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Allgemeine Zeitung, Nr. 6, 6. Januar 1830.

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6 Januar.
Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
Nro. 6. 1830.



[Spaltenumbruch]
Der Wollhandel.
(Fortsezung.)

Der Wollhandel in Deutschland hat von seiner Entstehung an
die natürlichen Schwankungen, denen fast jeder Handel unterwor-
fen ist, angegeben. Im Anfange ward er unter großer Vorsicht
betrieben, und es waren nur einzelne Häuser, die ihn fast als
Monopolisten inne hatten. Das Geschäft derselben mußte sich
nothwendig von Jahr zu Jahr erweitern, weil die Erzeugung der
edlen Wolle immer zunahm. Im Anfange verlor sich dis auf den
Märkten, und die Handelshäuser, welche sie kauften, waren schlau
genug dahin zu arbeiten, daß sie so wenig als möglich auf den-
selben erschien, damit sie sie jederzeit sicher hätten. Sie suchten
sie daher am Orte der Erzeugung auf. Die große Bequemlichkeit,
welche daraus für den Produzenten erwuchs, hielt ihn ab, nur
daran zu denken, ob er vielleicht auf einem andern Wege bessere
Preise bekommen könnte. Doch bewirkte endlich die ungeheure
und reißende Zunahme der Waare, so wie die eben so starke Nach-
frage vom Auslande nach derselben, daß das Wollhandlungsgeschäft
in mehrere Hände überging. Aber noch verkaufte sie der Produ-
zent meist im Hause, und nur die immer steigende Masse zwang
endlich zum Anbot auf öffentlichem Markte. Der von Breslau
war es, wo man zuerst feine Wolle in großen Partien fand. Denn
wenn es auch scheinen möchte, daß dis in Leipzig noch mehr hätte
statt finden sollen, so blieb dieser doch immer fast nur auf die
kleinen Partien beschränkt, die noch nicht Ruf genug hatten, um
im Hause des Erzeugers aufgesucht zu werden. Da Sachsen zu-
erst in ganz Deutschland sich auf eine bedeutende Höhe mit der
Veredlung seiner Wolle geschwungen hatte, so war es ganz na-
türlich, daß auch dort die ersten großen Wollhandlungen sich grün-
deten, und daß von diesen auch die Haupteinkäufe auf dem Bres-
lauer Wollmarkte gemacht wurden. Sie versahen den englischen
Markt mehr als den niederländischen, und in England ward bald
die deutsche Wolle, vom Lande ihrer direkten Beziehung, unter
dem Namen Elektoral- (kurfürstliche) Wolle bekannt. Da man
nur die edelste dahin sandte, weil nur sie die Kosten des Trans-
ports, Imposts etc. am leichtesten trug, so war der Begrif von
Elektoralwolle identisch mit dem von sehr edler oder suprafeiner,
und er hat sich jezt auf alle Wolle von dieser Vollkommenheit
übergetragen, sie mag nun erzeugt seyn in welchem Lande sie
will. Daß die Niederländer, die zwar fast immer nur die fei-
nen Mittelsorten in Deutschland suchten, ihre Käufe lieber di-
rekt, als erst mittelbar durch die sächsischen Häuser machten, be-
sonders da die Entfernung der Märkte kein Hinderniß für sie
seyn konnte, liegt in der Natur der Sache. Sie waren es auch,
die fast zu gleicher Zeit mit den Sachsen am Breslauer Woll-
markte erschienen. Wohl verstanden! ist hier immer nur die
Rede von dem Zeitpunkte an, wo hochveredelte Wolle an diesen
Markt kam, was ungefähr mit dem Anfange des jezigen Jahr-
hunderts anhob. Denn früher waren schon seit länger als ei-
nem Jahrhunderte die sächsischen Manufakturisten der in Schle-
sien erzeugten Wolle nachgegangen. -- Die für Schafzucht gün-
stige Lage dieses Landes ward von seinen Landwirthen richtig auf-
gefaßt, die und Zunahme der Masse und Güte der Wolle sezte
in Erstaunen. Aus Oestreich strömte die Wolle meist nach Frank-
furt am Main, nur die edelste ging über Sachsen nach Eng-
