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Allgemeine Zeitung, Nr. 105, 15. April 1849.

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[Spaltenumbruch] dänischen Flotte, die nach der großsprecherischen Ankündigung des Marine-
ministers Zahrimann "die aufrührerischen Hafenstädte der Herzogthümer
nach einander unter die königliche Autorität zurückführen sollten", mußten
bei dem ersten Versuch vor einer Handvoll junger Bursche die Flagge
streichen. Außer der verlorenen Ehre und den verlorenen 1000 Mann an
Todten und Gefangenen beträgt der materielle Verlust Dänemarks über
eine Million preußischer Thaler, und falls auch das Dampfschiff gesunken
ist, leicht noch 300,000 Thaler mehr! Von dem Linienschiff ist nichts
mehr zu gebrauchen als die Kanonen, wenn man diese wieder herausfischt;
seine Holztrümmer bedecken den Strand, und die gesammte ärmere Be-
völkerung Eckernförde's versah sich dort gestern auf ein Jahr mit Brenn-
holz und altem Eisen. Die Trümmer des Wracks rauchten noch heute
Nachmittag. Auch die Gesion hat furchtbar gelitten, doch kann sie in
einigen Wochen wieder seefähig gemacht werden, und wird dann die erste
Fregatte der deutschen Reichsflotte bilden. Es ist aber nicht mehr als
recht und billig daß das Reich den wackern Kanonieren die üblichen Prisen-
gelder bezahle; wenigstens die 20,000 Thaler welche, wenn ich mich recht
entfinne, der Reichstag im vorigen Jahr für die Wegnahme des ersten
feindlichen Schiffs versprochen hat. Und einen Ehrendegen haben die
Officiere Jungmann und Stinde sowie der nassauer Commandant auch
verdient.



Der Stand der Dinge in Sicilien.*)
I.

Am 8 März erschien vor dem Hafen von Palermo der englische
Dampfer Oberon, welcher das Ultimatum des Königs an die Sicilier
überbrachte. Da die Regierung für gut fand nichts darüber zu ver-
öffentlichen, befanden sich die Einwohner in der größten Spannung. Der
Circolo Popolare ließ aber noch an demselben Tage ein Placat anschlagen
worin er aufs heftigste gegen jede Unterwerfung protestirt. Gleichzeitig
circulirte ein Gerücht es sey in Paris ein Aufstand ausgebrochen und
Louis Napoleon verjagt worden.**) Am 10 erst waren die Friedesvor-
schläge des Königs Ferdinand bekannt. Unser Correspondent (zwar ein
Deutscher von Geburt, aber nach deutscher Art rasch politisch sich accli-
matistrend zu einem eifrigen Sicilier geworden) urtheilt über die Vor-
schläge: "Ich muß bekennen daß auf den König Ferdinand sich die Phrase
anwenden läßt: Il n'y a rien de change. Er scheint keine Lehre der
Erfahrung angenommen zu haben und kein Haar breit klüger geworden
zu seyn." Vor allem tadelt unser Berichterstatter -- und darin scheint
er unbestreitbar Recht zu haben -- die Dunkelheit, Zweideutigkeit und
lose Fassung der Friedensvorschläge. Mann kann nur dann versöhnen,
wenn man ehrlich zeigt daß man vergessen will. Am meisten verletzte
die Sicilier daß man die ganze Revolution als nicht geschehen hinweg-
streichen wollte, daß sich der König die Miene gab als sey überhaupt gar
nichts zwischen 1847 und 49 vorgefallen, und die angebotene Verfassung
für Sicilien ein Act des königlichen Willens. Unser Correspondent meint
daß die Verfassung gar keine Garantien ihres Fortbestandes in sich trage;
denn als Ausfluß der Machtvollkommenheit des Souveräns könne sie
durch denselben Souverän kraft dieser selben Machtvollkommenheit ver-
nichtet werden. Ein anderer Fehler, und der größte, sey es daß der
König eine tabula rasa voraussetze, anstatt an das Bestehende anzu-
knüpfen. Alles was sich bei der Revolution betheiligt habe, sey in seiner
Existenz bedroht. Der König verlange daß alle Anordnungen seit dem
12 Januar 1849 als null und nichtig angesehen würden. Nun bestehe
aber eine provisorische Regierung die sich auf die angesehensten Männer
und Familien des Landes stütze. Eine große Anzahl Beamte seyen er-
nannt die gleichfalls durch das Decret susspendirt wurden, kurz es gebe
fast nicht einen einzigen Sicilier in den höhern Ständen der nicht durch
Verwandtschaft, Schwägerschaft oder andere Verbindung in Zusammen-
hang stünde mit der Regierung, wie sie eben factisch einmal da sey.
