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Allgemeine Zeitung, Nr. 101, 11. April 1849.

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[Spaltenumbruch] punkt den die Frankfurter Versammlung der angestrebten deutschen Ein-
heit zu geben unternahm, zu sehr als eine Theorie und ein Ideal, als daß
sie Glauben an denselben fassen könnte. Zudem ist das Bewußtseyn der
ehemaligen Zusammengehörigkeit mit dem Reich vollständig und gänzlich
erloschen. Um so lebhafter ist die Theilnahme für alles was in Oester-
reich vorgeht; denn Oesterreich und Frankreich, das sind die beiden Potenzen
die seit Jahrhunderten in die Geschicke der Schweiz eingegriffen haben und
die auch auf die Zukunft der Schweiz den größten Einfluß ausüben werden.
Während der deutsche Kaiser als eine leere Abstraction dasteht, ist dagegen
den Schweizern der österreichische Kaiser eine Gestalt mit Fleisch und Bein,
ja er ist schlechtweg nur "der Kaiser." Diese Ansichten haben namentlich
in der östlichen Schweiz und in den innern Gebirgsländern tiefe Wurzeln;
hier kommt noch das Interesse der Religion und die historische Erinnerung
dazu. Denn wiewohl die Länder die den Grund zur schweizerischen Eid-
genossenschaft gelegt haben, mit dem Haus Habsburg große Kämpfe zu
bestehen hatten, so hörte doch, selbst nach erlangter Unabhängigkeit, nie-
mals ein gewisses näheres Verhältniß derselben zu dem genannten Hause
auf. Diese innere Verwandtschaft trat im Sonderbundskriege aufs klarste
hervor, und wenn dieselbe damals auf Irrwege kam die den heutigen staats-
rechtlichen Begriffen von nationaler Unabhängigkeit widerstreben, so ist
vielleicht ebenso sehr die jämmerliche Rolle daran schuld welche die euro-
päische Diplomatie zu jener Zeit spielte, als die extreme Richtung in welche
die sieben Stände durch unerhörte Befehdung von Seite der radicalen
Schweiz hineingetrieben worden waren. Nirgends in der Schweiz wurde
daher während des österreichisch italienischen Kriegs wohl eifriger Partei
genommen als in Luzern und den Urkantonen; hier hieß es recht eigent-
lich: Tua res agitur paries cum proximus ardet. Ja die Hoffnungen
die einige exaltirte Köpfe auf einen Sieg der Oesterreicher gründeten, liefen
auf nichts geringeres hinaus als auf eine Intervention Oesterreichs in der
Schweiz und Herstellung des frühern Regiments in den Sonderbunds-
kontonen -- Hoffnungen die nur auf gänzlicher Mißkennung dessen was
seit einem Jahr in Europa geschehen ist und auf der größten Selbstver-
blendung beruhen können. Die Theilnahme an den Ereignissen in Italien
und die Spannung auf den Ausgang des Kampfs war übrigens in der
ganzen Schweiz sehr groß. Bedeutende Aufregung herrschte namentlich
auch in Genf; denn hier und in Bern nistet, wie bekannt, die Anti-
neutralitätspartei. In Genf hatte der Agitator Fazy mit einer soge-
nannten Volksversammlung, in welcher Beschlüsse gegen den Fortbestand
der schweizerischen Militärcapitulationen mit Neapel erlassen wurden, die
Bewegung begonnen. Sein Journal, die "Revue de Geneve", drängte
ohne Unterlaß auf Betheiligung der Schweiz an dem italienischen Kriege
hin: "unterstützen müsse die Schweiz die Freiheitsbestrebungen des italie-
nischen Volks; durch eine energische Initiative könnte sie die Frage in dem
Sinn entscheiden daß der Friede Europa's für immer gesichert wäre."
Als die Nachricht von dem Unterliegen der Piemontesen eintraf, sagte das
genannte Blatt mit einem nicht übeln Wortspiel: wenn der allgemeine
Unwille nicht ausbricht, so waren wir alle unwürdig der Freiheit (si l'in-
dignation generale n'eclate pas, nous etions tous indignes de la
liberte).
