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Allgemeine Zeitung, Nr. 4, 4. Januar 1872.

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Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
Nr. 4.
Donnerstag, 4 Januar 1872.


Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Gosen.


Correspondenzen sind an die Redaction, Inserate an die Expedition der Allgemeinen Zeitung franco zu richten. Insertionspreis nach aufliegendem Tarif.


[Spaltenumbruch] [Spaltenumbruch]
Uebersicht.
Die Geschichtschreiber der "Revue des deux Mondes." ([unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt].) -- Ludwig Lange:
Römische Alterthümer. -- Die neuesten Nordpolar-Fahrten.
Neueste Posten. München: Abt Mörtl aus Augsburg. Karlsruhe:
Aufhebung des Kriegsministeriums. Berlin: Deutscher Anwaltstag. Wien:
Audienz. Pest: Glückwunsch. London: Der Prinz von Wales. Rom: Der
Papst. Die Telegraphenconferenz. Moskau: Katkoff.


Telegraphische Berichte.

In der heutigen Sitzung der Kammer der Ab-
geordneten
beantwortete der Finanzminister die Interpellation Dr. Pfahlers:
Von den bisher gezahlten 11/2 Milliarden der Kriegsentschädigung sei ein großer
Theil durch Reichsgesetz für Reichszwecke verrechnet worden. An die Einzelstaaten
sind bisher vertheilt worden 153,340,000 Thaler. Weitere Vertheilung erfolgt
nach Eingang der im Mai fälligen vierten halben Milliarde. Die Vertheilung
geschieht nach Verhältniß des Effectivstandes der Armee des betreffenden Einzel-
staates. Vorläufig wurde nach der Kopfzahl, vorbehaltlich der Richtigstellung nach
Maßgabe der militärischen Leistungen, mit der Vertheilung begonnen. Demnach
steht der Antheil Bayerns noch nicht fest. Eingegangen sind bereits 23,519,148 Thlr.
und 11,713,000 fl., letztere als Antheil an der Pariser Contribution. Ueber die
Verwendung der Gelder erfolgt alsbald eine Regierungsvorlage. Principiell soll
obiger Contributionsantheil für die Deckung der Kosten der bayerischen Occupa-
tionsarmee in Frankreich, die eigentlichen Kriegskosten dagegen sollen zur Tilgung
der Kriegsschuld von 1870, dann für Tilgung der allgemeinen Staatsschuld ver-
wendet werden. Hierauf erfolgt Berathung über das Referat Kühlmann betref-
fend die Rechnungsnachweisungen über die Erträgnisse der Staatseisenbahnen von
1869. Der Abg. Schlör (ehemaliger Handelsminister) verwahrte sich in entschie-
dener und heftig erregter Weise gegen die im Referat Kühlmanns enthaltene
Beurtheilung seiner Thätigkeit als Minister und warf dem Referat vielfache Un-
richtigkeiten vor. Um darüber ins reine zu kommen, wurde der Gegenstand auf
Antrag Alois Hafenbrädls an den Ausschuß zurückverwiesen. Nächste Sitzung
morgen.

Beim Neujahrsempfange richtete der Kaiser an die
Generale und Minister einige warme herzliche Worte, worin er dankend anerkannte
wie sie während des Krieges zur glücklichen Führung und Beendigung der großen
Aufgabe beigetragen haben. Jetzt müsse das Bestreben aller darauf gerichtet sein
den Frieden, welcher uns hoffentlich auf lange Zeit gesichert sei, nutzbar zu machen
für die Stärkung der Grundlagen auf denen wir zu der jetzigen Größe angelangt
seien, und für die Entwickelung und Pflege aller geistigen und äußeren Güter des
Volkes. (Vergl. den Berliner Brief im heutigen Hauptblatt. D. R.) -- Der "Pro-
vinzial-Correspondenz" zufolge erhält Generallieutenant v. Stosch den Titel "Chef
der Admiralität."

Der Chef der Admiralität General v. Stosch ist
gleichzeitig zum preußischen Staatsminister ernannt worden.

Die Kammer beendigte die Berathung der Eisen-
bahnvorlage mittelst Annahme des ganzen Gesetzentwurfs. Der Berliner Gesell-
schaftsvertreter legte in den letzten Tagen Verwahrung ein gegen jede die Ueber-
nahme des Ausbaues und Betriebes der rumänischen Bahnen verhindernde Be-
stimmung.

Productenmarkt. (Schlußbericht.) Weizen matt, hiesiger loco 9,
fremder loco 8.5, per März 8.3, per Mai 8.7, per Juli 8.8. Roggen still, loco 6.10,
per März 5.23, per Mai 5.26, per Juli 5.28. Wetter: gelinde.

Productenmarkt. (Schlußbericht.) Weizen loco preishaltend,
auf Termin fest, per Januar 158, per Febr.-März 161, per April-Mai 168. Roggen
loco preishaltend, auf Termin fest, per Januar 111, per Febr.-März 112, per April-
Mai 114. Hafer fest, Gerste still.

