Allgemeine Zeitung, Nr. 107, 17. April 1849.[Spaltenumbruch]
Kenntniß über die Stimmung des Landes zugetraut werden darf. Sie sind Preußen. Berlin, 13 April. In Bezug auf die Nachricht der deutschen Folgende Berliner Mittheilung der Fr. O.-P.-A.-Ztg. wird als Berlin, [Spaltenumbruch]
Kenntniß über die Stimmung des Landes zugetraut werden darf. Sie ſind Preußen. Berlin, 13 April. In Bezug auf die Nachricht der deutſchen Folgende Berliner Mittheilung der Fr. O.-P.-A.-Ztg. wird als Berlin, <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p> <floatingText> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0004" n="1536"/><cb/> Kenntniß über die Stimmung des Landes zugetraut werden darf. Sie ſind<lb/> aber umſomehr überzeugt daß die auf ſie gefallene Berufung zu Mitglie-<lb/> dern der Ständeverſammlung ihnen in einem Augenblick von ſo ſchwerem<lb/> Gewicht die unerläßliche Verpflichtung auferlegt: die königl. Regierung<lb/> dringend zu erſuchen daß ſie durch <hi rendition="#g">ſofortige Wiedereinberufung</hi><lb/> der Ständeverſammlung ſich in die Lage verſetze das verfaſſungsmäßige<lb/> Organ des Landes zu hören und den nachtheiligen Folgen längerer Unter-<lb/> brechung in den ſtändiſchen Berathungen über die innere Umgeſtaltung der<lb/> Landesverhältniſſe vorzubeugen.“</p> </div> </body> </floatingText> </p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head><hi rendition="#g">Preußen</hi>.</head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">Berlin</hi>, 13 April.</dateline><lb/> <p>In Bezug auf die Nachricht der deutſchen<lb/> Reform „daß die in Preußen erbauten Schiffe nicht unter deutſcher, ſondern<lb/> unter preußiſcher Flagge ſegeln würden — dieſe Schiffe alſo die dem Reiche<lb/> als Flottenbeiträge angerechnet worden, ſollen nicht deutſche, ſondern preu-<lb/> ßiſche Schiffe ſeyn“ ſagt der preußiſche Staatsanzeiger: „Dieſe mindeſtens<lb/> übereilte Vorausſetzung ſammt der daran geknüpften Folgerung iſt falſch,<lb/> da es bekannt iſt daß die in Preußen gebauten Kanonenſchaluppen und<lb/> Jollen noch gar nicht von der proviſoriſchen Centralgewalt für die deutſche<lb/> Marine übernommen worden ſind, ebenſowenig als über die Einſtellung<lb/> der königlichen Corvette „Amazone“ in die deutſche Marine bereits ent-<lb/> ſchieden iſt. Am Bord dieſer Schiffe kann alſo für jetzt ſelbſtredend nur<lb/> die preußiſche Flagge wehen.“ — Ueber die Umſtände welche der Antwort<lb/> des Königs an die Frankfurter Deputation am 3 d. vorangingen, erfährt<lb/> man jetzt verſchiedenes Nähere, wenn auch noch immer nichts ſicheres.<lb/> Eine Menge glaubwürdige Nachrichten kommen darin überein daß noch<lb/> am 2 der König eine andere günſtigere Antwort zu ertheilen entſchloſſen<lb/> war als diejenige die er am 3 wirklich gab. Auf die Umwandlung ſeiner<lb/> Anficht ſollen nach den einen beſonders Leo und Haſſenpflug, nach an-<lb/> dern muthmaßlich beſonders Prokeſch v. Often und der Graf Schulenburg<lb/> Einfluß geübt haben. (Mehrere Blätter, auch die Frankfurter Central-<lb/> Parlaments-Correſpondenz ſprechen von einer Jagdpartie auf der jene<lb/> Einwirkungen ſich geltend gemacht hätten.) Dagegen erzählt die Zei-<lb/> tung für Norddeutſchland: Manteuffel ſtellte ſich bei der deutſchen Frage<lb/> auf die gemäßigte Rechte und unterhandelte mit Hrn. v. Vincke und Hrn.