Allgemeine Zeitung, Nr. 10, 10. Januar 1872.[Spaltenumbruch]
handlungen beziehen dürfe. Nur folgendes wolle man hervorheben: daß der Entwurf Aus der französischen Nationalversammlung. * Versailles, 6 Jan. Nach Annahme mehrerer Gesetzentwürfe von localer Hr. Dupanloup ist zum Präsidenten der Commission fürs Unterrichtsgesetz er- Deutsches Reich. * Aus Bayern, 9 Jan. Durch allerhöchste Entschließung vom 28 v. M. "Ihr sollt schwören zu Gott dem Allmächtigen einen körperlichen Eid daß ihr dem [Spaltenumbruch]
handlungen beziehen dürfe. Nur folgendes wolle man hervorheben: daß der Entwurf Aus der franzöſiſchen Nationalverſammlung. * Verſailles, 6 Jan. Nach Annahme mehrerer Geſetzentwürfe von localer Hr. Dupanloup iſt zum Präſidenten der Commiſſion fürs Unterrichtsgeſetz er- Deutſches Reich. * Aus Bayern, 9 Jan. Durch allerhöchſte Entſchließung vom 28 v. M. „Ihr ſollt ſchwören zu Gott dem Allmächtigen einen körperlichen Eid daß ihr dem <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <floatingText> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0003" n="131"/><cb/> handlungen beziehen dürfe. Nur folgendes wolle man hervorheben: daß der Entwurf<lb/> eines Obligationenrechts, welcher durch die von dem vormaligen Deutſchen Bunde zu<lb/> Dresden niedergeſetzte Commiſſion ausgearbeitet worden ſei, ungeachtet der auf dieſes<lb/> Werk von tüchtigen Kräften verwendeten Anſtrengung, ſo wenig Befriedigung hervor-<lb/> gerufen habe, ſei ein Zeugniß im großen dafür wie die beſondere, von der Bearbeitung<lb/> des übrigen bürgerlichen Rechts losgelöste Behandlung des Obligationenrechts zu keinem<lb/> erwünſchten Ziele führe. In der nachtheiligen Einwirkung des bürgerlichen Rechts der<lb/> einzelnen Bundesſtaaten auf die ſachgemäße Anwendung des Reichsrechts habe einer der<lb/> Gründe beruht welche zur Errichtung des Reichsoberhandelsgerichts geführt hätten, und<lb/> zur Ausdehnung der Zuſtändigkeit desſelben drängten (vrgl. Haftpflichtgeſetz vom 7 Juni<lb/> 1871 §. 10) — Maßnahmen welche dem gedachten Gerichtshof zugleich die ſchwere und<lb/> ihm darum durch Herſtellung einheitlicher Normen des bürgerlichen Rechts möglichſt zu<lb/> erleichternde Aufgabe zuwieſen eine Reihe der verſchiedenſten bürgerlichen Rechte zur<lb/> Anwendung zu bringen. Der Zuſammenhang des nach Art. 4 Nr. 13 zur Zuſtändig-<lb/> keit des Reichs gehörigen „gerichtlichen Verfahrens“ mit dem geſammten bürgerlichen<lb/> Rechte ſei gleichfalls überaus eng, ſeine Rückwirkung auf die Geſtaltung des erſteren<lb/> reiche weit. Die Arbeiten der früheren Norddeutſchen Proceßcommiſſion, wie die der<lb/> gegenwärtig thätigen geben den Beweis. Von einer Regelung des Zwangsvollſtreckungs-<lb/> verfahrens in Bezug auf unbewegliche Sachen habe wegen der Verſchiedenheit der Lan-<lb/> desgeſetze über den Erwerb und die Belaſtung des unbeweglichen Eigenthums gänzlich<lb/> oder doch in der Hauptſache Abſtand genommen werden müſſen. Die Darſtellung und<lb/> Entwicklung der einzelnen proceſſualiſchen Inſtitute bedinge zahlreiche Vorſchriften,<lb/> welche dem ſogenannten materiellen Proceßrecht angehören; dieſes Recht ſei indeß im<lb/> weſentlichen nichts anderes als das bürgerliche Recht, wie es im Proceſſe zur Geltung<lb/> komme, ſo daß bei ſtrengem Feſthalten am Wortlaute des Art. 4 Nr. 13 die Zuſtändig-<lb/> keit des Reichs zum Erlaſſe jener doch unentbehrlichen Vorſchriften beſtritten werden,<lb/> oder wenigſtens gewichtiger, die Gedeihlichkeit der Geſetzgebung beeinträchtigender Zweifel<lb/> darüber entſtehen könne, wo die Zuſtändigkeit des Reichs ihre Gränze erreiche. Die nach<lb/> den vorſtehenden Andeutungen für die Reichsgeſetzgebung zur Löſung ihrer verfaſſungs-<lb/> mäßigen Aufgaben erforderliche Freiheit der Bewegung werde durch Annahme des vom<lb/> Reichstag beſchloſſenen Geſetzentwurfs gewonnen. Dieſelbe bald eintreten zu laſſen, ſei<lb/> daher ein Bedürfniß, auch wenn man zugeben möchte daß die Herſtellung eines allge-<lb/> meinen deutſchen bürgerlichen Geſetzbuchs ſchon mit Rückſicht auf die Erledigung anderer<lb/> großer, bereits in Angriff genommener, geſetzgeberiſcher Arbeiten nicht zu den in naher<lb/> Zukunft zu erfüllenden Aufgaben der Reichsgeſetzgebung gehöre. Der von der Ausſchuß-<lb/> mehrheit angedeutete Weg, durch Ausdehnung der Reichscompetenz je in den einzelnen<lb/> Fällen den hervortretenden Bedürfniſſen Abhülfe zu gewähren, laſſe ſich ſelbſtredend<lb/> nicht einſchlagen, wenn es ſich um Ausarbeitung eines umfaſſenden Obligationenrechts<lb/> handeln ſollte. Wie hervorgehoben, könne man den an ein ſolches zu ſtellenden Anfor-<lb/> derungen nicht gerecht werden ohne nach allen Seiten hin freie Bewegung zu haben, ſo<lb/> daß ſich hier eben nur durch die jetzt in Rede ſtehende Verfaſſungsänderung helfen laſſe.