Börse. 3proc. Spanier 32 3/8 , 6proc. Amerikaner 97 3/8 .
5proc. Papierrente 523/4, 5proc. Silberrente 62 3/8 , 1864er Loose 143, 5proc. Türken 48 5/8 .

Productenmarkt. (Schlußbericht) Weizen geschäftslos.
Roggen ruhig Roggen per Mai 205. Repssamen geschästslos. Rüböl loco 51, per Mai 48,
per Herbst 451/2.

Weitere telegraphische Curs- und Handelsberichte s. fünfte Seite.



Die Geschichtschreiber der "Revue des deux Mondes."
I.

Vor uns liegen die sechs ersten Bände der vorjährigen "Re-
vue des deux Mondes," die Lieferungen der Monate Januar, Februar und
März, deren Hinausgabe nach Deutschland aus bekannten und begreiflichen Ur-
sachen um beträchtliche Zeit verspätet worden. Daß eine Zeitschrift welche seit
einer langen Reihe von Jahren einen ehrenvollen Platz in den gebildeten Kreisen
beider Welttheile eingenommen, durch das Unglück welches über Frankreich und
speciell über Paris hereingebrochen, am Erscheinen nicht verhindert worden ist, dür-
fen wir von vornherein, auch ohne von seinem Inhalt Kenntniß genommen zu haben,
als eine erfreuliche Thatsache begrüßen. Denn wir zollen ihm gern die Anerken-
nung daß es die Interessen der Wissenschaft und Kunst meistens in würdiger
Weise vertreten, und seine Spalten, neben bedeutenden ältern Gelehrten und geist-
reichen Dilettanten, auch den emporstrebenden jüngern Geistern offen gehalten hat.
Es ist eine seltene Erscheinung im Gebiete der Journalistik daß ein periodisches
Blatt mit so vielem Geschmack und feinem Verständniß den Anforderungen der
Wissenschaftlichkeit gerecht zu bleiben versteht, und daneben jede Schwerfälligkeit
gelehrten Ballastes zu vermeiden weiß; der reiche Wechsel der Gegenstände die zur
[Spaltenumbruch] Besprechung kommen, ist eben so anerkennungswerth wie die Art der Behandlung,
welche die schwierige Aufgabe der so oft mißverstandenen "populären Bearbeitung"
meist in gelungenster Weise löst.

Wenn an eine solche Zeitschrift, welche sich schon durch ihren Titel auf den
internationalen Standpunkt stellt, größere Anforderungen auch in Beziehung auf
die Behandlung historischer Betrachtungen gestellt werden, dürfte dieß, sollten wir
meinen, ihm nur zur Ehre gereichen. Denn seine Aufgabe, sein Zweck sind höhere,
edlere, als diejenigen welche die Tagespresse zu leisten hat. Wenn die Aufregung
und Leidenschaftlichkeit des Augenblicks in der letztern sich ausdrückt, so ist dieß nur
natürlich; eine täglich erscheinende Zeitung in welcher sich das ganze Bild des
Moments nicht vollständig abspiegelte, selbst mit allen Uebertreibungen, Gerüchten
und Verzerrungen, ist in unsern Zeiten nicht lebensfähig. Die Art der Entstehung
läßt es auch nicht anders zu; da soll am Mittag bereits eine Thatsache besprochen
und beurtheilt sein welche erst am Morgen geschehen ist, und am Abend wird das
was der Mittag gebracht bereits als geschichtliches Ereigniß geschildert. Ganz
etwas anderes ist es aber mit einem periodischen Blatte welches Studien und Essays
bringt, über deren Abfassung eine ruhige Erwägung wachen soll, und die eine an-
dere Bestimmung haben als von den unaufhörlich sich folgenden Wellen der Tages-
begebnisse verschlungen zu werden; von ihnen erwarten wir Belehrung und eine
auf wissenschaftlicher Basis ruhende Besprechung der gewählten Gegenstände --
und dieß ganz besonders von der "Revue des deux Mondes," da sie in jedem Heft
eine Chronique de la quinzaine enthält, welche ausschließlich der politischen Be-
trachtung gewidmet ist, und somit nach dieser Seite hin vollständig genügen
dürfte.

Es fehlen nun auch in den vor uns liegenden sechs Heften nicht solche Stu-
dien welche mit anerkennenswerther Objectivität sich lediglich an ihren Gegenstand
halten, obgleich derselbe mit den neuesten Ereignissen in Frankreich eng zusammen-
hängt. Wir erwähnen u. a. im Hefte vom 1 Januar: "l'alimentation d'une
grande ville assiegee,"
von M. G. de Molinari; im Hefte vom 15 Januar:
"l'hippophagie du siege et l'agriculture," von M. J. H. Magne; im Hefte vom
15 Februar: "Les approvisionnements de Paris a la fin du siege," von M.
de Molinari.

