Allgemeine Zeitung, Nr. 103, 13. April 1849.[Spaltenumbruch]
noch durch die "insbesondere durch ihre technischen Constructionen ausge- Keineswegs gleichermaßen geschützt und auf wohlbefestigte Gränzen Traurige Wahrheiten! Doch noch traurigere erwarten uns wenn wir *) Nach amerikanischen Blättern soll Frankreich sogar 348 Segelschiffe mit
8116 Geschützen und 61 Dampfern für den Kriegsfall in Bewegung setzen können; im Frieden sollen 24 Linienschiffe und 40 Fregatten beständig flott seyn. Getadelt wird der landmilitärartige Dienst und die ganze Ein- richtung. Also ein vom Peucker'schen abweichendes Urtheil, welches in- dessen nach seiner Quelle nicht als unparteiisch hinzunehmen ist. Wichtige Beiträge zur Kenntniß des innern Lebens der französischen Armee geben die Aufsätze der Beilage zur Allg. Zeitung Nr. 40 und 53 dieses Jahres. D. Eins. [Spaltenumbruch]
noch durch die „insbeſondere durch ihre techniſchen Conſtructionen ausge- Keineswegs gleichermaßen geſchützt und auf wohlbefeſtigte Gränzen Traurige Wahrheiten! Doch noch traurigere erwarten uns wenn wir *) Nach amerikaniſchen Blättern ſoll Frankreich ſogar 348 Segelſchiffe mit
8116 Geſchützen und 61 Dampfern für den Kriegsfall in Bewegung ſetzen können; im Frieden ſollen 24 Linienſchiffe und 40 Fregatten beſtändig flott ſeyn. Getadelt wird der landmilitärartige Dienſt und die ganze Ein- richtung. Alſo ein vom Peucker’ſchen abweichendes Urtheil, welches in- deſſen nach ſeiner Quelle nicht als unparteiiſch hinzunehmen iſt. Wichtige Beiträge zur Kenntniß des innern Lebens der franzöſiſchen Armee geben die Aufſätze der Beilage zur Allg. Zeitung Nr. 40 und 53 dieſes Jahres. D. Einſ. <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><pb facs="#f0011" n="1583"/><cb/> noch durch die „insbeſondere durch ihre techniſchen Conſtructionen ausge-<lb/> zeichnete“ Flotte unterſtützt werden, welche (1845) aus 56 Linienſchiffen,<lb/> 46 Fregatten, einer großen Anzahl Kriegsfahrzeugen niedern Ranges<lb/> und 47 Dampfſchiffen beſteht.<note place="foot" n="*)">Nach amerikaniſchen Blättern ſoll Frankreich ſogar 348 Segelſchiffe mit<lb/> 8116 Geſchützen und 61 Dampfern für den Kriegsfall in Bewegung ſetzen<lb/> können; im Frieden ſollen 24 Linienſchiffe und 40 Fregatten beſtändig<lb/> flott ſeyn. Getadelt wird der landmilitärartige Dienſt und die ganze Ein-<lb/> richtung. Alſo ein vom Peucker’ſchen abweichendes Urtheil, welches in-<lb/> deſſen nach ſeiner Quelle nicht als unparteiiſch hinzunehmen iſt. Wichtige<lb/> Beiträge zur Kenntniß des innern Lebens der franzöſiſchen Armee geben<lb/> die Aufſätze der Beilage zur Allg. Zeitung Nr. 40 und 53 dieſes Jahres.<lb/><hi rendition="#et">D. Einſ.