Allgemeine Zeitung, Nr. 103, 13. April 1849.[Spaltenumbruch]
zu bringen. Eine Unzahl Menschen füllte den Molo und Schimpfreden richte über den Aufftand. Am 2 April, nachdem man am 1 bis in die Nacht gefochten, und sich die Carbinieri namentlich sehr tapfer gehalten, kam es zu einem Waffenstillstand zwischen de Asarta dem Commandanten der Truppen und der provisorischen Regierung. Die Hauptbedingungen wa- ren: die Garnison zieht mit militärischen Ehren ab, die Artillerie jedoch mit Zurück lassung der Geschütze, und die Carabinieri nach Ablegung der Waffen.(!) Die Garnison darf sich nicht wieder gegen Genua verwenden lassen, und de Asarta verspricht den General La Marmora (von dessen An- rücken man schon Nachricht haben mußte) zum Umkehren zu bewegen. -- Man staunt vielleicht wie ein General solche Bedingungen eingehen konnte, die eine förmliche Capitulation sind. Höchst wahrscheinlich wollte er durch rasche Entfernung die Garnison vor dem republicanischen Miasma schützen, denn ein Bericht des Turiner gutunterrichteten Saggiatore erzählt, wie Oberst Graf Morozzo, der nebst seinen Adjutanten später in den Straßen erschossen wurde, mehrere seiner Soldaten eigenhändig niederstieß, weil sie mit den Insurgenten gemeinsame Sache machen wollten. + Turin, 6 April. General La Marmora ist vorgestern mit seiner Turin, 8 April. Zum Krieg sind wir verdammt. Am Tessin [Spaltenumbruch]
zu bringen. Eine Unzahl Menſchen füllte den Molo und Schimpfreden richte über den Aufftand. Am 2 April, nachdem man am 1 bis in die Nacht gefochten, und ſich die Carbinieri namentlich ſehr tapfer gehalten, kam es zu einem Waffenſtillſtand zwiſchen de Aſarta dem Commandanten der Truppen und der proviſoriſchen Regierung. Die Hauptbedingungen wa- ren: die Garniſon zieht mit militäriſchen Ehren ab, die Artillerie jedoch mit Zurück laſſung der Geſchütze, und die Carabinieri nach Ablegung der Waffen.(!) Die Garniſon darf ſich nicht wieder gegen Genua verwenden laſſen, und de Aſarta verſpricht den General La Marmora (von deſſen An- rücken man ſchon Nachricht haben mußte) zum Umkehren zu bewegen. — Man ſtaunt vielleicht wie ein General ſolche Bedingungen eingehen konnte, die eine förmliche Capitulation ſind. Höchſt wahrſcheinlich wollte er durch raſche Entfernung die Garniſon vor dem republicaniſchen Miasma ſchützen, denn ein Bericht des Turiner gutunterrichteten Saggiatore erzählt, wie Oberſt Graf Morozzo, der nebſt ſeinen Adjutanten ſpäter in den Straßen erſchoſſen wurde, mehrere ſeiner Soldaten eigenhändig niederſtieß, weil ſie mit den Inſurgenten gemeinſame Sache machen wollten. † Turin, 6 April. General La Marmora iſt vorgeſtern mit ſeiner ⟶ Turin, 8 April. Zum Krieg ſind wir verdammt. Am Teſſin <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0007" n="1579"/><cb/> zu bringen. Eine Unzahl Menſchen füllte den Molo und Schimpfreden<lb/> aller Art wurden den knapp anſtehenden Schiffen zugerufen. Die Opera-<lb/> tion ging ohne weitere Störung vor ſich. Wie gewöhnlich war die<lb/> Drohung des Feuerns auf die Schiffe nur eine Phraſe geweſen; eine volle<lb/> Lage der ſtarken Admiralitätsfregatte hätte jedenfalls die Beleidigung<lb/> ſchrecklich gerächt. In Ancona ſelbſt herrſcht die gräulichſte Anarchie.