Hauptsächlich aber sey Sicilien durch die Zwangsanleihen solidarisch ver-
bunden.

"Der König von Neapel, urtheilt unser Berichterstatter sehr verstän-
dig, vergißt dabei wie eine ganze Bevölkerung durch die Nationalschuld
an die bestehende Regierung gefesselt wird." Dazu kam noch daß man
die Amnestie anfangs mit gewissen Beschränkungen gewährte. Man be-
hielt sich vor die Personen zu bezeichnen deren Exil nothwendig sey um
[Spaltenumbruch] die Ruhe in Sicilien auf Dauer herzustellen. Natürlich sucht das Volk
diese Personen zu errathen, und findet stets seine Lieblinge bedroht. Denn
man darf nicht vergessen daß es in Sicilien wirklich Männer gibt die "im
Namen des Volkes" sprechen können. Zwar gesteht unser Correspondent
daß eine zahlreiche Partei existire welche, müde des Provisoriums, eine
endgültige Entscheidung herbeiwünsche, allein auch sie sähe ein daß die
Vorschläge des Königs zu vag seyen, daß man nur formelle Aenderung
der Dinge erwarten könne, in Wahrheit aber die Restauration des Alten
beabsichtigt werde, und damit nur den neuen Anfang des alten Spieles.
Auch die Armee war durch die Bedingungen bedroht: eine völlige Ver-
nich ung der Revolution hätte die Officiere ihrer Stellen beraubt, auch
sie mußten also gegen die königlichen Vorschläge eingenommen werden.
Außerdem entsprach die Verfassung gar nicht an Freisinnigkeit und Un-
abhängigkeit den Erwartungen der Sicilier. Unser Correspondent hat
uns in einem kleinen Heft einen Vergleich der Constitution von 1812
mit der angebotenen von 1849 ausgearbeitet. Allerdings weichen die
Vorschläge Ferdinands II in wesentlichen Punkten ab. Während die Con-
stitution von 1812 die Rede- und Preßfreiheit in weiten scharfgezogenen
Gränzen garantirte, enthalten die königlichen Vorschläge fast nichts dar-
über, denn die Beschränkung der Preßfreiheit zur Sicherung der allge-
meinen Wohlfahrt behält sich der König vor gesetzlich zu bestimmen. Das
Grundgesetz von 1812 sicherte den Siciliern vollständige Unabhängigkeit
von Neapel. Nach den königlichen Vorschlägen würde den Siciliern bloß
eine Statthalterschaft zugesagt. Der König kann, wenn er in Si-
cilien nicht residiren will, einen Vicekönig ernennen und ihn nach Gut-
dünken mit Vollmachten ausstatten, während das Statut von 1812 fest-
setzte daß wenn sich der König ohne Bewilligung des Parlaments außer
Landes begebe, er eo ipso sein Anrecht an die Krone verliere und sein
nächster Erbe zur Thronfolge gerufen werden könne. Der empfindlichste
Punkt sind die Finanzangelegenheiten. In der Constitution von 1812
war das Parlament der einzige entscheidende Factor. In den Vorschlägen
vom 28 Februar 1849 heißt es: die Gesammtausgaben beider Sicilien
werden nach der Kopfzahl beider Reiche vertheilt oder für Sicilien auf
jährliche drei Millionen Ducaten festgesetzt. (Im ersten Fall wüßte man
nicht sollte die Kammer in Neapel oder die in Palermo das Budget ge-
nehmigen.) Außerdem muthen die königlichen Vorschläge den Siciliern
eine Kriegsentschädigung an den Staatsschatz von 500,000 Unzen (etwa
1,500,000 fl. C. M.) und eine theilweise Uebernahme der Gesammt-
staatsschuld zu. Ueber die Besetzung der Militär- und Staatsämter
machte die Verfassung von 1812 die sicilische Nationalität zur Bedingung.
Die Vorschläge vom 28 Februar sagen nur daß alle Stellen die auf ge-
meinschaftliche Kosten besoldet werden (Militär, Flotte, Diplomatie etc.)
ohne Unterschied an Sicilier und Neapolitaner vergeben werden sollen.
