Allgemeine Zeitung, Nr. 107, 17. April 1849.[Spaltenumbruch]
Großbritannien. London, 12 April. Die Times vom 10 April erzählte die Katastrophe bei Eckernförde Der Sun sagt: "Das unlängst in New-York für die deutsche Flotte Frankreich. Paris, 13 April. Die englischen Gäste in Paris werden mit großer Aufmerksamkeit Die Verurtheilten von Bourges sind in Doullens in drei Zellen un- In einer der letzten Sitzungen der Nationalversammlung (10 April) [Spaltenumbruch]
Großbritannien. London, 12 April. Die Times vom 10 April erzählte die Kataſtrophe bei Eckernförde Der Sun ſagt: „Das unlängſt in New-York für die deutſche Flotte Frankreich. Paris, 13 April. Die engliſchen Gäſte in Paris werden mit großer Aufmerkſamkeit Die Verurtheilten von Bourges ſind in Doullens in drei Zellen un- In einer der letzten Sitzungen der Nationalverſammlung (10 April) <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <pb facs="#f0007" n="1539"/> <cb/> </div> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Großbritannien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 12 April.</dateline><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Times</hi> vom 10 April erzählte die Kataſtrophe bei Eckernförde<lb/> ohne Bemerkung, gab aber in einem leitenden Artikel über die däniſch-<lb/> deutſche Frage zu verſtehen: der Wiederausbruch des Krieges ſcheine mehr<lb/> den Dänen als den Deutſchen zur Laſt zu liegen. Nachdem ſie dieſe neue<lb/> Störung des brittiſchen Handels in der Oſtſee beklagt, und ihre Ueberzeu-<lb/> gung ausgeſprochen daß, wenn anſtatt einer Vermittelung, die ſich als<lb/> eine bloße Myſtification herausgeſtellt, ein brittiſches Geſchwader in den<lb/> Belt oder die Elbe geſegelt wäre, entſchloſſen die von der franzöſiſchen Re-<lb/> gierung voll anerkannte Garantie von 1720 aufrecht zu halten, dann<lb/> kein deutſcher Soldat die Eyder überſchritten haben würde, fährt ſie<lb/> fort: „Es iſt auffallend daß die Unterhandlung in London durch die Er-<lb/> neuerung von Feindſeligkeiten unterbrochen worden, ohne daß weder von<lb/> einem der kriegführenden Theile noch von Seite des Vermittlers eine be-<lb/> ſtimmte Erklärung über die Gründe des Fehlſchlags der Vermittelung ge-<lb/> geben worden. Ein ſo entſcheidender Act der däniſchen Regierung hätte,<lb/> ſcheint es, eine nähere Erörterung erfordert, als die kurze Notiz welche die<lb/> Kündigung des Waffenſtillſtandes begleitete, und die Welt war berechtigt<lb/> zu erfahren <hi rendition="#g">warum</hi> eigentlich die friedliche Vermittelung einer den beiden<lb/> ſtreitenden Theilen befreundeten Macht einer neuen Berufung an die Waf-<lb/> fen weichen mußte. Soviel wir durch Erkundigungen über dieſe Sache<lb/> erfahren konnten, hatte bis zum letzten Augenblick keiner der beiden Theile<lb/> von den An- und Abſichten des Widerparts eine klare und unzweideutige<lb/> Kenntniß erlangt, und jeder Theil beharrte in großem Zweifel über ſeines<lb/> Gegners Treu und Glauben. Allerdings iſt kein Vermittler im Stand<lb/> alle unbilligen Anſprüche zu beſeitigen, oder die Bitterkeit zu heben welche<lb/> die Volksaufregung in politiſche Streithändel hineinträgt; aber zwei Dinge<lb/> kann und muß ein Vermittler thun: erſtens die Bedingungen des Com-<lb/> promiſſes auf klare und beſtimmte Vorſchläge zurückführen; zweitens mit<lb/> der redlichen Offenheit einer richterlichen Autorität ins Mittel treten, ſo<lb/> daß keiner Partei ein Vorwand zur Mäkelei oder zum Mißtrauen bleibe.