<lb/> Kein Tag vergeht ohne durch einige Meuchelmorde blutig bezeichnet zu<lb/> ſeyn. Geſtern Abends wurde der ehemalige Regierungsſecretär, ein Fa-<lb/> milienvater und anerkannter Ehrenmann, in ſeinem eigenen Hauſe er-<lb/> dolcht. Die Angehörigen eines Canonicus, der zum Papſte nach Gaëta<lb/> entfloh, wurden, vier an der Zahl (zwei Brüder, eine Schweſter und eine<lb/> Schwägerin), binnen wenigen Tagen meuchlings in die andere Welt ge-<lb/> ſchickt. Die letzten Vorfälle in Brescia machten aber eine gute Wirkung,<lb/> und einer der Gründe des Feſthaltens der Flotte iſt die Angſt der Mark<lb/> Ancona vor fremder Beſetzung. Albini’s Flotte hat ſich durch ihren lan-<lb/> gen Aufenthalt in dieſem Hafen in die verſchiedenartigſteṅ Verhältniſſe<lb/> mit den Bewohnern der Stadt eingelaſſen, einige Officiere ſind mit An-<lb/> conitanerinnen verheirathet; ſein Abſegeln berührt alſo ſelbſt manche ſei-<lb/> ner Flottenofficiere auf unangenehme Art, während eine ähnliche Lage der<lb/> Dinge in Venedig noch immer zwei Briggs und einen Dampfer bei der<lb/> venezianiſchen Flotte zurückhält. So viel wir hören, will Albini die drei<lb/> Tage benützen die bis zum Ablauf des Termins feſtgeſetzt ſind, um mit<lb/> der ganzen Flotte vor Venedig zu erſcheinen und ſo die Abtrünnigen zur<lb/> Wie derkehr und ihrer Pflicht zu bewegen. Ob dieſes letzte Manöver nicht<lb/> wieder irgendeine Liſt zum Grunde hat, werden wir ſehen. In Ancona be-<lb/> finden ſich gegenwärtig 2000 Mann Garniſon — zuſammengelaufenes<lb/> Geſindel, das ebenſo ſchnell wieder auseinanderläuft wenn ſich irgendeine<lb/> Gefahr zeigen ſollte. 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Höchſt wahrſcheinlich wollte er durch<lb/> raſche Entfernung die Garniſon vor dem republicaniſchen Miasma ſchützen,<lb/> denn ein Bericht des Turiner gutunterrichteten Saggiatore erzählt, wie<lb/> Oberſt Graf Morozzo, der nebſt ſeinen Adjutanten ſpäter in den Straßen<lb/> erſchoſſen wurde, mehrere ſeiner Soldaten eigenhändig niederſtieß, weil<lb/> ſie mit den Inſurgenten gemeinſame Sache machen wollten.</trailer> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>† <hi rendition="#b">Turin,</hi> 6 April.</dateline><lb/> <p>General La Marmora iſt vorgeſtern mit ſeiner<lb/> Vorhut vor Genua angekommen. Heute wird ſein ganzes, 12 bis 14,000<lb/> Mann ſtarkes Armeecorps vor der Stadt vereinigt ſeyn. Seit zwei Tagen<lb/> iſt überdieß noch eine Verſtärkung von 12,000 Mann dahin in Marſch.<lb/> Alle Verfügungen ſind getroffen um ſo ſchnell als möglich fertig zu wer-<lb/> den, nicht mit der genueſiſchen Bevölkerung, denn dieſe iſt in großer Ueber-<lb/> zahl der Bewegung entgegen, aber mit den in der Stadt vereinigten kecken<lb/> Haufen von Agitatoren und Fremden die nichts als Unordnung wollen<lb/> und der Zügel augenblicklich ſich bemächtigt haben.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="3"> <dateline>⟶ <hi rendition="#b">Turin,</hi> 8 April.