[Spaltenumbruch] land, und galt dort als in lezterem Lande erzeugte. Direkt
bezogen die Engländer zuerst Wolle vom Breslauer und
Berliner Markte, und ihre Zahl als Käufer ist seit etwa
zwanzig Jahren fast immer gestiegen, so daß sie nunmehr fast
alle deutschen Wollmärkte besuchen. Doch wir können uns nur
auf allgemeine Data einlassen. Seit Anfang der starken Nach-
frage nach veredelter Wolle in Deutschland hat die Konjunktur
für dieselbe sich zuweilen seht wunderbar gestaltet. Der beim
Einkaufe derselben gemachte Gewinn reizte zuweilen zu großen,
mitunter nicht mit der gehörigen Umsicht gemachten Spekulatio-
nen. Die Wolle ward dadurch über Gebühr in die Höhe getrie-
ben. Unkundige, die da glaubten, man dürfe nur Geld in die-
sem Artikel anlegen, um hohen Gewinn damit zu machen, kauf-
ten unbesonnen. Je mehr deren waren, desto höher stellte sich
die Meynung für die Waare, und desto mehr steigerte sich ihr
Preis. Einigemal kam dis vor, und die erlittene Einbuße machte
immer wieder eine Zeitlang vorsichtig. -- Am merkwürdigsten
trat aber das Jahr 1825 hervor. Als ob die Luft den Schwin-
delgeist bei sich geführt hätte, fiel auf einmal Alles auf Speku-
lationen roher Produkte und namentlich auch auf Wolle. Der
Preis stieg über alle Erwartung, und Waare die gar nicht als
edle genannt werden konnte, erlangte doch den Preis von dieser.
Man riß sich so zu sagen darum. Die Folgen davon sahen Ver-
ständige voraus, obgleich im Rausche alle übrigen glaubten, es
müsse nunmehr immer so seyn. Da nun das Jahr vor dem ge-
dachten die Wollpreise ebenfalls hoch waren, so litt durch die
Meynung, man habe nur ein Produkt, was das edelste sey, und
was stets gut bezahlt werden müsse, die Veredlung der Schäfe-
reien ungemein. Man kaufte freilich Widder, um es noch höher
zu bringen, aber dis geschah mit zu wenig Umsicht und Aus-
wahl, und theure Preise derselben waren oft den Käufern genü-
gende Garantie für deren wirklichen Werth. Der Wollhandel
selbst aber bekam bald nach jenem Schwindel einen furchtbaren
Stoß, und die Reaktion desselben ward im darauf folgenden
Jahre von den Wollproduzenten sehr schmerzlich gefühlt. Die
Preise gingen gegen das vorhergehende fast auf die Hälfte herab,
und manches erbaute Luftschloß ward dadurch eingestürzt. -- Eine
der nachtheiligsten Folgen aber, die aus dieser Kalamität ent-
stand, war die Entstehung des Kommissionshandels. Die schmerz-
lichen Verluste, welche die Wollhändler im Jahre 1825 erlitten,
und die den Sturz von Vielen, sowohl auf dem Kontinente als
in England, nach sich gezogen hatten, legten ihnen bei ihren künf-
tigen Einkäufen die größte Vorsicht auf: theils um nicht wieder
neue Gefahr zu laufen, theils aber auch, um ihre frühere Ein-
buße in etwas wieder zu erstatten. -- Wer konnte sie darum
tadeln, und wer wird es ungerecht finden, daß nun die Wollpro-
duzenten den Gewinn vom vorigen Jahre, den sie mitunter so
sehr ohne vieles Verdienst gemacht hatten, zum Theil zur Ent-
schädigung den Verlustleidenden herausgeben sollten? Hart ging
es ihnen an, und Viele konnten sich gar nicht darein finden. Ihre
Hartnäkigkeit machte, daß sie ihre Wolle behielten. Dis hatte
für den Augenblik den guten Erfolg, daß die Preise nicht noch
mehr fallen konnten, weil jene fast außer dem Anbote zu rechnen
war. In Preußen traten noch, um das Uebel für die Produzenten
nicht zu groß und verderblich werden zu lassen, die Seehandlung

6 Januar.
Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
Nro. 6. 1830.



[Spaltenumbruch]
Der Wollhandel.
(Fortſezung.)