Andrerseits aber müssen wir etwa zwanzig Abhandlungen hervorheben in
denen der Franzose mit dem Schriftsteller davon läuft, wenn dieser Ausdruck er-
laubt ist -- indem theils der wüthendste Haß die barocksten und seltsamlichsten Ueber-
treibungen und Geschichtsfälschungen zu Tage fördert -- theils die national-fran-
zösische Eitelkeit sich in Aufstellung unhaltbarer Theorien und Paralleien gefällt.
Es ist vom höchsten Interesse die auch an dieser Stelle hervortretenden Aeußerun-
gen der specifisch französischen Vaterlandsliebe zu verfolgen; sie bewegen sich fast
ausschließlich um die zwei Gedanken welche in hundert Wendungen und Reflexen
sich wiederholen: das edle nur für das Wohl der ganzen Welt interessirte Frank-
reich ist heimtückisch von dem barbarischen Nachbarvolk überfallen worden; die
Civilisation und der Rechtszustand von ganz Europa werden darunter auf das em-
pfindlichste leiden.

L'idee de la patrie, ses defaillances et son reveil, par M. E. Caro,
de l'Institut de France.
15 janvier 1871 pag. 260.
"... pour n'etre plus un jour surpris a l'improviste, comme nous l'avons
ete par des millions de voisins tranquilles en apparence etc."
Louis XIV et le nouvel Empire Allemand, par M. Leon Feer.
1 mars 1871. pag. 128.
"... au moyen d'une vaste surprise combinee avec une habilete
inouie."
Journal d'un voyageur pendant la guerre, par M. George Sand.
15 mars 1871. pag. 216.
"On nous surprend comme des enfants sans rancune qui dorment la
nuit parcequ'ils ont besoin d'oublier la colere du combat."
L'idee de la patrie, etc. par Caro (s. o.)
15 janv. 1871. pag. 252.
"Il ne cessait pas de marquer en traits energiques et pressants le role
de notre pays, qui etait d'empecher la force de faire la loi en Europe,
d'imposer la justice envers les faibles, la loyaute des serments, le respect
des traites."
Ibidem, pag. 260.
"... l'etat fievreux et inquiet de l'Europe, ou l'on s'apercoit de ce
qui manque des que la France, veritable justiciere, n'y fait pas regner
l'ordre en imposant aux forts le respect des faibles."
Louis XIV. etc. par L. Feer. (s. o.)
1 mars, pag. 131.
"Le triomphe complet du militarisme prussien est un coup terrible
porte au progres des institutions liberales en Europe et surtout en Alle-
magne."
Les guerres des Francais et les invasions des Allemands, par M.
Alfred Maury, de l'institut.
15 fevrier 1871 pag. 579.
"La France a toujours aspire a exercer en Europe une preponderance
a laquelle elle croyait avoir droit par la superiorite de sa civilisation et
de ses lumieres."
Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
Nr. 4.
Donnerſtag, 4 Januar 1872.


Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Goſen.


Correspondenzen sind an die Redaction, Inserate an die Expedition der Allgemeinen Zeitung franco zu richten. Insertionspreis nach aufliegendem Tarif.


[Spaltenumbruch] [Spaltenumbruch]
Ueberſicht.
Die Geſchichtſchreiber der „Revue des deux Mondes.“ ([unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt].) — Ludwig Lange:
Römiſche Alterthümer. — Die neueſten Nordpolar-Fahrten.
Neueſte Poſten. München: Abt Mörtl aus Augsburg. Karlsruhe:
Aufhebung des Kriegsminiſteriums. Berlin: Deutſcher Anwaltstag. Wien:
Audienz. Peſt: Glückwunſch. London: Der Prinz von Wales. Rom: Der
Papſt. Die Telegraphenconferenz. Moskau: Katkoff.


Telegraphiſche Berichte.

In der heutigen Sitzung der Kammer der Ab-
geordneten
beantwortete der Finanzminiſter die Interpellation Dr. Pfahlers:
Von den bisher gezahlten 1½ Milliarden der Kriegsentſchädigung ſei ein großer
Theil durch Reichsgeſetz für Reichszwecke verrechnet worden. An die Einzelſtaaten
ſind bisher vertheilt worden 153,340,000 Thaler. Weitere Vertheilung erfolgt
nach Eingang der im Mai fälligen vierten halben Milliarde. Die Vertheilung
geſchieht nach Verhältniß des Effectivſtandes der Armee des betreffenden Einzel-
ſtaates. Vorläufig wurde nach der Kopfzahl, vorbehaltlich der Richtigſtellung nach
Maßgabe der militäriſchen Leiſtungen, mit der Vertheilung begonnen. Demnach
ſteht der Antheil Bayerns noch nicht feſt. Eingegangen ſind bereits 23,519,148 Thlr.
und 11,713,000 fl., letztere als Antheil an der Pariſer Contribution. Ueber die
Verwendung der Gelder erfolgt alsbald eine Regierungsvorlage. Principiell ſoll
obiger Contributionsantheil für die Deckung der Koſten der bayeriſchen Occupa-
tionsarmee in Frankreich, die eigentlichen Kriegskoſten dagegen ſollen zur Tilgung
der Kriegsſchuld von 1870, dann für Tilgung der allgemeinen Staatsſchuld ver-
wendet werden. Hierauf erfolgt Berathung über das Referat Kühlmann betref-
fend die Rechnungsnachweiſungen über die Erträgniſſe der Staatseiſenbahnen von
1869. Der Abg. Schlör (ehemaliger Handelsminiſter) verwahrte ſich in entſchie-
dener und heftig erregter Weiſe gegen die im Referat Kühlmanns enthaltene
Beurtheilung ſeiner Thätigkeit als Miniſter und warf dem Referat vielfache Un-
richtigkeiten vor. Um darüber ins reine zu kommen, wurde der Gegenſtand auf
Antrag Alois Hafenbrädls an den Ausſchuß zurückverwieſen. Nächſte Sitzung
morgen.

