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Allgemeine Zeitung, Nr. 10, 10. Januar 1830.

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[Spaltenumbruch] Wohlstand bleiben, wo der Erwerb seiner Bürger, der in so gro-
ßem Maaße auf diesem Wohlstande beruht? Der Kasseler Verein
bietet keine Mittel dar, die hier leider rasch zunehmende Nah-
rungslosigkeit zu hemmen, und schießt auch unsrer Staatskasse
nichts zu, wenn durch Sinken des Handels und Wohlstandes unser
städtisches Einkommen in Abnahme kommt.

(Beschluß folgt.)



Niederlande.

Das Budget der Ausgaben ist in der
Sizung vom 19 durchgegangen, und auch das der Einnahme we-
nigstens für das Jahr 1830 ist gestern und vorgestern vollends
genehmigt, und zwar fast einstimmig, denn nur ein einziger, Hr.
Baron v. Secus, hat seine Zustimmung versagt. Jezt sind ein gu-
rer Theil der Deputirten von hier abgegangen, und vor der ersten
Hälfte Januars werden schwerlich noch Sizungen, wenigstens keine
von Belang, gehalten werden. Aus den Zeitungen haben Sie wohl
schon ersehen, daß das zehnjährige Budget mit einer Majorität
von 12 Stimmen durchgegangen ist; das ist bei den hiesigen Ver-
hältnissen bedeutend, und sicherlich eine Folge der königlichen Bot-
schaft, die besonders hier mit großem Jubel aufgenommen wurde.
Destoweniger hat hier die Ernennung des Hrn. Pelichy de Lichter-
velde zum Generaldirektor des katholischen Kultus Beifall gefun-
den; er ist als ein ehrlicher, aber äußerst bigotter Mann bekannt,
und hat auch sogleich eine Probe abgelegt, was man sich von ihm
zu versprechen habe, durch die Ernennung eines gewissen Herrn
van der Horst zum Secretaire-Aviseur. Was den ersten betrift,
so kan zur genügenden Bezeichnung dienen, was er über die Wun-
der Hohenlohe's sagte: derjenige sey irreligieus, der nicht daran
glaube. Etwas Besonderes über den zweiten kan ich Ihnen im
Augenblik nicht sagen, was aber seinen politisch-moralischen Cha-
rakter anbetrift, so lauten hierüber die Urtheile nicht günstig.
Die Freunde der Aufklärung sind mit dieser neuen Konzession des
Königs durchaus unzufrieden. Der König scheint noch einigermaa-
ßen den Glauben zu hegen, daß eine solche Nachgiebigkeit ihm die
Gemüther der Katholiken gewinnen werde, der Bischof von Lüttich,
Hr. van Bommel, und der päpstliche Nunzius, Hr. Capaccini, su-
chen ihn, so viel an ihnen ist, in dieser Meynung zu bestärken;
lange kan dis jedoch unmöglich dauern, denn er wird nur zu
bald die Entdekung machen, daß jede Konzession von diesen beiden
Herren, die man gewiß nicht mit Unrecht als Chefs der jesui-
tischen Partei bezeichnet, nur als eine Stufe zu weitern Eingrif-
fen in die bürgerliche Macht, und zur steten Vermehrung des
Priestereinflusses benüzt werde. Man sagt hier ziemlich allgemein,
daß das schändliche Treiben mit den Petitionen namentlich in Flan-
dern öffentlich von ihnen gemißbilligt und heimlich aufgemuntert
und unterstüzt werde. -- So sehr indeß dis Treiben jedem ehrlie-
benden Manne verhaßt seyn muß, so kan man sich doch trösten,
daß für den Augenblik wenigstens das schlimmste, nemlich die Ver-
werfung des Budgets abgewendet worden ist; die Opposition merkte
hier bald, daß sie nicht stark genug sey, die Verweigerung des Bud-
gets durchzusezen, und änderte den Ton; sie erklärte, daß sie für
ein provisorisches Gesez stimmen würde. Diese Wendung war
nicht ungeschikt, kam aber zu spät, sie drang auch damit nicht mehr
durch, und so hat sie eine gewaltige Niederlage erlitten, so wenig
sie selbst zum Theil im Augenblike noch daran zu glauben scheint.
Männer, die sonst nie in Finanzsachen mit der Regierung stimm-
[Spaltenumbruch] ten, wie Hr. Sytzama, ein ächter, eisenfester Friese, stimmten
dismal "in Betracht der Umstände" dafür. Dis und das
Anerbieten das die reichsten Amsterdamer Kaufleute der Regie-
rung machten, ihr im Falle der Verweigerung des Budgets 80
Millionen auf ein Jahr ohne Zinsen vorzuschießen, erschrekte die
Opposition, sie wich, und so, von der nächsten Noth befreit, kan
die Regierung jezt wieder mit mehr Freiheit ihre Aufmerksamkeit
auf die innere Verwaltung und namentlich auf den Unterricht wen
den, was hier von der größten Bedeutung ist. -- Es scheint so
ziemlich sicher, daß die Universitäten Löwen und Utrecht werden
aufgehoben werden.