(Also war auch diese Forderung dem guten Willen des Königs und seiner
jeweiligen Regierung anheimgegeben.) Endlich bedrohte ein anderer Ar-
tikel den Adel auf das gefährlichste. In dem Statut von 1812 heißt es:
"Die Pairswürde ist ewig, unveräußerlich, erblich. Se. Maj. mag nach
Gutdünken neue Pairs ernennen, nur müssen es sicilische Barone
mit einem jährlichen Territorial-Einkommen von 6000 Un-
zen seyn
." Der Entwurf vom 28 Februar sagt dagegen: "Die Pairs
werden auf Lebenszeit ernannt, ihre Zahl ist unbeschränkt."



Toscana.

Was hat das "freie" Central-
italien gethan Sardinien im Kampfe gegen Oesterreich zu unterstützen?
Nichts, buchstäblich nichts! Die Herren wußten daß Piemont losgehen
würde nach Ablauf des Salasco'schen Waffenstillstandes, gegen den sie so
unablässig geschimpft, während er doch im August v. J. das Königreich
vor dem Loose bewahrte das heute nicht abzuwenden war; die Herren bil-
ligten des Königs gewagten Entschluß, riefen im voraus Victoria, träum-
ten sich schon in Mailand und Verona, hielten die volltönendsten Reden,
nahmen zum Behuf der causa santa den armen sogenannten "Reichen" die
Hälfte bis zu zwei Dritteln ihres Einkommens, schmelzten Glocken ein und
legten Beschlag auf das Kirchengut, formirten polnische Legionen und
mobilisirten die Bürgergarden, errichteten Studenten-Bataillone und ge-
währten ihrer Phantasie freies Spiel in der Erfindung von Uniformen
jeglichen Schnitts und jeglicher Farbe, wiesen Scudi und Francesconi an
zu 10 und 60,000 für den Ankauf von Flinten und was weiß ich alles --
und das schöne Nesultat war daß am Tage der Entscheidung nicht ein
Toscaner, nicht ein Römer an der lombardischen Gränze stand! Die
Toscaner und die Römer würden den Dingen schwerlich eine andere Wen-
dung gegeben haben; aber dieß mindert nicht im geringsten die Schande
der Theilnahmlostgkeit. Während das brave piemontesische Heer, eines
bessern Schicksals würdig, nach den großen Anstrengungen des vorigen

*) Wir erhielten ein Paket Briefe unseres Correspondenten aus Palermo,
welche vom 8 bis gegen Ende März reichen. Leider müssen wir uns, von
der Ueberfülle unseres Materials von allen Seiten bedrängt, darauf be-
schränken nur das wichtigste aus den uns zugekommenen Mittheilungen
hervorzuheben.
**) Diese nämliche Nachricht brachte die Alba mit den Berichten aus Genua
vom 1 und 2 April.

[Spaltenumbruch] däniſchen Flotte, die nach der großſprecheriſchen Ankündigung des Marine-
miniſters Zahrimann „die aufrühreriſchen Hafenſtädte der Herzogthümer
nach einander unter die königliche Autorität zurückführen ſollten“, mußten
bei dem erſten Verſuch vor einer Handvoll junger Burſche die Flagge
ſtreichen. Außer der verlorenen Ehre und den verlorenen 1000 Mann an
Todten und Gefangenen beträgt der materielle Verluſt Dänemarks über
eine Million preußiſcher Thaler, und falls auch das Dampfſchiff geſunken
iſt, leicht noch 300,000 Thaler mehr! Von dem Linienſchiff iſt nichts
mehr zu gebrauchen als die Kanonen, wenn man dieſe wieder herausfiſcht;
ſeine Holztrümmer bedecken den Strand, und die geſammte ärmere Be-
völkerung Eckernförde’s verſah ſich dort geſtern auf ein Jahr mit Brenn-
holz und altem Eiſen. Die Trümmer des Wracks rauchten noch heute
Nachmittag. Auch die Geſion hat furchtbar gelitten, doch kann ſie in
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Fregatte der deutſchen Reichsflotte bilden. Es iſt aber nicht mehr als
recht und billig daß das Reich den wackern Kanonieren die üblichen Priſen-
gelder bezahle; wenigſtens die 20,000 Thaler welche, wenn ich mich recht
entfinne, der Reichstag im vorigen Jahr für die Wegnahme des erſten
feindlichen Schiffs verſprochen hat. Und einen Ehrendegen haben die
Officiere Jungmann und Stinde ſowie der naſſauer Commandant auch
verdient.



Der Stand der Dinge in Sicilien.*)
I.