<lb/> y. Auerswald, denen er einen Entwurf der Antwort mittheilte, welche Se.<lb/> Maj. der Deputation geben würde, welche ganz im Vincke’ſchen Sinne<lb/> war. Der König nahm darin die angebotene Krone an, unter Vorbehalt<lb/> der deutſchen Regierungen. So ſtanden die Sachen am Montag (am 2)<lb/> wo ein letzter Miniſterrath gehalten wurde, in welchem auch der König er-<lb/> ſchien. Hr. v. Manteuffel theilte ſeinen Entwurf mit, allein zu ſeinem Er-<lb/> ſtaunen fand er nur vom Kriegsminiſter v. Strotha Unterſtützung. Hier-<lb/> auf ſtand Hr. v. Ladenberg auf und las einen andern Entwurf vor, wel-<lb/> cher die Antwort enthielt die der König am Dienſtag wirklich gegeben hat.<lb/> Der Miniſterpräſident erklärte ſich ſogleich dafür, und nach einer Debatte<lb/> in welcher die verſchiedenen Principien entwickelt wurden, ſtanden die HH.<lb/> v. Manteuffel und Strotha allein; ſämmtliche Miniſter ſtimmten dagegen;<lb/> die Antwort, deren eigenthümlicher Verfaſſer Hr. Eichmann ſeyn ſoll, der<lb/> im Cabinet die Ausarbeitung gemacht hat, wurde angenommen und be-<lb/> ſchloſſen. Hr. v. Manteuffel wagte aber nicht Hrn. v. Vincke von ſeinen<lb/> vergeblichen Bemühungen zu benachrichten; denken Sie ſich daher das Er-<lb/> ſtaunen und den Zorn des heftigen Freiherrn, als er in der Kammer eine<lb/> Antwort veröffentlichen hörte die ſeinen Anſichten ganz entgegen war.<lb/> Er hielt ſich für vollſtändig dupirt und ſtürmte auf die Tribüne mit ſeinem<lb/> bekannten Antrage, den er nach ſpäterer Aufklärung und Beruhigung, wie<lb/> Sie wiſſen, wieder zurückzog.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"><lb/> <p>Folgende Berliner Mittheilung der Fr. O.-P.-A.-<hi rendition="#g">Ztg</hi>. wird als<lb/> eine halbofficielle Kundgebung des preußiſchen Miniſteriums bezeichnet.<lb/> Wir geben ſie wieder, da ſie vielleicht die Inſtructionen erkennen läßt<lb/> welche Hr. v. Camphauſen mit nach Frankfurt bekommen hat. <floatingText><body><div n="1"><p><hi rendition="#b">Berlin,</hi><lb/> 9 April. Hr. Camphauſen, unſer Bevollmächtigter bei der deutſchen Cen-<lb/> tralgewalt, iſt gegenwärtig hier anweſend, um in Betreff der letzten Note an<lb/> die deutſchen Regierungen ſeine ſpeciellen Inſtructionen entgegenzunehmen.<lb/> Dieſelben werden ihn anweiſen in den bevorſtehenden Unterhandlungen über<lb/> die Oberhauptsfrage ſo weit als irgendmöglich mit der deutſchen National-<lb/> verſammlung Hand in Hand zu gehen, und dem Grundſatz Preußens, welcher<lb/> bisher den hauptſächlichſten Differenzpunkt zwiſchen der preußiſchen und<lb/> öfterreichiſchen Politik bildete, nämlich der Vereinbarung mit der volk-<lb/> thümlichen Vertretung von Deutſchland, bis an die äußerſten Gränzen der<lb/> Möglichkeit treu zu bleiben. Andererſeits freilich werden dieſe Inſtruc-<lb/> tionen auch den Fall berückſichtigen müſſen daß die Macht der jetzt weniger<lb/> als je berechenbaren Umſtände ein weiteres Feſthalten an dieſer Verein-<lb/> barung vollkommen unthunlich macht, den Fall etwa daß die National-<lb/> verſammlung in ihrer erſten Erregung von der Mißſtimmung der Depu-<lb/> tation (deren Berechtigung hier unerörtert bleiben mag) ſich zu Beſchlüſſen<lb/> hinreißen ließe welche die