Beim Neujahrsempfange richtete der Kaiſer an die
Generale und Miniſter einige warme herzliche Worte, worin er dankend anerkannte
wie ſie während des Krieges zur glücklichen Führung und Beendigung der großen
Aufgabe beigetragen haben. Jetzt müſſe das Beſtreben aller darauf gerichtet ſein
den Frieden, welcher uns hoffentlich auf lange Zeit geſichert ſei, nutzbar zu machen
für die Stärkung der Grundlagen auf denen wir zu der jetzigen Größe angelangt
ſeien, und für die Entwickelung und Pflege aller geiſtigen und äußeren Güter des
Volkes. (Vergl. den Berliner Brief im heutigen Hauptblatt. D. R.) — Der „Pro-
vinzial-Correſpondenz“ zufolge erhält Generallieutenant v. Stoſch den Titel „Chef
der Admiralität.“

Der Chef der Admiralität General v. Stoſch iſt
gleichzeitig zum preußiſchen Staatsminiſter ernannt worden.

Die Kammer beendigte die Berathung der Eiſen-
bahnvorlage mittelſt Annahme des ganzen Geſetzentwurfs. Der Berliner Geſell-
ſchaftsvertreter legte in den letzten Tagen Verwahrung ein gegen jede die Ueber-
nahme des Ausbaues und Betriebes der rumäniſchen Bahnen verhindernde Be-
ſtimmung.

Productenmarkt. (Schlußbericht.) Weizen matt, hieſiger loco 9,
fremder loco 8.5, per März 8.3, per Mai 8.7, per Juli 8.8. Roggen ſtill, loco 6.10,
per März 5.23, per Mai 5.26, per Juli 5.28. Wetter: gelinde.

Productenmarkt. (Schlußbericht.) Weizen loco preishaltend,
auf Termin feſt, per Januar 158, per Febr.-März 161, per April-Mai 168. Roggen
loco preishaltend, auf Termin feſt, per Januar 111, per Febr.-März 112, per April-
Mai 114. Hafer feſt, Gerſte ſtill.

Börſe. 3proc. Spanier 32⅜, 6proc. Amerikaner 97⅜.
5proc. Papierrente 52¾, 5proc. Silberrente 62⅜, 1864er Looſe 143, 5proc. Türken 48⅝.

Productenmarkt. (Schlußbericht) Weizen geſchäftslos.
Roggen ruhig Roggen per Mai 205. Repsſamen geſchäſtslos. Rüböl loco 51, per Mai 48,
per Herbſt 45½.

Weitere telegraphiſche Curs- und Handelsberichte ſ. fünfte Seite.



Die Geſchichtſchreiber der „Revue des deux Mondes.“
I.

Vor uns liegen die ſechs erſten Bände der vorjährigen „Re-
vue des deux Mondes,“ die Lieferungen der Monate Januar, Februar und
März, deren Hinausgabe nach Deutſchland aus bekannten und begreiflichen Ur-
ſachen um beträchtliche Zeit verſpätet worden. Daß eine Zeitſchrift welche ſeit
einer langen Reihe von Jahren einen ehrenvollen Platz in den gebildeten Kreiſen
beider Welttheile eingenommen, durch das Unglück welches über Frankreich und
ſpeciell über Paris hereingebrochen, am Erſcheinen nicht verhindert worden iſt, dür-
fen wir von vornherein, auch ohne von ſeinem Inhalt Kenntniß genommen zu haben,
als eine erfreuliche Thatſache begrüßen. Denn wir zollen ihm gern die Anerken-
nung daß es die Intereſſen der Wiſſenſchaft und Kunſt meiſtens in würdiger
Weiſe vertreten, und ſeine Spalten, neben bedeutenden ältern Gelehrten und geiſt-
reichen Dilettanten, auch den emporſtrebenden jüngern Geiſtern offen gehalten hat.
Es iſt eine ſeltene Erſcheinung im Gebiete der Journaliſtik daß ein periodiſches
Blatt mit ſo vielem Geſchmack und feinem Verſtändniß den Anforderungen der
Wiſſenſchaftlichkeit gerecht zu bleiben verſteht, und daneben jede Schwerfälligkeit
gelehrten Ballaſtes zu vermeiden weiß; der reiche Wechſel der Gegenſtände die zur
[Spaltenumbruch] Beſprechung kommen, iſt eben ſo anerkennungswerth wie die Art der Behandlung,
welche die ſchwierige Aufgabe der ſo oft mißverſtandenen „populären Bearbeitung“
meiſt in gelungenſter Weiſe löst.