</dateline><lb/> <p>Zum Krieg ſind wir verdammt. Am Teſſin<lb/> iſt der Donner der Kanonen verhallt, aber an Genua’s bergiger Küſte<lb/> tönt das Echo nach. Zwanzig Stunden hat Alphons La Marmora die<lb/> ſtolze Seeſtadt bombardirt, und nutzlos fließt wieder Bürgerblut, nachdem<lb/> noch des äußeren Feindes Schwert davon geröthet iſt. Und warum?<lb/> Weil die Piemonteſen in dem Kampf mit Oeſterreich unterlagen, weil<lb/> das neue Miniſterium ſo reactionär iſt lieber der Wuth einer fanatiſirten<lb/> Partei trotzen als dem erſchöpften Lande durch die nutzloſe Fortſetzung<lb/> des Kampfs den Todesſtoß geben zu wollen? O nein, die Fäden an<lb/> denen Genua’s Revolution geleitet wurde, ſind nicht ſo einfach, der Zweck<lb/> des Aufſtandes kein ſo unſchuldiger. Man will Italien republicaniſiren.<lb/> Rom und Toscana ſind vorausgegangen, und mit ſehnſüchtigen Blicken<lb/> ſchauten unſere Radicalen das Glück an das dieſe Zwillingsrepubliken ge-<lb/> nießen, und ihr einziges Streben konnte nur dahin gerichtet ſeyn auch<lb/> bald Sardinien, das inmitten der italieniſchen Wirren allein noch einige<lb/> Conſiſtenz bewahrt hatte, dieſes Glück koſten zu laſſen, den Staatskörper<lb/> zu zertrümmern, und auf den Trümmern die Fahne der Republik aufzu-<lb/> pflanzen. In Savoyen ſcheiterten die Verſuche, Turin iſt voll Codini,<lb/> mit und ohne Uniform; welch’ Terrain blieb alſo übrig um mit einigem<lb/> Erfolg operiren zu können, wenn nicht Genua, das, noch voll von Erin-<lb/> nerungen an eine glänzende, wenn auch nicht glückliche Vergangenheit, nur<lb/><cb/> mit einigem Widerwillen in die untergeordnete Rolle ſich fügte die der<lb/> größere Staatenverband ihm auferlegte. Ein ſolcher Brennſtoff iſt leicht<lb/> zu entflammen, auch ohne die Sympathien für die Unabhängigkeit Italiens<lb/> und den Haß gegen die welche aus irgendeinem wenn auch vernünftigen<lb/> Grund der Verwirklichung derſelben <hi rendition="#aq">à tout-prix</hi> ſich widerſetzen, als Zunder<lb/> zu gebrauchen. Genua hätte ſeine Revolution gemacht, auch wenn die<lb/> Oeſterreicher beſiegt, auch wenn kein Miniſterium Pinelli-Delaunay, aus<lb/> Sorge für den Frieden und Wiederherſtellung der Ordnung, gegen die<lb/> Wühlereien reagirt hätte; aber die Veranlaſſung war günſtig, man konnte<lb/> die längſt vorbereiteten Plane ins Werk ſetzen, und doch den patriotiſchen<lb/> Schein retten. Darum als die Unglücksnachrichten von Novara und der<lb/> Thronentſagung Karls Alberts nach Genua kamen, als natürlich wie<lb/> überall Schmerz und Trauer über das Sinken einer glänzenden Hoffnung<lb/> die Gemüther erregte, da tauchten an allen Ecken Redner auf, und „nie-<lb/> mand kannte ihren Namen, und niemand weiß woher ſie kamen.“ „Ge-<lb/> nueſer, die Piemonteſen verrathen euch! Karl Albert hat man betrogen<lb/> und ihn zum Rücktritt gezwungen, die Lombarden hat man preisgegeben,<lb/> nun kommt an euch die Reihe! Man will euch in die Hand des Feindes<lb/> liefern!