</hi></note> Binnen wenigen Stunden trägt der<lb/> Telegraph von den Zinnen des Kriegsminiſteriums zu Paris deſſen Be-<lb/> fehle nach allen Stationsorten der Armee; im Fluge befördert ein wohl-<lb/> geordnes Eiſenbahnſyſtem die Infanterie, „den Kern aller Armeen“, aus<lb/> dem Landesinnern nach den nordöſtlichen Gränzen. Die reichen Weiden<lb/> Lothringens und des Elſaſſes begünſtigen überdieß als wichtigſte Reviere<lb/> für die Pferdezucht Frankreichs „die Mobilmachung einer franzöſiſchen<lb/> Armee vorzugsweiſe für einen Krieg mit Deutſchland“; Metz, Straß-<lb/> burg, Douai und Lille verſehen raſch die Artillerie mit den nöthigen<lb/> Kriegsbedürfniſſen. Schon Napoleon ſtellte den Grundſatz auf daß Frank-<lb/> reichs Gränzen in Bezug auf die vertheilte Niederlegung materieller<lb/> Streitmittel für Feld- und Belagerungsoperationen in Hauptabſchnitte<lb/> zu zerlegen ſeyen, deren jeder mit dieſen Streitmitteln ſo reichlich ver-<lb/> ſehen ſeyn müſſe daß er nöthigenfalls ſelbſtändig als Hauptkriegsſchauplatz<lb/> benützt werden könne. Und „dem nordöſtlichen Abſchnitt wurde von ihm<lb/> eine größere Sorgfalt als irgendeinem andern zugewendet.“ Dieſes Sy-<lb/> ſtem iſt nun von Frankreich bis in die neueſte Zeit feſtgehalten worden.<lb/> „Doch dürfen wir dieſen wohlgeordneten Kriegsvorbereitungen gegenüber<lb/> mit Stolz und Zuverſicht auch auf die Vertheidigungsfähigkeit und Ver-<lb/> theidigungsbereitſchaft unſerer deutſchen Gränzwehr, insbeſondere auf die<lb/> wichtigſte weſtliche Operationsbaſis, den Rhein und die ſtarken Veſten<lb/> blicken, welche ihre zinnengekrönten Häupter an ſeinen Ufern erheben und<lb/> in Verbindung mit den vorgeſchobenen befeſtigten Vorpoſten die ſichern<lb/> Stützpunkte für ſiegreiche Abwehr jedes Angriffs ſeyn werden, wenn ein<lb/> ſolcher gegen die deutſchen Gaue gerichtet werden ſollte.“</p><lb/> <p>Keineswegs gleichermaßen geſchützt und auf wohlbefeſtigte Gränzen<lb/> geſtützt ſtehen wir dem gefährlichen öſtlichen Feind gegenüber. Preußen<lb/> that zwar das Mögliche, doch bieten ſich hier — abgeſehen davon daß der<lb/> deutſche Bund ſeine gemeinſamen Anſtrengungen niemals öſtlich wandte —<lb/> auch mannichfache Terrainſchwierigkeiten, wie die Peucker’ſche Schrift in<lb/> trefflicher Klarheit erweist. Die ruſſiſche Operationsarmee (deren unge-<lb/> fähre Stärke und innere Beſchaffenheit einige Aufſätze in der Allg. Ztg.<lb/> vorigen Jahrs, Beilage 174, 179, 218, übereinſtimmend mit den Peucker-<lb/> ſchen Notizen weitläuſiger beſprachen) beträgt über 450,000 Mann mit<lb/> 1200 Geſchützen. Hierzu treten die im Kaukaſus, in Finnland, Orenburg<lb/> und Sibirien beſindlichen Truppen, ſowie die geſammte irreguläre Reite-<lb/> rei — eine Geſammtmacht von 200 bis 250,000 Mann — endlich auch<lb/> die bereits im Frieden gebildeten Erſatztruppen, ſowie die beurlaubten<lb/> Reſervemannſchaften (180,000 Mann Fußvolk, 18,000 Mann Reiterei<lb/> und Artillerie). Danach würde die ganze disponibel zu machende Land-<lb/> macht Rußlands über 850,000 Mann betragen. Die eigentliche active<lb/> Weſtarmee von vier ſogenannten Infanteriecorps, deren Geſammtſtärke<lb/> auf 170,000 Mann mit 448 Geſchützen