie der Wiſſenſchaften in der Neuhauſerſtraße, ſollte beſſer geeignete und mehr Räume durch Ein- und Aufbau im geſamten Gebäudekomplex er- halten, wenn es die Parterre-Straßenfront in der Neuhauſerftraße für Einbauten von Laden- lokalen freigeben würde. Das vorliegende An- gebot ſollte dem Staat nicht nur keinerlei Un- koſten verurſachen, im Gegenteil, der Staat oder die ſtaatlichen Sammlungen ſollten neben den beſſeren und mehr Räumen — nach denen ſie ſchreien (mit Recht!) — auch noch ganz erhebliche fährliche Pachtſummen erhalten. Das war doch ein konkreter Vorſchlag, wie man ſich m. E. kaum einen beſſeren vorſtellen könnte. Was wurde nun daraus, wie ſteht es nun damit? Offenbar ein Gewährsmann wußte in einer führenden Münch- ner Zeitung in dieſer Sache ſogar zu berichten, daß für das Projekt die unmittelbar daran inter- eſſierten Stellen wie die Leitung der Akademie und des Generalkanſervatoriums der Sammlun- gen gewonnen wären, d. h. ſie ſähen in dem vor- liegenden Angebot zum erſtenmal ein praktiſch durchführbares, wirklich ernſt zu nehmendes An- gebot, das einen brauchbaren Weg zur Behebung der unerträglich gewordenen Raumnot weiſt und eine gute Grundlage für Verhandlungen böte. Sind nun eigentlich Verhandlungen im Gange oder hat ſich die Angelegenheit zerſchlagen? Im letzteren Falle hätte die Oeffentlichkeit ein Recht, auf eine einwandfreie Erklärung in dieſer Sache von der maßgebenden ſtaatlichen Behörde zu be- ſtehen. Das Finanzminiſterium kann wohl kaum gegen Annahme eines ſolchen Angebots geſtimmt haben! Sollte vielleicht die Monumental-Baukommiſſion einen Haken wegen der nötigen Faſſadenände- rung gefunden haben? Aber ſelbſt wenn dies der Fall ſein ſollte, die Entſcheidung liegt doch in ſolchen Fällen beim Innenminiſterium — als oberſter Baubehörde. Es iſt doch unbeſtreitbar, daß die Vorteile für den Staat, die ſtaatlichen Sammlungen, die breite Oeffentlichkeit gegenüber etwaigen Bedenken von ſeiten einiger Aeſtheten oder Idiologen (wenn auch prominenter) ſo dominierend ſind (jedenfalls nach den diesbezüg- lichen Bekanntmachungen in der Preſſe), daß ſich der Laie wie der Fachmann nur ſchwer vorſtellen kann, daß ein ſolches Angebot unbeachtet blieb oder wegen der Faſſadenänderungsfrage abge- lehnt wurde. Oder ſtecken gar berückſichtigte per- ſönliche Intereſſen dahinter? Ein führender Bau- künſtler Münchens äußerte ſich ſeinerzeit als ich mit ihm das Projekt beſprach, dahingehend, daß eine Aenderung der Parterrefaſſade — bei einem bißchen guten Willen — ohne Schädigung des Ganzen durchaus möglich wäre. Und deshalb nochmals meine Frage: Gönnt man unſeren wiſſenſchaftlichen Sammlungen keine beſſeren und mehr Räume, wenn dieſe umſonſt geboten wer- den mit der Ausſicht, daß durch die angebotene Pachtſumme in abſehbarer Zeit ein neuer Mu- ſeumsbau erſtellt werden kann, ohne Beihilfe des Staates? G. Elk. Das in Amerika beſchlagnahmte deutſche Eigentum Letzter Termin für die Anmeldung von Anſprüchen Die anſcheinend immer noch weit verbrei- tete Anſicht, die amerikaniſche Regierung werde, nachdem das Freigabegeſetz einmal erlaſſen worden iſt, von ſich aus die Rückgabe der beſchlagnahmten deutſchen Werte anordnen und ſie den deutſchen Eigen- tümern zuſtellen, iſt keineswegs zu- treffend. Im Hinblick auf den bevor- ſtehenden Ablauf der Friſt ſoll daher noch einmal darauf hingewieſen werden, daß die deutſchen Eigentümer ſich ſelbſt um die Wiedererlangung ihres Vermögens beküm- mern und in einer an den Alien Property Cuſtodian zu richtende Eingabe, für die gewiſſe Formen vorgeſchrieben ſind, die Rückgabe ihres beſchlagnahmten Eigentums ausdrücklich beantragen müſſen. Dieſem An- trag ſind die Unterlagen beizufügen, aus denen die Berechtigung der