<lb/> Wenn es ſich um einzelne Materien handle, könne man auf dem bezeichneten Weg aller-<lb/> dings zum Ziele kommen, und eine Durchſicht der bisher beſchloſſenen Reichsgeſetze werde<lb/> vielleicht Beſtimmungen ergeben, zu denen man in ſtillſchweigender Beſchreitung jenes<lb/> Weges gelangt ſei. Aber einen glücklich gewählten könne man denſelben doch nicht<lb/> nennen. Er mache, wenn auch im einzelnen Falle nicht weitgreifende, ſo doch häufige<lb/> Verfaſſuugsänderungen nöthig, könne zu unerwünſchten Streitigkeiten, ob eine ſolche<lb/> vorliege, führen, und befinde ſich ſomit im Widerſpruche mit dem Grundgedanken jeder<lb/> Verfaſſung, der Herſtellung feſter und zweifelloſer Zuſtände. Die Annahme der bean-<lb/> tragten Verfaſſungsänderung führe ſolche herbei und verdiene darum den Vorzug. Die<lb/> von derſelben beſorgten Nachtheile würden nicht praktiſch werden. Man könne mit der<lb/> Mehrheit der Ausſchüſſe zwar anerkennen daß es gewiſſe Gebiete gebe auf welchen die<lb/> Reichsgeſetzgebung ihr Feld nicht habe, oder doch nur in beſchränkter oder ſubſidiariſcher<lb/> Weiſe thätig ſein dürfe, wie z. B. auf dem Boden des bäuerlichen Rechts, Familien- und<lb/> Erbrechts. Allein die Gründe hierfür beruhten in dem Auſpruch auf Anerkennung<lb/> welchen Rechtsbildungen beſitzen die in der Eigenart einzelner Landestheile, insbeſondere<lb/> des Charakters und der Sitte ſeiner Bewohner wurzeln, und darunter lebenskräftig ſeien.<lb/> Wo ſolche Kraft vorhanden, werde ſie ſich auch der Reichsgeſetzgebung gegenüber ebenſo<lb/> geltend machen, wie ſie dieß in den einzelnen Bundesſtaaten, insbeſondere auch in Preußen,<lb/> vermocht habe. Um in dieſer Beziehung dennoch übrig bleibende Bedenken zu beſeitigen,<lb/> ſcheine ſich der Ausweg zu bieten, der Reichsgeſetzgebung zwar die Zuſtändigkeit für das<lb/> bürgerliche Recht im allgemeinen zu gewähren, von derſelben aber gewiſſe Rechtsmaterien<lb/> auszuſchließen. Abgeſehen jedoch davon daß man ein derartiges Vorgehen nicht für<lb/> nöthig halte, vermöge man auch nicht die Ueberzeugung zu gewinnen daß dasſelbe zum<lb/> Ziele zu führen geeignet ſei. Bisher ſei eine Formel für den Ausdruck dieſes Gedankens<lb/> nicht gefunden. Es beſtehe Streit welche Materien ſich für den gedachten Ausſchluß<lb/> eigneten. Derſelbe werde die oben angedeuteten, aus der bisherigen Abgränzung der<lb/> Rechtsgebiete erwachſenden Nachtheile gleichfalls haben, und zwar in Folge der ſchärferen Ab-<lb/> gränzung an den betreffenden Stellen in verſchärftem Maß — mit dem alleinigen Unterſchied<lb/> vielleicht daß dieſe Nachtheile auf dem Gebiete der Landesgeſetzgebung fühlbarer ſein<lb/> würden als auf dem der Reichsgeſetzgebung. Ein Lahmlegen der erſteren durch die Aus-<lb/> dehnung der Competenz der letzteren ſei nicht zu befürchten. An eine Codification des bür-<lb/> gerlichen Rechts durch die Landesgeſetzgebung ſei bei dem Ausdruck dieſer Beſorgniß offen-<lb/> bar nicht gedacht, ſondern nur an die Regelung einzelner Rechtsbeziehungen und Rechts-<lb/> materien; an dieſe aber werde man im Fall wirklichen und dringenden Bedürfniſſes im-<lb/> mer gehen können. Anlangend die <hi rendition="#g">Gerichtsorganiſation,</hi> ſo theile man zwar die<lb/> Anſicht daß ein einheitliches Proceßverfahren in Civil- und Strafſachen auch einheitliche<lb/> gerichtsorganiſatoriſche Vorſchriften unausweichlich bedinge, ja daß ohne ſolche eine ge-<lb/> meinſame Civilproceßordnung oder Strafproceßordnung gar nicht geſchaffen werden<lb/> könne, und darum das Gebiet der Gerichtsorganiſation in ſo weit ſchon jetzt dem Reiche<lb/> zuſtehe. Wie ſtark der Zuſammenhang beider Rechtsgebiete ſei, habe ſich z. B. bei den<lb/> Arbeiten der gegenwärtig thätigen Civilproceßcommiſſion gezeigt. Denn dieſelbe habe<lb/> in ihrer überwiegenden Mehrheit ausdrücklich zu Protokoll niedergelegt daß ſie bei ihren<lb/> Beſchlüſſen über die Rechtsmittel von gewiſſen, beſtimmt angegebenen Vorausſetzungen<lb/> gerichtsorganiſatoriſcher Natur ausgegangen ſei. Allein ebenſo unzweifelhaft ſei es<lb/> daß im Anſchluß an die Wortfaſſung des Art. 4 Nr. 13, und insbeſondere weil der<lb/> Gerichtsorganiſation nicht ausdrücklich gedacht ſei, die als vorhanden angenommene<lb/> Competenz des Reichs nicht allſeitig anerkannt werde. Schon um der Klarſtellung<lb/> der Frage willen ſei die Aenderung des Art. 4 Nr. 13 erwünſcht. Ohne dieſelbe<lb/> werde überdieß der Zweifel nicht zu löſen ſein, wo die aus der Regelung des gericht-<lb/> lichen Verfahrens hergeleitete Zuſtändigkeit der Reichsgeſetzgebung ihre Gränzen habe.