anzuſchlagen iſt, beſitzt zu ihrer<lb/> weitern Verſtärkung zunächſt die bei Charkow und Wosnoſensk coloniſirte<lb/> Cavalleriereſerve, durch deren Vereinigung mit der Weſtarmee ein Heer<lb/> von 196 Bataillonen, 400 Schwadronen und 700 Geſchützen in der Ge-<lb/> ſammtſtärke von 250,000 Mann gebildet wird. Selbſt wenn zu dieſer<lb/> Heeresmaſſe die Garden mit 80 bis 90,000 Mann und 224 Geſchützen,<lb/> ſowie das fünfte und ſechste Infanteriecorps nebſt der irregulären Reiterei<lb/> geſtoßen ſind, bleibt für den Dienſt im Innern des Reichs eine erſte Reſerve<lb/> von 94 Bataillonen, 63 Schwadronen und 224 Geſchützen, zu welcher im<lb/> äußerſten Nothfall noch ein zweites Aufgebot treten kann. Am wichtigſten<lb/> erſcheinen aber nicht die Zahlen dieſer Maſſen, ſondern die Vorkehrungen<lb/> welche in den weſtlichen Provinzen zur Aufnahme und zum Rückenhalt<lb/> dieſer Streitkräfte geſchaffen wurden. „Es handelt ſich hier — ſagt Hr. v.<lb/> Peucker — um ein Landesreduit, groß genug um ein zahlreiches Heer auf-<lb/> zunehmen, ein Reduit deſſen vier baſtionirte Ecken durch ſtarke Waffen-<lb/> plätze, deſſen Courtinen durch die wichtigſten Flüſſe der Provinz gebildet<lb/> werden, und welches zwei vortreffliche Feldpoſitionen enthält. Das ehe-<lb/> malige Modlin, jetzt durch ſeine coloſſalen Caſemattenräume als Nowo-<lb/> georgiewsk zu einer Feſtung erſten Ranges mit dem Flankenpoſten der<lb/> Warſchauer Citadelle erhoben, die rückwärts gelegene Feſte Brescz-Litewski<lb/> mit ihren großen Verſtärkungsbauten, Iwangorod am Einfluß des Wieprz<lb/><cb/> in die Weichſel und Zamoscz, beide noch im Neubau begriffen, bilden die<lb/> vier durch Weichſel, Narew, Bug und Wieprz verbundenen Baſtionen.<lb/> Eine Flotille von eiſernen Kanonenbooten und Dampfern verbindet und<lb/> vertheidigt die Courtinen, unterſtützt auch eine etwa ſtromabwärts füh-<lb/> rende Angriffsoperation gegen die dieſſeitigen Weichſelfeſtungen. Inmit-<lb/> ten des Reduits liegt Siedlce. Außerdem wird durch das Dreieck Sierok<lb/> mit dem Einfluſſe des Bug in den Narew, Nowogeorgiewsk mit dem Ein-<lb/> fluß des Narew in die Weichſel, und Warſchau jene berühmte Poſition ge-<lb/> bildet, von welcher Napoleon erklärte daß ſie die glücklichſte militäriſche<lb/> Stellung die er je geſehen, ja daß ſie bei einer zweckmäßigen Benutzung<lb/> eigentlich unüberwindlich ſey.“ Durch die Verbindung über Brescz-Litewski<lb/> mit Smolensk, Petersburg und Moskau iſt der Zuſammenhang mit allen<lb/> rückwärts gelegenen Hülfsquellen Rußlands geſichert. „Wer Herr dieſes<lb/> Dreiecks iſt, beherrſcht ſtrategiſch den größten Theil des ganzen Landes un-<lb/> ter gleichem Meridian ſowohl in der Richtung auf die See als die Kar-<lb/> pathen.“ Wie aber verhält ſich die deutſche, dieſen vortrefflichen militäri-<lb/> ſchen Stellungen gegenübergelegene Oſtgränze? Wir finden „daß ſie faſt<lb/> aller militäriſchen Abrundung entbehrt und nur auf einzelnen Strecken<lb/> einen natürlichen Schutz durch Wald und Sumpf beſitzt.