Antragſteller einwandfrei hervorgeht. Der Antrag muß nach dem amerikaniſchen Freigabegeſetz bis zum 10. März 1929 geſtellt werden. Liegt dieſer Antrag nicht ſpäteſtens bis zu dieſem Termin dem Alien Property Cuſtodian in Waſhington vor, ſo iſt das Eigentum für den deutſchen Berech- eigten endgültig verloren. Sofortiges Han- deln iſt gegebenenfalls alſo unerläßlich. In dieſem Zuſammenhang ſei ferner noch darauf aufmerkſam gemacht, daß deutſche Firmen, die Vorkriegsforderungen gegen amerikaniſche Kunden haben, nur dann einen Freigabeantrag an den Alien Pro- perty Cuſtodian ſtellen können, wenn die amerikaniſchen Kunden die Schuldbeträge ſeinerzeit an den Alien Property Cuſtodian überwieſen haben, wie es das amerikaniſche Geſetz über den Handel mit dem Feind vor- ſchrieb, der Cuſtodian alſo tatſächlich Werte des deutſchen Freigabeberechtigten in Hän- den hat. Die deutſchen Intereſſenten, die bei ihren Anträgen Formfehler vermeiden wollen oder nicht in der Lage ſind, die Angelegen- heit ſelbſt zu betreiben, können ſich an den Deutſch-Amerikaniſchen Wirtſchaftsverband, Berlin NW 7, Neue Wilhelmſtraße 12/14, oder an die Amerika-Abteilung des Bundes der Auslandsdeutſchen, Berlin NW 6, Luiſenſtraße 27/28 wenden, die bereit ſind, auch Nichtmitgliedern Auskunft zu erteilen und Hilfe angedeihen zu laſſen. Die Inan- ſpruchnahme eines ſachverſtändigen Bera- ters empfiehlt ſich auch deshalb, weil dieſer Berater bei der endgültigen Abrechnung über das freizugebende Vermögen prüfen könnte, ob bei der Erhebung der Steuern und der Berechnung der Verwaltungskoſten alle diejenigen Punkte berückſichtigt worden ſind, die im Intereſſe der Rückgabe-Berech- tigten geltend gemacht werden können. Ueber 174 000 Rundſunkhörer in Bayern Vis 1. Januar 1929 hat die Zahl der Rundfunkteilnehmer in Bayern weiter zu- genommen und ſich auf einen Stand von 174 102 poſtaliſch genehmigter Anlagen er- höht. Die Zunahme beträgt ſeit Oktober 1928 rund 22 860. Kammerſpiele im Schauſpielhaus:In der allei- nigen Uraufführung des Luſtſpiels „Vettern“ von Rudolf Schneider-Schelde am Samstag, den 12. Januar, abends 7 Uhr, wirken mit die Da- men Annelieſe Born, Maria Byk, die Herren: Jo- ſef Eichheim, Kurt Horwitz, Richard Révy, Heinz Rühmann, Franz Scharwenka. Die Inſzenierung liegt in Händen von Kurt Reiß. — Das einmalige Tanzgaſtſpiel Mary Wigmans am Sams- tag, den 12. Januar, nachts 10 Uhr, bringt als vollſtändig neues Programm die beiden Zyklen „Viſionen“ — ſechs Geſtalten — und die „ſpo- niſche Suite (drei Tänze). Mary Wigman hatte mit dieſem Programm kürzlich in Berlin einen außerordentlichen Erfolg. Am Flügel: Will Goetze. Richard Révy wird an den Münchner Kammer- ſpielen Bernard Shaws Hiſtorie „Cäſar und Kleopatra inſzenieren. _ Der Zenſor auf der Bühne Ein Spottſtück auf die ruſſiſche Theaterzenſur Wie alle anderen Aeußerungen des öffentlichen Lebens iſt in Rußland auch das Theaterſtück einer ſtrengen Zenſur unterwoſen. Die Bühne darf nur ſolche Stücke aufführen, die den echten bolſchewiſtiſchen Geiſt atmen und die vorher von dem Zenſor auf ihre Tendenz genau geprüft worden ſind. Werke der klaſſiſchen Literatur werden ſo lange umgemodelt, bis ſie das Ge- fallen des Zenſors finden. Die Strenge der Zenſur kennt keine Ausnahmen. Sie ſcheint es aber doch vertragen zu können, daß man ſich über ſie luſtig macht. Denn ſonſt wäre es nicht zu verſtehen, daß in dem Kamerny Theater, einer Moskauer Bühne, unter dem Titel „Die Scharlachinſel“ ein Stück gegeben werden kann, das eine ebenſo luſtige wie ſcharfe Satire auf die ruſſiſche Bühnenzenſur darſtellt. Der Verfaſſer des Stückes iſt Mikhail Bul- gakow, ein junger Autor, der etwas von der Der Todestag Ernſt von Wildenbruchs [Abbildung jährt ſich am 