<lb/> Im vorliegenden Falle ſcheint keine dieſer weſentlichen Bedingungen er-<lb/> füllt worden zu ſeyn; die Art des Vorſchlags, der die Baſis des Friedens<lb/> ſeyn ſoll, läßt einiger Zweideutigkeit Raum, und die Kriegführenden haben<lb/> gehandelt als ob keine dritte Macht bei dieſer Unterhandlung moraliſch be-<lb/> theiligt wäre. Unbeſtreitbar ſcheint es daß es die däniſche Regierung war<lb/> welche zuerſt dieſelbe thatſächlich unterbrochen hat. Principiell war<lb/> behauptet und angenommen daß Dänemark, Palmerſtons zweitem Vorſchlag<lb/> gemäß, zu einer beſondern Verfaſſung und getrennten Verwaltung für<lb/> Schleswig ſeine Zuſtimmung gegeben habe. Wir würden es ganz natür-<lb/> lich gefunden haben, wenn Dänemark ſich geweigert hätte unter dieſer Be-<lb/> dingung zu vertragen; aber Dänemark ging darauf ein, und hiernach muß<lb/> man annehmen daß es dieſe Trennung ſich gefallen zu laſſen einmal ge-<lb/> ſonnen war. Indeſſen es gibt uns von der Art wie dieſe Sache gehand-<lb/> habt worden einen ſonderbaren Begriff, daß nach ſiebenmonatlicher Unter-<lb/> handlung die Betheiligten darüber nicht klar ſind ob ſie ſich über das erſte<lb/> Princip geeinigt, und daß die Sprache der bezüglichen Protokolle entgegen-<lb/> geſetzte Auslegungen zuläßt. Jedenfalls hoffen wir daß keine Uebereilung<lb/> auf Seite der Dänen die Achtung und Sympathie Europa’s mindern<lb/> werde, welche ſie ſtätig ſo lange unterſtützte als ſie der angegriffene und<lb/> nicht der angreifende Theil waren.“ Dem Palmerſion’ſchen <hi rendition="#g">Globe</hi> zu-<lb/> folge lief in der City (an der Börſe) am 11 April Vormittags das Ge-<lb/> rücht um: die brittiſche Regierung habe einen neuen Verſuch gemacht zwi-<lb/> ſchen den ſtreitenden Theilen zu vermitteln. Es wolle, ſagt das Blatt,<lb/> für dieſes Gerücht nicht einſtehen, doch ſey es in gutunterrichteten Kreiſen<lb/> wiederholt, und allſeitig mit Wärme die Hoffnung ausgeſprochen worden<lb/> daß es ſich erwahren möge. <hi rendition="#g">Daily News</hi> enthält eine lebhafte<lb/> Schilderung des Kampfs vor Eckernförde, und fragt: welches Urtheil wohl<lb/> der Held von St. Jean d’Acre (Sir Charles Napier; er liegt dermalen<lb/> mit ſeinem Admiralſchiff in Portsmouth, und ſcheint einer neuen Beſtim-<lb/> mung entgegenzuſehen) über die Taktik des däniſchen Commodore fällen<lb/> würde? Daily News war bisher unter den größeren engliſchen Blättern<lb/> ſo ziemlich das einzige welches in der deutſch-däniſchen Frage für Deutſch-<lb/> land und ſein gutes Recht Partei nahm; indeſſen noch ein paar Siege<lb/> wie der vom 5 April, und Deutſchland darf hoffen auch Times, Chro-<lb/> nicle u. ſ. w. zu Freunden zu gewinnen; denn die neuliche Bemerkung<lb/> des Grafen Fitzwilliam im Oberhaus: England hab’ es, gleich den Göt-<lb/> tern der Alten, von jeher mit den Glücklichen gegen die Unglücklichen ge-<lb/> halten, iſt nicht ohne Grund. Zeuge deſſen der vorjährige Enthuſtasmus<lb/> für die italieniſche Sache, und die jetzigen Schmähungen auf das italie-<lb/> niſche Volk und alles Italieniſche. Beidem, jenem Enthuſtasmus und die-<lb/> ſen Schmähungen, fehlt Maß und Gerechtigkeit.