“ Zwar iſt die<lb/> linke Flügelbaſtion dieſer Oſtgränze, die Provinz Preußen, durch Terrain-<lb/> verhältniſſe und den Charakter ihrer Bewohner vorzugsweiſe zu einer<lb/> ſelbſtändigen und hartnäckigen Vertheidigung geeignet, auch bilden Memel,<lb/> Königsberg, Pillau und Danzig mit ihren geſicherten Waſſerverbindungen<lb/> und den Brückenköpfen von Marienburg und Dirſchau „eine einzige natür-<lb/> liche Landesfeſtung von ſo hohem activen Vertheidigungsvermögen wie<lb/> deren wenige in der Welt anzutreffen ſind; allein die zur Deckung der Ein-<lb/> fahrt in das kuriſche Haff unerläßliche Befeſtigung des Hafens von Memel<lb/> iſt ſeit 1807 nicht wieder in der erforderlichen Vertheidigungsfähigkeit her-<lb/> geſtellt worden.“ Auch ſind die begonnenen Befeſtigungen von Königsberg<lb/> und einigen andern Punkten der Provinz Preußen noch ſo weit zurück daß<lb/> wenigſtens für die nächſten Jahre nicht auf ſie zu rechnen iſt. Das Cen-<lb/> trum der Oſtgränze iſt durch Thorn, die eiſerne Pforte der dieſſeitigen<lb/> Weichſelgebiete, gedeckt; weiterhin durch das als vollendet anzunehmende<lb/> Feſtungswerk Poſen, dann durch die ſchleſiſche Feſtung Glogau nach dem<lb/> rechten Flügel zu. „Allein der ganze rechte, jener vorhin bezeichneten ruſ-<lb/> ſiſchen Poſition gegenüberliegende Flügel entbehrt zwiſchen Glogau und<lb/> Koſel, d. h. gerad auf derjenigen Strecke welche durch die große Handels-<lb/> und Heerſtraße von Oſten nach Weſten durchſchnitten wird, jedes natür-<lb/> lichen und fortificatoriſchen Schutzes, weil die Befeſtigung von Breslau<lb/> ſeit der 1807 erfolgten Sprengung nicht wieder hergeſtellt worden iſt. ...<lb/> Das ganze wohlgeordnete ſchleſiſche Feſtungsſyſtem iſt, ſeitdem ihm in<lb/> Breslau der verbindende Mittelpunkt fehlt, als geſprengt zu betrachten...<lb/> Seit die wichtige von Warſchau über Breslau nicht nur nach Berlin, ſon-<lb/> dern direct auch in das Herz Deutſchlands führende große Heerſtraße durch<lb/> keine Landesfeſte gedeckt iſt, kann Breslau von einem aus den polniſchen<lb/> Stellungen hervorbrechenden Heere in wenigen Tagen erreicht und nur<lb/> durch die Kraft eines dieſſeitigen mächtigen, ſchnell aufzubietenden und<lb/> nach Flankenbewegungen cooperirender Truppen zu unterſtützenden Heeres<lb/> geſchützt werden.“</p><lb/> <p>Traurige Wahrheiten! Doch noch traurigere erwarten uns wenn wir<lb/> auf die deutſchen Oſt- und Nordſeeküſten blicken. Sie ſind bekannt. Wir<lb/> beſchränken uns deßhalb bei dem was Hr. v. Peucker ins einzelne eingehend<lb/> als nächſte Gefahr und nächſtes Bedürfniß nachweist, auf Hervorhebung<lb/> nur einzelner Sätze. „Nur in der richtigen Verbindung einer mobilen<lb/> Kriegsmarine mit dem paſſiven Schutze der Küſtenbefeſtigungen kann eine<lb/> genügende Sicherheit gefunden werden.