<lb/> Man werde z. B. kaum in der Lage ſein gewiſſe Beſtimmungen über die Ausbildung<lb/> der Richter, über ihre Unabhängigkeit oder ihre Belaſtung mit nicht proceſſualiſchen Ge-<lb/> ſchäften als nothwendige Folgen der Vorſchriften über das Proceßverfahren zu be-<lb/> zeichnen, und dennoch äußerten die beiden erſtgedachten Momente den entſcheidendſten<lb/> Einfluß auf die Abgränzung der Competenz zwiſchen dem Einzelrichter und dem Colle-<lb/> gium, ſowie auf die Frage: ob und in wie weit die ergehenden Urtheile einem Rechts-<lb/> mittel zu unterwerfen ſeien, und ebenſo ſei die Feſtſtellung der dem Richter überhaupt<lb/><cb/> obliegenden Geſchäfte nicht ohne Bedeutung für das Maß der ihm im Proceſſe zuzu-<lb/> meſſenden Arbeit und damit auf die Conſtruction des Verfahrens ſelbſt. Daß die<lb/> Reichsgeſetzgebung über das für die Löſung ihrer Aufgabe nöthige Maß hinausgehe,<lb/> ſei gerade auf dieſem Gebiete nicht zu befürchten: es handle ſich hier nicht um abſtracte<lb/> Rechtsſätze und deren Aenderung, ſondern um Beſeitigung oder Modiſicirung con-<lb/> creter Geſtaltungen, wie der Gerichtsbehörden, deren große Bedeutung und weitreichen-<lb/> der Zuſammenhang mit andern concreten Beziehungen des Lebens die Bürgſchaft<lb/> ausreichender Kraft zum Widerſtande gegen unberechtigte Einwirkung der Geſetzgebung<lb/> gewähre.“</p> </div> </body> </floatingText> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Aus der franzöſiſchen Nationalverſammlung.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">Verſailles,</hi> 6 Jan.</dateline><lb/> <p>Nach Annahme mehrerer Geſetzentwürfe von localer<lb/> oder untergeordneter Bedeutung ſchreitet die Nationalverſammlung zu den wöchentlichen<lb/> Berichten über die eingegangenen Petitionen. Der bekannte Legitimiſt de Lorgeril iſt<lb/> mit der Berichterſtattung über verſchiedene derſelben beauftragt. <hi rendition="#g">Lorgeril:</hi> Eine<lb/> große Zahl von Petitionen wünſcht daß die Verſammlung eine definitive Regierung<lb/> gründe. Verſchiedene Petenten ſagen daß die Monarchie dieſes Gouvernement ſei (Re-<lb/> clamationen auf verſchiedenen Bänken); andere Petitionen verlangen die definitive<lb/> Etablirung der Republik. Ich hoffe, man wird mir daher geſtatten die Beſchlüſſe der<lb/> Commiſſion vorzutragen. Mehrere Petenten wünſchen die Herſtellung der erblichen<lb/> Monarchie und die Krönung Heinrichs von Bourbon als König von Frankreich. Dieß<lb/> iſt das einzige Mittel die ſociale Ordnung in Europa wiederherzuſtellen. (Lärm links.)<lb/> Die Commiſſion war der Anſicht daß dieſe Frage nicht vorſchnell gelöst werden dürfe,<lb/> und ſchlägt die Tagesordnung vor. (Hier trinkt Hr. v. Lorgeril aus dem auf der<lb/> Tribüne ſtehenden Glaſe Zuckerwaſſer, und von der Linken ruft man, denn es iſt der<lb/> Tag der heil. drei Könige, die traditionellen Worte: „Der König trinkt! Der König<lb/> trinkt!“) Die einfache Tagesordnung wird adoptirt. Eine Petition verlangt, ſagt Hr.<lb/> v. <hi rendition="#g">Lorgeril,</hi> die Verhaftung und Verurtheilung aller derjenigen welche eine monarchiſche<lb/> Reſtauration predigen, aber die Republik beſteht nur proviſoriſch (Lärm links.)... Ja,<lb/> die am 4 Sept. improviſirte Republik iſt nur proviſoriſch, und folglich ſind diejenigen<lb/> welche die Monarchie vertheidigen in ihrem Recht. Eine andere Petition bezieht ſich<lb/> auf die conſtituirende Gewalt der Verſammlung. Aber wir werden unſere conſtituirende<lb/> Gewalt aufbewahren bis zu dem uns günſtig ſcheinenden Tage. (Gelächter links.) Ein<lb/> Petent verlangt daß die Verſammlung ſofort aufgelöst werde. (Sehr gut! links).<lb/> Dieſe Petition widerſpricht dem Willen des Volkes und dem der Verſammlung, welche<lb/> erklärt hat nicht eher auseinandergehen zu wollen als bis ſie eine Conſtitution verfaßt<lb/> hat. (Gelächter links.) Ein Petent aus Paris verlangt daß die Verſammlung ſich<lb/> conſtituirend erkläre, und daß der Graf v. Paris zum König von Frankreich proclamirt<lb/> werde. Was den erſten Theil ſeines Wunſches betrifft, ſo kann der Petent beruhigt<lb/> ſein. In einer früheren Sitzung iſt Hr. Thiers zum Präſidenten der proviſoriſchen<lb/> Republik ernannt worden. (Andauernder Lärm links.) Indem Sie Hrn. Thiers zum<lb/> Präſidenten der proviſoriſchen Republik (neuer Lärm links) ernannten, haben Sie ſelbſt<lb/> die Verſammlung für verfaſſunggebend erklärt. (Sehr gut! rechts, Lärm links.)