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p>Der <hi rendition="#g">Sun</hi> ſagt: „Das unlängſt in New-York für die deutſche Flotte<lb/> angekaufte Dampfſchiff „United States“ führt 12 ſchwere Kanonen auf<lb/> jeder Seite, zwei eherne Drehbaſſen vorn, und 2 hinten. Seine Maſchinen<lb/> ſind reparirt und umgeändert, und bis zum 1 d. M. ſollte es ſeefähig ſeyn.“</p><lb/> <cb/> </div> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 13 April.</dateline><lb/> <p>Die engliſchen Gäſte in Paris werden mit großer Aufmerkſamkeit<lb/> behandelt. Bei dem Feſt im Hôtel des Princes am Dienstag machten ſie<lb/> ſelber den Wirth, ſie hatten die Nationalgarde eingeladen. 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Sie ſagen: „Wir ſehen in Ihnen den Mann wie er ſich ge-<lb/> zeigt hat in denkwürdigen Lagen, wo Sie ſo viele Proben abgelegt haben<lb/> von Patriotismus, Pietät, Feſtigkeit, Uneigennützigkeit, Tugenden aller<lb/> Art, und wo Sie hervorgegangen ſind gekrönt mit den Lorbeeren des<lb/> Siegs, und überſchüttet mit den Segnungen nicht bloß Frankreichs, ſon-<lb/> dern der Menſchheit. Nie können Worte wiedergeben das Schlagen un-<lb/> ſerer Herzen und die Gluth unſerer Hoffnungen die wir gründeten auf Sie<lb/> und ihre edlen Mitbürger während des wundervollen Zeitraums da Sie<lb/> die Geſchicke Ihres Landes leiteten. Von Ihrer Einſicht, Ihrer Feſtig-<lb/> keit, Ihrer Hochherzigkeit, der Reinheit Ihres Charakters hingen das<lb/> Heil Frankreichs und die Freiheit der ganzen Welt ab. Ihre Landsleute<lb/> hatten Ihnen ein geheiligtes Pfand anvertraut, Sie haben es treu und<lb/> unverſehrt zurückgegeben. Durch Ihr heroiſches Betragen ſind die Frei-<lb/> heiten befeſtigt worden und die Menſchheit hat auf der glorreichen Bahn<lb/> zum Beſſern einen Schritt gethan.“ Dieſe glänzende Anerkennung kann<lb/> dem Dichter-Staatsmann für manche bittern Erfahrungen, die er ſeit der<lb/> ſchnell verlornen unermeßlichen Popularität gemacht hat, einige Entſchä-<lb/> digung gewähren. Am Mittwoch ſollte auf dem Stadthaus ein Ball ſeyn,<lb/> welchen der Präfect, Hr. Berger, geben wollte, wegen eines Trauerfalls<lb/> in ſeiner Familie verwandelte er ihn in ein Punſchfeſt. Die Obriſten der<lb/> Nationalgarde erhielten Einladungskarten um ſie unter jeder Legion zu<lb/> vertheilen. Am Donnerstag war ein großes Bankett im Saal Valentino,<lb/> das die Nationalgarde veranſtaltet hatte. Von einem in Paris wohn-<lb/> haften Engländer, Hrn. Lewis Jonas, iſt eine Denkmünze auf dieſen Be-<lb/> ſuch geprägt worden. Dieſelbe zeigt auf einer Seite als Emblem der zwi-<lb/> ſchen Frankreich und England beſtehenden Eintracht zwei verſchlungene<lb/> Hände mit der Inſchrift in beiden Sprachen: „Einigkeit gibt Kraft. Be-<lb/> ſuch der Franzoſen in England und der Engländer in Frankreich.“ Zwei<lb/> Exemplare dieſer Medaille, in Gold und Silber, wurden dem Präſiden-<lb/> ten L. Bonaparte und dem General Changarnier als Oberbefehlshaber<lb/> der Pariſer Nationalgarde überreicht.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p>Die Verurtheilten von Bourges ſind in Doullens in drei Zellen un-<lb/> tergebracht. Barbès und Albert, Blanqui und Flotte, endlich Raſpail,<lb/> Sobrier und Quentin ſind beiſammen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p>In einer der letzten Sitzungen der Nationalverſammlung (10 April)<lb/> hatte Hr. Cremieux Anlaß genommen ſein Verhältniß zur Februarrevolu-<lb/> tion aufzuklären. 