Deutschland.

Die Nro. 1
und 2 des Jahrgangs 1830 der zu Stuttgart erscheinenden "All-
ge meinen Justiz-, Kameral- und Polizei-Fama
"
enthalten unter der Aufschrift "Civilrechtsfall" eine detaillirte
Nachricht über die Erörterung der Frage, in wie weit Ver-
fügungen des vormaligen Königs von Westphalen
über kurhessische Staatskapitalien von dem
nach folgen den Regenten angefochten werden dür-
fen,
durch preußische Gerichtshöfe. Zwar ist diese in das In-
teresse so vieler Familien tief eingreifende Frage schon häufig
theils in kurhessischen, theils in hannöverischen und braunschwei-
gischen Gerichtshöfen Gegenstand der Entscheidung gewesen, allein
dieser neueste in preußischen Gerichtshösen verhandelte und vor
Kurzem in lezter Instanz entschiedene Rechtsfall, über welchen
in jenen Blättern berichtet wird, dürfte bei der Eigenthümlich-
keit der dabei obgewalteten Umstände wohl das allgemeine In-
teresse in Anspruch nehmen. Besonders aber wird er für diejeni-
gen Familien von Wichtigkeit seyn, deren Wohl und Weh von
der Entscheidung jener Frage abhängig gemacht werden, und für
welche also die Entscheidungsgründe der preußischen Gerichte im-
merhin von höchstem Interesse bleiben werden.

Rußland.

Im Eingange des ehgestern erwähnten, für die Kompagnie zur
Zukerfabrikation aus Runkelrüben in Tula entworfenen Regle-
ments heißt es: "Die übermäßig niedrigen Preise der Landbau-
erzeugnisse entziehen mit jedem Jahre den Gutsbesizern mehr und
mehr die Möglichkeit des Auskommens, bringen ihre Wirthschaf-
ten in gänzlichen Verfall und bezahlen kaum die Mühe des armen
Landmanns. Diese Umstände haben mehrere Eigenthümer genö-
thigt, neue Mittel zur Verbesserung dieser Lage der Dinge auf-
zusuchen. Das angemessenste und keine großen Vorausgaben er-
fordernde besteht in der Zukerfabrikation aus Runkelrüben. Nach
der Versicherung einiger, durch ihre Rechtschaffenheit und Wahr-
heitsliebe bekannten Gutsbesizer, kan die auf einer Dessätine Lan-
des gewonnene Quantität Runkelrüben, in Zuker verwandelt, ei-
nen Ertrag von 600 bis 1000 Rubel geben. Wenn wir diese
Vortheile mit dem Ertrage unserer Getreidedessätinen vergleichen,
von denen die beste nicht einmal 120 Rubel gewährt, so scheinen
jene Vortheile sehr bedeutend zu seyn, und müssen einen Jeden
von uns veranlassen, uns mit diesem Gegenstande genauer be-
kannt zu machen. Zur Erreichung dieses Zweks wird in der Stadt
Tula eine Gesellschaft errichtet, welche zum Ziel hat, nach kauf-
männischer Berechnung die Runkelrübe anzubauen und aus der-
selben Zuker zu fabriziren. Auf solche Art wird dieser wichtige

[Spaltenumbruch] Wohlſtand bleiben, wo der Erwerb ſeiner Bürger, der in ſo gro-
ßem Maaße auf dieſem Wohlſtande beruht? Der Kaſſeler Verein
bietet keine Mittel dar, die hier leider raſch zunehmende Nah-
rungsloſigkeit zu hemmen, und ſchießt auch unſrer Staatskaſſe
nichts zu, wenn durch Sinken des Handels und Wohlſtandes unſer
ſtädtiſches Einkommen in Abnahme kommt.