Am 8 März erſchien vor dem Hafen von Palermo der engliſche
Dampfer Oberon, welcher das Ultimatum des Königs an die Sicilier
überbrachte. Da die Regierung für gut fand nichts darüber zu ver-
öffentlichen, befanden ſich die Einwohner in der größten Spannung. Der
Circolo Popolare ließ aber noch an demſelben Tage ein Placat anſchlagen
worin er aufs heftigſte gegen jede Unterwerfung proteſtirt. Gleichzeitig
circulirte ein Gerücht es ſey in Paris ein Aufſtand ausgebrochen und
Louis Napoleon verjagt worden.**) Am 10 erſt waren die Friedesvor-
ſchläge des Königs Ferdinand bekannt. Unſer Correſpondent (zwar ein
Deutſcher von Geburt, aber nach deutſcher Art raſch politiſch ſich accli-
matiſtrend zu einem eifrigen Sicilier geworden) urtheilt über die Vor-
ſchläge: „Ich muß bekennen daß auf den König Ferdinand ſich die Phraſe
anwenden läßt: Il n’y a rien de change. Er ſcheint keine Lehre der
Erfahrung angenommen zu haben und kein Haar breit klüger geworden
zu ſeyn.“ Vor allem tadelt unſer Berichterſtatter — und darin ſcheint
er unbeſtreitbar Recht zu haben — die Dunkelheit, Zweideutigkeit und
loſe Faſſung der Friedensvorſchläge. Mann kann nur dann verſöhnen,
wenn man ehrlich zeigt daß man vergeſſen will. Am meiſten verletzte
die Sicilier daß man die ganze Revolution als nicht geſchehen hinweg-
ſtreichen wollte, daß ſich der König die Miene gab als ſey überhaupt gar
nichts zwiſchen 1847 und 49 vorgefallen, und die angebotene Verfaſſung
für Sicilien ein Act des königlichen Willens. Unſer Correſpondent meint
daß die Verfaſſung gar keine Garantien ihres Fortbeſtandes in ſich trage;
denn als Ausfluß der Machtvollkommenheit des Souveräns könne ſie
durch denſelben Souverän kraft dieſer ſelben Machtvollkommenheit ver-
nichtet werden. Ein anderer Fehler, und der größte, ſey es daß der
König eine tabula rasa vorausſetze, anſtatt an das Beſtehende anzu-
knüpfen. Alles was ſich bei der Revolution betheiligt habe, ſey in ſeiner
Exiſtenz bedroht. Der König verlange daß alle Anordnungen ſeit dem
12 Januar 1849 als null und nichtig angeſehen würden. Nun beſtehe
aber eine proviſoriſche Regierung die ſich auf die angeſehenſten Männer
und Familien des Landes ſtütze. Eine große Anzahl Beamte ſeyen er-
nannt die gleichfalls durch das Decret ſusſpendirt wurden, kurz es gebe
faſt nicht einen einzigen Sicilier in den höhern Ständen der nicht durch
Verwandtſchaft, Schwägerſchaft oder andere Verbindung in Zuſammen-
hang ſtünde mit der Regierung, wie ſie eben factiſch einmal da ſey.
Hauptſächlich aber ſey Sicilien durch die Zwangsanleihen ſolidariſch ver-
bunden.

„Der König von Neapel, urtheilt unſer Berichterſtatter ſehr verſtän-
dig, vergißt dabei wie eine ganze Bevölkerung durch die Nationalſchuld
an die beſtehende Regierung gefeſſelt wird.“ Dazu kam noch daß man
die Amneſtie anfangs mit gewiſſen Beſchränkungen gewährte. Man be-
hielt ſich vor die Perſonen zu bezeichnen deren Exil nothwendig ſey um
[Spaltenumbruch] die Ruhe in Sicilien auf Dauer herzuſtellen. Natürlich ſucht das Volk
dieſe Perſonen zu errathen, und findet ſtets ſeine Lieblinge bedroht. Denn
man darf nicht vergeſſen daß es in Sicilien wirklich Männer gibt die „im
Namen des Volkes“ ſprechen können. Zwar geſteht unſer Correſpondent
daß eine zahlreiche Partei exiſtire welche, müde des Proviſoriums, eine
endgültige Entſcheidung herbeiwünſche, allein auch ſie ſähe ein daß die
Vorſchläge des Königs zu vag ſeyen, daß man nur formelle Aenderung
der Dinge erwarten könne, in Wahrheit aber die Reſtauration des Alten
beabſichtigt werde, und damit nur den neuen Anfang des alten Spieles.