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Cuivil-<lb/> lier-Fleury gegen die Anſchuldigungen des Ehrgeizes welche Capefigue’s<lb/> Schrift: <hi rendition="#aq">»Depuis la chute de Louis Philippe jusqu’à la présidence<lb/> de Louis Napoléon Bonaparte«</hi> macht, im J. <hi rendition="#g">des Débats</hi> in Schutz<lb/> genommen. Als der König abgedankt hatte und der Herzog von Nemours<lb/> der Verzichtleiſtungsurkunde beigetreten war, ſo daß die Regentſchaft von<lb/> ſelbſt der Herzogin zufallen mußte, behauptet Hr. Cuivillier-Fleury, habe<lb/> ſie ſich mit Lebhaftigkeit dieſem Plan widerſetzt. „Aber,“ ſagte ſie zu ei-<lb/> nem Mitglied der Abgeordnetenkammer, „wenn ihr die Krone vom Haupt<lb/> des Königs nehmet, werdet ihr ſie darum auf dem Haupt meines Sohnes<lb/> befeſtigt haben?“ Und zum König: „Sire! Niemand iſt vorbereitet mich<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1539/0007]
Großbritannien.
London, 12 April.
Die Times vom 10 April erzählte die Kataſtrophe bei Eckernförde
ohne Bemerkung, gab aber in einem leitenden Artikel über die däniſch-
deutſche Frage zu verſtehen: der Wiederausbruch des Krieges ſcheine mehr
den Dänen als den Deutſchen zur Laſt zu liegen. Nachdem ſie dieſe neue
Störung des brittiſchen Handels in der Oſtſee beklagt, und ihre Ueberzeu-
gung ausgeſprochen daß, wenn anſtatt einer Vermittelung, die ſich als
eine bloße Myſtification herausgeſtellt, ein brittiſches Geſchwader in den
Belt oder die Elbe geſegelt wäre, entſchloſſen die von der franzöſiſchen Re-
gierung voll anerkannte Garantie von 1720 aufrecht zu halten, dann
kein deutſcher Soldat die Eyder überſchritten haben würde, fährt ſie
fort: „Es iſt auffallend daß die Unterhandlung in London durch die Er-
neuerung von Feindſeligkeiten unterbrochen worden, ohne daß weder von
einem der kriegführenden Theile noch von Seite des Vermittlers eine be-
ſtimmte Erklärung über die Gründe des Fehlſchlags der Vermittelung ge-
geben worden. Ein ſo entſcheidender Act der däniſchen Regierung hätte,
ſcheint es, eine nähere Erörterung erfordert, als die kurze Notiz welche die
Kündigung des Waffenſtillſtandes begleitete, und die Welt war berechtigt
zu erfahren warum eigentlich die friedliche Vermittelung einer den beiden
ſtreitenden Theilen befreundeten Macht einer neuen Berufung an die Waf-
fen weichen mußte. Soviel wir durch Erkundigungen über dieſe Sache
erfahren konnten, hatte bis zum letzten Augenblick keiner der beiden Theile
von den An- und Abſichten des Widerparts eine klare und unzweideutige
Kenntniß erlangt, und jeder Theil beharrte in großem Zweifel über ſeines
Gegners Treu und Glauben. Allerdings iſt kein Vermittler im Stand
alle unbilligen Anſprüche zu beſeitigen, oder die Bitterkeit zu heben welche
die Volksaufregung in politiſche Streithändel hineinträgt; aber zwei Dinge
kann und muß ein Vermittler thun: erſtens die Bedingungen des Com-
promiſſes auf klare und beſtimmte Vorſchläge zurückführen; zweitens mit
der redlichen Offenheit einer richterlichen Autorität ins Mittel treten, ſo
daß keiner Partei ein Vorwand zur Mäkelei oder zum Mißtrauen bleibe.