Wenn an eine ſolche Zeitſchrift, welche ſich ſchon durch ihren Titel auf den
internationalen Standpunkt ſtellt, größere Anforderungen auch in Beziehung auf
die Behandlung hiſtoriſcher Betrachtungen geſtellt werden, dürfte dieß, ſollten wir
meinen, ihm nur zur Ehre gereichen. Denn ſeine Aufgabe, ſein Zweck ſind höhere,
edlere, als diejenigen welche die Tagespreſſe zu leiſten hat. Wenn die Aufregung
und Leidenſchaftlichkeit des Augenblicks in der letztern ſich ausdrückt, ſo iſt dieß nur
natürlich; eine täglich erſcheinende Zeitung in welcher ſich das ganze Bild des
Moments nicht vollſtändig abſpiegelte, ſelbſt mit allen Uebertreibungen, Gerüchten
und Verzerrungen, iſt in unſern Zeiten nicht lebensfähig. Die Art der Entſtehung
läßt es auch nicht anders zu; da ſoll am Mittag bereits eine Thatſache beſprochen
und beurtheilt ſein welche erſt am Morgen geſchehen iſt, und am Abend wird das
was der Mittag gebracht bereits als geſchichtliches Ereigniß geſchildert. Ganz
etwas anderes iſt es aber mit einem periodiſchen Blatte welches Studien und Eſſays
bringt, über deren Abfaſſung eine ruhige Erwägung wachen ſoll, und die eine an-
dere Beſtimmung haben als von den unaufhörlich ſich folgenden Wellen der Tages-
begebniſſe verſchlungen zu werden; von ihnen erwarten wir Belehrung und eine
auf wiſſenſchaftlicher Baſis ruhende Beſprechung der gewählten Gegenſtände —
und dieß ganz beſonders von der „Revue des deux Mondes,“ da ſie in jedem Heft
eine Chronique de la quinzaine enthält, welche ausſchließlich der politiſchen Be-
trachtung gewidmet iſt, und ſomit nach dieſer Seite hin vollſtändig genügen
dürfte.

Es fehlen nun auch in den vor uns liegenden ſechs Heften nicht ſolche Stu-
dien welche mit anerkennenswerther Objectivität ſich lediglich an ihren Gegenſtand
halten, obgleich derſelbe mit den neueſten Ereigniſſen in Frankreich eng zuſammen-
hängt. Wir erwähnen u. a. im Hefte vom 1 Januar: „l’alimentation d’une
grande ville assiégée,“
von M. G. de Molinari; im Hefte vom 15 Januar:
„l’hippophagie du siége et l’agriculture,“ von M. J. H. Magne; im Hefte vom
15 Februar: „Les approvisionnements de Paris à la fin du siége,“ von M.
de Molinari.

Andrerſeits aber müſſen wir etwa zwanzig Abhandlungen hervorheben in
denen der Franzoſe mit dem Schriftſteller davon läuft, wenn dieſer Ausdruck er-
laubt iſt — indem theils der wüthendſte Haß die barockſten und ſeltſamlichſten Ueber-
treibungen und Geſchichtsfälſchungen zu Tage fördert — theils die national-fran-
zöſiſche Eitelkeit ſich in Aufſtellung unhaltbarer Theorien und Paralleien gefällt.
Es iſt vom höchſten Intereſſe die auch an dieſer Stelle hervortretenden Aeußerun-
gen der ſpecifiſch franzöſiſchen Vaterlandsliebe zu verfolgen; ſie bewegen ſich faſt
ausſchließlich um die zwei Gedanken welche in hundert Wendungen und Reflexen
ſich wiederholen: das edle nur für das Wohl der ganzen Welt intereſſirte Frank-
reich iſt heimtückiſch von dem barbariſchen Nachbarvolk überfallen worden; die
Civiliſation und der Rechtszuſtand von ganz Europa werden darunter auf das em-
pfindlichſte leiden.