wichtigſten Intereſſen Preußens und ſomit die<lb/> Kraft und Feſtigkeit des zu begründenden Bundesſtaats ernſtlich zu com-<lb/><cb/> promittiren geeignet wären. Für dieſe traurige Eventualität werden die<lb/> unſerm Bevollmächtigten ertheilten Anweiſungen den Weg bezeichnen<lb/> auf dem er auch ohne jene, von Preußen mit ſo großer Vorliebe feſtge-<lb/> haltene volkthümliche Grundlage das Werk der Vereinbarung mit den<lb/> deutſchen Regierungen zu fördern und womöglich zu vollenden haben<lb/> wird. Leider ſtellt die Auffaſſung welcher die Antwort unſeres Königs<lb/> an die Frankfurter Deputation unterlegen hat die Möglichkeit dieſes letzten<lb/> Falls nur zu ſehr in Ausſicht. In ihm aber liegt die größte Gefahr für<lb/> die jetzt noch einzig mögliche Einheitsform Deutſchlands. Es iſt daher<lb/> unumgänglich nothwendig dieſen kritiſchen Punkt ſcharf ins Auge zu<lb/> faſſen, d. h. das Verhältniß Preußens zur deutſchen Nationalverſamm-<lb/> lung von allen ercentriſchen Gefühlsaufſchraubungen zu entkleiden, und es<lb/> ſich ſo zum Bewußtſeyn zu bringen wie es wirklich iſt. Die deutſche Na-<lb/> tionalverſammlung iſt hervorgegangen aus Wahlen welche von den Re-<lb/> gierungen angeordnet wurden, und zuſammengetreten zu einem ganz be-<lb/> ſtimmten, von denſelben Regierungen bezeichneten Zweck — zu dem der Ver-<lb/> einbarung einer Verfaſſung mit den Regierungen (welche ihrerſeits ſich<lb/> wiederum mit der Volksvertretung der einzelnen Staaten zu verſtändigen<lb/> hatten). Die Eriſtenz der deutſchen Nationalverſammlung iſt alſo eine<lb/> ganz legale und ihr Mandat ein unbeſtreitbares. Sie hat dieſes Mandat<lb/> aber bei verſchiedenen Gelegenheiten überſchritten. Die preußiſche Re-<lb/> gierung hat es jedoch bisher fortdauernd vermieden dieſerhalb mit ihr zu<lb/> brechen; ſie hat, ohne die Conſequenzen ſolcher Ueberſchreitungen irgendwie<lb/> anzuerkennen, an dem Princip der Vereinbarung mit der Frankfurter Ver-<lb/> ſammlung beharrlich feſtgehalten, weil ſie die großen und über jeden<lb/> Zweifel erhabenen Verdienſt der letzteren um die deutſche Sache anzuer-<lb/> kennen ſich gedrungen fühlte, und weil dieſe Vereinbarung der geeignerſte<lb/> Weg zu einer den Bedürfniſſen entſprechenden ſchleunigen Herſtellung einer<lb/> deutſchen Einheit war; denn nur hiedurch war es möglich den ins End-<lb/> loſe führenden Vereinbarungen mit jedem einzelnen Regenten und jeder<lb/> einzelnen Ständeverſammlung in Deutſchland zu entgehen. Aus dieſen<lb/> Rückſichten hat die preußiſche Regierung die Verſammlung in der Pauls-<lb/> kirche ruhig ihren Weg gehen laſſen und ſich der Hoffnung hingegeben daß<lb/> ihr patriotiſches Gewiſſen von ſelbſt ihre Beſchlüſſe in die Schranken der<lb/> Ausführbarkeit, ihre Schritte auf den einzig möglichen Weg zurücklenken<lb/> werde. Dieſe Hoffnung iſt leider getäuſcht worden; die Verſammlung<lb/> hat ſich, namentlich in der neueſten Zeit, in einer Weiſe überſtürzt die<lb/> alle Vorausſicht übertraf. Es ſoll ihr daraus kein Vorwurf gemacht<lb/> werden; die gewaltige Wucht der Ereigniſſe welche faſt alle Verhältniſſe<lb/> aus dem Geleiſe drängte, hat auch auf ſie ihren Einfluß geübt. Aber<lb/> man fordere auch nicht die unbedingte Anerkennung der aus ſolchen Um-<lb/> ſtänden hervorgegangenen