<lb/><hi rendition="#g">Routier:</hi> Das ſind Provocationen! <hi rendition="#g">Tirard:</hi> Das ſind willkürliche Veränderungen!<lb/><hi rendition="#g">Lorgeril:</hi> Sie ſind es die Fälſchungen begehen! (Lärm.) Der <hi rendition="#g">Präſident</hi> ermahnt<lb/> die Verſammlung zur Ruhe. <hi rendition="#g">Lorgeril:</hi> Wenn der Augenblick gekommen ſein wird,<lb/> wird die Verſammlung ſich entſcheiden, und es iſt wahrſcheinlich daß ſie dasjenige König-<lb/> thum wählen wird welches ihr für die Proſperität Frankreichs am geeignetſten erſcheint.<lb/> (Gelächter links.) Hr. <hi rendition="#g">Bethmont:</hi> Jedermann muß die Freiheit der Tribüne ge-<lb/> nießen können. Darum wünſchte ich die Aufmerkſamkeit der Verſammlung auf die<lb/> Veränderung eines Titels zu lenken den ſie ſelbſt ertheilt hat, auf den des Präſidenten<lb/> der Republik. (Stimmen rechts: Der proviſoriſchen Republik!) <hi rendition="#g">Bethmont:</hi> Nein,<lb/> Sie haben dieſes Wort nicht hinzugefügt, um die Autorität des Titels nicht zu verrin-<lb/> gern. Ich bitte die Verſammlung, zu bemerken daß die Hinzufügung des Wortes<lb/> „proviſoriſch“ nur die perſönliche Anſicht des Berichterſtatters, nicht aber diejenige der<lb/> Verſammlung wiederſpiegelt. <hi rendition="#g">Giraud:</hi> Ich erkläre daß ich den Titel: „Präſident der<lb/> Republik“ nur votirt habe weil in meiner Idee die Republik nur proviſoriſch war.<lb/> (Sehr gut! rechts.) <hi rendition="#g">Bamberger:</hi> Ich verlange daß im Protokoll conſtatirt werde<lb/> daß das Wort „proviſoriſch“ im Texte des von uns votirten Titels ſich nicht vorſinde.<lb/><hi rendition="#g">Lorgeril:</hi> Sagen wir dann alſo daß Hr. Thiers proviſoriſcher Präſident der Republik<lb/> iſt. <hi rendition="#g">Lep<hi rendition="#aq">è</hi>re:</hi> Ich will als Franzoſe nur ſagen daß dieſe Debatte von Grund aus<lb/> traurig iſt. (Lärm.) Die Verſammlung ſpricht den Schluß der Debatte aus. Hr.<lb/><hi rendition="#g">Lorgeril</hi> erſcheint wieder auf der Tribüne und wird unter unbeſchreiblichem Tumult<lb/> von den Mitgliedern der Linken apoſtrophirt. Die HH. <hi rendition="#g">Briſſon</hi> und <hi rendition="#g">Peyrat</hi> drohen<lb/> ihm mit den Fäuſten und ſtoßen furchtbare Verwünſchungen gegen ihn aus. Der<lb/><hi rendition="#g">Präſident</hi> fragt den Berichterſtatter ob er ſolche Debatten für nützlich halte, und ruft<lb/> gleichzeitig der Linken zu: „Interpelliren Sie den Redner nicht!“ worauf die Debatte<lb/> geſchloſſen wird. Die weiteren Petitionsberichte ſind ohne beſonderes Intereſſe für das<lb/> größere Publicum.</p><lb/> <p>Hr. <hi rendition="#g">Dupanloup</hi> iſt zum Präſidenten der Commiſſion fürs Unterrichtsgeſetz er-<lb/> nannt worden. Wie die „R<hi rendition="#aq">é</hi>publique fran<hi rendition="#aq">ç</hi>aiſe“ wiſſen will, haben die Discuſſioneu<lb/> in dieſer Commiſſion bereits einen ſehr ſcharfen Charakter angenommen, und Hr. <hi rendition="#g">Jules<lb/> Simon</hi> habe ſo herbe Worte hören müſſen, daß er dieſelben für eine ihm perſönlich an-<lb/> gethane Schmach erklärt habe. — Bei der geſtrigen neuen <hi rendition="#g">Verlooſung der fünf-<lb/> zehn Bureaux</hi> der Kammer und der darauffolgenden Wahl der Präſidenten und<lb/> Secretäre gelang es der Linken und dem linken Centrum ſechs Präſidenten- und ſechs<lb/> Secretärſitze mit ihren Mitgliedern zu beſetzen. — Die Fraction des <hi rendition="#g">linken Centrums</hi><lb/> hat dem <hi rendition="#g">rechten Centrum</hi> den Vorſchlag gemacht: bei der dritten Leſung des Geſetz-<lb/> entwurfs über die parlamentariſchen Incompatibilitäten den Beſchluß der Verſamm-<lb/> lung, nach welchem auch die Unterſtaatsſecretäre von der Deputirtenwürde aus-<lb/> geſchloſſen bleiben ſollen, durch ein gegentheiliges gemeinſames Vorum rückgängig<lb/> zu machen. Das rechte Centrum hat erklärt: auf dieſen Vorſchlag nicht eingehen zu<lb/> wollen.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Deutſches Reich.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">Aus Bayern,</hi> 9 Jan.</dateline><lb/> <p>Durch allerhöchſte Entſchließung vom 28 v. M.