L’idée de la patrie, ses défaillances et son réveil, par M. E. Caro,
de l’Institut de France.
15 janvier 1871 pag. 260.
„… pour n’être plus un jour surpris à l’improviste, comme nous l’avons
été par des millions de voisins tranquilles en apparence etc.“
Louis XIV et le nouvel Empire Allemand, par M. Léon Feer.
1 mars 1871. pag. 128.
„… au moyen d’une vaste surprise combinée avec une habileté
inouie.“
Journal d’un voyageur pendant la guerre, par M. George Sand.
15 mars 1871. pag. 216.
„On nous surprend comme des enfants sans rancune qui dorment la
nuit parcequ’ils ont besoin d’oublier la colère du combat.“
L’idée de la patrie, etc. par Caro (ſ. o.)
15 janv. 1871. pag. 252.
„Il ne cessait pas de marquer en traits énergiques et pressants le rôle
de notre pays, qui était d’empêcher la force de faire la loi en Europe,
d’imposer la justice envers les faibles, la loyauté des serments, le respect
des traités.“
Ibidem, pag. 260.
„… l’état fiévreux et inquiet de l’Europe, où l’on s’aperçoit de ce
qui manque dès que la France, véritable justicière, n’y fait pas régner
l’ordre en imposant aux forts le respect des faibles.“
Louis XIV. etc. par L. Feer. (ſ. o.)
1 mars, pag. 131.
„Le triomphe complet du militarisme prussien est un coup terrible
porté au progrès des institutions libérales en Europe et surtout en Alle-
magne.“
Les guerres des Français et les invasions des Allemands, par M.
Alfred Maury, de l’institut.
15 février 1871 pag. 579.
„La France a toujours aspiré à exercer en Europe une prépondérance
à laquelle elle croyait avoir droit par la supériorité de sa civilisation et
de ses lumières.“
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[0009] Beilage zur Allgemeinen Zeitung. Nr. 4. Donnerſtag, 4 Januar 1872. Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Goſen. Correspondenzen sind an die Redaction, Inserate an die Expedition der Allgemeinen Zeitung franco zu richten. Insertionspreis nach aufliegendem Tarif. Ueberſicht. Die Geſchichtſchreiber der „Revue des deux Mondes.“ (_.) — Ludwig Lange: Römiſche Alterthümer. — Die neueſten Nordpolar-Fahrten. Neueſte Poſten. München: Abt Mörtl aus Augsburg. Karlsruhe: Aufhebung des Kriegsminiſteriums. Berlin: Deutſcher Anwaltstag. Wien: Audienz. Peſt: Glückwunſch. London: Der Prinz von Wales. Rom: Der Papſt. Die Telegraphenconferenz. Moskau: Katkoff. Telegraphiſche Berichte. * München, 3 Jan.In der heutigen Sitzung der Kammer der Ab- geordneten beantwortete der Finanzminiſter die Interpellation Dr. Pfahlers: Von den bisher gezahlten 1½ Milliarden der Kriegsentſchädigung ſei ein großer Theil durch Reichsgeſetz für Reichszwecke verrechnet worden. An die Einzelſtaaten ſind bisher vertheilt worden 153,340,000 Thaler. Weitere Vertheilung erfolgt nach Eingang der im Mai fälligen vierten halben Milliarde. Die Vertheilung geſchieht nach Verhältniß des Effectivſtandes der Armee des betreffenden Einzel- ſtaates. Vorläufig wurde nach der Kopfzahl, vorbehaltlich der Richtigſtellung nach Maßgabe der militäriſchen Leiſtungen, mit der Vertheilung begonnen. Demnach ſteht der Antheil Bayerns noch nicht feſt. Eingegangen ſind bereits 23,519,148 Thlr. und 11,713,000 fl., letztere als Antheil an der Pariſer Contribution. Ueber die Verwendung der Gelder erfolgt alsbald eine Regierungsvorlage. Principiell ſoll obiger Contributionsantheil für die Deckung der Koſten der bayeriſchen Occupa- tionsarmee in Frankreich, die eigentlichen Kriegskoſten dagegen ſollen zur Tilgung der Kriegsſchuld von 1870, dann für Tilgung der allgemeinen Staatsſchuld ver- wendet werden. Hierauf erfolgt Berathung über das Referat Kühlmann betref- fend die Rechnungsnachweiſungen über die Erträgniſſe der Staatseiſenbahnen von 1869. Der Abg. Schlör (ehemaliger Handelsminiſter) verwahrte ſich in entſchie- dener und heftig erregter Weiſe gegen die im Referat Kühlmanns enthaltene Beurtheilung ſeiner Thätigkeit als Miniſter und warf dem Referat vielfache Un- richtigkeiten vor. Um darüber ins reine zu kommen, wurde der Gegenſtand auf Antrag Alois Hafenbrädls an den Ausſchuß zurückverwieſen. Nächſte Sitzung morgen. (*) Berlin, 3 Jan.Beim Neujahrsempfange richtete der Kaiſer an die Generale und Miniſter einige warme herzliche Worte, worin er dankend anerkannte wie ſie während des Krieges zur glücklichen Führung und Beendigung der großen Aufgabe beigetragen haben. Jetzt müſſe das Beſtreben aller darauf gerichtet ſein den Frieden, welcher uns hoffentlich auf lange Zeit geſichert ſei, nutzbar zu machen für die Stärkung der Grundlagen auf denen wir zu der jetzigen Größe angelangt ſeien, und für die Entwickelung und Pflege aller geiſtigen und äußeren Güter des Volkes. (Vergl. den Berliner Brief im heutigen Hauptblatt. D. R.) — Der „Pro- vinzial-Correſpondenz“ zufolge erhält Generallieutenant v. Stoſch den Titel „Chef der Admiralität.