Auch die Armee war durch die Bedingungen bedroht: eine völlige Ver-
nich ung der Revolution hätte die Officiere ihrer Stellen beraubt, auch
ſie mußten alſo gegen die königlichen Vorſchläge eingenommen werden.
Außerdem entſprach die Verfaſſung gar nicht an Freiſinnigkeit und Un-
abhängigkeit den Erwartungen der Sicilier. Unſer Correſpondent hat
uns in einem kleinen Heft einen Vergleich der Conſtitution von 1812
mit der angebotenen von 1849 ausgearbeitet. Allerdings weichen die
Vorſchläge Ferdinands II in weſentlichen Punkten ab. Während die Con-
ſtitution von 1812 die Rede- und Preßfreiheit in weiten ſcharfgezogenen
Gränzen garantirte, enthalten die königlichen Vorſchläge faſt nichts dar-
über, denn die Beſchränkung der Preßfreiheit zur Sicherung der allge-
meinen Wohlfahrt behält ſich der König vor geſetzlich zu beſtimmen. Das
Grundgeſetz von 1812 ſicherte den Siciliern vollſtändige Unabhängigkeit
von Neapel. Nach den königlichen Vorſchlägen würde den Siciliern bloß
eine Statthalterſchaft zugeſagt. Der König kann, wenn er in Si-
cilien nicht reſidiren will, einen Vicekönig ernennen und ihn nach Gut-
dünken mit Vollmachten ausſtatten, während das Statut von 1812 feſt-
ſetzte daß wenn ſich der König ohne Bewilligung des Parlaments außer
Landes begebe, er eo ipso ſein Anrecht an die Krone verliere und ſein
nächſter Erbe zur Thronfolge gerufen werden könne. Der empfindlichſte
Punkt ſind die Finanzangelegenheiten. In der Conſtitution von 1812
war das Parlament der einzige entſcheidende Factor. In den Vorſchlägen
vom 28 Februar 1849 heißt es: die Geſammtausgaben beider Sicilien
werden nach der Kopfzahl beider Reiche vertheilt oder für Sicilien auf
jährliche drei Millionen Ducaten feſtgeſetzt. (Im erſten Fall wüßte man
nicht ſollte die Kammer in Neapel oder die in Palermo das Budget ge-
nehmigen.) Außerdem muthen die königlichen Vorſchläge den Siciliern
eine Kriegsentſchädigung an den Staatsſchatz von 500,000 Unzen (etwa
1,500,000 fl. C. M.) und eine theilweiſe Uebernahme der Geſammt-
ſtaatsſchuld zu. Ueber die Beſetzung der Militär- und Staatsämter
machte die Verfaſſung von 1812 die ſiciliſche Nationalität zur Bedingung.
Die Vorſchläge vom 28 Februar ſagen nur daß alle Stellen die auf ge-
meinſchaftliche Koſten beſoldet werden (Militär, Flotte, Diplomatie ꝛc.)
ohne Unterſchied an Sicilier und Neapolitaner vergeben werden ſollen.
(Alſo war auch dieſe Forderung dem guten Willen des Königs und ſeiner
jeweiligen Regierung anheimgegeben.) Endlich bedrohte ein anderer Ar-
tikel den Adel auf das gefährlichſte. In dem Statut von 1812 heißt es:
„Die Pairswürde iſt ewig, unveräußerlich, erblich. Se. Maj. mag nach
Gutdünken neue Pairs ernennen, nur müſſen es ſiciliſche Barone
mit einem jährlichen Territorial-Einkommen von 6000 Un-
zen ſeyn
.“ Der Entwurf vom 28 Februar ſagt dagegen: „Die Pairs
werden auf Lebenszeit ernannt, ihre Zahl iſt unbeſchränkt.“



Toscana.

Was hat das „freie“ Central-
italien gethan Sardinien im Kampfe gegen Oeſterreich zu unterſtützen?