(Beſchluß folgt.)



Niederlande.

Das Budget der Ausgaben iſt in der
Sizung vom 19 durchgegangen, und auch das der Einnahme we-
nigſtens für das Jahr 1830 iſt geſtern und vorgeſtern vollends
genehmigt, und zwar faſt einſtimmig, denn nur ein einziger, Hr.
Baron v. Secus, hat ſeine Zuſtimmung verſagt. Jezt ſind ein gu-
rer Theil der Deputirten von hier abgegangen, und vor der erſten
Hälfte Januars werden ſchwerlich noch Sizungen, wenigſtens keine
von Belang, gehalten werden. Aus den Zeitungen haben Sie wohl
ſchon erſehen, daß das zehnjährige Budget mit einer Majorität
von 12 Stimmen durchgegangen iſt; das iſt bei den hieſigen Ver-
hältniſſen bedeutend, und ſicherlich eine Folge der königlichen Bot-
ſchaft, die beſonders hier mit großem Jubel aufgenommen wurde.
Deſtoweniger hat hier die Ernennung des Hrn. Pelichy de Lichter-
velde zum Generaldirektor des katholiſchen Kultus Beifall gefun-
den; er iſt als ein ehrlicher, aber äußerſt bigotter Mann bekannt,
und hat auch ſogleich eine Probe abgelegt, was man ſich von ihm
zu verſprechen habe, durch die Ernennung eines gewiſſen Herrn
van der Horſt zum Secretaire-Aviſeur. Was den erſten betrift,
ſo kan zur genügenden Bezeichnung dienen, was er über die Wun-
der Hohenlohe’s ſagte: derjenige ſey irreligieus, der nicht daran
glaube. Etwas Beſonderes über den zweiten kan ich Ihnen im
Augenblik nicht ſagen, was aber ſeinen politiſch-moraliſchen Cha-
rakter anbetrift, ſo lauten hierüber die Urtheile nicht günſtig.
Die Freunde der Aufklärung ſind mit dieſer neuen Konzeſſion des
Königs durchaus unzufrieden. Der König ſcheint noch einigermaa-
ßen den Glauben zu hegen, daß eine ſolche Nachgiebigkeit ihm die
Gemüther der Katholiken gewinnen werde, der Biſchof von Lüttich,
Hr. van Bommel, und der päpſtliche Nunzius, Hr. Capaccini, ſu-
chen ihn, ſo viel an ihnen iſt, in dieſer Meynung zu beſtärken;
lange kan dis jedoch unmöglich dauern, denn er wird nur zu
bald die Entdekung machen, daß jede Konzeſſion von dieſen beiden
Herren, die man gewiß nicht mit Unrecht als Chefs der jeſui-
tiſchen Partei bezeichnet, nur als eine Stufe zu weitern Eingrif-
fen in die bürgerliche Macht, und zur ſteten Vermehrung des
Prieſtereinfluſſes benüzt werde. Man ſagt hier ziemlich allgemein,
daß das ſchändliche Treiben mit den Petitionen namentlich in Flan-
dern öffentlich von ihnen gemißbilligt und heimlich aufgemuntert
und unterſtüzt werde. — So ſehr indeß dis Treiben jedem ehrlie-
benden Manne verhaßt ſeyn muß, ſo kan man ſich doch tröſten,
daß für den Augenblik wenigſtens das ſchlimmſte, nemlich die Ver-
werfung des Budgets abgewendet worden iſt; die Oppoſition merkte
hier bald, daß ſie nicht ſtark genug ſey, die Verweigerung des Bud-
gets durchzuſezen, und änderte den Ton; ſie erklärte, daß ſie für
ein proviſoriſches Geſez ſtimmen würde. Dieſe Wendung war
nicht ungeſchikt, kam aber zu ſpät, ſie drang auch damit nicht mehr
durch, und ſo hat ſie eine gewaltige Niederlage erlitten, ſo wenig
ſie ſelbſt zum Theil im Augenblike noch daran zu glauben ſcheint.
Männer, die ſonſt nie in Finanzſachen mit der Regierung ſtimm-
[Spaltenumbruch] ten, wie Hr. Sytzama, ein ächter, eiſenfeſter Frieſe, ſtimmten
dismal „in Betracht der Umſtände“ dafür. Dis und das
Anerbieten das die reichſten Amſterdamer Kaufleute der Regie-
rung machten, ihr im Falle der Verweigerung des Budgets 80
Millionen auf ein Jahr ohne Zinſen vorzuſchießen, erſchrekte die
Oppoſition, ſie wich, und ſo, von der nächſten Noth befreit, kan
die Regierung jezt wieder mit mehr Freiheit ihre Aufmerkſamkeit
auf die innere Verwaltung und namentlich auf den Unterricht wen
den, was hier von der größten Bedeutung iſt. — Es ſcheint ſo
ziemlich ſicher, daß die Univerſitäten Löwen und Utrecht werden
aufgehoben werden.