Diese Stimmen fanden ein getreues Echo zu Bern in der
"Berner Zeitung." Nachdem dieses Blatt die längste Zeit die absurdesten
Berichte in radical-italienischem Sinn vom Kriegsschauplatz verbreitet
hatte, brach endlich die Wuth desselben über die vollständige Niederlage
der piemontesischen Armee in eine wahre Raserei aus, die sich in einem
Artikel mit der Ueberschrift "die Aristokraten immer die gleichen Volks-
verräther" Luft machte. Dieser Artikel schloß mit der unverblümten
Drohung: "So lange es Aristokraten gibt hat die Demokratie keinen
Frieden; das sollen sich alle Republicaner merken." Die Aristokraten,
fresserei ist ein Steckenpferd welches zu Bern seit dem Jahr 1831 unauf-
hörlich und mit vielem Erfolg geritten wurde; daß dieser publicistische
Schlachtgaul noch nicht zu tode getummelt ist bezeugt der Artikel der
"Berner Zeitung", der die Freude über den Sieg der kaiserlichen Waffen
als Hochverrath zu stempeln versuchte. Die "Neue Züricher Zeitung", be-
kanntlich ein von einem Italiener redigirtes Blatt, war zum voraus resig-
nirt und sah im Geist, durch die Ereignisse des vergangenen Jahres belehrt,
eine Unterjochung ganz Italiens durch Oesterreich voraus. Ja sie hatte
sich (mirabile dictu) ihrer natürlichen Sympathien so sehr entschlagen
daß sie mit bitterer Ironie den "Verfassungsfreund" züchtigte, welcher den
Satz aufgestellt hatte, Italien könne nicht unterliegen weil es für eine "Idee"
kämpfe. Den würdigsten Standpunkt hat die "Basler Zeitung", das gedie-
genste und wohl auch das verbreitetste Blatt der Schweiz, eingenommen. Nicht
nur hat dieselbe die Nachrichten vom Kriegsschauplatz für die nördliche Schweiz
und für das westliche Deutschland am schnellsten gebracht (wobei zu bedauern
ist daß einige deutsche, namentlich Frankfurter Blätter sie auf die unlo-
yalste Art zu plündern sich nicht geschämt haben), sondern sie hat
sich auch auf eine Weise geäußert welche ebenso sehr der militärischen
[Spaltenumbruch] Tüchtigkeit der österreichischen Armee Gerechtigkeit widerfahren läßt als
die Freiheitsbestrebungen Italiens in ihrem wahren Lichte darstellt. Im
allgemeinen verhält es sich daher in der Schweiz wie anderswo: die Partei
der Ordnung, der Gesetzlichkeit, des Friedens, der vernünftigen Freiheit
freut sich über den Sieg der kaiserlichen Waffen; die Partei der Unord-
nung, der Revolution, des Kriegs, der Anarchie bedauert denselben.




Die Neue Züricher Zeitung meldet aus der Bundesstadt:
"Die Regierung von Genf eröffnet dem Bundesrath daß sie von dessen letz-
ten Circularen keine Notiz nehmen könne, indem nach ihren Gesetzen das
freiwillige Dienstnehmen im Interesse der Freiheit nicht verhindert werden
könne, und indem Heinzen eine ganz unschuldige und unschädliche Person
sey. Die Bundesversammlung möge hierüber entscheiden, wird beigefügt.
Die "Revue de Geneve" bringt eine Erklärung von Heinzen, in welcher er
natürlich behauptet, er sey an alle dem was man ihm vorwirft so unschul-
dig wie ein Kind; sie meldet nichts von dem Beschlusse der Regierung,
erklärt sich aber ganz in dem erwähnten Sinne. (Basler Ztg.)