Reſultate; man verlange nicht daß man die<lb/> Wirkungen ſo außerordentlicher Einflüſſe auf die Verſammlung für den<lb/> wahren Ausdruck des Volkswillens halte. Jene Beſchlüſſe welche aus<lb/> der unnatürlichen Coalition der äußerſten Linken mit den Oeſterreichern<lb/> und Ultramontanen hervorgingen, drückten der ganzen Verſammlung<lb/> einen ſo demokratiſchen Stempel auf daß eine Vereinbarung zwiſchen ihr<lb/> und conſtitutionellen Regierungen kaum mehr möglich ſchien. Das Par-<lb/> tei-Intereſſe, wenn nicht die Parteileidenſchaft, hatte nach und nach die<lb/> natürliche Stellung der Nationalverſammlung gänzlich verſchoben und die<lb/> Verbindlichkeit der aus ihrem Schooß hervorgegangenen Beſchlüſſe mehr<lb/> als problematiſch gemacht. Das Weſen derſelben wird ſehr ſchlagend<lb/> charakteriſirt durch die kürzlich veröffentlichten Briefe der beiden HH.<lb/> Simon an ihre Wähler, in denen ſie mit anerkennenswerther Offenheit<lb/> ausſprechen daß ſie nur deßhalb für den deutſchen Kaiſer geſtimmt hätten,<lb/> weil die von der Verſammlung angenommene Verfaſſung und das Wahl-<lb/> geſetz die Möglichkeit gewährten ſich baldigſt wieder des Kaiſers zu ent-<lb/> ledigen und auf geſetzlichem Weg zur Republik zu gelangen. Daß eine<lb/> Kaiſerwürde welche aus einer ſo geſtimmten Verſammlung, von einer alſo<lb/> zuſammengeſetzten Majorität, und noch dazu einer Majorität von vier<lb/> Stimmen hervorgegangen war, von unſerm König nicht unbedingt an-<lb/> genommen werden konnte, leuchtet ein. Wo war die Garantie dafür daß<lb/> dieſer Beſchluß der Ausdruck des Volkswillens, daß bei den übrigen deut-<lb/> ſchen Bölkern und Fürſten die Geneigtheit vorhanden ſey ſich ihm zu unter-<lb/> werfen? Die unbedingte Annahme hätte einen Anſtrich von Lächerlichkeit<lb/> bekommen müſſen, wenn ſie nicht die ernſte Seite gehabt hätte daß aus<lb/> ihr möglicherweiſe ein Krieg mit Oeſterreich, Bayern und Württemberg<lb/> entſtehen konnte. Aber auch ſelbſt die mildere Anſicht daß der König der<lb/> Deputation wenigſtens hätte eine hinhaltende Antwort ertheilen ſollen,<lb/> iſt gänzlich zu verwerfen. Die Deputirten traten ja nicht einmal mit der<lb/> Frage vor unſern König ob er geſonnen ſey die Krone anzunehmen, ſon-<lb/> dern erklärten geradezu, ſie ſeyen beauftragt dieſelbe Sr. Maj. zu über-<lb/> tragen. Einem ſolchen den gegenſeitigen Standpunkt völlig verrückenden<lb/> Gewaltſchritt gegenüber konnte man ohne Perſidie nicht mehr temporiſiren;<lb/> es war vielmehr das einzig angemeſſene, es war ein offenes, ein edles Ver-<lb/></p></div></body></floatingText></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1536/0004]
Kenntniß über die Stimmung des Landes zugetraut werden darf. Sie ſind
aber umſomehr überzeugt daß die auf ſie gefallene Berufung zu Mitglie-
dern der Ständeverſammlung ihnen in einem Augenblick von ſo ſchwerem
Gewicht die unerläßliche Verpflichtung auferlegt: die königl. Regierung
dringend zu erſuchen daß ſie durch ſofortige Wiedereinberufung
der Ständeverſammlung ſich in die Lage verſetze das verfaſſungsmäßige
Organ des Landes zu hören und den nachtheiligen Folgen längerer Unter-
brechung in den ſtändiſchen Berathungen über die innere Umgeſtaltung der
Landesverhältniſſe vorzubeugen.“
Preußen.
Berlin, 13 April.