“ * Berlin, 3 Jan.Der Chef der Admiralität General v. Stoſch iſt gleichzeitig zum preußiſchen Staatsminiſter ernannt worden. * Bukareſt, 2 Jan.Die Kammer beendigte die Berathung der Eiſen- bahnvorlage mittelſt Annahme des ganzen Geſetzentwurfs. Der Berliner Geſell- ſchaftsvertreter legte in den letzten Tagen Verwahrung ein gegen jede die Ueber- nahme des Ausbaues und Betriebes der rumäniſchen Bahnen verhindernde Be- ſtimmung. (*) Köln, 3 Jan.Productenmarkt. (Schlußbericht.) Weizen matt, hieſiger loco 9, fremder loco 8.5, per März 8.3, per Mai 8.7, per Juli 8.8. Roggen ſtill, loco 6.10, per März 5.23, per Mai 5.26, per Juli 5.28. Wetter: gelinde. (*) Hamburg, 3 Jan.Productenmarkt. (Schlußbericht.) Weizen loco preishaltend, auf Termin feſt, per Januar 158, per Febr.-März 161, per April-Mai 168. Roggen loco preishaltend, auf Termin feſt, per Januar 111, per Febr.-März 112, per April- Mai 114. Hafer feſt, Gerſte ſtill. * Amſterdam, 3 Jan.Börſe. 3proc. Spanier 32⅜, 6proc. Amerikaner 97⅜. 5proc. Papierrente 52¾, 5proc. Silberrente 62⅜, 1864er Looſe 143, 5proc. Türken 48⅝. (*) Amſterdam, 3 Jan.Productenmarkt. (Schlußbericht) Weizen geſchäftslos. Roggen ruhig Roggen per Mai 205. Repsſamen geſchäſtslos. Rüböl loco 51, per Mai 48, per Herbſt 45½. Weitere telegraphiſche Curs- und Handelsberichte ſ. fünfte Seite. Die Geſchichtſchreiber der „Revue des deux Mondes.“ I. C. v. B. M. Vor uns liegen die ſechs erſten Bände der vorjährigen „Re- vue des deux Mondes,“ die Lieferungen der Monate Januar, Februar und März, deren Hinausgabe nach Deutſchland aus bekannten und begreiflichen Ur- ſachen um beträchtliche Zeit verſpätet worden. Daß eine Zeitſchrift welche ſeit einer langen Reihe von Jahren einen ehrenvollen Platz in den gebildeten Kreiſen beider Welttheile eingenommen, durch das Unglück welches über Frankreich und ſpeciell über Paris hereingebrochen, am Erſcheinen nicht verhindert worden iſt, dür- fen wir von vornherein, auch ohne von ſeinem Inhalt Kenntniß genommen zu haben, als eine erfreuliche Thatſache begrüßen. Denn wir zollen ihm gern die Anerken- nung daß es die Intereſſen der Wiſſenſchaft und Kunſt meiſtens in würdiger Weiſe vertreten, und ſeine Spalten, neben bedeutenden ältern Gelehrten und geiſt- reichen Dilettanten, auch den emporſtrebenden jüngern Geiſtern offen gehalten hat. Es iſt eine ſeltene Erſcheinung im Gebiete der Journaliſtik daß ein periodiſches Blatt mit ſo vielem Geſchmack und feinem Verſtändniß den Anforderungen der Wiſſenſchaftlichkeit gerecht zu bleiben verſteht, und daneben jede Schwerfälligkeit gelehrten Ballaſtes zu vermeiden weiß; der reiche Wechſel der Gegenſtände die zur Beſprechung kommen, iſt eben ſo anerkennungswerth wie die Art der Behandlung, welche die ſchwierige Aufgabe der ſo oft mißverſtandenen „populären Bearbeitung“ meiſt in gelungenſter Weiſe löst. Wenn an eine ſolche Zeitſchrift, welche ſich ſchon durch ihren Titel auf den internationalen Standpunkt ſtellt, größere Anforderungen auch in Beziehung auf die Behandlung hiſtoriſcher Betrachtungen geſtellt werden, dürfte dieß, ſollten wir meinen, ihm nur zur Ehre gereichen. Denn ſeine Aufgabe, ſein Zweck ſind höhere, edlere, als diejenigen welche die Tagespreſſe zu leiſten hat. Wenn die Aufregung und Leidenſchaftlichkeit des Augenblicks in der letztern ſich ausdrückt, ſo iſt dieß nur natürlich; eine täglich erſcheinende Zeitung in welcher ſich das ganze Bild des Moments nicht vollſtändig abſpiegelte, ſelbſt mit allen Uebertreibungen, Gerüchten und Verzerrungen, iſt in unſern Zeiten nicht lebensfähig. Die Art der