In dem von J. P. Becker redigirten Bieler Blatt: "die Evolution"
findet man umständliche Argumentationen für die Nothwendigkeit, durch
Mord, wo möglich massenhaften Mord, zum Ziel der Humanität zu
kommen. So heißt es in einem dieser (K. Heinzen unterzeichneten) Auf-
sätze: "Die Dinge müssen mit ihrem Namen genannt werden und die Wahr-
heit muß ans Licht, mag sie freundlich oder schrecklich aussehen, mag sie
die Friedensfarbe tragen oder das Roth des Kriegs. Seyen wir daher
offen und ehrlich, reißen wir den Schleier herab und sagen wir es mit
nackten Worten heraus was durch Handlungen und durch Drohungen,
durch Blut und durch Qual, durch Kanonen und durch Galgen, durch
Fürsten wie durch Blousenmänner, durch Croaten wie durch Demokraten
alle Tage, nur unter falschen Titeln, gepredigt wird: das Hauptmittel
der geschichtlichen Entwickelung ist der Mord
. Er ist es bis
jetzt, wird es aber hoffentlich nicht bleiben. Die Männer des Egoismus
beginnen den Mord, die Männer der Ideen erwiedern ihn. Beide mögen
sich drehen und winden wie sie wollen, dem Morden oder Gemordetwerden
weichen sie nicht aus, und die ultima ratio von beiden besteht einfach darin
den Gegner aus der Welt zu schaffen. . . . Unsere Gegner drängen uns mit
mörderischer Gewalt die Lehre auf daß es in unserer Zeit mehr als je auf
die Kunst ankomme Menschenleben zu zerstören. Ferdinand bombardirt
Neapel, Radetzky mordet die Lombarden, Windisch-Grätz beschießt Wien,
Jellachich läßt seine Croaten in den Eingeweiden der Gemordeten wühlen,
"Olim der Große" hat alle seine Mörder auf dem Posten, der Czar steht
im Hintergrunde mit Hunderttausenden mordfertiger Gesellen. Sie alle
tragen kein Bedenken ganze Städte zerstören, ganze Länder ruiniren, die
besten Menschen niederschießen, die Unschuldigsten morden, Weiber schän-
den, Kinder spießen, kurz die ganze Bestialität und Barbarei der Vergan-
genheit wieder aufleben zu lassen, um -- ein paar Throne zu retten und
die Menschenrechte fern zu halten. Und wir? Die Erfindungen pflegen
mit der sonstigen Entwickelung Hand in Hand zu gehen. Unsere Gegner
mit ihren massenhaften Zerstörungsmitteln werden Erfindungen hervorru-
fen wodurch der Vortheil der Zerstörungskraft den Heeresmassen streitig
gemacht wird. Der größte Wohlthäter der Menschheit wird seyn wer es
weniger möglich machte Tausende niederzustrecken. Wenn wir hören daß
mit Mordknechten beladene Eisenbahnzüge durch einen unter die Schienen
gelegten Fingerhutvoll Knallsilber von der Bahn geworfen, daß unter den
Pflastersteinen gefüllte, mit einem Hahn versehene Bombenkugeln ange-
bracht werden welche ganze Compagnien eindringender Barbaren beim
Auftreten niederreißen, daß vielleicht giftgefüllte, in der Luft zerplatzende
Behälter Verderben auf ganze Regimenter niederregnen, daß unterirdische
Kammern voll Knallsilber ganze Städte mit 100,000 Mordknechten in die
Luft sprengen u. s. w., so werden wir darin nur Mittel zu erblicken haben
welche die massenhafte Barbarei der Reaction der verzweifelnden Freiheits-
partei zur Nothwehr aufgedrungen hat. Der mordenden Reaction gegen-
über ein Gewissen haben, heißt gewissenlos seyn. Sie vernichten auf alle
Weise, mit allen Mitteln, an allen Orten, das drängt sich uns als Pflicht,
als Gerechtigkeit, als Humanität auf. Kossuth war ein Mann von Ener-
gie, aber Kossuth hat zu wenig an Erfindungen gedacht, und Kossuth hat
das Knallsilber übersehen. Muß man einen halben Welttheil in die Luft
sprengen und ein Meer von Blut vergreßen um die Barbarenpartei zu
ruiniren, so soll man kein Bedenken tragen. Der hat kein republikani-
sches Herz im Leibe, der nicht die Genugthuung eine Million Barba-
ren unter die Erde zu bringen freudig mit seinem Leben bezahlte.



[Spaltenumbruch] punkt den die Frankfurter Verſammlung der angeſtrebten deutſchen Ein-
heit zu geben unternahm, zu ſehr als eine Theorie und ein Ideal, als daß
ſie Glauben an denſelben faſſen könnte. Zudem iſt das Bewußtſeyn der
ehemaligen Zuſammengehörigkeit mit dem Reich vollſtändig und gänzlich
erloſchen. Um ſo lebhafter iſt die Theilnahme für alles was in Oeſter-
reich vorgeht; denn Oeſterreich und Frankreich, das ſind die beiden Potenzen
die ſeit Jahrhunderten in die Geſchicke der Schweiz eingegriffen haben und
die auch auf die Zukunft der Schweiz den größten Einfluß ausüben werden.