In Bezug auf die Nachricht der deutſchen
Reform „daß die in Preußen erbauten Schiffe nicht unter deutſcher, ſondern
unter preußiſcher Flagge ſegeln würden — dieſe Schiffe alſo die dem Reiche
als Flottenbeiträge angerechnet worden, ſollen nicht deutſche, ſondern preu-
ßiſche Schiffe ſeyn“ ſagt der preußiſche Staatsanzeiger: „Dieſe mindeſtens
übereilte Vorausſetzung ſammt der daran geknüpften Folgerung iſt falſch,
da es bekannt iſt daß die in Preußen gebauten Kanonenſchaluppen und
Jollen noch gar nicht von der proviſoriſchen Centralgewalt für die deutſche
Marine übernommen worden ſind, ebenſowenig als über die Einſtellung
der königlichen Corvette „Amazone“ in die deutſche Marine bereits ent-
ſchieden iſt. Am Bord dieſer Schiffe kann alſo für jetzt ſelbſtredend nur
die preußiſche Flagge wehen.“ — Ueber die Umſtände welche der Antwort
des Königs an die Frankfurter Deputation am 3 d. vorangingen, erfährt
man jetzt verſchiedenes Nähere, wenn auch noch immer nichts ſicheres.
Eine Menge glaubwürdige Nachrichten kommen darin überein daß noch
am 2 der König eine andere günſtigere Antwort zu ertheilen entſchloſſen
war als diejenige die er am 3 wirklich gab. Auf die Umwandlung ſeiner
Anficht ſollen nach den einen beſonders Leo und Haſſenpflug, nach an-
dern muthmaßlich beſonders Prokeſch v. Often und der Graf Schulenburg
Einfluß geübt haben. (Mehrere Blätter, auch die Frankfurter Central-
Parlaments-Correſpondenz ſprechen von einer Jagdpartie auf der jene
Einwirkungen ſich geltend gemacht hätten.) Dagegen erzählt die Zei-
tung für Norddeutſchland: Manteuffel ſtellte ſich bei der deutſchen Frage
auf die gemäßigte Rechte und unterhandelte mit Hrn. v. Vincke und Hrn.
y. Auerswald, denen er einen Entwurf der Antwort mittheilte, welche Se.
Maj. der Deputation geben würde, welche ganz im Vincke’ſchen Sinne
war. Der König nahm darin die angebotene Krone an, unter Vorbehalt
der deutſchen Regierungen. So ſtanden die Sachen am Montag (am 2)
wo ein letzter Miniſterrath gehalten wurde, in welchem auch der König er-
ſchien. Hr. v. Manteuffel theilte ſeinen Entwurf mit, allein zu ſeinem Er-
ſtaunen fand er nur vom Kriegsminiſter v. Strotha Unterſtützung. Hier-
auf ſtand Hr. v. Ladenberg auf und las einen andern Entwurf vor, wel-
cher die Antwort enthielt die der König am Dienſtag wirklich gegeben hat.
Der Miniſterpräſident erklärte ſich ſogleich dafür, und nach einer Debatte
in welcher die verſchiedenen Principien entwickelt wurden, ſtanden die HH.
v. Manteuffel und Strotha allein; ſämmtliche Miniſter ſtimmten dagegen;
die Antwort, deren eigenthümlicher Verfaſſer Hr. Eichmann ſeyn ſoll, der
im Cabinet die Ausarbeitung gemacht hat, wurde angenommen und be-
ſchloſſen. Hr. v. Manteuffel wagte aber nicht Hrn. v. Vincke von ſeinen
vergeblichen Bemühungen zu benachrichten; denken Sie ſich daher das Er-
ſtaunen und den Zorn des heftigen Freiherrn, als er in der Kammer eine
Antwort veröffentlichen hörte die ſeinen Anſichten ganz entgegen war.
Er hielt ſich für vollſtändig dupirt und ſtürmte auf die Tribüne mit ſeinem
bekannten Antrage, den er nach ſpäterer Aufklärung und Beruhigung, wie
Sie wiſſen, wieder zurückzog.
Folgende Berliner Mittheilung der Fr. O.-P.-A.-Ztg. wird als
eine halbofficielle Kundgebung des preußiſchen Miniſteriums bezeichnet.