Nichts, buchſtäblich nichts! Die Herren wußten daß Piemont losgehen
würde nach Ablauf des Salasco’ſchen Waffenſtillſtandes, gegen den ſie ſo
unabläſſig geſchimpft, während er doch im Auguſt v. J. das Königreich
vor dem Looſe bewahrte das heute nicht abzuwenden war; die Herren bil-
ligten des Königs gewagten Entſchluß, riefen im voraus Victoria, träum-
ten ſich ſchon in Mailand und Verona, hielten die volltönendſten Reden,
nahmen zum Behuf der causa santa den armen ſogenannten „Reichen“ die
Hälfte bis zu zwei Dritteln ihres Einkommens, ſchmelzten Glocken ein und
legten Beſchlag auf das Kirchengut, formirten polniſche Legionen und
mobiliſirten die Bürgergarden, errichteten Studenten-Bataillone und ge-
währten ihrer Phantaſie freies Spiel in der Erfindung von Uniformen
jeglichen Schnitts und jeglicher Farbe, wieſen Scudi und Francesconi an
zu 10 und 60,000 für den Ankauf von Flinten und was weiß ich alles —
und das ſchöne Neſultat war daß am Tage der Entſcheidung nicht ein
Toscaner, nicht ein Römer an der lombardiſchen Gränze ſtand! Die
Toscaner und die Römer würden den Dingen ſchwerlich eine andere Wen-
dung gegeben haben; aber dieß mindert nicht im geringſten die Schande
der Theilnahmloſtgkeit. Während das brave piemonteſiſche Heer, eines
beſſern Schickſals würdig, nach den großen Anſtrengungen des vorigen

*) Wir erhielten ein Paket Briefe unſeres Correſpondenten aus Palermo,
welche vom 8 bis gegen Ende März reichen. Leider müſſen wir uns, von
der Ueberfülle unſeres Materials von allen Seiten bedrängt, darauf be-
ſchränken nur das wichtigſte aus den uns zugekommenen Mittheilungen
hervorzuheben.
**) Dieſe nämliche Nachricht brachte die Alba mit den Berichten aus Genua
vom 1 und 2 April.
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[1617/0013] däniſchen Flotte, die nach der großſprecheriſchen Ankündigung des Marine- miniſters Zahrimann „die aufrühreriſchen Hafenſtädte der Herzogthümer nach einander unter die königliche Autorität zurückführen ſollten“, mußten bei dem erſten Verſuch vor einer Handvoll junger Burſche die Flagge ſtreichen. Außer der verlorenen Ehre und den verlorenen 1000 Mann an Todten und Gefangenen beträgt der materielle Verluſt Dänemarks über eine Million preußiſcher Thaler, und falls auch das Dampfſchiff geſunken iſt, leicht noch 300,000 Thaler mehr! Von dem Linienſchiff iſt nichts mehr zu gebrauchen als die Kanonen, wenn man dieſe wieder herausfiſcht; ſeine Holztrümmer bedecken den Strand, und die geſammte ärmere Be- völkerung Eckernförde’s verſah ſich dort geſtern auf ein Jahr mit Brenn- holz und altem Eiſen. Die Trümmer des Wracks rauchten noch heute Nachmittag. Auch die Geſion hat furchtbar gelitten, doch kann ſie in einigen Wochen wieder ſeefähig gemacht werden, und wird dann die erſte Fregatte der deutſchen Reichsflotte bilden. Es iſt aber nicht mehr als recht und billig daß das Reich den wackern Kanonieren die üblichen Priſen- gelder bezahle; wenigſtens die 20,000 Thaler welche, wenn ich mich recht entfinne, der Reichstag im vorigen Jahr für die Wegnahme des erſten feindlichen Schiffs verſprochen hat. Und einen Ehrendegen haben die Officiere Jungmann und Stinde ſowie der naſſauer Commandant auch verdient. Der Stand der Dinge in Sicilien. *) I. Am 8 März erſchien vor dem Hafen von Palermo der engliſche Dampfer Oberon, welcher das Ultimatum des Königs an die Sicilier überbrachte. Da die Regierung für gut fand nichts darüber zu ver- öffentlichen, befanden ſich die Einwohner in der größten Spannung. Der Circolo Popolare ließ aber noch an demſelben Tage ein Placat anſchlagen worin er aufs heftigſte gegen jede Unterwerfung proteſtirt. Gleichzeitig circulirte ein Gerücht es ſey in Paris ein Aufſtand ausgebrochen und Louis Napoleon verjagt worden. **) Am 10 erſt waren die Friedesvor- ſchläge des Königs Ferdinand bekannt. Unſer Correſpondent (zwar ein Deutſcher von Geburt, aber nach deutſcher Art raſch politiſch ſich accli- matiſtrend zu einem eifrigen Sicilier geworden) urtheilt über die Vor- ſchläge: „Ich muß bekennen daß auf den König Ferdinand ſich die Phraſe anwenden läßt: Il n’y a rien de change. Er ſcheint keine Lehre der Erfahrung angenommen zu haben und kein Haar breit klüger geworden zu ſeyn.