“ So ſprachen dieſe Redner zu der wüthenden Menge. Sie laſen<lb/> auch Briefe vor die alles dieß und mehr noch beſtätigten, die Oeſterreicher<lb/> ſchon auf dem Marſch nach Genua begriffen und in Punto-Decimo ange-<lb/> langt ſeyn ließen. Nun brüllte die Menge: Verrath! zu den Waffen! und<lb/> wen die Oeſterreicher nicht erſchreckt hatten, den erſchreckten die Sans-<lb/> culottenhorden der Camalli (Laſtträger), welche, durch Geld gewonnen, die<lb/> Straßen durchzogen und Tod allen Verräthern drohten. Der Comman-<lb/> dant, General Aſarta, wollte die Dämpfung des Aufruhrs der National-<lb/> garde überlaſſen, aber bald änderte dieſe, entweder terroriſirt oder ſelbſt<lb/> von dem republicaniſchen Schwindel fortgeriſſen, ihre Haltung und ihr<lb/> Commandeur, General Avezzana, drang in Aſarta die Stadt und Feſtung<lb/> der Nationalgarde zu übergeben, was das einzige Mittel ſey die Bevölkerung<lb/> zu beruhigen und größeres Unglück zu verhindern. Aſarta ſuchte die<lb/> Unterhandlungen hinzuziehen, indem er hoffte daß unterdeß vielleicht La<lb/> Marmora ankommen würde. In der Nacht vom Freitag zu Sonnabend<lb/> den 31 März gab er den Befehl etwa 30 oder 40 Kiſten mit Gewehren<lb/> die in dem Zeughaus ſich befanden nach einem Fort zu bringen. Ver-<lb/> gebens waren die Vorſtellungen ſeiner Officiere doch nicht durch eine<lb/> ſolche Maßregel die Waffen dem Volk ſelbſt in die Hände zu liefern, da<lb/> man ſich überzeugt halten dürfe daß dieſes ſich des Transports bemäch-<lb/> tigen würde. Er theilte dieſe Furcht nicht. Die Waffen wurden aus dem<lb/> Arſenal geſchafft; als ſie kaum einige hundert Schritte weit geführt worden<lb/> waren, überfiel ein bewaffneter Haufen die Bedeckung, und zwang ſie die<lb/> Gewehre ihnen zu überlaſſen. Doch die Zahl der Gewehre konnte natür-<lb/> lich nicht genügen, darum wollte man am folgenden Tage Aſarta zwingen<lb/> 15,000 Stück dem Volk zu übergeben. Seine Vorſtellungen daß er gar<lb/> nicht ſo viel habe, und die welche er habe nicht geben dürfe, wurden mit<lb/> der Drohung eines Sturms auf das Arſenal beantwortet, und dieſe Dro-<lb/> hung wurde auch ausgeführt. Zwar ſchreckten fünf oder ſechs Kartät-<lb/> ſchenſchüſſe, welche die Beſatzung auf die Stürmenden abfeuerte, und zwar<lb/> wie ich glaube, ohne einen Befehl dazu zu haben, indem bis dahin Aſarta<lb/> nur „feſten Widerſtand“ anbefohlen hatte, ohne hinzuzufügen ob dieſer<lb/> auch activ ſich äußern dürfe — die Stürmenden ein wenig zurück, und<lb/> ebenſo auch ein Ausfall der Carabinieri welche mit Piſtolenſchüſſen den<lb/> Platz ſäuberten; allein unterdeß hatte man ſich der Familie Aſarta’s be-<lb/> mächtigt, und ebenſo des Generals Ferretti, der die Wuth der Menge da-<lb/> durch auf ſich geladen hatte daß er dem an dem Palazzo Ducale aufge-<lb/> ſtellten Bataillon die Worte zurief ſich „bereit“ (<hi rendition="#aq">pronto</hi>) zu halten, die<lb/> Camalli hatten dieß für Commando zum Feuern genommen, den General<lb/> vom Pferd geriſſen, und unter den Augen der Soldaten gemißhandelt.