Wir geben ſie wieder, da ſie vielleicht die Inſtructionen erkennen läßt
welche Hr. v. Camphauſen mit nach Frankfurt bekommen hat. Berlin,
9 April. Hr. Camphauſen, unſer Bevollmächtigter bei der deutſchen Cen-
tralgewalt, iſt gegenwärtig hier anweſend, um in Betreff der letzten Note an
die deutſchen Regierungen ſeine ſpeciellen Inſtructionen entgegenzunehmen.
Dieſelben werden ihn anweiſen in den bevorſtehenden Unterhandlungen über
die Oberhauptsfrage ſo weit als irgendmöglich mit der deutſchen National-
verſammlung Hand in Hand zu gehen, und dem Grundſatz Preußens, welcher
bisher den hauptſächlichſten Differenzpunkt zwiſchen der preußiſchen und
öfterreichiſchen Politik bildete, nämlich der Vereinbarung mit der volk-
thümlichen Vertretung von Deutſchland, bis an die äußerſten Gränzen der
Möglichkeit treu zu bleiben. Andererſeits freilich werden dieſe Inſtruc-
tionen auch den Fall berückſichtigen müſſen daß die Macht der jetzt weniger
als je berechenbaren Umſtände ein weiteres Feſthalten an dieſer Verein-
barung vollkommen unthunlich macht, den Fall etwa daß die National-
verſammlung in ihrer erſten Erregung von der Mißſtimmung der Depu-
tation (deren Berechtigung hier unerörtert bleiben mag) ſich zu Beſchlüſſen
hinreißen ließe welche die wichtigſten Intereſſen Preußens und ſomit die
Kraft und Feſtigkeit des zu begründenden Bundesſtaats ernſtlich zu com-
promittiren geeignet wären. Für dieſe traurige Eventualität werden die
unſerm Bevollmächtigten ertheilten Anweiſungen den Weg bezeichnen
auf dem er auch ohne jene, von Preußen mit ſo großer Vorliebe feſtge-
haltene volkthümliche Grundlage das Werk der Vereinbarung mit den
deutſchen Regierungen zu fördern und womöglich zu vollenden haben
wird. Leider ſtellt die Auffaſſung welcher die Antwort unſeres Königs
an die Frankfurter Deputation unterlegen hat die Möglichkeit dieſes letzten
Falls nur zu ſehr in Ausſicht. In ihm aber liegt die größte Gefahr für
die jetzt noch einzig mögliche Einheitsform Deutſchlands. Es iſt daher
unumgänglich nothwendig dieſen kritiſchen Punkt ſcharf ins Auge zu
faſſen, d. h. das Verhältniß Preußens zur deutſchen Nationalverſamm-
lung von allen ercentriſchen Gefühlsaufſchraubungen zu entkleiden, und es
ſich ſo zum Bewußtſeyn zu bringen wie es wirklich iſt. Die deutſche Na-
tionalverſammlung iſt hervorgegangen aus Wahlen welche von den Re-
gierungen angeordnet wurden, und zuſammengetreten zu einem ganz be-
ſtimmten, von denſelben Regierungen bezeichneten Zweck — zu dem der Ver-
einbarung einer Verfaſſung mit den Regierungen (welche ihrerſeits ſich
wiederum mit der Volksvertretung der einzelnen Staaten zu verſtändigen
hatten). Die Eriſtenz der deutſchen Nationalverſammlung iſt alſo eine
ganz legale und ihr Mandat ein unbeſtreitbares. Sie hat dieſes Mandat
aber bei verſchiedenen Gelegenheiten überſchritten. Die preußiſche Re-
gierung hat es jedoch bisher fortdauernd vermieden dieſerhalb mit ihr zu
brechen; ſie hat, ohne die Conſequenzen ſolcher Ueberſchreitungen irgendwie
anzuerkennen, an dem Princip der Vereinbarung mit der Frankfurter Ver-
ſammlung beharrlich feſtgehalten, weil ſie die großen und über jeden
Zweifel erhabenen Verdienſt der letzteren um die deutſche Sache anzuer-
kennen ſich gedrungen fühlte, und weil dieſe Vereinbarung der geeignerſte
Weg zu einer den Bedürfniſſen entſprechenden ſchleunigen Herſtellung einer
deutſchen Einheit war; denn nur hiedurch war es möglich den ins End-