“ Dieß iſt die Grundlage dieſer<lb/> Bemerkungen. <cit><quote>„Der in dieſer Beziehung ſehr gefährdeten deutſchen Küſte<lb/> — heißt es dann weiter — ſtehen in unmittelbarer Nähe die impoſanten<lb/> Kriegsmarinen Rußlands, Schwedens und Dänemarks drohend entgegen.<lb/> Ungeachtet des natürlichen Schutzes der Küſte durch ziemlich regelmäßig<lb/> längs der flachen Ufer ſich hinziehende Reihen von Sandbänken wird das<lb/> Landen von Infanterie mittelſt Booten bei nicht zu ſehr bewegter See faſt<lb/> überall ausführbar. Eine für die eigenthümliche Geſtaltung unſerer Küſte<lb/> beſonders gefährliche Zugabe jener drei Kriegsflotten ſind dabei die leichten<lb/> Ruderflotten dieſer Staaten (Rußland hat an 250 Scheerenfahrzeuge,<lb/> Schweden 200, Norwegen 200, Dänemark 80). Der weſtliche Hafen Ruß-<lb/> lands Polangen (?) iſt vom Putziger Wyk, jenem unbefeſtigten von der<lb/> Natur gebildeten großen Kriegshafen, nur 30 Meilen, von den Odermün-<lb/> dungen nur 70 Meilen in gerader Waſſerſtraße entfernt. Mit günſtigem<lb/> Winde ſegelt eine Flotte dieſe Strecken in 1—2 Tagen. Eine däniſche<lb/> Flotte welche gegen Abend von Kopenhagen abſegelt, bedroht mit anbre-<lb/> chendem Morgen die deutſche Oſtſeeküſte. Die überaus wichtige Halbinſel<lb/> Darß, der weſtlichſte Punkt des preußiſchen Küſtenſaums, mit ihren Anker-<lb/> plätzen für Kriegsflotten, iſt nur 20 Meilen von Kopenhagen entfernt.<lb/> Zuſammengefaßt ſtellt ſich die militäriſche Lage des etwas über 100 Meilen<lb/></quote></cit></p> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [1583/0011]
noch durch die „insbeſondere durch ihre techniſchen Conſtructionen ausge-
zeichnete“ Flotte unterſtützt werden, welche (1845) aus 56 Linienſchiffen,
46 Fregatten, einer großen Anzahl Kriegsfahrzeugen niedern Ranges
und 47 Dampfſchiffen beſteht. *) Binnen wenigen Stunden trägt der
Telegraph von den Zinnen des Kriegsminiſteriums zu Paris deſſen Be-
fehle nach allen Stationsorten der Armee; im Fluge befördert ein wohl-
geordnes Eiſenbahnſyſtem die Infanterie, „den Kern aller Armeen“, aus
dem Landesinnern nach den nordöſtlichen Gränzen. Die reichen Weiden
Lothringens und des Elſaſſes begünſtigen überdieß als wichtigſte Reviere
für die Pferdezucht Frankreichs „die Mobilmachung einer franzöſiſchen
Armee vorzugsweiſe für einen Krieg mit Deutſchland“; Metz, Straß-
burg, Douai und Lille verſehen raſch die Artillerie mit den nöthigen
Kriegsbedürfniſſen. Schon Napoleon ſtellte den Grundſatz auf daß Frank-
reichs Gränzen in Bezug auf die vertheilte Niederlegung materieller
Streitmittel für Feld- und Belagerungsoperationen in Hauptabſchnitte
zu zerlegen ſeyen, deren jeder mit dieſen Streitmitteln ſo reichlich ver-
ſehen ſeyn müſſe daß er nöthigenfalls ſelbſtändig als Hauptkriegsſchauplatz
benützt werden könne. Und „dem nordöſtlichen Abſchnitt wurde von ihm
eine größere Sorgfalt als irgendeinem andern zugewendet.“ Dieſes Sy-
ſtem iſt nun von Frankreich bis in die neueſte Zeit feſtgehalten worden.