<lb/> Auch einige ſchwach beſetzte Forts waren in die Hände der Aufrührer ge-<lb/> fallen, zu denen eine Anzahl Soldaten übergegangen waren. La Mar-<lb/> mora erſchien immer noch nicht — Aſarta hatte Kopf und Muth verloren<lb/> und ging endlich auf die Bedingungen ein welche die drei Conſuln der<lb/> neuen liguriſchen Republik, Giuſeppe Avezzana, Commandeur der Na-<lb/> tionalgarde, Conſtantin Reta, Exdeputirter, und David Morchio ihm vor-<lb/> legten. Montag den 2 April unterzeichnete er die Capitulation, deren<lb/> Paragraphen Sie wohl ſchon aus der <hi rendition="#g">Gazzetta di Genova</hi> werden er-<lb/> ſehen haben, und verließ an demſelben Tag mit dem Reſt der Beſatzung,<lb/> bewaffnet (aber mit Zurücklaſſung aller Geſchütze) und unter den krie-<lb/> geriſchen Ehren die Stadt. Nur die Carabienieri mußten die Waffen zu-<lb/> rücklaſſen, weil ihr muthiger Angriff vor dem Zeughaus und auch ſonſt<lb/> ihr entſchloſſenes Einſchreiten die Ehre des bewaffneten Abzugs ihnen<lb/> verwirkt hatten. Am 4 erſchien endlich La Marmora, und bemächtigte<lb/> ſich, trotzdem daß er nur eine geringe Macht bei ſich hatte, der Forts Belve-<lb/> dere, Tanaglia und S. Benigno, am anderen Morgen auch noch der übri-<lb/> gen mit Ausnahme von Sperone und Begatto, und ferner der Porta Lan-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1579/0007]
zu bringen. Eine Unzahl Menſchen füllte den Molo und Schimpfreden
aller Art wurden den knapp anſtehenden Schiffen zugerufen. Die Opera-
tion ging ohne weitere Störung vor ſich. Wie gewöhnlich war die
Drohung des Feuerns auf die Schiffe nur eine Phraſe geweſen; eine volle
Lage der ſtarken Admiralitätsfregatte hätte jedenfalls die Beleidigung
ſchrecklich gerächt. In Ancona ſelbſt herrſcht die gräulichſte Anarchie.
Kein Tag vergeht ohne durch einige Meuchelmorde blutig bezeichnet zu
ſeyn. Geſtern Abends wurde der ehemalige Regierungsſecretär, ein Fa-
milienvater und anerkannter Ehrenmann, in ſeinem eigenen Hauſe er-
dolcht. Die Angehörigen eines Canonicus, der zum Papſte nach Gaëta
entfloh, wurden, vier an der Zahl (zwei Brüder, eine Schweſter und eine
Schwägerin), binnen wenigen Tagen meuchlings in die andere Welt ge-
ſchickt. Die letzten Vorfälle in Brescia machten aber eine gute Wirkung,
und einer der Gründe des Feſthaltens der Flotte iſt die Angſt der Mark
Ancona vor fremder Beſetzung. Albini’s Flotte hat ſich durch ihren lan-
gen Aufenthalt in dieſem Hafen in die verſchiedenartigſteṅ Verhältniſſe
mit den Bewohnern der Stadt eingelaſſen, einige Officiere ſind mit An-
conitanerinnen verheirathet; ſein Abſegeln berührt alſo ſelbſt manche ſei-
ner Flottenofficiere auf unangenehme Art, während eine ähnliche Lage der
Dinge in Venedig noch immer zwei Briggs und einen Dampfer bei der
venezianiſchen Flotte zurückhält. So viel wir hören, will Albini die drei
Tage benützen die bis zum Ablauf des Termins feſtgeſetzt ſind, um mit
der ganzen Flotte vor Venedig zu erſcheinen und ſo die Abtrünnigen zur
Wie derkehr und ihrer Pflicht zu bewegen. Ob dieſes letzte Manöver nicht
wieder irgendeine Liſt zum Grunde hat, werden wir ſehen. In Ancona be-
finden ſich gegenwärtig 2000 Mann Garniſon — zuſammengelaufenes
Geſindel, das ebenſo ſchnell wieder auseinanderläuft wenn ſich irgendeine
Gefahr zeigen ſollte. Bis jetzt ſind es lauter unbeſiegte Helden.