Während der deutſche Kaiſer als eine leere Abſtraction daſteht, iſt dagegen
den Schweizern der öſterreichiſche Kaiſer eine Geſtalt mit Fleiſch und Bein,
ja er iſt ſchlechtweg nur „der Kaiſer.“ Dieſe Anſichten haben namentlich
in der öſtlichen Schweiz und in den innern Gebirgsländern tiefe Wurzeln;
hier kommt noch das Intereſſe der Religion und die hiſtoriſche Erinnerung
dazu. Denn wiewohl die Länder die den Grund zur ſchweizeriſchen Eid-
genoſſenſchaft gelegt haben, mit dem Haus Habsburg große Kämpfe zu
beſtehen hatten, ſo hörte doch, ſelbſt nach erlangter Unabhängigkeit, nie-
mals ein gewiſſes näheres Verhältniß derſelben zu dem genannten Hauſe
auf. Dieſe innere Verwandtſchaft trat im Sonderbundskriege aufs klarſte
hervor, und wenn dieſelbe damals auf Irrwege kam die den heutigen ſtaats-
rechtlichen Begriffen von nationaler Unabhängigkeit widerſtreben, ſo iſt
vielleicht ebenſo ſehr die jämmerliche Rolle daran ſchuld welche die euro-
päiſche Diplomatie zu jener Zeit ſpielte, als die extreme Richtung in welche
die ſieben Stände durch unerhörte Befehdung von Seite der radicalen
Schweiz hineingetrieben worden waren. Nirgends in der Schweiz wurde
daher während des öſterreichiſch italieniſchen Kriegs wohl eifriger Partei
genommen als in Luzern und den Urkantonen; hier hieß es recht eigent-
lich: Tua res agitur paries cum proximus ardet. Ja die Hoffnungen
die einige exaltirte Köpfe auf einen Sieg der Oeſterreicher gründeten, liefen
auf nichts geringeres hinaus als auf eine Intervention Oeſterreichs in der
Schweiz und Herſtellung des frühern Regiments in den Sonderbunds-
kontonen — Hoffnungen die nur auf gänzlicher Mißkennung deſſen was
ſeit einem Jahr in Europa geſchehen iſt und auf der größten Selbſtver-
blendung beruhen können. Die Theilnahme an den Ereigniſſen in Italien
und die Spannung auf den Ausgang des Kampfs war übrigens in der
ganzen Schweiz ſehr groß. Bedeutende Aufregung herrſchte namentlich
auch in Genf; denn hier und in Bern niſtet, wie bekannt, die Anti-
neutralitätspartei. In Genf hatte der Agitator Fazy mit einer ſoge-
nannten Volksverſammlung, in welcher Beſchlüſſe gegen den Fortbeſtand
der ſchweizeriſchen Militärcapitulationen mit Neapel erlaſſen wurden, die
Bewegung begonnen. Sein Journal, die „Revue de Genève“, drängte
ohne Unterlaß auf Betheiligung der Schweiz an dem italieniſchen Kriege
hin: „unterſtützen müſſe die Schweiz die Freiheitsbeſtrebungen des italie-
niſchen Volks; durch eine energiſche Initiative könnte ſie die Frage in dem
Sinn entſcheiden daß der Friede Europa’s für immer geſichert wäre.“
Als die Nachricht von dem Unterliegen der Piemonteſen eintraf, ſagte das
genannte Blatt mit einem nicht übeln Wortſpiel: wenn der allgemeine
Unwille nicht ausbricht, ſo waren wir alle unwürdig der Freiheit (si l’in-
dignation générale n’éclate pas, nous étions tous indignes de la
liberté).
Dieſe Stimmen fanden ein getreues Echo zu Bern in der
„Berner Zeitung.“ Nachdem dieſes Blatt die längſte Zeit die abſurdeſten
Berichte in radical-italieniſchem Sinn vom Kriegsſchauplatz verbreitet
hatte, brach endlich die Wuth desſelben über die vollſtändige Niederlage
der piemonteſiſchen Armee in eine wahre Raſerei aus, die ſich in einem
Artikel mit der Ueberſchrift „die Ariſtokraten immer die gleichen Volks-
verräther“ Luft machte. Dieſer Artikel ſchloß mit der unverblümten
Drohung: „So lange es Ariſtokraten gibt hat die Demokratie keinen
Frieden; das ſollen ſich alle Republicaner merken.“ Die Ariſtokraten,
freſſerei iſt ein Steckenpferd welches zu Bern ſeit dem Jahr 1831 unauf-
hörlich und mit vielem Erfolg geritten wurde; daß dieſer publiciſtiſche
Schlachtgaul noch nicht zu tode getummelt iſt bezeugt der Artikel der
„Berner Zeitung“, der die Freude über den Sieg der kaiſerlichen Waffen