“ Vor allem tadelt unſer Berichterſtatter — und darin ſcheint er unbeſtreitbar Recht zu haben — die Dunkelheit, Zweideutigkeit und loſe Faſſung der Friedensvorſchläge. Mann kann nur dann verſöhnen, wenn man ehrlich zeigt daß man vergeſſen will. Am meiſten verletzte die Sicilier daß man die ganze Revolution als nicht geſchehen hinweg- ſtreichen wollte, daß ſich der König die Miene gab als ſey überhaupt gar nichts zwiſchen 1847 und 49 vorgefallen, und die angebotene Verfaſſung für Sicilien ein Act des königlichen Willens. Unſer Correſpondent meint daß die Verfaſſung gar keine Garantien ihres Fortbeſtandes in ſich trage; denn als Ausfluß der Machtvollkommenheit des Souveräns könne ſie durch denſelben Souverän kraft dieſer ſelben Machtvollkommenheit ver- nichtet werden. Ein anderer Fehler, und der größte, ſey es daß der König eine tabula rasa vorausſetze, anſtatt an das Beſtehende anzu- knüpfen. Alles was ſich bei der Revolution betheiligt habe, ſey in ſeiner Exiſtenz bedroht. Der König verlange daß alle Anordnungen ſeit dem 12 Januar 1849 als null und nichtig angeſehen würden. Nun beſtehe aber eine proviſoriſche Regierung die ſich auf die angeſehenſten Männer und Familien des Landes ſtütze. Eine große Anzahl Beamte ſeyen er- nannt die gleichfalls durch das Decret ſusſpendirt wurden, kurz es gebe faſt nicht einen einzigen Sicilier in den höhern Ständen der nicht durch Verwandtſchaft, Schwägerſchaft oder andere Verbindung in Zuſammen- hang ſtünde mit der Regierung, wie ſie eben factiſch einmal da ſey. Hauptſächlich aber ſey Sicilien durch die Zwangsanleihen ſolidariſch ver- bunden. „Der König von Neapel, urtheilt unſer Berichterſtatter ſehr verſtän- dig, vergißt dabei wie eine ganze Bevölkerung durch die Nationalſchuld an die beſtehende Regierung gefeſſelt wird.“ Dazu kam noch daß man die Amneſtie anfangs mit gewiſſen Beſchränkungen gewährte. Man be- hielt ſich vor die Perſonen zu bezeichnen deren Exil nothwendig ſey um die Ruhe in Sicilien auf Dauer herzuſtellen. Natürlich ſucht das Volk dieſe Perſonen zu errathen, und findet ſtets ſeine Lieblinge bedroht. Denn man darf nicht vergeſſen daß es in Sicilien wirklich Männer gibt die „im Namen des Volkes“ ſprechen können. Zwar geſteht unſer Correſpondent daß eine zahlreiche Partei exiſtire welche, müde des Proviſoriums, eine endgültige Entſcheidung herbeiwünſche, allein auch ſie ſähe ein daß die Vorſchläge des Königs zu vag ſeyen, daß man nur formelle Aenderung der Dinge erwarten könne, in Wahrheit aber die Reſtauration des Alten beabſichtigt werde, und damit nur den neuen Anfang des alten Spieles. Auch die Armee war durch die Bedingungen bedroht: eine völlige Ver- nich ung der Revolution hätte die Officiere ihrer Stellen beraubt, auch ſie mußten alſo gegen die königlichen Vorſchläge eingenommen werden. Außerdem entſprach die Verfaſſung gar nicht an Freiſinnigkeit und Un- abhängigkeit den Erwartungen der Sicilier. Unſer Correſpondent hat uns in einem kleinen Heft einen Vergleich der Conſtitution von 1812 mit der angebotenen von 1849 ausgearbeitet. Allerdings weichen die Vorſchläge Ferdinands II in weſentlichen Punkten ab. Während die Con- ſtitution von 1812 die Rede- und Preßfreiheit in weiten ſcharfgezogenen Gränzen garantirte, enthalten die königlichen Vorſchläge faſt nichts dar- über, denn die Beſchränkung der Preßfreiheit zur Sicherung der allge- meinen Wohlfahrt behält ſich der König vor geſetzlich zu beſtimmen. Das Grundgeſetz von 1812 ſicherte den Siciliern vollſtändige Unabhängigkeit von Neapel. Nach den königlichen Vorſchlägen würde den Siciliern bloß eine Statthalterſchaft zugeſagt. Der