Der Wollhandel in Deutſchland hat von ſeiner Entſtehung an
die natürlichen Schwankungen, denen faſt jeder Handel unterwor-
fen iſt, angegeben. Im Anfange ward er unter großer Vorſicht
betrieben, und es waren nur einzelne Häuſer, die ihn faſt als
Monopoliſten inne hatten. Das Geſchäft derſelben mußte ſich
nothwendig von Jahr zu Jahr erweitern, weil die Erzeugung der
edlen Wolle immer zunahm. Im Anfange verlor ſich dis auf den
Märkten, und die Handelshäuſer, welche ſie kauften, waren ſchlau
genug dahin zu arbeiten, daß ſie ſo wenig als möglich auf den-
ſelben erſchien, damit ſie ſie jederzeit ſicher hätten. Sie ſuchten
ſie daher am Orte der Erzeugung auf. Die große Bequemlichkeit,
welche daraus für den Produzenten erwuchs, hielt ihn ab, nur
daran zu denken, ob er vielleicht auf einem andern Wege beſſere
Preiſe bekommen könnte. Doch bewirkte endlich die ungeheure
und reißende Zunahme der Waare, ſo wie die eben ſo ſtarke Nach-
frage vom Auslande nach derſelben, daß das Wollhandlungsgeſchäft
in mehrere Hände überging. Aber noch verkaufte ſie der Produ-
zent meiſt im Hauſe, und nur die immer ſteigende Maſſe zwang
endlich zum Anbot auf öffentlichem Markte. Der von Breslau
war es, wo man zuerſt feine Wolle in großen Partien fand. Denn
wenn es auch ſcheinen möchte, daß dis in Leipzig noch mehr hätte
ſtatt finden ſollen, ſo blieb dieſer doch immer faſt nur auf die
kleinen Partien beſchränkt, die noch nicht Ruf genug hatten, um
im Hauſe des Erzeugers aufgeſucht zu werden. Da Sachſen zu-
erſt in ganz Deutſchland ſich auf eine bedeutende Höhe mit der
Veredlung ſeiner Wolle geſchwungen hatte, ſo war es ganz na-
türlich, daß auch dort die erſten großen Wollhandlungen ſich grün-
deten, und daß von dieſen auch die Haupteinkäufe auf dem Bres-
lauer Wollmarkte gemacht wurden. Sie verſahen den engliſchen
Markt mehr als den niederländiſchen, und in England ward bald
die deutſche Wolle, vom Lande ihrer direkten Beziehung, unter
dem Namen Elektoral- (kurfürſtliche) Wolle bekannt. Da man
nur die edelſte dahin ſandte, weil nur ſie die Koſten des Trans-
ports, Impoſts ꝛc. am leichteſten trug, ſo war der Begrif von
Elektoralwolle identiſch mit dem von ſehr edler oder ſuprafeiner,
und er hat ſich jezt auf alle Wolle von dieſer Vollkommenheit
übergetragen, ſie mag nun erzeugt ſeyn in welchem Lande ſie
will. Daß die Niederländer, die zwar faſt immer nur die fei-
nen Mittelſorten in Deutſchland ſuchten, ihre Käufe lieber di-
rekt, als erſt mittelbar durch die ſächſiſchen Häuſer machten, be-
ſonders da die Entfernung der Märkte kein Hinderniß für ſie
ſeyn konnte, liegt in der Natur der Sache. Sie waren es auch,
die faſt zu gleicher Zeit mit den Sachſen am Breslauer Woll-
markte erſchienen. Wohl verſtanden! iſt hier immer nur die
Rede von dem Zeitpunkte an, wo hochveredelte Wolle an dieſen
Markt kam, was ungefähr mit dem Anfange des jezigen Jahr-
hunderts anhob. Denn früher waren ſchon ſeit länger als ei-
nem Jahrhunderte die ſächſiſchen Manufakturiſten der in Schle-
ſien erzeugten Wolle nachgegangen. — Die für Schafzucht gün-
ſtige Lage dieſes Landes ward von ſeinen Landwirthen richtig auf-
gefaßt, die und Zunahme der Maſſe und Güte der Wolle ſezte
in Erſtaunen. Aus Oeſtreich ſtrömte die Wolle meiſt nach Frank-
furt am Main, nur die edelſte ging über Sachſen nach Eng-
[Spaltenumbruch] land, und galt dort als in lezterem Lande erzeugte. Direkt
bezogen die Engländer zuerſt Wolle vom Breslauer und