als Hochverrath zu ſtempeln verſuchte. Die „Neue Züricher Zeitung“, be-
kanntlich ein von einem Italiener redigirtes Blatt, war zum voraus reſig-
nirt und ſah im Geiſt, durch die Ereigniſſe des vergangenen Jahres belehrt,
eine Unterjochung ganz Italiens durch Oeſterreich voraus. Ja ſie hatte
ſich (mirabile dictu) ihrer natürlichen Sympathien ſo ſehr entſchlagen
daß ſie mit bitterer Ironie den „Verfaſſungsfreund“ züchtigte, welcher den
Satz aufgeſtellt hatte, Italien könne nicht unterliegen weil es für eine „Idee“
kämpfe. Den würdigſten Standpunkt hat die „Basler Zeitung“, das gedie-
genſte und wohl auch das verbreitetſte Blatt der Schweiz, eingenommen. Nicht
nur hat dieſelbe die Nachrichten vom Kriegsſchauplatz für die nördliche Schweiz
und für das weſtliche Deutſchland am ſchnellſten gebracht (wobei zu bedauern
iſt daß einige deutſche, namentlich Frankfurter Blätter ſie auf die unlo-
yalſte Art zu plündern ſich nicht geſchämt haben), ſondern ſie hat
ſich auch auf eine Weiſe geäußert welche ebenſo ſehr der militäriſchen
[Spaltenumbruch] Tüchtigkeit der öſterreichiſchen Armee Gerechtigkeit widerfahren läßt als
die Freiheitsbeſtrebungen Italiens in ihrem wahren Lichte darſtellt. Im
allgemeinen verhält es ſich daher in der Schweiz wie anderswo: die Partei
der Ordnung, der Geſetzlichkeit, des Friedens, der vernünftigen Freiheit
freut ſich über den Sieg der kaiſerlichen Waffen; die Partei der Unord-
nung, der Revolution, des Kriegs, der Anarchie bedauert denſelben.




Die Neue Züricher Zeitung meldet aus der Bundesſtadt:
„Die Regierung von Genf eröffnet dem Bundesrath daß ſie von deſſen letz-
ten Circularen keine Notiz nehmen könne, indem nach ihren Geſetzen das
freiwillige Dienſtnehmen im Intereſſe der Freiheit nicht verhindert werden
könne, und indem Heinzen eine ganz unſchuldige und unſchädliche Perſon
ſey. Die Bundesverſammlung möge hierüber entſcheiden, wird beigefügt.
Die „Revue de Genève“ bringt eine Erklärung von Heinzen, in welcher er
natürlich behauptet, er ſey an alle dem was man ihm vorwirft ſo unſchul-
dig wie ein Kind; ſie meldet nichts von dem Beſchluſſe der Regierung,
erklärt ſich aber ganz in dem erwähnten Sinne. (Basler Ztg.)




In dem von J. P. Becker redigirten Bieler Blatt: „die Evolution“
findet man umſtändliche Argumentationen für die Nothwendigkeit, durch
Mord, wo möglich maſſenhaften Mord, zum Ziel der Humanität zu
kommen. So heißt es in einem dieſer (K. Heinzen unterzeichneten) Auf-
ſätze: „Die Dinge müſſen mit ihrem Namen genannt werden und die Wahr-
heit muß ans Licht, mag ſie freundlich oder ſchrecklich ausſehen, mag ſie
die Friedensfarbe tragen oder das Roth des Kriegs. Seyen wir daher
offen und ehrlich, reißen wir den Schleier herab und ſagen wir es mit
nackten Worten heraus was durch Handlungen und durch Drohungen,
durch Blut und durch Qual, durch Kanonen und durch Galgen, durch
Fürſten wie durch Blouſenmänner, durch Croaten wie durch Demokraten
alle Tage, nur unter falſchen Titeln, gepredigt wird: das Hauptmittel
der geſchichtlichen Entwickelung iſt der Mord
. Er iſt es bis
jetzt, wird es aber hoffentlich nicht bleiben. Die Männer des Egoismus
beginnen den Mord, die Männer der Ideen erwiedern ihn. Beide mögen
ſich drehen und winden wie ſie wollen, dem Morden oder Gemordetwerden
weichen ſie nicht aus, und die ultima ratio von beiden beſteht einfach darin
den Gegner aus der Welt zu ſchaffen. . . . Unſere Gegner drängen uns mit
mörderiſcher Gewalt die Lehre auf daß es in unſerer Zeit mehr als je auf
die Kunſt ankomme Menſchenleben zu zerſtören. Ferdinand bombardirt
Neapel, Radetzky mordet die Lombarden, Windiſch-Grätz beſchießt Wien,
Jellachich läßt ſeine Croaten in den Eingeweiden der Gemordeten wühlen,
„Olim der Große“ hat alle ſeine Mörder auf dem Poſten, der Czar ſteht