König kann, wenn er in Si- cilien nicht reſidiren will, einen Vicekönig ernennen und ihn nach Gut- dünken mit Vollmachten ausſtatten, während das Statut von 1812 feſt- ſetzte daß wenn ſich der König ohne Bewilligung des Parlaments außer Landes begebe, er eo ipso ſein Anrecht an die Krone verliere und ſein nächſter Erbe zur Thronfolge gerufen werden könne. Der empfindlichſte Punkt ſind die Finanzangelegenheiten. In der Conſtitution von 1812 war das Parlament der einzige entſcheidende Factor. In den Vorſchlägen vom 28 Februar 1849 heißt es: die Geſammtausgaben beider Sicilien werden nach der Kopfzahl beider Reiche vertheilt oder für Sicilien auf jährliche drei Millionen Ducaten feſtgeſetzt. (Im erſten Fall wüßte man nicht ſollte die Kammer in Neapel oder die in Palermo das Budget ge- nehmigen.) Außerdem muthen die königlichen Vorſchläge den Siciliern eine Kriegsentſchädigung an den Staatsſchatz von 500,000 Unzen (etwa 1,500,000 fl. C. M.) und eine theilweiſe Uebernahme der Geſammt- ſtaatsſchuld zu. Ueber die Beſetzung der Militär- und Staatsämter machte die Verfaſſung von 1812 die ſiciliſche Nationalität zur Bedingung. Die Vorſchläge vom 28 Februar ſagen nur daß alle Stellen die auf ge- meinſchaftliche Koſten beſoldet werden (Militär, Flotte, Diplomatie ꝛc.) ohne Unterſchied an Sicilier und Neapolitaner vergeben werden ſollen. (Alſo war auch dieſe Forderung dem guten Willen des Königs und ſeiner jeweiligen Regierung anheimgegeben.) Endlich bedrohte ein anderer Ar- tikel den Adel auf das gefährlichſte. In dem Statut von 1812 heißt es: „Die Pairswürde iſt ewig, unveräußerlich, erblich. Se. Maj. mag nach Gutdünken neue Pairs ernennen, nur müſſen es ſiciliſche Barone mit einem jährlichen Territorial-Einkommen von 6000 Un- zen ſeyn.“ Der Entwurf vom 28 Februar ſagt dagegen: „Die Pairs werden auf Lebenszeit ernannt, ihre Zahl iſt unbeſchränkt.“ Toscana. &#x10308; Aus Mittelitalien, 5 April. Was hat das „freie“ Central- italien gethan Sardinien im Kampfe gegen Oeſterreich zu unterſtützen? Nichts, buchſtäblich nichts! Die Herren wußten daß Piemont losgehen würde nach Ablauf des Salasco’ſchen Waffenſtillſtandes, gegen den ſie ſo unabläſſig geſchimpft, während er doch im Auguſt v. J. das Königreich vor dem Looſe bewahrte das heute nicht abzuwenden war; die Herren bil- ligten des Königs gewagten Entſchluß, riefen im voraus Victoria, träum- ten ſich ſchon in Mailand und Verona, hielten die volltönendſten Reden, nahmen zum Behuf der causa santa den armen ſogenannten „Reichen“ die Hälfte bis zu zwei Dritteln ihres Einkommens, ſchmelzten Glocken ein und legten Beſchlag auf das Kirchengut, formirten polniſche Legionen und mobiliſirten die Bürgergarden, errichteten Studenten-Bataillone und ge- währten ihrer Phantaſie freies Spiel in der Erfindung von Uniformen jeglichen Schnitts und jeglicher Farbe, wieſen Scudi und Francesconi an zu 10 und 60,000 für den Ankauf von Flinten und was weiß ich alles — und das ſchöne Neſultat war daß am Tage der Entſcheidung nicht ein Toscaner, nicht ein Römer an der lombardiſchen Gränze ſtand! Die Toscaner und die Römer würden den Dingen ſchwerlich eine andere Wen- dung gegeben haben; aber dieß mindert nicht im geringſten die Schande der Theilnahmloſtgkeit. Während das brave piemonteſiſche Heer, eines beſſern Schickſals würdig, nach den großen Anſtrengungen des vorigen *) Wir erhielten ein Paket Briefe unſeres Correſpondenten aus Palermo, welche vom 8 bis gegen Ende März reichen. Leider müſſen wir uns, von der Ueberfülle unſeres Materials von allen Seiten bedrängt, darauf be- ſchränken nur das wichtigſte aus den uns zugekommenen Mittheilungen hervorzuheben. **) Dieſe nämliche Nachricht brachte die Alba mit den Berichten aus Genua vom 1 und 2 April.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 105, 15. April 1849, S. 1617. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine105_1849/13>, abgerufen am 27.11.2024.