<lb/> iſt von Sr. Maj. dem König befohlen worden die Verpflichtung der bayeriſchen<lb/> Truppen: im Kriege den Befehlen des Bundesfeldherrn unbedingt Folge zu leiſten,<lb/> vom 1 Jan. 1872 an in den bayeriſchen Fahneneid aufzunehmen (laut der mit<lb/> dieſem Datum gültig gewordenen Beſtimmung in §. 5, Ziff. <hi rendition="#aq">IV</hi> des durch das Ge-<lb/> ſetz vom 30 Jan. 1871 ſanctionirten Verſailler Vertrages). Demnach ſtellt ein<lb/> Kriegsminiſterialreſcript den Wortlaut des neuen bayeriſchen Fahneneides in fol-<lb/> gender Weiſe feſt:</p><lb/> <floatingText> <body> <div n="1"> <p>„Ihr ſollt ſchwören zu Gott dem Allmächtigen einen körperlichen Eid daß ihr dem<lb/> allergnädigſten, großmächtigſten König und Herrn Ludwig <hi rendition="#aq">II,</hi> unſerm allergnädigſten<lb/> Kriegsberrn, treu dienen, allerhöchſtdesſelben Wohl nach Kräften fördern, allen Vorge-<lb/></p> </div> </body> </floatingText> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [131/0003]
handlungen beziehen dürfe. Nur folgendes wolle man hervorheben: daß der Entwurf
eines Obligationenrechts, welcher durch die von dem vormaligen Deutſchen Bunde zu
Dresden niedergeſetzte Commiſſion ausgearbeitet worden ſei, ungeachtet der auf dieſes
Werk von tüchtigen Kräften verwendeten Anſtrengung, ſo wenig Befriedigung hervor-
gerufen habe, ſei ein Zeugniß im großen dafür wie die beſondere, von der Bearbeitung
des übrigen bürgerlichen Rechts losgelöste Behandlung des Obligationenrechts zu keinem
erwünſchten Ziele führe. In der nachtheiligen Einwirkung des bürgerlichen Rechts der
einzelnen Bundesſtaaten auf die ſachgemäße Anwendung des Reichsrechts habe einer der
Gründe beruht welche zur Errichtung des Reichsoberhandelsgerichts geführt hätten, und
zur Ausdehnung der Zuſtändigkeit desſelben drängten (vrgl. Haftpflichtgeſetz vom 7 Juni
1871 §. 10) — Maßnahmen welche dem gedachten Gerichtshof zugleich die ſchwere und
ihm darum durch Herſtellung einheitlicher Normen des bürgerlichen Rechts möglichſt zu
erleichternde Aufgabe zuwieſen eine Reihe der verſchiedenſten bürgerlichen Rechte zur
Anwendung zu bringen. Der Zuſammenhang des nach Art. 4 Nr. 13 zur Zuſtändig-
keit des Reichs gehörigen „gerichtlichen Verfahrens“ mit dem geſammten bürgerlichen
Rechte ſei gleichfalls überaus eng, ſeine Rückwirkung auf die Geſtaltung des erſteren
reiche weit. Die Arbeiten der früheren Norddeutſchen Proceßcommiſſion, wie die der
gegenwärtig thätigen geben den Beweis. Von einer Regelung des Zwangsvollſtreckungs-
verfahrens in Bezug auf unbewegliche Sachen habe wegen der Verſchiedenheit der Lan-
desgeſetze über den Erwerb und die Belaſtung des unbeweglichen Eigenthums gänzlich
oder doch in der Hauptſache Abſtand genommen werden müſſen. Die Darſtellung und
Entwicklung der einzelnen proceſſualiſchen Inſtitute bedinge zahlreiche Vorſchriften,
welche dem ſogenannten materiellen Proceßrecht angehören; dieſes Recht ſei indeß im
weſentlichen nichts anderes als das bürgerliche Recht, wie es im Proceſſe zur Geltung
komme, ſo daß bei ſtrengem Feſthalten am Wortlaute des Art. 4 Nr. 13 die Zuſtändig-
keit des Reichs zum Erlaſſe jener doch unentbehrlichen Vorſchriften beſtritten werden,
oder wenigſtens gewichtiger, die Gedeihlichkeit der Geſetzgebung beeinträchtigender Zweifel
darüber entſtehen könne, wo die Zuſtändigkeit des Reichs ihre Gränze erreiche. Die nach
den vorſtehenden Andeutungen für die Reichsgeſetzgebung zur Löſung ihrer verfaſſungs-
mäßigen Aufgaben erforderliche Freiheit der Bewegung werde durch Annahme des vom
Reichstag beſchloſſenen Geſetzentwurfs gewonnen. Dieſelbe bald eintreten zu laſſen, ſei
daher ein Bedürfniß, auch wenn man zugeben möchte daß die Herſtellung eines allge-
meinen deutſchen bürgerlichen Geſetzbuchs ſchon mit Rückſicht auf die Erledigung anderer
großer, bereits in Angriff genommener, geſetzgeberiſcher Arbeiten nicht zu den in naher
Zukunft zu erfüllenden Aufgaben der Reichsgeſetzgebung gehöre. Der von der Ausſchuß-
mehrheit angedeutete Weg, durch Ausdehnung der Reichscompetenz je in den einzelnen
Fällen den hervortretenden Bedürfniſſen Abhülfe zu gewähren, laſſe ſich ſelbſtredend
nicht einſchlagen, wenn es ſich um Ausarbeitung eines umfaſſenden Obligationenrechts
handeln ſollte. Wie hervorgehoben, könne man den an ein ſolches zu ſtellenden Anfor-
derungen nicht gerecht werden ohne nach allen Seiten hin freie Bewegung zu haben, ſo
daß ſich hier eben nur durch die jetzt in Rede ſtehende Verfaſſungsänderung helfen laſſe.