Aus Genua erhalten wir durch die Turiner Blätter detaillirte Be-
richte über den Aufftand. Am 2 April, nachdem man am 1 bis in die
Nacht gefochten, und ſich die Carbinieri namentlich ſehr tapfer gehalten,
kam es zu einem Waffenſtillſtand zwiſchen de Aſarta dem Commandanten
der Truppen und der proviſoriſchen Regierung. Die Hauptbedingungen wa-
ren: die Garniſon zieht mit militäriſchen Ehren ab, die Artillerie jedoch
mit Zurück laſſung der Geſchütze, und die Carabinieri nach Ablegung der
Waffen.(!) Die Garniſon darf ſich nicht wieder gegen Genua verwenden
laſſen, und de Aſarta verſpricht den General La Marmora (von deſſen An-
rücken man ſchon Nachricht haben mußte) zum Umkehren zu bewegen. —
Man ſtaunt vielleicht wie ein General ſolche Bedingungen eingehen konnte,
die eine förmliche Capitulation ſind. Höchſt wahrſcheinlich wollte er durch
raſche Entfernung die Garniſon vor dem republicaniſchen Miasma ſchützen,
denn ein Bericht des Turiner gutunterrichteten Saggiatore erzählt, wie
Oberſt Graf Morozzo, der nebſt ſeinen Adjutanten ſpäter in den Straßen
erſchoſſen wurde, mehrere ſeiner Soldaten eigenhändig niederſtieß, weil
ſie mit den Inſurgenten gemeinſame Sache machen wollten.
† Turin, 6 April.
General La Marmora iſt vorgeſtern mit ſeiner
Vorhut vor Genua angekommen. Heute wird ſein ganzes, 12 bis 14,000
Mann ſtarkes Armeecorps vor der Stadt vereinigt ſeyn. Seit zwei Tagen
iſt überdieß noch eine Verſtärkung von 12,000 Mann dahin in Marſch.
Alle Verfügungen ſind getroffen um ſo ſchnell als möglich fertig zu wer-
den, nicht mit der genueſiſchen Bevölkerung, denn dieſe iſt in großer Ueber-
zahl der Bewegung entgegen, aber mit den in der Stadt vereinigten kecken
Haufen von Agitatoren und Fremden die nichts als Unordnung wollen
und der Zügel augenblicklich ſich bemächtigt haben.
⟶ Turin, 8 April.
Zum Krieg ſind wir verdammt. Am Teſſin
iſt der Donner der Kanonen verhallt, aber an Genua’s bergiger Küſte
tönt das Echo nach. Zwanzig Stunden hat Alphons La Marmora die
ſtolze Seeſtadt bombardirt, und nutzlos fließt wieder Bürgerblut, nachdem
noch des äußeren Feindes Schwert davon geröthet iſt. Und warum?
Weil die Piemonteſen in dem Kampf mit Oeſterreich unterlagen, weil
das neue Miniſterium ſo reactionär iſt lieber der Wuth einer fanatiſirten
Partei trotzen als dem erſchöpften Lande durch die nutzloſe Fortſetzung
des Kampfs den Todesſtoß geben zu wollen? O nein, die Fäden an
denen Genua’s Revolution geleitet wurde, ſind nicht ſo einfach, der Zweck
des Aufſtandes kein ſo unſchuldiger. Man will Italien republicaniſiren.