loſe führenden Vereinbarungen mit jedem einzelnen Regenten und jeder
einzelnen Ständeverſammlung in Deutſchland zu entgehen. Aus dieſen
Rückſichten hat die preußiſche Regierung die Verſammlung in der Pauls-
kirche ruhig ihren Weg gehen laſſen und ſich der Hoffnung hingegeben daß
ihr patriotiſches Gewiſſen von ſelbſt ihre Beſchlüſſe in die Schranken der
Ausführbarkeit, ihre Schritte auf den einzig möglichen Weg zurücklenken
werde. Dieſe Hoffnung iſt leider getäuſcht worden; die Verſammlung
hat ſich, namentlich in der neueſten Zeit, in einer Weiſe überſtürzt die
alle Vorausſicht übertraf. Es ſoll ihr daraus kein Vorwurf gemacht
werden; die gewaltige Wucht der Ereigniſſe welche faſt alle Verhältniſſe
aus dem Geleiſe drängte, hat auch auf ſie ihren Einfluß geübt. Aber
man fordere auch nicht die unbedingte Anerkennung der aus ſolchen Um-
ſtänden hervorgegangenen Reſultate; man verlange nicht daß man die
Wirkungen ſo außerordentlicher Einflüſſe auf die Verſammlung für den
wahren Ausdruck des Volkswillens halte. Jene Beſchlüſſe welche aus
der unnatürlichen Coalition der äußerſten Linken mit den Oeſterreichern
und Ultramontanen hervorgingen, drückten der ganzen Verſammlung
einen ſo demokratiſchen Stempel auf daß eine Vereinbarung zwiſchen ihr
und conſtitutionellen Regierungen kaum mehr möglich ſchien. Das Par-
tei-Intereſſe, wenn nicht die Parteileidenſchaft, hatte nach und nach die
natürliche Stellung der Nationalverſammlung gänzlich verſchoben und die
Verbindlichkeit der aus ihrem Schooß hervorgegangenen Beſchlüſſe mehr
als problematiſch gemacht. Das Weſen derſelben wird ſehr ſchlagend
charakteriſirt durch die kürzlich veröffentlichten Briefe der beiden HH.
Simon an ihre Wähler, in denen ſie mit anerkennenswerther Offenheit
ausſprechen daß ſie nur deßhalb für den deutſchen Kaiſer geſtimmt hätten,
weil die von der Verſammlung angenommene Verfaſſung und das Wahl-
geſetz die Möglichkeit gewährten ſich baldigſt wieder des Kaiſers zu ent-
ledigen und auf geſetzlichem Weg zur Republik zu gelangen. Daß eine
Kaiſerwürde welche aus einer ſo geſtimmten Verſammlung, von einer alſo
zuſammengeſetzten Majorität, und noch dazu einer Majorität von vier
Stimmen hervorgegangen war, von unſerm König nicht unbedingt an-
genommen werden konnte, leuchtet ein. Wo war die Garantie dafür daß
dieſer Beſchluß der Ausdruck des Volkswillens, daß bei den übrigen deut-
ſchen Bölkern und Fürſten die Geneigtheit vorhanden ſey ſich ihm zu unter-
werfen? Die unbedingte Annahme hätte einen Anſtrich von Lächerlichkeit
bekommen müſſen, wenn ſie nicht die ernſte Seite gehabt hätte daß aus
ihr möglicherweiſe ein Krieg mit Oeſterreich, Bayern und Württemberg
entſtehen konnte. Aber auch ſelbſt die mildere Anſicht daß der König der
Deputation wenigſtens hätte eine hinhaltende Antwort ertheilen ſollen,
iſt gänzlich zu verwerfen. Die Deputirten traten ja nicht einmal mit der
Frage vor unſern König ob er geſonnen ſey die Krone anzunehmen, ſon-
dern erklärten geradezu, ſie ſeyen beauftragt dieſelbe Sr. Maj. zu über-
tragen. Einem ſolchen den gegenſeitigen Standpunkt völlig verrückenden
Gewaltſchritt gegenüber konnte man ohne Perſidie nicht mehr temporiſiren;
es war vielmehr das einzig angemeſſene, es war ein offenes, ein edles Ver-
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(2022-09-16T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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