Wenn es ſich um einzelne Materien handle, könne man auf dem bezeichneten Weg aller-
dings zum Ziele kommen, und eine Durchſicht der bisher beſchloſſenen Reichsgeſetze werde
vielleicht Beſtimmungen ergeben, zu denen man in ſtillſchweigender Beſchreitung jenes
Weges gelangt ſei. Aber einen glücklich gewählten könne man denſelben doch nicht
nennen. Er mache, wenn auch im einzelnen Falle nicht weitgreifende, ſo doch häufige
Verfaſſuugsänderungen nöthig, könne zu unerwünſchten Streitigkeiten, ob eine ſolche
vorliege, führen, und befinde ſich ſomit im Widerſpruche mit dem Grundgedanken jeder
Verfaſſung, der Herſtellung feſter und zweifelloſer Zuſtände. Die Annahme der bean-
tragten Verfaſſungsänderung führe ſolche herbei und verdiene darum den Vorzug. Die
von derſelben beſorgten Nachtheile würden nicht praktiſch werden. Man könne mit der
Mehrheit der Ausſchüſſe zwar anerkennen daß es gewiſſe Gebiete gebe auf welchen die
Reichsgeſetzgebung ihr Feld nicht habe, oder doch nur in beſchränkter oder ſubſidiariſcher
Weiſe thätig ſein dürfe, wie z. B. auf dem Boden des bäuerlichen Rechts, Familien- und
Erbrechts. Allein die Gründe hierfür beruhten in dem Auſpruch auf Anerkennung
welchen Rechtsbildungen beſitzen die in der Eigenart einzelner Landestheile, insbeſondere
des Charakters und der Sitte ſeiner Bewohner wurzeln, und darunter lebenskräftig ſeien.
Wo ſolche Kraft vorhanden, werde ſie ſich auch der Reichsgeſetzgebung gegenüber ebenſo
geltend machen, wie ſie dieß in den einzelnen Bundesſtaaten, insbeſondere auch in Preußen,
vermocht habe. Um in dieſer Beziehung dennoch übrig bleibende Bedenken zu beſeitigen,
ſcheine ſich der Ausweg zu bieten, der Reichsgeſetzgebung zwar die Zuſtändigkeit für das
bürgerliche Recht im allgemeinen zu gewähren, von derſelben aber gewiſſe Rechtsmaterien
auszuſchließen. Abgeſehen jedoch davon daß man ein derartiges Vorgehen nicht für
nöthig halte, vermöge man auch nicht die Ueberzeugung zu gewinnen daß dasſelbe zum
Ziele zu führen geeignet ſei. Bisher ſei eine Formel für den Ausdruck dieſes Gedankens
nicht gefunden. Es beſtehe Streit welche Materien ſich für den gedachten Ausſchluß
eigneten. Derſelbe werde die oben angedeuteten, aus der bisherigen Abgränzung der
Rechtsgebiete erwachſenden Nachtheile gleichfalls haben, und zwar in Folge der ſchärferen Ab-
gränzung an den betreffenden Stellen in verſchärftem Maß — mit dem alleinigen Unterſchied
vielleicht daß dieſe Nachtheile auf dem Gebiete der Landesgeſetzgebung fühlbarer ſein
würden als auf dem der Reichsgeſetzgebung. Ein Lahmlegen der erſteren durch die Aus-
dehnung der Competenz der letzteren ſei nicht zu befürchten. An eine Codification des bür-
gerlichen Rechts durch die Landesgeſetzgebung ſei bei dem Ausdruck dieſer Beſorgniß offen-
bar nicht gedacht, ſondern nur an die Regelung einzelner Rechtsbeziehungen und Rechts-
materien; an dieſe aber werde man im Fall wirklichen und dringenden Bedürfniſſes im-
mer gehen können. Anlangend die Gerichtsorganiſation, ſo theile man zwar die
Anſicht daß ein einheitliches Proceßverfahren in Civil- und Strafſachen auch einheitliche
gerichtsorganiſatoriſche Vorſchriften unausweichlich bedinge, ja daß ohne ſolche eine ge-
meinſame Civilproceßordnung oder Strafproceßordnung gar nicht geſchaffen werden
könne, und darum das Gebiet der Gerichtsorganiſation in ſo weit ſchon jetzt dem Reiche
zuſtehe. Wie ſtark der Zuſammenhang beider Rechtsgebiete ſei, habe ſich z. B. bei den
Arbeiten der gegenwärtig thätigen Civilproceßcommiſſion gezeigt. Denn dieſelbe habe
in ihrer überwiegenden Mehrheit ausdrücklich zu Protokoll niedergelegt daß ſie bei ihren
Beſchlüſſen über die Rechtsmittel von gewiſſen, beſtimmt angegebenen Vorausſetzungen
gerichtsorganiſatoriſcher Natur ausgegangen ſei. Allein ebenſo unzweifelhaft ſei es
daß im Anſchluß an die Wortfaſſung des Art. 4 Nr. 13, und insbeſondere weil der
Gerichtsorganiſation nicht ausdrücklich gedacht ſei, die als vorhanden angenommene
Competenz des Reichs nicht allſeitig anerkannt werde. Schon um der Klarſtellung
der Frage willen ſei die Aenderung des Art. 4 Nr. 13 erwünſcht. Ohne dieſelbe
werde überdieß der Zweifel nicht zu löſen ſein, wo die aus der Regelung des gericht-
lichen Verfahrens hergeleitete Zuſtändigkeit der Reichsgeſetzgebung ihre Gränzen habe.