Im vorliegenden Falle ſcheint keine dieſer weſentlichen Bedingungen er-
füllt worden zu ſeyn; die Art des Vorſchlags, der die Baſis des Friedens
ſeyn ſoll, läßt einiger Zweideutigkeit Raum, und die Kriegführenden haben
gehandelt als ob keine dritte Macht bei dieſer Unterhandlung moraliſch be-
theiligt wäre. Unbeſtreitbar ſcheint es daß es die däniſche Regierung war
welche zuerſt dieſelbe thatſächlich unterbrochen hat. Principiell war
behauptet und angenommen daß Dänemark, Palmerſtons zweitem Vorſchlag
gemäß, zu einer beſondern Verfaſſung und getrennten Verwaltung für
Schleswig ſeine Zuſtimmung gegeben habe. Wir würden es ganz natür-
lich gefunden haben, wenn Dänemark ſich geweigert hätte unter dieſer Be-
dingung zu vertragen; aber Dänemark ging darauf ein, und hiernach muß
man annehmen daß es dieſe Trennung ſich gefallen zu laſſen einmal ge-
ſonnen war. Indeſſen es gibt uns von der Art wie dieſe Sache gehand-
habt worden einen ſonderbaren Begriff, daß nach ſiebenmonatlicher Unter-
handlung die Betheiligten darüber nicht klar ſind ob ſie ſich über das erſte
Princip geeinigt, und daß die Sprache der bezüglichen Protokolle entgegen-
geſetzte Auslegungen zuläßt. Jedenfalls hoffen wir daß keine Uebereilung
auf Seite der Dänen die Achtung und Sympathie Europa’s mindern
werde, welche ſie ſtätig ſo lange unterſtützte als ſie der angegriffene und
nicht der angreifende Theil waren.“ Dem Palmerſion’ſchen Globe zu-
folge lief in der City (an der Börſe) am 11 April Vormittags das Ge-
rücht um: die brittiſche Regierung habe einen neuen Verſuch gemacht zwi-
ſchen den ſtreitenden Theilen zu vermitteln. Es wolle, ſagt das Blatt,
für dieſes Gerücht nicht einſtehen, doch ſey es in gutunterrichteten Kreiſen
wiederholt, und allſeitig mit Wärme die Hoffnung ausgeſprochen worden
daß es ſich erwahren möge. Daily News enthält eine lebhafte
Schilderung des Kampfs vor Eckernförde, und fragt: welches Urtheil wohl
der Held von St. Jean d’Acre (Sir Charles Napier; er liegt dermalen
mit ſeinem Admiralſchiff in Portsmouth, und ſcheint einer neuen Beſtim-
mung entgegenzuſehen) über die Taktik des däniſchen Commodore fällen
würde? Daily News war bisher unter den größeren engliſchen Blättern
ſo ziemlich das einzige welches in der deutſch-däniſchen Frage für Deutſch-
land und ſein gutes Recht Partei nahm; indeſſen noch ein paar Siege
wie der vom 5 April, und Deutſchland darf hoffen auch Times, Chro-
nicle u. ſ. w. zu Freunden zu gewinnen; denn die neuliche Bemerkung
des Grafen Fitzwilliam im Oberhaus: England hab’ es, gleich den Göt-
tern der Alten, von jeher mit den Glücklichen gegen die Unglücklichen ge-
halten, iſt nicht ohne Grund. Zeuge deſſen der vorjährige Enthuſtasmus
für die italieniſche Sache, und die jetzigen Schmähungen auf das italie-
niſche Volk und alles Italieniſche. Beidem, jenem Enthuſtasmus und die-
ſen Schmähungen, fehlt Maß und Gerechtigkeit.