im Hintergrunde mit Hunderttauſenden mordfertiger Geſellen. Sie alle
tragen kein Bedenken ganze Städte zerſtören, ganze Länder ruiniren, die
beſten Menſchen niederſchießen, die Unſchuldigſten morden, Weiber ſchän-
den, Kinder ſpießen, kurz die ganze Beſtialität und Barbarei der Vergan-
genheit wieder aufleben zu laſſen, um — ein paar Throne zu retten und
die Menſchenrechte fern zu halten. Und wir? Die Erfindungen pflegen
mit der ſonſtigen Entwickelung Hand in Hand zu gehen. Unſere Gegner
mit ihren maſſenhaften Zerſtörungsmitteln werden Erfindungen hervorru-
fen wodurch der Vortheil der Zerſtörungskraft den Heeresmaſſen ſtreitig
gemacht wird. Der größte Wohlthäter der Menſchheit wird ſeyn wer es
weniger möglich machte Tauſende niederzuſtrecken. Wenn wir hören daß
mit Mordknechten beladene Eiſenbahnzüge durch einen unter die Schienen
gelegten Fingerhutvoll Knallſilber von der Bahn geworfen, daß unter den
Pflaſterſteinen gefüllte, mit einem Hahn verſehene Bombenkugeln ange-
bracht werden welche ganze Compagnien eindringender Barbaren beim
Auftreten niederreißen, daß vielleicht giftgefüllte, in der Luft zerplatzende
Behälter Verderben auf ganze Regimenter niederregnen, daß unterirdiſche
Kammern voll Knallſilber ganze Städte mit 100,000 Mordknechten in die
Luft ſprengen u. ſ. w., ſo werden wir darin nur Mittel zu erblicken haben
welche die maſſenhafte Barbarei der Reaction der verzweifelnden Freiheits-
partei zur Nothwehr aufgedrungen hat. Der mordenden Reaction gegen-
über ein Gewiſſen haben, heißt gewiſſenlos ſeyn. Sie vernichten auf alle
Weiſe, mit allen Mitteln, an allen Orten, das drängt ſich uns als Pflicht,
als Gerechtigkeit, als Humanität auf. Koſſuth war ein Mann von Ener-
gie, aber Koſſuth hat zu wenig an Erfindungen gedacht, und Koſſuth hat
das Knallſilber überſehen. Muß man einen halben Welttheil in die Luft
ſprengen und ein Meer von Blut vergreßen um die Barbarenpartei zu
ruiniren, ſo ſoll man kein Bedenken tragen. Der hat kein republikani-
ſches Herz im Leibe, der nicht die Genugthuung eine Million Barba-
ren unter die Erde zu bringen freudig mit ſeinem Leben bezahlte.



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[1554/0014] punkt den die Frankfurter Verſammlung der angeſtrebten deutſchen Ein- heit zu geben unternahm, zu ſehr als eine Theorie und ein Ideal, als daß ſie Glauben an denſelben faſſen könnte. Zudem iſt das Bewußtſeyn der ehemaligen Zuſammengehörigkeit mit dem Reich vollſtändig und gänzlich erloſchen. Um ſo lebhafter iſt die Theilnahme für alles was in Oeſter- reich vorgeht; denn Oeſterreich und Frankreich, das ſind die beiden Potenzen die ſeit Jahrhunderten in die Geſchicke der Schweiz eingegriffen haben und die auch auf die Zukunft der Schweiz den größten Einfluß ausüben werden. Während der deutſche Kaiſer als eine leere Abſtraction daſteht, iſt dagegen den Schweizern der öſterreichiſche Kaiſer eine Geſtalt mit Fleiſch und Bein, ja er iſt ſchlechtweg nur „der Kaiſer.“ Dieſe Anſichten haben namentlich in der öſtlichen Schweiz und in den innern Gebirgsländern tiefe Wurzeln; hier kommt noch das Intereſſe der Religion und die hiſtoriſche Erinnerung dazu. Denn wiewohl die Länder die den Grund zur ſchweizeriſchen Eid- genoſſenſchaft gelegt haben, mit dem Haus Habsburg große Kämpfe zu beſtehen hatten, ſo hörte doch, ſelbſt nach erlangter Unabhängigkeit, nie- mals ein gewiſſes näheres Verhältniß derſelben zu dem genannten Hauſe auf. Dieſe innere Verwandtſchaft trat im Sonderbundskriege aufs klarſte hervor, und wenn dieſelbe damals auf Irrwege kam die den heutigen ſtaats- rechtlichen Begriffen von nationaler Unabhängigkeit widerſtreben, ſo iſt vielleicht ebenſo ſehr die jämmerliche Rolle daran ſchuld welche die euro- päiſche Diplomatie zu jener Zeit