Man werde z. B. kaum in der Lage ſein gewiſſe Beſtimmungen über die Ausbildung
der Richter, über ihre Unabhängigkeit oder ihre Belaſtung mit nicht proceſſualiſchen Ge-
ſchäften als nothwendige Folgen der Vorſchriften über das Proceßverfahren zu be-
zeichnen, und dennoch äußerten die beiden erſtgedachten Momente den entſcheidendſten
Einfluß auf die Abgränzung der Competenz zwiſchen dem Einzelrichter und dem Colle-
gium, ſowie auf die Frage: ob und in wie weit die ergehenden Urtheile einem Rechts-
mittel zu unterwerfen ſeien, und ebenſo ſei die Feſtſtellung der dem Richter überhaupt
obliegenden Geſchäfte nicht ohne Bedeutung für das Maß der ihm im Proceſſe zuzu-
meſſenden Arbeit und damit auf die Conſtruction des Verfahrens ſelbſt. Daß die
Reichsgeſetzgebung über das für die Löſung ihrer Aufgabe nöthige Maß hinausgehe,
ſei gerade auf dieſem Gebiete nicht zu befürchten: es handle ſich hier nicht um abſtracte
Rechtsſätze und deren Aenderung, ſondern um Beſeitigung oder Modiſicirung con-
creter Geſtaltungen, wie der Gerichtsbehörden, deren große Bedeutung und weitreichen-
der Zuſammenhang mit andern concreten Beziehungen des Lebens die Bürgſchaft
ausreichender Kraft zum Widerſtande gegen unberechtigte Einwirkung der Geſetzgebung
gewähre.“
Aus der franzöſiſchen Nationalverſammlung.
* Verſailles, 6 Jan.
Nach Annahme mehrerer Geſetzentwürfe von localer
oder untergeordneter Bedeutung ſchreitet die Nationalverſammlung zu den wöchentlichen
Berichten über die eingegangenen Petitionen. Der bekannte Legitimiſt de Lorgeril iſt
mit der Berichterſtattung über verſchiedene derſelben beauftragt. Lorgeril: Eine
große Zahl von Petitionen wünſcht daß die Verſammlung eine definitive Regierung
gründe. Verſchiedene Petenten ſagen daß die Monarchie dieſes Gouvernement ſei (Re-
clamationen auf verſchiedenen Bänken); andere Petitionen verlangen die definitive
Etablirung der Republik. Ich hoffe, man wird mir daher geſtatten die Beſchlüſſe der
Commiſſion vorzutragen. Mehrere Petenten wünſchen die Herſtellung der erblichen
Monarchie und die Krönung Heinrichs von Bourbon als König von Frankreich. Dieß
iſt das einzige Mittel die ſociale Ordnung in Europa wiederherzuſtellen. (Lärm links.)
Die Commiſſion war der Anſicht daß dieſe Frage nicht vorſchnell gelöst werden dürfe,
und ſchlägt die Tagesordnung vor. (Hier trinkt Hr. v. Lorgeril aus dem auf der
Tribüne ſtehenden Glaſe Zuckerwaſſer, und von der Linken ruft man, denn es iſt der
Tag der heil. drei Könige, die traditionellen Worte: „Der König trinkt! Der König
trinkt!“) Die einfache Tagesordnung wird adoptirt. Eine Petition verlangt, ſagt Hr.
v. Lorgeril, die Verhaftung und Verurtheilung aller derjenigen welche eine monarchiſche
Reſtauration predigen, aber die Republik beſteht nur proviſoriſch (Lärm links.)... Ja,
die am 4 Sept. improviſirte Republik iſt nur proviſoriſch, und folglich ſind diejenigen
welche die Monarchie vertheidigen in ihrem Recht. Eine andere Petition bezieht ſich
auf die conſtituirende Gewalt der Verſammlung. Aber wir werden unſere conſtituirende
Gewalt aufbewahren bis zu dem uns günſtig ſcheinenden Tage. (Gelächter links.) Ein
Petent verlangt daß die Verſammlung ſofort aufgelöst werde. (Sehr gut! links).
Dieſe Petition widerſpricht dem Willen des Volkes und dem der Verſammlung, welche
erklärt hat nicht eher auseinandergehen zu wollen als bis ſie eine Conſtitution verfaßt
hat. (Gelächter links.) Ein Petent aus Paris verlangt daß die Verſammlung ſich
conſtituirend erkläre, und daß der Graf v. Paris zum König von Frankreich proclamirt
werde. Was den erſten Theil ſeines Wunſches betrifft, ſo kann der Petent beruhigt
ſein. In einer früheren Sitzung iſt Hr. Thiers zum Präſidenten der proviſoriſchen
Republik ernannt worden. (Andauernder Lärm links.) Indem Sie Hrn. Thiers zum
Präſidenten der proviſoriſchen Republik (neuer Lärm links) ernannten, haben Sie ſelbſt
die Verſammlung für verfaſſunggebend erklärt. (Sehr gut! rechts, Lärm links.)