„Doch dürfen wir dieſen wohlgeordneten Kriegsvorbereitungen gegenüber
mit Stolz und Zuverſicht auch auf die Vertheidigungsfähigkeit und Ver-
theidigungsbereitſchaft unſerer deutſchen Gränzwehr, insbeſondere auf die
wichtigſte weſtliche Operationsbaſis, den Rhein und die ſtarken Veſten
blicken, welche ihre zinnengekrönten Häupter an ſeinen Ufern erheben und
in Verbindung mit den vorgeſchobenen befeſtigten Vorpoſten die ſichern
Stützpunkte für ſiegreiche Abwehr jedes Angriffs ſeyn werden, wenn ein
ſolcher gegen die deutſchen Gaue gerichtet werden ſollte.“
Keineswegs gleichermaßen geſchützt und auf wohlbefeſtigte Gränzen
geſtützt ſtehen wir dem gefährlichen öſtlichen Feind gegenüber. Preußen
that zwar das Mögliche, doch bieten ſich hier — abgeſehen davon daß der
deutſche Bund ſeine gemeinſamen Anſtrengungen niemals öſtlich wandte —
auch mannichfache Terrainſchwierigkeiten, wie die Peucker’ſche Schrift in
trefflicher Klarheit erweist. Die ruſſiſche Operationsarmee (deren unge-
fähre Stärke und innere Beſchaffenheit einige Aufſätze in der Allg. Ztg.
vorigen Jahrs, Beilage 174, 179, 218, übereinſtimmend mit den Peucker-
ſchen Notizen weitläuſiger beſprachen) beträgt über 450,000 Mann mit
1200 Geſchützen. Hierzu treten die im Kaukaſus, in Finnland, Orenburg
und Sibirien beſindlichen Truppen, ſowie die geſammte irreguläre Reite-
rei — eine Geſammtmacht von 200 bis 250,000 Mann — endlich auch
die bereits im Frieden gebildeten Erſatztruppen, ſowie die beurlaubten
Reſervemannſchaften (180,000 Mann Fußvolk, 18,000 Mann Reiterei
und Artillerie). Danach würde die ganze disponibel zu machende Land-
macht Rußlands über 850,000 Mann betragen. Die eigentliche active
Weſtarmee von vier ſogenannten Infanteriecorps, deren Geſammtſtärke
auf 170,000 Mann mit 448 Geſchützen anzuſchlagen iſt, beſitzt zu ihrer
weitern Verſtärkung zunächſt die bei Charkow und Wosnoſensk coloniſirte
Cavalleriereſerve, durch deren Vereinigung mit der Weſtarmee ein Heer
von 196 Bataillonen, 400 Schwadronen und 700 Geſchützen in der Ge-
ſammtſtärke von 250,000 Mann gebildet wird. Selbſt wenn zu dieſer
Heeresmaſſe die Garden mit 80 bis 90,000 Mann und 224 Geſchützen,
ſowie das fünfte und ſechste Infanteriecorps nebſt der irregulären Reiterei
geſtoßen ſind, bleibt für den Dienſt im Innern des Reichs eine erſte Reſerve
von 94 Bataillonen, 63 Schwadronen und 224 Geſchützen, zu welcher im
äußerſten Nothfall noch ein zweites Aufgebot treten kann. Am wichtigſten
erſcheinen aber nicht die Zahlen dieſer Maſſen, ſondern die Vorkehrungen
welche in den weſtlichen Provinzen zur Aufnahme und zum Rückenhalt
dieſer Streitkräfte geſchaffen wurden. „Es handelt ſich hier — ſagt Hr. v.
Peucker — um ein Landesreduit, groß genug um ein zahlreiches Heer auf-
zunehmen, ein Reduit deſſen vier baſtionirte Ecken durch ſtarke Waffen-
plätze, deſſen Courtinen durch die wichtigſten Flüſſe der Provinz gebildet
werden, und welches zwei vortreffliche Feldpoſitionen enthält. Das ehe-
malige Modlin, jetzt durch ſeine coloſſalen Caſemattenräume als Nowo-
georgiewsk zu einer Feſtung erſten Ranges mit dem Flankenpoſten der
Warſchauer Citadelle erhoben, die rückwärts gelegene Feſte Brescz-Litewski
mit ihren großen Verſtärkungsbauten, Iwangorod am Einfluß des Wieprz
in die Weichſel und Zamoscz, beide noch im Neubau begriffen, bilden die
vier durch Weichſel, Narew, Bug und Wieprz verbundenen Baſtionen.