ſpielte, als die extreme Richtung in welche die ſieben Stände durch unerhörte Befehdung von Seite der radicalen Schweiz hineingetrieben worden waren. Nirgends in der Schweiz wurde daher während des öſterreichiſch italieniſchen Kriegs wohl eifriger Partei genommen als in Luzern und den Urkantonen; hier hieß es recht eigent- lich: Tua res agitur paries cum proximus ardet. Ja die Hoffnungen die einige exaltirte Köpfe auf einen Sieg der Oeſterreicher gründeten, liefen auf nichts geringeres hinaus als auf eine Intervention Oeſterreichs in der Schweiz und Herſtellung des frühern Regiments in den Sonderbunds- kontonen — Hoffnungen die nur auf gänzlicher Mißkennung deſſen was ſeit einem Jahr in Europa geſchehen iſt und auf der größten Selbſtver- blendung beruhen können. Die Theilnahme an den Ereigniſſen in Italien und die Spannung auf den Ausgang des Kampfs war übrigens in der ganzen Schweiz ſehr groß. Bedeutende Aufregung herrſchte namentlich auch in Genf; denn hier und in Bern niſtet, wie bekannt, die Anti- neutralitätspartei. In Genf hatte der Agitator Fazy mit einer ſoge- nannten Volksverſammlung, in welcher Beſchlüſſe gegen den Fortbeſtand der ſchweizeriſchen Militärcapitulationen mit Neapel erlaſſen wurden, die Bewegung begonnen. Sein Journal, die „Revue de Genève“, drängte ohne Unterlaß auf Betheiligung der Schweiz an dem italieniſchen Kriege hin: „unterſtützen müſſe die Schweiz die Freiheitsbeſtrebungen des italie- niſchen Volks; durch eine energiſche Initiative könnte ſie die Frage in dem Sinn entſcheiden daß der Friede Europa’s für immer geſichert wäre.“ Als die Nachricht von dem Unterliegen der Piemonteſen eintraf, ſagte das genannte Blatt mit einem nicht übeln Wortſpiel: wenn der allgemeine Unwille nicht ausbricht, ſo waren wir alle unwürdig der Freiheit (si l’in- dignation générale n’éclate pas, nous étions tous indignes de la liberté). Dieſe Stimmen fanden ein getreues Echo zu Bern in der „Berner Zeitung.“ Nachdem dieſes Blatt die längſte Zeit die abſurdeſten Berichte in radical-italieniſchem Sinn vom Kriegsſchauplatz verbreitet hatte, brach endlich die Wuth desſelben über die vollſtändige Niederlage der piemonteſiſchen Armee in eine wahre Raſerei aus, die ſich in einem Artikel mit der Ueberſchrift „die Ariſtokraten immer die gleichen Volks- verräther“ Luft machte. Dieſer Artikel ſchloß mit der unverblümten Drohung: „So lange es Ariſtokraten gibt hat die Demokratie keinen Frieden; das ſollen ſich alle Republicaner merken.“ Die Ariſtokraten, freſſerei iſt ein Steckenpferd welches zu Bern ſeit dem Jahr 1831 unauf- hörlich und mit vielem Erfolg geritten wurde; daß dieſer publiciſtiſche Schlachtgaul noch nicht zu tode getummelt iſt bezeugt der Artikel der „Berner Zeitung“, der die Freude über den Sieg der kaiſerlichen Waffen als Hochverrath zu ſtempeln verſuchte. Die „Neue Züricher Zeitung“, be- kanntlich ein von einem Italiener redigirtes Blatt, war zum voraus reſig- nirt und ſah im Geiſt, durch die Ereigniſſe des vergangenen Jahres belehrt, eine Unterjochung ganz Italiens durch Oeſterreich voraus. Ja ſie hatte ſich (mirabile dictu) ihrer natürlichen Sympathien ſo ſehr entſchlagen daß ſie mit bitterer Ironie den „Verfaſſungsfreund“ züchtigte, welcher den Satz aufgeſtellt hatte, Italien könne nicht unterliegen weil es für eine „Idee“ kämpfe. Den würdigſten Standpunkt hat die „Basler Zeitung“, das gedie- genſte und wohl auch das verbreitetſte Blatt der Schweiz, eingenommen. 