Der Sun ſagt: „Das unlängſt in New-York für die deutſche Flotte
angekaufte Dampfſchiff „United States“ führt 12 ſchwere Kanonen auf
jeder Seite, zwei eherne Drehbaſſen vorn, und 2 hinten. Seine Maſchinen
ſind reparirt und umgeändert, und bis zum 1 d. M. ſollte es ſeefähig ſeyn.“
Frankreich.
Paris, 13 April.
Die engliſchen Gäſte in Paris werden mit großer Aufmerkſamkeit
behandelt. Bei dem Feſt im Hôtel des Princes am Dienstag machten ſie
ſelber den Wirth, ſie hatten die Nationalgarde eingeladen. Das Orche-
ſter von Strauß ſpielte abwechſelnd engliſche und franzöſiſche National-
weiſen, das loyale »God save the Queen« und die revolutionäre Mar-
ſellaiſe, die Girondins und den Chant du Dépat, dazwiſchen wurden Re-
den gehalten, Trinkſprüche ausgebracht auf den Präſidenten der Republik,
die Königin Victoria, die Einigkeit der beiden Nationen u. ſ. w. Eine
große Zahl der Gäſte machte einen Beſuch im Invalidenhôtel, und der
Er-König Gouverneur ließ ſie auf ihrer mehrſtündigen Wanderung durch
eine Ehrenwache begleiten. Eine Partie hatte ſich zu Hrn. v. Lamartine
begeben um ihm eine von Einwohnern Weſtminſters unterzeichnete Adreſſe
zu übermachen, worin ihm dieſe ihre Hochachtung ausdrücken wegen ſei-
ner heroiſchen Hingebung für die geheiligten Rechte der Freiheit und der
Menſchheit. Sie ſagen: „Wir ſehen in Ihnen den Mann wie er ſich ge-
zeigt hat in denkwürdigen Lagen, wo Sie ſo viele Proben abgelegt haben
von Patriotismus, Pietät, Feſtigkeit, Uneigennützigkeit, Tugenden aller
Art, und wo Sie hervorgegangen ſind gekrönt mit den Lorbeeren des
Siegs, und überſchüttet mit den Segnungen nicht bloß Frankreichs, ſon-
dern der Menſchheit. Nie können Worte wiedergeben das Schlagen un-
ſerer Herzen und die Gluth unſerer Hoffnungen die wir gründeten auf Sie
und ihre edlen Mitbürger während des wundervollen Zeitraums da Sie
die Geſchicke Ihres Landes leiteten. Von Ihrer Einſicht, Ihrer Feſtig-
keit, Ihrer Hochherzigkeit, der Reinheit Ihres Charakters hingen das
Heil Frankreichs und die Freiheit der ganzen Welt ab. Ihre Landsleute
hatten Ihnen ein geheiligtes Pfand anvertraut, Sie haben es treu und
unverſehrt zurückgegeben. Durch Ihr heroiſches Betragen ſind die Frei-
heiten befeſtigt worden und die Menſchheit hat auf der glorreichen Bahn
zum Beſſern einen Schritt gethan.“ Dieſe glänzende Anerkennung kann
dem Dichter-Staatsmann für manche bittern Erfahrungen, die er ſeit der
ſchnell verlornen unermeßlichen Popularität gemacht hat, einige Entſchä-
digung gewähren. Am Mittwoch ſollte auf dem Stadthaus ein Ball ſeyn,
welchen der Präfect, Hr. Berger, geben wollte, wegen eines Trauerfalls
in ſeiner Familie verwandelte er ihn in ein Punſchfeſt. Die Obriſten der
Nationalgarde erhielten Einladungskarten um ſie unter jeder Legion zu