15. Januar zum 20. Male. Seine dramatiſchen Dichtungen, unter denen „Väter und Söhne“, „Die Quitzows“, „Der neue Herr“, „Heinrich und Heinrichs Geſchlecht“ und „Die Rabenſteinerin“ am erfolgreichſten waren, haben ihn überlebt.] ſatiriſchen Ader Gogols geerbt hat. Er ver- tritt in der zeitgenöſſiſchen ruſſiſchen Literatur eine etwas freiere und unabhängigere Note als die anderen. Seine Werke gehen alle bis zur äußerſten Grenze der dichteriſchen Freiheit, die in Sowjetrußland erlaubt iſt. Es bedurfte erſt eines harten Kampfes, ehe die Aufführung einer dramatiſierten Erzählung Bulgakows auf der Bühne des Moskauer Kunſttheaters zugelaſſen wurde. Der Zenſor erhob zunächſt Einſpruch, weil in dieſer Erzählung die weißen (zariſtiſchen) Offiziere zwar als die Vertreter einer verlorenen Sache, aber doch als tapfere und freundliche Menſchen dargeſtellt werden. Auch mit einer anderen Dichtung, einer Satire auf das zeit- genöſſiſche Rußland, hat Bulgakow bei den ſtrenggläubigen Kommuniſten Anſtoß erregt. Um ſo ſeltſamer mutet es an, daß der Zenſor eine Verſpottung ſeiner eigenen Tätigkeit auf der Bühne zugelaſſen hat. Die Moslauer ſind ihm dafür ſicher von Herzen dankbar, denn ſie beſuchen allabendlich ſcharenweiſe das Kamerny Theater und erfreuen ſich aufs höchſte an einem Stück, das die Kritik der offiziellen Sowjetpreſſe vergebens als langweilig herabzuſetzen verſucht hat. Es muß den Ruſſen beſonders wohltun, ſich einmal über eine Perſönlichkeit luſtig zu machen, die ihnen das Leben genug verſauert. Der Zenſor tritt, ein wenig als komiſche Perſon charakteriſiert und dargeſtellt, ſelbſt in dem Stücke auf. Die erſte Szene der „Scharlachinſel“ ſpielt in dem Büro eines Moskauer Theaters. Der Direktor teilt dem Zenſor mit, daß er ein neues Drama aufzuführen beabſichtige, ein Stück, das politiſch vollſtändig einwandfrei ſei. Der Zenſor erklärt ſich bereit, der Generalprobe beizuwohnen, um zu prüfen, ob das Stück zur Aufführung zuge- laſſen werden könne. In den übrigen Szenen entrollt ſich dann die Generalprobe, das Ganze eine beißende Satire auf die Bindung der dich- teriſchen Geſtaltungsfreiheit durch den Zwang des politiſchen Glaubensbekenntniſſes. Und mit- ten in der Reihenfolge dieſer luſtigen Szenen ſteht der Zenſor als Zielſcheibe des Spottes und der Satire. Die „Scharlachinſel“ iſt ein kleiner Fleck Erde, der nur in der Phantaſie des Dichters beſteht. Aber auch dieſes Stück Erde ſteht im Zeichen des Gegenſatzes von „weiß“ und „rot“. Die „Weißen“ ſind natürlich die Unterdrücker. Sie ſind eine kleine Minderheit, haben aber die Inſelbewohner vollſtändig unterjocht und herr- ſchen unter ihrem König als Tyrannen. Die Eingeborenen ſind, wenn auch nicht der Haut- farbe, ſo doch der Geſinnung nach „rot“. Zu den handelnden Perſonen geſellt ſich als Vertreter des Kapitalismus und als Feind der „Roten“ der unvermeidliche Engländer. Die Bühne verwandelt ſich in das Deck eines engliſchen Handelsdampfers. Der Beſitzer des Schiffes, Lord Glenarvon, tritt mit dem König der „Weißen“ in Verbindung. Er kauft die gan- zen Perlenſchätze der Inſel für ein Fäßchen Rum und bare tauſend Pfund. So bleibt alles in dem Rahmen der kommuniſtiſchen Anſchauungen. Der König iſt ein Verräter, der heimlich die Schätze ſeines Landes verkauft, der Engländer der gewiſſenloſe Händler, der alles mit ſeinem Gelde verſeucht. Aber man merkt an jedem Satz, daß der Dichter ſelbſt dieſe Darſtellung nicht ernſt nimmt, ſondern die vorgeſchriebene Lehrmeinung in das Lächerliche zieht. Die Komödie beginnt in dem Augenblick, in dem der Zenſor, ein mit der Brille bewaffneter Mann in mittleren Jahren, die Bühne betritt. Er trägt die ſtattliche Mappe, ohne die man ſich einen Sowjetbeamten in Rußland überhaupt