Deutſchland.

Die Nro. 1
und 2 des Jahrgangs 1830 der zu Stuttgart erſcheinenden „All-
ge meinen Juſtiz-, Kameral- und Polizei-Fama

enthalten unter der Aufſchrift „Civilrechtsfall“ eine detaillirte
Nachricht über die Erörterung der Frage, in wie weit Ver-
fügungen des vormaligen Königs von Weſtphalen
über kurheſſiſche Staatskapitalien von dem
nach folgen den Regenten angefochten werden dür-
fen,
durch preußiſche Gerichtshöfe. Zwar iſt dieſe in das In-
tereſſe ſo vieler Familien tief eingreifende Frage ſchon häufig
theils in kurheſſiſchen, theils in hannöveriſchen und braunſchwei-
giſchen Gerichtshöfen Gegenſtand der Entſcheidung geweſen, allein
dieſer neueſte in preußiſchen Gerichtshöſen verhandelte und vor
Kurzem in lezter Inſtanz entſchiedene Rechtsfall, über welchen
in jenen Blättern berichtet wird, dürfte bei der Eigenthümlich-
keit der dabei obgewalteten Umſtände wohl das allgemeine In-
tereſſe in Anſpruch nehmen. Beſonders aber wird er für diejeni-
gen Familien von Wichtigkeit ſeyn, deren Wohl und Weh von
der Entſcheidung jener Frage abhängig gemacht werden, und für
welche alſo die Entſcheidungsgründe der preußiſchen Gerichte im-
merhin von höchſtem Intereſſe bleiben werden.

Rußland.

Im Eingange des ehgeſtern erwähnten, für die Kompagnie zur
Zukerfabrikation aus Runkelrüben in Tula entworfenen Regle-
ments heißt es: „Die übermäßig niedrigen Preiſe der Landbau-
erzeugniſſe entziehen mit jedem Jahre den Gutsbeſizern mehr und
mehr die Möglichkeit des Auskommens, bringen ihre Wirthſchaf-
ten in gänzlichen Verfall und bezahlen kaum die Mühe des armen
Landmanns. Dieſe Umſtände haben mehrere Eigenthümer genö-
thigt, neue Mittel zur Verbeſſerung dieſer Lage der Dinge auf-
zuſuchen. Das angemeſſenſte und keine großen Vorausgaben er-
fordernde beſteht in der Zukerfabrikation aus Runkelrüben. Nach
der Verſicherung einiger, durch ihre Rechtſchaffenheit und Wahr-
heitsliebe bekannten Gutsbeſizer, kan die auf einer Deſſätine Lan-
des gewonnene Quantität Runkelrüben, in Zuker verwandelt, ei-
nen Ertrag von 600 bis 1000 Rubel geben. Wenn wir dieſe
Vortheile mit dem Ertrage unſerer Getreidedeſſätinen vergleichen,
von denen die beſte nicht einmal 120 Rubel gewährt, ſo ſcheinen
jene Vortheile ſehr bedeutend zu ſeyn, und müſſen einen Jeden
von uns veranlaſſen, uns mit dieſem Gegenſtande genauer be-
kannt zu machen. Zur Erreichung dieſes Zweks wird in der Stadt
Tula eine Geſellſchaft errichtet, welche zum Ziel hat, nach kauf-
männiſcher Berechnung die Runkelrübe anzubauen und aus der-
ſelben Zuker zu fabriziren. Auf ſolche Art wird dieſer wichtige