Routier: Das ſind Provocationen! Tirard: Das ſind willkürliche Veränderungen!
Lorgeril: Sie ſind es die Fälſchungen begehen! (Lärm.) Der Präſident ermahnt
die Verſammlung zur Ruhe. Lorgeril: Wenn der Augenblick gekommen ſein wird,
wird die Verſammlung ſich entſcheiden, und es iſt wahrſcheinlich daß ſie dasjenige König-
thum wählen wird welches ihr für die Proſperität Frankreichs am geeignetſten erſcheint.
(Gelächter links.) Hr. Bethmont: Jedermann muß die Freiheit der Tribüne ge-
nießen können. Darum wünſchte ich die Aufmerkſamkeit der Verſammlung auf die
Veränderung eines Titels zu lenken den ſie ſelbſt ertheilt hat, auf den des Präſidenten
der Republik. (Stimmen rechts: Der proviſoriſchen Republik!) Bethmont: Nein,
Sie haben dieſes Wort nicht hinzugefügt, um die Autorität des Titels nicht zu verrin-
gern. Ich bitte die Verſammlung, zu bemerken daß die Hinzufügung des Wortes
„proviſoriſch“ nur die perſönliche Anſicht des Berichterſtatters, nicht aber diejenige der
Verſammlung wiederſpiegelt. Giraud: Ich erkläre daß ich den Titel: „Präſident der
Republik“ nur votirt habe weil in meiner Idee die Republik nur proviſoriſch war.
(Sehr gut! rechts.) Bamberger: Ich verlange daß im Protokoll conſtatirt werde
daß das Wort „proviſoriſch“ im Texte des von uns votirten Titels ſich nicht vorſinde.
Lorgeril: Sagen wir dann alſo daß Hr. Thiers proviſoriſcher Präſident der Republik
iſt. Lepère: Ich will als Franzoſe nur ſagen daß dieſe Debatte von Grund aus
traurig iſt. (Lärm.) Die Verſammlung ſpricht den Schluß der Debatte aus. Hr.
Lorgeril erſcheint wieder auf der Tribüne und wird unter unbeſchreiblichem Tumult
von den Mitgliedern der Linken apoſtrophirt. Die HH. Briſſon und Peyrat drohen
ihm mit den Fäuſten und ſtoßen furchtbare Verwünſchungen gegen ihn aus. Der
Präſident fragt den Berichterſtatter ob er ſolche Debatten für nützlich halte, und ruft
gleichzeitig der Linken zu: „Interpelliren Sie den Redner nicht!“ worauf die Debatte
geſchloſſen wird. Die weiteren Petitionsberichte ſind ohne beſonderes Intereſſe für das
größere Publicum.
Hr. Dupanloup iſt zum Präſidenten der Commiſſion fürs Unterrichtsgeſetz er-
nannt worden. Wie die „République françaiſe“ wiſſen will, haben die Discuſſioneu
in dieſer Commiſſion bereits einen ſehr ſcharfen Charakter angenommen, und Hr. Jules
Simon habe ſo herbe Worte hören müſſen, daß er dieſelben für eine ihm perſönlich an-
gethane Schmach erklärt habe. — Bei der geſtrigen neuen Verlooſung der fünf-
zehn Bureaux der Kammer und der darauffolgenden Wahl der Präſidenten und
Secretäre gelang es der Linken und dem linken Centrum ſechs Präſidenten- und ſechs
Secretärſitze mit ihren Mitgliedern zu beſetzen. — Die Fraction des linken Centrums
hat dem rechten Centrum den Vorſchlag gemacht: bei der dritten Leſung des Geſetz-
entwurfs über die parlamentariſchen Incompatibilitäten den Beſchluß der Verſamm-
lung, nach welchem auch die Unterſtaatsſecretäre von der Deputirtenwürde aus-
geſchloſſen bleiben ſollen, durch ein gegentheiliges gemeinſames Vorum rückgängig
zu machen. Das rechte Centrum hat erklärt: auf dieſen Vorſchlag nicht eingehen zu
wollen.
Deutſches Reich.
* Aus Bayern, 9 Jan.
Durch allerhöchſte Entſchließung vom 28 v. M.
iſt von Sr. Maj. dem König befohlen worden die Verpflichtung der bayeriſchen
Truppen: im Kriege den Befehlen des Bundesfeldherrn unbedingt Folge zu leiſten,
vom 1 Jan. 1872 an in den bayeriſchen Fahneneid aufzunehmen (laut der mit
dieſem Datum gültig gewordenen Beſtimmung in §. 5, Ziff. IV des durch das Ge-
ſetz vom 30 Jan. 1871 ſanctionirten Verſailler Vertrages). Demnach ſtellt ein
Kriegsminiſterialreſcript den Wortlaut des neuen bayeriſchen Fahneneides in fol-
gender Weiſe feſt:
„Ihr ſollt ſchwören zu Gott dem Allmächtigen einen körperlichen Eid daß ihr dem
allergnädigſten, großmächtigſten König und Herrn Ludwig II, unſerm allergnädigſten
Kriegsberrn, treu dienen, allerhöchſtdesſelben Wohl nach Kräften fördern, allen Vorge-
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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