nicht mehr vorſtellen kann. Der Direktor weiſt ihm auf dem Deck des Schiffes einen Ehrenplatz an, der ihm einen guten Ueberblick geſtattet. Und nun macht der Zenſor die Fahrt des Schiffes mit. Von Szene zu Szene wird es intereſſanter. Als der Verkaufsvertrag auf der „Scharlach- inſel“ ruchbar wird, empören ſich die „Roten“. Die Engländer müſſen den „Weißen“ und ihrem König zu Hilfe kommen. Sie bereiten ſich dar- auf vor, die ganze Inſel zu erobern und dem engliſchen Reiche einzuverleiben. Ihre Ausſich- ten ſind günſtig. Denn der Anführer der „Roten“ entpuppt ſich als ein Schurke, der mit den „Weißen“ und ihren fremden Helfershelfern ge- meinſame Sache macht. Aber die rote Revolu- tion behält doch trotz aller Hinderniſſe zuletzt die Oberhand. Die „Weißen“ werden zum größten Teil erſchlagen und die Engländer müſſen ab- ziehen, ohne auch nur eine Perle erbeutet zu haben. Die Sonne erhebt ſich blutig rot und grüßt die ſiegreiche Revolution. Der übliche und unvermeidliche Schluß! Aber der Zenſor iſt nicht zufrieden. Er er- klärt, ſo dürfe das Stück nicht aufgeführt wer- den. Der Direktor fragt verblüfft nach den Gründen. „Und die engliſchen Matroſen?, lau- tet die Gegenfrage. Sind ſie nicht Proletarier? Warum unterſtützen ſie nicht die Revolution? Das Stück — ſo ſtellt der Zenſor wütend feſt — iſt gegenrevolutionär. Der Verfaſſer hat von den Grundſätzen der roten Internationale keine Ahnung. Vielleicht wünſcht er auch nicht ein- mal den Sieg der Weltrevolution.“ Mit dieſer vernichtenden Kritik will der Zenſor die Bühne verlaſſen. Aber der Direktor hält ihn zurück. Richts iſt leichter, als das Stück zu ändern. Eine Schlußſzene wird angehängt, in der die engliſchen Matroſen meulern, den Lord und den Kapitän in Ketten werfen und nach der Inſel zurückfahren, um ſich mit den „Roten“ dort zu verbrüdern. Nun gibt der Zenſor ſeine Zuſtimmung und alles iſt in Ordnung. Man kann es den Moskauern gönnen, daß ſie Gelegenheit haben, einmal von Herzen über den Zenſor zu lachen. Denn dieſer Mann verdirbt ihnen oft genug die Laune. Theater am Gärtnerplatz.In den Auffüh- rungen der Novität: „Evelyne“ (Erſtaufführung Samstag, 12. Januar wird die Modeſchau (im 5. Bilde) vom Modellhaus J. Ney, Maffeiſtr. 6, der Modeſchmuck von der Firma V. Tochter- mann, Maffeiſtraße 4, geſtellt. Die neuen Dekarationen ſind vom Theater- maler Theo Thaller, die Koſtüme von Alois Baumann und Anna Jung in den eigenen Werk- ſtätten des Theaters hergeſtellt. Tänze: Bo_ Dorſay. Im 1. Akt ſpielt das Tanzorcheſter George Schells auf der Bühne. „Das Extemporale“, das beliebte, vielgegebene Luſtſpiel in 3 Akten von Sturm und Färber, kommt mit gütiger Erlaubnis der Direktion der Münchner Kammerſpiele durch zeitweiſe engage- mentsloſe Bühnenkünſtler Münchens, am Sonn- tag, den 13. Januar 1929, abends 8 Uhr im Dom Pedroſaal in Reuhauſen (Halteſtelle Waiſenhaus der Linie 4) zur einmaligen Auf- führung. Dieſe Theaterabende im ſonſt theater- loſen Neuhauſen werden zu einem beliebten ge- ſellſchaftlichen Treffpunkt für ein gutes Familien- publikum. Als Darſteller ſind in der Vorſtellung beteiligt: die Damen Marlit, Braune, Müller-Mar- berg, die Herren Braune, Denzel, Heinrich, Voß- Preiſe RM. 1,50, 0,99, 0,60. Kunſtverein München e. V.,München. Die Aus- ſtellung der Künſtlergruppe „Der Bund“ ſchließt am Sonntag, den 13. Januar 1929. Anſchließend kommen Sammelausſtellung von Ida Diem-Tilp, Maria Langer-Schöl- ler-Dachau, (Aquarelle und Graphit), E. Mül- ler-Zierhold.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-01-02T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 10, 12. Januar 1929, S. Seite 12[12]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine10_1929/12>, abgerufen am 15.11.2024.