Berliner Markte, und ihre Zahl als Käufer iſt ſeit etwa
zwanzig Jahren faſt immer geſtiegen, ſo daß ſie nunmehr faſt
alle deutſchen Wollmärkte beſuchen. Doch wir können uns nur
auf allgemeine Data einlaſſen. Seit Anfang der ſtarken Nach-
frage nach veredelter Wolle in Deutſchland hat die Konjunktur
für dieſelbe ſich zuweilen ſeht wunderbar geſtaltet. Der beim
Einkaufe derſelben gemachte Gewinn reizte zuweilen zu großen,
mitunter nicht mit der gehörigen Umſicht gemachten Spekulatio-
nen. Die Wolle ward dadurch über Gebühr in die Höhe getrie-
ben. Unkundige, die da glaubten, man dürfe nur Geld in die-
ſem Artikel anlegen, um hohen Gewinn damit zu machen, kauf-
ten unbeſonnen. Je mehr deren waren, deſto höher ſtellte ſich
die Meynung für die Waare, und deſto mehr ſteigerte ſich ihr
Preis. Einigemal kam dis vor, und die erlittene Einbuße machte
immer wieder eine Zeitlang vorſichtig. — Am merkwürdigſten
trat aber das Jahr 1825 hervor. Als ob die Luft den Schwin-
delgeiſt bei ſich geführt hätte, fiel auf einmal Alles auf Speku-
lationen roher Produkte und namentlich auch auf Wolle. Der
Preis ſtieg über alle Erwartung, und Waare die gar nicht als
edle genannt werden konnte, erlangte doch den Preis von dieſer.
Man riß ſich ſo zu ſagen darum. Die Folgen davon ſahen Ver-
ſtändige voraus, obgleich im Rauſche alle übrigen glaubten, es
müſſe nunmehr immer ſo ſeyn. Da nun das Jahr vor dem ge-
dachten die Wollpreiſe ebenfalls hoch waren, ſo litt durch die
Meynung, man habe nur ein Produkt, was das edelſte ſey, und
was ſtets gut bezahlt werden müſſe, die Veredlung der Schäfe-
reien ungemein. Man kaufte freilich Widder, um es noch höher
zu bringen, aber dis geſchah mit zu wenig Umſicht und Aus-
wahl, und theure Preiſe derſelben waren oft den Käufern genü-
gende Garantie für deren wirklichen Werth. Der Wollhandel
ſelbſt aber bekam bald nach jenem Schwindel einen furchtbaren
Stoß, und die Reaktion deſſelben ward im darauf folgenden
Jahre von den Wollproduzenten ſehr ſchmerzlich gefühlt. Die
Preiſe gingen gegen das vorhergehende faſt auf die Hälfte herab,
und manches erbaute Luftſchloß ward dadurch eingeſtürzt. — Eine
der nachtheiligſten Folgen aber, die aus dieſer Kalamität ent-
ſtand, war die Entſtehung des Kommiſſionshandels. Die ſchmerz-
lichen Verluſte, welche die Wollhändler im Jahre 1825 erlitten,
und die den Sturz von Vielen, ſowohl auf dem Kontinente als
in England, nach ſich gezogen hatten, legten ihnen bei ihren künf-
tigen Einkäufen die größte Vorſicht auf: theils um nicht wieder
neue Gefahr zu laufen, theils aber auch, um ihre frühere Ein-
buße in etwas wieder zu erſtatten. — Wer konnte ſie darum
tadeln, und wer wird es ungerecht finden, daß nun die Wollpro-
duzenten den Gewinn vom vorigen Jahre, den ſie mitunter ſo
ſehr ohne vieles Verdienſt gemacht hatten, zum Theil zur Ent-
ſchädigung den Verluſtleidenden herausgeben ſollten? Hart ging
es ihnen an, und Viele konnten ſich gar nicht darein finden. Ihre
Hartnäkigkeit machte, daß ſie ihre Wolle behielten. Dis hatte
für den Augenblik den guten Erfolg, daß die Preiſe nicht noch
mehr fallen konnten, weil jene faſt außer dem Anbote zu rechnen
war. In Preußen traten noch, um das Uebel für die Produzenten