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[38/0006] Wohlſtand bleiben, wo der Erwerb ſeiner Bürger, der in ſo gro- ßem Maaße auf dieſem Wohlſtande beruht? Der Kaſſeler Verein bietet keine Mittel dar, die hier leider raſch zunehmende Nah- rungsloſigkeit zu hemmen, und ſchießt auch unſrer Staatskaſſe nichts zu, wenn durch Sinken des Handels und Wohlſtandes unſer ſtädtiſches Einkommen in Abnahme kommt. (Beſchluß folgt.) Niederlande. **Haag, 25 Dec.Das Budget der Ausgaben iſt in der Sizung vom 19 durchgegangen, und auch das der Einnahme we- nigſtens für das Jahr 1830 iſt geſtern und vorgeſtern vollends genehmigt, und zwar faſt einſtimmig, denn nur ein einziger, Hr. Baron v. Secus, hat ſeine Zuſtimmung verſagt. Jezt ſind ein gu- rer Theil der Deputirten von hier abgegangen, und vor der erſten Hälfte Januars werden ſchwerlich noch Sizungen, wenigſtens keine von Belang, gehalten werden. Aus den Zeitungen haben Sie wohl ſchon erſehen, daß das zehnjährige Budget mit einer Majorität von 12 Stimmen durchgegangen iſt; das iſt bei den hieſigen Ver- hältniſſen bedeutend, und ſicherlich eine Folge der königlichen Bot- ſchaft, die beſonders hier mit großem Jubel aufgenommen wurde. Deſtoweniger hat hier die Ernennung des Hrn. Pelichy de Lichter- velde zum Generaldirektor des katholiſchen Kultus Beifall gefun- den; er iſt als ein ehrlicher, aber äußerſt bigotter Mann bekannt, und hat auch ſogleich eine Probe abgelegt, was man ſich von ihm zu verſprechen habe, durch die Ernennung eines gewiſſen Herrn van der Horſt zum Secretaire-Aviſeur. Was den erſten betrift, ſo kan zur genügenden Bezeichnung dienen, was er über die Wun- der Hohenlohe’s ſagte: derjenige ſey irreligieus, der nicht daran glaube. Etwas Beſonderes über den zweiten kan ich Ihnen im Augenblik nicht ſagen, was aber ſeinen politiſch-moraliſchen Cha- rakter anbetrift, ſo lauten hierüber die Urtheile nicht günſtig. Die Freunde der Aufklärung ſind mit dieſer neuen Konzeſſion des Königs durchaus unzufrieden. Der König ſcheint noch einigermaa- ßen den Glauben zu hegen, daß eine ſolche Nachgiebigkeit ihm die Gemüther der Katholiken gewinnen werde, der Biſchof von Lüttich, Hr. van Bommel, und der päpſtliche Nunzius, Hr. Capaccini, ſu- chen ihn, ſo viel an ihnen iſt, in dieſer Meynung zu beſtärken; lange kan dis jedoch unmöglich dauern, denn er wird nur zu bald die Entdekung machen, daß jede Konzeſſion von dieſen beiden Herren, die man gewiß nicht mit Unrecht als Chefs der jeſui- tiſchen Partei bezeichnet, nur als eine Stufe zu weitern Eingrif- fen in die bürgerliche Macht, und zur ſteten Vermehrung des Prieſtereinfluſſes benüzt werde. Man ſagt hier ziemlich allgemein, daß das ſchändliche Treiben mit den Petitionen namentlich in Flan- dern öffentlich von ihnen gemißbilligt und heimlich aufgemuntert und unterſtüzt werde. — So ſehr indeß dis Treiben jedem ehrlie- benden Manne verhaßt ſeyn muß, ſo kan man ſich doch tröſten, daß für den Augenblik wenigſtens das ſchlimmſte, nemlich die Ver- werfung des Budgets abgewendet worden iſt; die Oppoſition merkte hier bald, daß ſie nicht ſtark genug ſey, die Verweigerung des Bud- gets durchzuſezen, und änderte den Ton; ſie erklärte, daß ſie für ein proviſoriſches Geſez ſtimmen würde. Dieſe Wendung war nicht ungeſchikt, kam aber zu ſpät, ſie drang auch damit nicht mehr durch, und ſo hat ſie eine gewaltige Niederlage erlitten, ſo wenig ſie ſelbſt zum Theil im Augenblike noch daran zu glauben ſcheint. Männer, die ſonſt nie