Rom und Toscana ſind vorausgegangen, und mit ſehnſüchtigen Blicken
ſchauten unſere Radicalen das Glück an das dieſe Zwillingsrepubliken ge-
nießen, und ihr einziges Streben konnte nur dahin gerichtet ſeyn auch
bald Sardinien, das inmitten der italieniſchen Wirren allein noch einige
Conſiſtenz bewahrt hatte, dieſes Glück koſten zu laſſen, den Staatskörper
zu zertrümmern, und auf den Trümmern die Fahne der Republik aufzu-
pflanzen. In Savoyen ſcheiterten die Verſuche, Turin iſt voll Codini,
mit und ohne Uniform; welch’ Terrain blieb alſo übrig um mit einigem
Erfolg operiren zu können, wenn nicht Genua, das, noch voll von Erin-
nerungen an eine glänzende, wenn auch nicht glückliche Vergangenheit, nur
mit einigem Widerwillen in die untergeordnete Rolle ſich fügte die der
größere Staatenverband ihm auferlegte. Ein ſolcher Brennſtoff iſt leicht
zu entflammen, auch ohne die Sympathien für die Unabhängigkeit Italiens
und den Haß gegen die welche aus irgendeinem wenn auch vernünftigen
Grund der Verwirklichung derſelben à tout-prix ſich widerſetzen, als Zunder
zu gebrauchen. Genua hätte ſeine Revolution gemacht, auch wenn die
Oeſterreicher beſiegt, auch wenn kein Miniſterium Pinelli-Delaunay, aus
Sorge für den Frieden und Wiederherſtellung der Ordnung, gegen die
Wühlereien reagirt hätte; aber die Veranlaſſung war günſtig, man konnte
die längſt vorbereiteten Plane ins Werk ſetzen, und doch den patriotiſchen
Schein retten. Darum als die Unglücksnachrichten von Novara und der
Thronentſagung Karls Alberts nach Genua kamen, als natürlich wie
überall Schmerz und Trauer über das Sinken einer glänzenden Hoffnung
die Gemüther erregte, da tauchten an allen Ecken Redner auf, und „nie-
mand kannte ihren Namen, und niemand weiß woher ſie kamen.“ „Ge-
nueſer, die Piemonteſen verrathen euch! Karl Albert hat man betrogen
und ihn zum Rücktritt gezwungen, die Lombarden hat man preisgegeben,
nun kommt an euch die Reihe! Man will euch in die Hand des Feindes
liefern!“ So ſprachen dieſe Redner zu der wüthenden Menge. Sie laſen
auch Briefe vor die alles dieß und mehr noch beſtätigten, die Oeſterreicher
ſchon auf dem Marſch nach Genua begriffen und in Punto-Decimo ange-
langt ſeyn ließen. Nun brüllte die Menge: Verrath! zu den Waffen! und
wen die Oeſterreicher nicht erſchreckt hatten, den erſchreckten die Sans-
culottenhorden der Camalli (Laſtträger), welche, durch Geld gewonnen, die
Straßen durchzogen und Tod allen Verräthern drohten. Der Comman-
dant, General Aſarta, wollte die Dämpfung des Aufruhrs der National-
garde überlaſſen, aber bald änderte dieſe, entweder terroriſirt oder ſelbſt
von dem republicaniſchen Schwindel fortgeriſſen, ihre Haltung und ihr
Commandeur, General Avezzana, drang in Aſarta die Stadt und Feſtung
der Nationalgarde zu übergeben, was das einzige Mittel ſey die Bevölkerung
zu beruhigen und größeres Unglück zu verhindern. Aſarta ſuchte die
Unterhandlungen hinzuziehen, indem er hoffte daß unterdeß vielleicht La
Marmora ankommen würde. In der Nacht vom Freitag zu Sonnabend
den 31 März gab er den Befehl etwa 30 oder 40 Kiſten mit Gewehren