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[0005] 6 Januar. Beilage zur Allgemeinen Zeitung. Nro. 6. 1830. Der Wollhandel. (Fortſezung.) Der Wollhandel in Deutſchland hat von ſeiner Entſtehung an die natürlichen Schwankungen, denen faſt jeder Handel unterwor- fen iſt, angegeben. Im Anfange ward er unter großer Vorſicht betrieben, und es waren nur einzelne Häuſer, die ihn faſt als Monopoliſten inne hatten. Das Geſchäft derſelben mußte ſich nothwendig von Jahr zu Jahr erweitern, weil die Erzeugung der edlen Wolle immer zunahm. Im Anfange verlor ſich dis auf den Märkten, und die Handelshäuſer, welche ſie kauften, waren ſchlau genug dahin zu arbeiten, daß ſie ſo wenig als möglich auf den- ſelben erſchien, damit ſie ſie jederzeit ſicher hätten. Sie ſuchten ſie daher am Orte der Erzeugung auf. Die große Bequemlichkeit, welche daraus für den Produzenten erwuchs, hielt ihn ab, nur daran zu denken, ob er vielleicht auf einem andern Wege beſſere Preiſe bekommen könnte. Doch bewirkte endlich die ungeheure und reißende Zunahme der Waare, ſo wie die eben ſo ſtarke Nach- frage vom Auslande nach derſelben, daß das Wollhandlungsgeſchäft in mehrere Hände überging. Aber noch verkaufte ſie der Produ- zent meiſt im Hauſe, und nur die immer ſteigende Maſſe zwang endlich zum Anbot auf öffentlichem Markte. Der von Breslau war es, wo man zuerſt feine Wolle in großen Partien fand. Denn wenn es auch ſcheinen möchte, daß dis in Leipzig noch mehr hätte ſtatt finden ſollen, ſo blieb dieſer doch immer faſt nur auf die kleinen Partien beſchränkt, die noch nicht Ruf genug hatten, um im Hauſe des Erzeugers aufgeſucht zu werden. Da Sachſen zu- erſt in ganz Deutſchland ſich auf eine bedeutende Höhe mit der Veredlung ſeiner Wolle geſchwungen hatte, ſo war es ganz na- türlich, daß auch dort die erſten großen Wollhandlungen ſich grün- deten, und daß von dieſen auch die Haupteinkäufe auf dem Bres- lauer Wollmarkte gemacht wurden. Sie verſahen den engliſchen Markt mehr als den niederländiſchen, und in England ward bald die deutſche Wolle, vom Lande ihrer direkten Beziehung, unter dem Namen Elektoral- (kurfürſtliche) Wolle bekannt. Da man nur die edelſte dahin ſandte, weil nur ſie die Koſten des Trans- ports, Impoſts ꝛc. am leichteſten trug, ſo war der Begrif von Elektoralwolle identiſch mit dem von ſehr edler oder ſuprafeiner, und er hat ſich jezt auf alle Wolle von dieſer Vollkommenheit übergetragen, ſie mag nun erzeugt ſeyn in welchem Lande ſie will. Daß die Niederländer, die zwar faſt immer nur die fei- nen Mittelſorten in Deutſchland ſuchten, ihre Käufe lieber di- rekt, als erſt mittelbar durch die ſächſiſchen Häuſer machten, be- ſonders da die Entfernung der Märkte kein Hinderniß für ſie ſeyn konnte, liegt in der Natur der Sache. Sie waren es auch, die faſt zu gleicher Zeit mit den Sachſen am Breslauer Woll- markte erſchienen. Wohl verſtanden! iſt hier immer nur die Rede von dem Zeitpunkte an, wo hochveredelte Wolle an dieſen Markt kam, was ungefähr mit dem Anfange des jezigen Jahr- hunderts anhob. Denn früher waren ſchon ſeit länger als ei- nem Jahrhunderte die ſächſiſchen Manufakturiſten der in Schle- ſien erzeugten Wolle nachgegangen. — Die für Schafzucht gün- ſtige Lage dieſes Landes ward von ſeinen Landwirthen richtig auf- gefaßt, die und Zunahme der Maſſe und Güte der Wolle ſezte in Erſtaunen. Aus Oeſtreich ſtrömte die Wolle meiſt nach Frank- furt am Main, nur die edelſte ging über Sachſen nach Eng- land, und galt dort als in lezterem Lande erzeugte. Direkt bezogen die Engländer zuerſt Wolle vom Breslauer und Berliner Markte, und ihre