in Finanzſachen mit der Regierung ſtimm- ten, wie Hr. Sytzama, ein ächter, eiſenfeſter Frieſe, ſtimmten dismal „in Betracht der Umſtände“ dafür. Dis und das Anerbieten das die reichſten Amſterdamer Kaufleute der Regie- rung machten, ihr im Falle der Verweigerung des Budgets 80 Millionen auf ein Jahr ohne Zinſen vorzuſchießen, erſchrekte die Oppoſition, ſie wich, und ſo, von der nächſten Noth befreit, kan die Regierung jezt wieder mit mehr Freiheit ihre Aufmerkſamkeit auf die innere Verwaltung und namentlich auf den Unterricht wen den, was hier von der größten Bedeutung iſt. — Es ſcheint ſo ziemlich ſicher, daß die Univerſitäten Löwen und Utrecht werden aufgehoben werden. Deutſchland. *Von der kurheſſiſchen Gränze, 5 Jan.Die Nro. 1 und 2 des Jahrgangs 1830 der zu Stuttgart erſcheinenden „All- ge meinen Juſtiz-, Kameral- und Polizei-Fama“ enthalten unter der Aufſchrift „Civilrechtsfall“ eine detaillirte Nachricht über die Erörterung der Frage, in wie weit Ver- fügungen des vormaligen Königs von Weſtphalen über kurheſſiſche Staatskapitalien von dem nach folgen den Regenten angefochten werden dür- fen, durch preußiſche Gerichtshöfe. Zwar iſt dieſe in das In- tereſſe ſo vieler Familien tief eingreifende Frage ſchon häufig theils in kurheſſiſchen, theils in hannöveriſchen und braunſchwei- giſchen Gerichtshöfen Gegenſtand der Entſcheidung geweſen, allein dieſer neueſte in preußiſchen Gerichtshöſen verhandelte und vor Kurzem in lezter Inſtanz entſchiedene Rechtsfall, über welchen in jenen Blättern berichtet wird, dürfte bei der Eigenthümlich- keit der dabei obgewalteten Umſtände wohl das allgemeine In- tereſſe in Anſpruch nehmen. Beſonders aber wird er für diejeni- gen Familien von Wichtigkeit ſeyn, deren Wohl und Weh von der Entſcheidung jener Frage abhängig gemacht werden, und für welche alſo die Entſcheidungsgründe der preußiſchen Gerichte im- merhin von höchſtem Intereſſe bleiben werden. Rußland. Im Eingange des ehgeſtern erwähnten, für die Kompagnie zur Zukerfabrikation aus Runkelrüben in Tula entworfenen Regle- ments heißt es: „Die übermäßig niedrigen Preiſe der Landbau- erzeugniſſe entziehen mit jedem Jahre den Gutsbeſizern mehr und mehr die Möglichkeit des Auskommens, bringen ihre Wirthſchaf- ten in gänzlichen Verfall und bezahlen kaum die Mühe des armen Landmanns. Dieſe Umſtände haben mehrere Eigenthümer genö- thigt, neue Mittel zur Verbeſſerung dieſer Lage der Dinge auf- zuſuchen. Das angemeſſenſte und keine großen Vorausgaben er- fordernde beſteht in der Zukerfabrikation aus Runkelrüben. Nach der Verſicherung einiger, durch ihre Rechtſchaffenheit und Wahr- heitsliebe bekannten Gutsbeſizer, kan die auf einer Deſſätine Lan- des gewonnene Quantität Runkelrüben, in Zuker verwandelt, ei- nen Ertrag von 600 bis 1000 Rubel geben. Wenn wir dieſe Vortheile mit dem Ertrage unſerer Getreidedeſſätinen vergleichen, von denen die beſte nicht einmal 120 Rubel gewährt, ſo ſcheinen jene Vortheile ſehr bedeutend zu ſeyn, und müſſen einen Jeden von uns veranlaſſen, uns mit dieſem Gegenſtande genauer be- kannt zu machen. Zur Erreichung dieſes Zweks wird in der Stadt Tula eine Geſellſchaft errichtet, welche zum Ziel hat, nach kauf- männiſcher Berechnung die Runkelrübe anzubauen und aus der- ſelben Zuker zu fabriziren. Auf ſolche Art wird dieſer wichtige

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 10, 10. Januar 1830, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine10_1830/6>, abgerufen am 24.11.2024.