vertheilen. Am Donnerstag war ein großes Bankett im Saal Valentino,
das die Nationalgarde veranſtaltet hatte. Von einem in Paris wohn-
haften Engländer, Hrn. Lewis Jonas, iſt eine Denkmünze auf dieſen Be-
ſuch geprägt worden. Dieſelbe zeigt auf einer Seite als Emblem der zwi-
ſchen Frankreich und England beſtehenden Eintracht zwei verſchlungene
Hände mit der Inſchrift in beiden Sprachen: „Einigkeit gibt Kraft. Be-
ſuch der Franzoſen in England und der Engländer in Frankreich.“ Zwei
Exemplare dieſer Medaille, in Gold und Silber, wurden dem Präſiden-
ten L. Bonaparte und dem General Changarnier als Oberbefehlshaber
der Pariſer Nationalgarde überreicht.
Die Verurtheilten von Bourges ſind in Doullens in drei Zellen un-
tergebracht. Barbès und Albert, Blanqui und Flotte, endlich Raſpail,
Sobrier und Quentin ſind beiſammen.
In einer der letzten Sitzungen der Nationalverſammlung (10 April)
hatte Hr. Cremieux Anlaß genommen ſein Verhältniß zur Februarrevolu-
tion aufzuklären. Man liest jetzt im Moniteur die Worte die er für
die Frau Herzogin v. Orleans niedergeſchrieben hatte. Sie lauten alſo:
„Es iſt der Nationalwille von dem mein Sohn und ich unſere Gewalten
erhalten wollen. Mit Vertrauen ſind wir, ich die Wittwe des Herzogs
von Orleans und mein verwaister Sohn, deſſen gewärtig was man be-
ſchließen wird. Jedenfalls werde ich meinen Sohn in den lebendigſten
Gefühlen der Vaterlandsliebe und der Freiheit erziehen.“ Dieſe kurze
Anrede hatte Hr. Cremieux der Herzogin auf einem Blatt zugeſtellt, ſie
war aber durch den Volkseinbruch in den Saal verhindert worden davon
Gebrauch zu machen. Den Beweis daß er ſchon im Anfang für Errich-
tung einer proviſoriſchen Regierung geweſen ſey, hat er jedenfalls damit
nicht geliefert, denn dieſes Billet beabſichtigt nichts als die Uebertragung
der Regentſchaft auf die Herzogin. Die letztere iſt jetzt von Hrn. Cuivil-
lier-Fleury gegen die Anſchuldigungen des Ehrgeizes welche Capefigue’s
Schrift: »Depuis la chute de Louis Philippe jusqu’à la présidence
de Louis Napoléon Bonaparte« macht, im J. des Débats in Schutz
genommen. Als der König abgedankt hatte und der Herzog von Nemours
der Verzichtleiſtungsurkunde beigetreten war, ſo daß die Regentſchaft von
ſelbſt der Herzogin zufallen mußte, behauptet Hr. Cuivillier-Fleury, habe
ſie ſich mit Lebhaftigkeit dieſem Plan widerſetzt. „Aber,“ ſagte ſie zu ei-
nem Mitglied der Abgeordnetenkammer, „wenn ihr die Krone vom Haupt
des Königs nehmet, werdet ihr ſie darum auf dem Haupt meines Sohnes
befeſtigt haben?“ Und zum König: „Sire! Niemand iſt vorbereitet mich
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(2022-09-16T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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