Zahl als Käufer iſt ſeit etwa zwanzig Jahren faſt immer geſtiegen, ſo daß ſie nunmehr faſt alle deutſchen Wollmärkte beſuchen. Doch wir können uns nur auf allgemeine Data einlaſſen. Seit Anfang der ſtarken Nach- frage nach veredelter Wolle in Deutſchland hat die Konjunktur für dieſelbe ſich zuweilen ſeht wunderbar geſtaltet. Der beim Einkaufe derſelben gemachte Gewinn reizte zuweilen zu großen, mitunter nicht mit der gehörigen Umſicht gemachten Spekulatio- nen. Die Wolle ward dadurch über Gebühr in die Höhe getrie- ben. Unkundige, die da glaubten, man dürfe nur Geld in die- ſem Artikel anlegen, um hohen Gewinn damit zu machen, kauf- ten unbeſonnen. Je mehr deren waren, deſto höher ſtellte ſich die Meynung für die Waare, und deſto mehr ſteigerte ſich ihr Preis. Einigemal kam dis vor, und die erlittene Einbuße machte immer wieder eine Zeitlang vorſichtig. — Am merkwürdigſten trat aber das Jahr 1825 hervor. Als ob die Luft den Schwin- delgeiſt bei ſich geführt hätte, fiel auf einmal Alles auf Speku- lationen roher Produkte und namentlich auch auf Wolle. Der Preis ſtieg über alle Erwartung, und Waare die gar nicht als edle genannt werden konnte, erlangte doch den Preis von dieſer. Man riß ſich ſo zu ſagen darum. Die Folgen davon ſahen Ver- ſtändige voraus, obgleich im Rauſche alle übrigen glaubten, es müſſe nunmehr immer ſo ſeyn. Da nun das Jahr vor dem ge- dachten die Wollpreiſe ebenfalls hoch waren, ſo litt durch die Meynung, man habe nur ein Produkt, was das edelſte ſey, und was ſtets gut bezahlt werden müſſe, die Veredlung der Schäfe- reien ungemein. Man kaufte freilich Widder, um es noch höher zu bringen, aber dis geſchah mit zu wenig Umſicht und Aus- wahl, und theure Preiſe derſelben waren oft den Käufern genü- gende Garantie für deren wirklichen Werth. Der Wollhandel ſelbſt aber bekam bald nach jenem Schwindel einen furchtbaren Stoß, und die Reaktion deſſelben ward im darauf folgenden Jahre von den Wollproduzenten ſehr ſchmerzlich gefühlt. Die Preiſe gingen gegen das vorhergehende faſt auf die Hälfte herab, und manches erbaute Luftſchloß ward dadurch eingeſtürzt. — Eine der nachtheiligſten Folgen aber, die aus dieſer Kalamität ent- ſtand, war die Entſtehung des Kommiſſionshandels. Die ſchmerz- lichen Verluſte, welche die Wollhändler im Jahre 1825 erlitten, und die den Sturz von Vielen, ſowohl auf dem Kontinente als in England, nach ſich gezogen hatten, legten ihnen bei ihren künf- tigen Einkäufen die größte Vorſicht auf: theils um nicht wieder neue Gefahr zu laufen, theils aber auch, um ihre frühere Ein- buße in etwas wieder zu erſtatten. — Wer konnte ſie darum tadeln, und wer wird es ungerecht finden, daß nun die Wollpro- duzenten den Gewinn vom vorigen Jahre, den ſie mitunter ſo ſehr ohne vieles Verdienſt gemacht hatten, zum Theil zur Ent- ſchädigung den Verluſtleidenden herausgeben ſollten? Hart ging es ihnen an, und Viele konnten ſich gar nicht darein finden. Ihre Hartnäkigkeit machte, daß ſie ihre Wolle behielten. Dis hatte für den Augenblik den guten Erfolg, daß die Preiſe nicht noch mehr fallen konnten, weil jene faſt außer dem Anbote zu rechnen war. In Preußen traten noch, um das Uebel für die Produzenten nicht zu groß und verderblich werden zu laſſen, die Seehandlung

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 6, 6. Januar 1830, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine06_1830/5>, abgerufen am 24.11.2024.