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Die Neue Züricher Zeitung meldet aus der Bundesſtadt: „Die Regierung von Genf eröffnet dem Bundesrath daß ſie von deſſen letz- ten Circularen keine Notiz nehmen könne, indem nach ihren Geſetzen das freiwillige Dienſtnehmen im Intereſſe der Freiheit nicht verhindert werden könne, und indem Heinzen eine ganz unſchuldige und unſchädliche Perſon ſey. Die Bundesverſammlung möge hierüber entſcheiden, wird beigefügt. Die „Revue de Genève“ bringt eine Erklärung von Heinzen, in welcher er natürlich behauptet, er ſey an alle dem was man ihm vorwirft ſo unſchul- dig wie ein Kind; ſie meldet nichts von dem Beſchluſſe der Regierung, erklärt ſich aber ganz in dem erwähnten Sinne. (Basler Ztg.) In dem von J. P. Becker redigirten Bieler Blatt: „die Evolution“ findet man umſtändliche Argumentationen für die Nothwendigkeit, durch Mord, wo möglich maſſenhaften Mord, zum Ziel der Humanität zu kommen. So heißt es in einem dieſer (K. Heinzen unterzeichneten) Auf- ſätze: „Die Dinge müſſen mit ihrem Namen genannt werden und die Wahr- heit muß ans Licht, mag ſie freundlich oder ſchrecklich ausſehen, mag ſie die Friedensfarbe tragen oder das Roth des Kriegs. Seyen wir daher offen und ehrlich, reißen wir den Schleier herab und ſagen wir es mit nackten Worten heraus was durch Handlungen und durch Drohungen, durch Blut und durch Qual, durch Kanonen und durch Galgen, durch Fürſten wie durch Blouſenmänner, durch Croaten wie durch Demokraten alle Tage, nur unter falſchen Titeln, gepredigt wird: das Hauptmittel der geſchichtlichen Entwickelung iſt der Mord. Er iſt es bis jetzt, wird es aber hoffentlich nicht bleiben. Die Männer des Egoismus beginnen den Mord, die Männer der Ideen erwiedern ihn. Beide mögen ſich drehen und winden wie ſie wollen, dem Morden oder Gemordetwerden weichen ſie nicht aus, und die ultima ratio von beiden beſteht einfach darin den Gegner aus der Welt zu ſchaffen. . . . Unſere Gegner drängen uns mit mörderiſcher Gewalt die Lehre auf daß es in unſerer Zeit mehr als je auf die Kunſt ankomme Menſchenleben zu zerſtören. Ferdinand bombardirt Neapel, Radetzky mordet die Lombarden, Windiſch-Grätz beſchießt Wien, Jellachich läßt ſeine Croaten in den Eingeweiden der Gemordeten wühlen, „Olim der Große“ hat alle ſeine Mörder auf dem Poſten, der Czar ſteht im Hintergrunde mit Hunderttauſenden mordfertiger Geſellen. Sie alle tragen kein Bedenken ganze Städte zerſtören, ganze Länder ruiniren, die beſten Menſchen niederſchießen, die Unſchuldigſten morden, Weiber ſchän- den, Kinder ſpießen, kurz die ganze Beſtialität und Barbarei der Vergan- genheit wieder aufleben zu laſſen, um — ein paar Throne zu retten und die Menſchenrechte fern zu halten. Und wir? Die Erfindungen pflegen mit der ſonſtigen Entwickelung Hand in Hand zu gehen. Unſere Gegner mit ihren maſſenhaften Zerſtörungsmitteln werden Erfindungen hervorru- fen wodurch der Vortheil der Zerſtörungskraft den Heeresmaſſen ſtreitig gemacht wird. Der größte Wohlthäter der Menſchheit wird ſeyn wer es weniger möglich machte Tauſende niederzuſtrecken. Wenn wir hören daß mit Mordknechten beladene Eiſenbahnzüge durch einen unter die Schienen gelegten Fingerhutvoll Knallſilber von der Bahn geworfen, daß unter den Pflaſterſteinen gefüllte, mit einem Hahn verſehene Bombenkugeln ange- bracht werden welche ganze Compagnien eindringender Barbaren beim Auftreten niederreißen, daß vielleicht giftgefüllte, in der Luft zerplatzende Behälter Verderben auf ganze Regimenter niederregnen, daß unterirdiſche Kammern voll Knallſilber ganze Städte mit 100,000 Mordknechten in die Luft ſprengen u. ſ. w., ſo werden wir darin nur Mittel zu erblicken haben welche die maſſenhafte Barbarei der Reaction der verzweifelnden Freiheits- partei zur Nothwehr aufgedrungen hat. 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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-09-09T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 101, 11. April 1849, S. 1554. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine101_1849/14>, abgerufen am 21.11.2024.