Eine Flotille von eiſernen Kanonenbooten und Dampfern verbindet und
vertheidigt die Courtinen, unterſtützt auch eine etwa ſtromabwärts füh-
rende Angriffsoperation gegen die dieſſeitigen Weichſelfeſtungen. Inmit-
ten des Reduits liegt Siedlce. Außerdem wird durch das Dreieck Sierok
mit dem Einfluſſe des Bug in den Narew, Nowogeorgiewsk mit dem Ein-
fluß des Narew in die Weichſel, und Warſchau jene berühmte Poſition ge-
bildet, von welcher Napoleon erklärte daß ſie die glücklichſte militäriſche
Stellung die er je geſehen, ja daß ſie bei einer zweckmäßigen Benutzung
eigentlich unüberwindlich ſey.“ Durch die Verbindung über Brescz-Litewski
mit Smolensk, Petersburg und Moskau iſt der Zuſammenhang mit allen
rückwärts gelegenen Hülfsquellen Rußlands geſichert. „Wer Herr dieſes
Dreiecks iſt, beherrſcht ſtrategiſch den größten Theil des ganzen Landes un-
ter gleichem Meridian ſowohl in der Richtung auf die See als die Kar-
pathen.“ Wie aber verhält ſich die deutſche, dieſen vortrefflichen militäri-
ſchen Stellungen gegenübergelegene Oſtgränze? Wir finden „daß ſie faſt
aller militäriſchen Abrundung entbehrt und nur auf einzelnen Strecken
einen natürlichen Schutz durch Wald und Sumpf beſitzt.“ Zwar iſt die
linke Flügelbaſtion dieſer Oſtgränze, die Provinz Preußen, durch Terrain-
verhältniſſe und den Charakter ihrer Bewohner vorzugsweiſe zu einer
ſelbſtändigen und hartnäckigen Vertheidigung geeignet, auch bilden Memel,
Königsberg, Pillau und Danzig mit ihren geſicherten Waſſerverbindungen
und den Brückenköpfen von Marienburg und Dirſchau „eine einzige natür-
liche Landesfeſtung von ſo hohem activen Vertheidigungsvermögen wie
deren wenige in der Welt anzutreffen ſind; allein die zur Deckung der Ein-
fahrt in das kuriſche Haff unerläßliche Befeſtigung des Hafens von Memel
iſt ſeit 1807 nicht wieder in der erforderlichen Vertheidigungsfähigkeit her-
geſtellt worden.“ Auch ſind die begonnenen Befeſtigungen von Königsberg
und einigen andern Punkten der Provinz Preußen noch ſo weit zurück daß
wenigſtens für die nächſten Jahre nicht auf ſie zu rechnen iſt. Das Cen-
trum der Oſtgränze iſt durch Thorn, die eiſerne Pforte der dieſſeitigen
Weichſelgebiete, gedeckt; weiterhin durch das als vollendet anzunehmende
Feſtungswerk Poſen, dann durch die ſchleſiſche Feſtung Glogau nach dem
rechten Flügel zu. „Allein der ganze rechte, jener vorhin bezeichneten ruſ-
ſiſchen Poſition gegenüberliegende Flügel entbehrt zwiſchen Glogau und
Koſel, d. h. gerad auf derjenigen Strecke welche durch die große Handels-
und Heerſtraße von Oſten nach Weſten durchſchnitten wird, jedes natür-
lichen und fortificatoriſchen Schutzes, weil die Befeſtigung von Breslau
ſeit der 1807 erfolgten Sprengung nicht wieder hergeſtellt worden iſt. ...