die in dem Zeughaus ſich befanden nach einem Fort zu bringen. Ver-
gebens waren die Vorſtellungen ſeiner Officiere doch nicht durch eine
ſolche Maßregel die Waffen dem Volk ſelbſt in die Hände zu liefern, da
man ſich überzeugt halten dürfe daß dieſes ſich des Transports bemäch-
tigen würde. Er theilte dieſe Furcht nicht. Die Waffen wurden aus dem
Arſenal geſchafft; als ſie kaum einige hundert Schritte weit geführt worden
waren, überfiel ein bewaffneter Haufen die Bedeckung, und zwang ſie die
Gewehre ihnen zu überlaſſen. Doch die Zahl der Gewehre konnte natür-
lich nicht genügen, darum wollte man am folgenden Tage Aſarta zwingen
15,000 Stück dem Volk zu übergeben. Seine Vorſtellungen daß er gar
nicht ſo viel habe, und die welche er habe nicht geben dürfe, wurden mit
der Drohung eines Sturms auf das Arſenal beantwortet, und dieſe Dro-
hung wurde auch ausgeführt. Zwar ſchreckten fünf oder ſechs Kartät-
ſchenſchüſſe, welche die Beſatzung auf die Stürmenden abfeuerte, und zwar
wie ich glaube, ohne einen Befehl dazu zu haben, indem bis dahin Aſarta
nur „feſten Widerſtand“ anbefohlen hatte, ohne hinzuzufügen ob dieſer
auch activ ſich äußern dürfe — die Stürmenden ein wenig zurück, und
ebenſo auch ein Ausfall der Carabinieri welche mit Piſtolenſchüſſen den
Platz ſäuberten; allein unterdeß hatte man ſich der Familie Aſarta’s be-
mächtigt, und ebenſo des Generals Ferretti, der die Wuth der Menge da-
durch auf ſich geladen hatte daß er dem an dem Palazzo Ducale aufge-
ſtellten Bataillon die Worte zurief ſich „bereit“ (pronto) zu halten, die
Camalli hatten dieß für Commando zum Feuern genommen, den General
vom Pferd geriſſen, und unter den Augen der Soldaten gemißhandelt.
Auch einige ſchwach beſetzte Forts waren in die Hände der Aufrührer ge-
fallen, zu denen eine Anzahl Soldaten übergegangen waren. La Mar-
mora erſchien immer noch nicht — Aſarta hatte Kopf und Muth verloren
und ging endlich auf die Bedingungen ein welche die drei Conſuln der
neuen liguriſchen Republik, Giuſeppe Avezzana, Commandeur der Na-
tionalgarde, Conſtantin Reta, Exdeputirter, und David Morchio ihm vor-
legten. Montag den 2 April unterzeichnete er die Capitulation, deren
Paragraphen Sie wohl ſchon aus der Gazzetta di Genova werden er-
ſehen haben, und verließ an demſelben Tag mit dem Reſt der Beſatzung,
bewaffnet (aber mit Zurücklaſſung aller Geſchütze) und unter den krie-
geriſchen Ehren die Stadt. Nur die Carabienieri mußten die Waffen zu-
rücklaſſen, weil ihr muthiger Angriff vor dem Zeughaus und auch ſonſt
ihr entſchloſſenes Einſchreiten die Ehre des bewaffneten Abzugs ihnen
verwirkt hatten. Am 4 erſchien endlich La Marmora, und bemächtigte
ſich, trotzdem daß er nur eine geringe Macht bei ſich hatte, der Forts Belve-
dere, Tanaglia und S. Benigno, am anderen Morgen auch noch der übri-
gen mit Ausnahme von Sperone und Begatto, und ferner der Porta Lan-
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(2022-09-16T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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