Entſtehung läßt es auch nicht anders zu; da ſoll am Mittag bereits eine Thatſache beſprochen und beurtheilt ſein welche erſt am Morgen geſchehen iſt, und am Abend wird das was der Mittag gebracht bereits als geſchichtliches Ereigniß geſchildert. Ganz etwas anderes iſt es aber mit einem periodiſchen Blatte welches Studien und Eſſays bringt, über deren Abfaſſung eine ruhige Erwägung wachen ſoll, und die eine an- dere Beſtimmung haben als von den unaufhörlich ſich folgenden Wellen der Tages- begebniſſe verſchlungen zu werden; von ihnen erwarten wir Belehrung und eine auf wiſſenſchaftlicher Baſis ruhende Beſprechung der gewählten Gegenſtände — und dieß ganz beſonders von der „Revue des deux Mondes,“ da ſie in jedem Heft eine Chronique de la quinzaine enthält, welche ausſchließlich der politiſchen Be- trachtung gewidmet iſt, und ſomit nach dieſer Seite hin vollſtändig genügen dürfte. Es fehlen nun auch in den vor uns liegenden ſechs Heften nicht ſolche Stu- dien welche mit anerkennenswerther Objectivität ſich lediglich an ihren Gegenſtand halten, obgleich derſelbe mit den neueſten Ereigniſſen in Frankreich eng zuſammen- hängt. Wir erwähnen u. a. im Hefte vom 1 Januar: „l’alimentation d’une grande ville assiégée,“ von M. G. de Molinari; im Hefte vom 15 Januar: „l’hippophagie du siége et l’agriculture,“ von M. J. H. Magne; im Hefte vom 15 Februar: „Les approvisionnements de Paris à la fin du siége,“ von M. de Molinari. Andrerſeits aber müſſen wir etwa zwanzig Abhandlungen hervorheben in denen der Franzoſe mit dem Schriftſteller davon läuft, wenn dieſer Ausdruck er- laubt iſt — indem theils der wüthendſte Haß die barockſten und ſeltſamlichſten Ueber- treibungen und Geſchichtsfälſchungen zu Tage fördert — theils die national-fran- zöſiſche Eitelkeit ſich in Aufſtellung unhaltbarer Theorien und Paralleien gefällt. Es iſt vom höchſten Intereſſe die auch an dieſer Stelle hervortretenden Aeußerun- gen der ſpecifiſch franzöſiſchen Vaterlandsliebe zu verfolgen; ſie bewegen ſich faſt ausſchließlich um die zwei Gedanken welche in hundert Wendungen und Reflexen ſich wiederholen: das edle nur für das Wohl der ganzen Welt intereſſirte Frank- reich iſt heimtückiſch von dem barbariſchen Nachbarvolk überfallen worden; die Civiliſation und der Rechtszuſtand von ganz Europa werden darunter auf das em- pfindlichſte leiden. L’idée de la patrie, ses défaillances et son réveil, par M. E. Caro, de l’Institut de France. 15 janvier 1871 pag. 260. „… pour n’être plus un jour surpris à l’improviste, comme nous l’avons été par des millions de voisins tranquilles en apparence etc.“ Louis XIV et le nouvel Empire Allemand, par M. Léon Feer. 1 mars 1871. pag. 128. „… au moyen d’une vaste surprise combinée avec une habileté inouie.“ Journal d’un voyageur pendant la guerre, par M. George Sand. 15 mars 1871. pag. 216. „On nous surprend comme des enfants sans rancune qui dorment la nuit parcequ’ils ont besoin d’oublier la colère du combat.“ L’idée de la patrie, etc. par Caro (ſ. o.) 15 janv. 1871. pag. 252. „Il ne cessait pas de marquer en traits énergiques et pressants le rôle de notre pays, qui était d’empêcher la force de faire la loi en Europe, d’imposer la justice envers les faibles, la loyauté des serments, le respect des traités.“ Ibidem, pag. 260. „… l’état fiévreux et inquiet de l’Europe, où l’on s’aperçoit de ce qui manque dès que la France, véritable justicière, n’y fait pas régner l’ordre en imposant aux forts le respect des faibles.“ Louis XIV. etc. par L. Feer. (ſ. o.) 1 mars, pag. 131. „Le triomphe complet du militarisme prussien est un coup terrible porté au progrès des institutions libérales en Europe et surtout en Alle- magne.“ Les guerres des Français et les invasions des Allemands, par M. Alfred Maury, de l’institut. 15 février 1871 pag. 579. „La France a toujours aspiré à exercer en Europe une prépondérance à laquelle elle croyait avoir droit par la supériorité de sa civilisation et de ses lumières.“

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-02-11T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 4, 4. Januar 1872, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine04_1872/9>, abgerufen am 23.11.2024.