Das ganze wohlgeordnete ſchleſiſche Feſtungsſyſtem iſt, ſeitdem ihm in
Breslau der verbindende Mittelpunkt fehlt, als geſprengt zu betrachten...
Seit die wichtige von Warſchau über Breslau nicht nur nach Berlin, ſon-
dern direct auch in das Herz Deutſchlands führende große Heerſtraße durch
keine Landesfeſte gedeckt iſt, kann Breslau von einem aus den polniſchen
Stellungen hervorbrechenden Heere in wenigen Tagen erreicht und nur
durch die Kraft eines dieſſeitigen mächtigen, ſchnell aufzubietenden und
nach Flankenbewegungen cooperirender Truppen zu unterſtützenden Heeres
geſchützt werden.“
Traurige Wahrheiten! Doch noch traurigere erwarten uns wenn wir
auf die deutſchen Oſt- und Nordſeeküſten blicken. Sie ſind bekannt. Wir
beſchränken uns deßhalb bei dem was Hr. v. Peucker ins einzelne eingehend
als nächſte Gefahr und nächſtes Bedürfniß nachweist, auf Hervorhebung
nur einzelner Sätze. „Nur in der richtigen Verbindung einer mobilen
Kriegsmarine mit dem paſſiven Schutze der Küſtenbefeſtigungen kann eine
genügende Sicherheit gefunden werden.“ Dieß iſt die Grundlage dieſer
Bemerkungen. „Der in dieſer Beziehung ſehr gefährdeten deutſchen Küſte
— heißt es dann weiter — ſtehen in unmittelbarer Nähe die impoſanten
Kriegsmarinen Rußlands, Schwedens und Dänemarks drohend entgegen.
Ungeachtet des natürlichen Schutzes der Küſte durch ziemlich regelmäßig
längs der flachen Ufer ſich hinziehende Reihen von Sandbänken wird das
Landen von Infanterie mittelſt Booten bei nicht zu ſehr bewegter See faſt
überall ausführbar. Eine für die eigenthümliche Geſtaltung unſerer Küſte
beſonders gefährliche Zugabe jener drei Kriegsflotten ſind dabei die leichten
Ruderflotten dieſer Staaten (Rußland hat an 250 Scheerenfahrzeuge,
Schweden 200, Norwegen 200, Dänemark 80). Der weſtliche Hafen Ruß-
lands Polangen (?) iſt vom Putziger Wyk, jenem unbefeſtigten von der
Natur gebildeten großen Kriegshafen, nur 30 Meilen, von den Odermün-
dungen nur 70 Meilen in gerader Waſſerſtraße entfernt. Mit günſtigem
Winde ſegelt eine Flotte dieſe Strecken in 1—2 Tagen. Eine däniſche
Flotte welche gegen Abend von Kopenhagen abſegelt, bedroht mit anbre-
chendem Morgen die deutſche Oſtſeeküſte. Die überaus wichtige Halbinſel
Darß, der weſtlichſte Punkt des preußiſchen Küſtenſaums, mit ihren Anker-
plätzen für Kriegsflotten, iſt nur 20 Meilen von Kopenhagen entfernt.
Zuſammengefaßt ſtellt ſich die militäriſche Lage des etwas über 100 Meilen
*) Nach amerikaniſchen Blättern ſoll Frankreich ſogar 348 Segelſchiffe mit
8116 Geſchützen und 61 Dampfern für den Kriegsfall in Bewegung ſetzen
können; im Frieden ſollen 24 Linienſchiffe und 40 Fregatten beſtändig
flott ſeyn. Getadelt wird der landmilitärartige Dienſt und die ganze Ein-
richtung. Alſo ein vom Peucker’ſchen abweichendes Urtheil, welches in-
deſſen nach ſeiner Quelle nicht als unparteiiſch hinzunehmen iſt. Wichtige
Beiträge zur Kenntniß des innern Lebens der franzöſiſchen Armee geben
die Aufſätze der Beilage zur Allg. Zeitung Nr. 40 und 53 dieſes Jahres.
D. Einſ.
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Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-09-16T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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