Allgemeine Zeitung. Nr. 3. München, 4. Januar 1924.Allgemeine Zeitung. Nr. 3 Freitag, 4. Januar 1924 Münchener Stadtzeitung. [Spaltenumbruch]
Aus dem Stadtrat. Die 8. Deckungsvorlage. Der Stadtrat hatte sich in seiner ersten Sitzung Der Mehrbedarf, der sich aus den Anforderun- Die Vorlage wurde nach kurzer Aussprache, in Stadtbaurat Bosch wies auf die starken Ein zeitgemäßer Antrag. Die Fraktion der Angesichts der Stabilisierung der Mark und 1. Eine sofortige Nachprüfung aller derjenigen 2. Abschaffung aller Zuschläge und Strafen für Der Antrag wird zunächst im Referat behandelt. In Beantwortung einer sozialistischen Dring- Bei den Fleischpreisen, die in einem starken Bürgermeister Dr. Küfner gab einen kurzen Mandatsniederlegung. Der kommunist. Stadt- Die Milchkarten-Verteilungsstelle im Rosental- Die Zentrale für hauswirtschaftliche Frauen- Landwirtschaftsfragen. Die Kreisbauernkammer von Ober- In der Frage der Erweiterung des Volksschul- Die gleiche Tendenz tritt auch in dem für 1924 Die Lasten der Sozialgesetzgebung Steuerschraube und Landwirtschaft Allen Steuern muß prinzipiell der Ertrag der Die Entschließung verlangt u. a. noch weit- Im übrigen nahm die Kammer Veranlassung, Gemeindliche Getränkesteuer. Die Mitteilung, Kleine Zeitung. Geboren: Herrn Willy Hecht (S.); Herrn Verlobt: Hanni Moser -- Dr. der Philosophie Vermählt: Joseph Buchhardt -- Josephine Gestorben: Erich Schuier, 4 Mon.; Joseph "Reine Ware" oder -- ein wahrer Reinfall. Ein Geschäftshaber in der Forstenriederstraße [Spaltenumbruch] Der Meister des jüngsten Tages. Roman Wir hatten gegen vier Uhr nachmittags mit Dina blickte flüchtig vom Klavier auf, als der Als wir mit dem ersten Satz des Trios zu "Ingenieur Waldemar Solgrub, ein Kollege Felix, Dinas jüngerer Bruder, hörte, daß von Nun kam auch Doktor Gorski hinter seinem Endlich entschloß er sich, Dinas Hand freizu- "Ich glaube, wir müssen einander kennen, Herr "Freiherr von Yosch heiße ich", sagte ich sehr Der Pottwal merkte die Zurechtweisung und "Aber Sie erinnern sich meiner doch wohl?" "Nein, ich bedaure aufrichtig." "Wenn ich nicht irre, haben wir uns vor fünf "Ich glaube, Sie irren sich", sagte ich. "Vor "Ganz richtig, und zwar in Norwegen. Und Er rührt mit dem Löffel in der Teeschale, die "Ah, die Herren kennen einander schon von Der Pottwal lacht lautlos und vergnügt und "Freilich. Aber der Herr Baron war damals "Das ist leicht möglich", gebe ich zur Antwort. Für den Pottwal nicht. Eugen Bischoff macht "Ach was!" meint der Ingenieur und trinkt sei- "Ich finde, daß seine Scherze recht gewöhnlich "Aber jetzt erzähl' doch endlich, Eugen, alter "Wollen wir nicht weiter spielen?" schlage ich Der Pottwal machte eine übertrieben erschrok- "Sie sind noch nicht zu Ende? Oh, ich bitte tau- "Das ist mir durchaus nicht entgangen", ver- Er tut, als hätte er diese Bemerkung nicht ge- Ich beginne meine Geige zu stimmen. (Fortsetzung folgt.) Allgemeine Zeitung. Nr. 3 Freitag, 4. Januar 1924 Münchener Stadtzeitung. [Spaltenumbruch]
Aus dem Stadtrat. Die 8. Deckungsvorlage. Der Stadtrat hatte ſich in ſeiner erſten Sitzung Der Mehrbedarf, der ſich aus den Anforderun- Die Vorlage wurde nach kurzer Ausſprache, in Stadtbaurat Boſch wies auf die ſtarken Ein zeitgemäßer Antrag. Die Fraktion der Angeſichts der Stabiliſierung der Mark und 1. Eine ſofortige Nachprüfung aller derjenigen 2. Abſchaffung aller Zuſchläge und Strafen für Der Antrag wird zunächſt im Referat behandelt. In Beantwortung einer ſozialiſtiſchen Dring- Bei den Fleiſchpreiſen, die in einem ſtarken Bürgermeiſter Dr. Küfner gab einen kurzen Mandatsniederlegung. Der kommuniſt. Stadt- Die Milchkarten-Verteilungsſtelle im Roſental- Die Zentrale für hauswirtſchaftliche Frauen- Landwirtſchaftsfragen. Die Kreisbauernkammer von Ober- In der Frage der Erweiterung des Volksſchul- Die gleiche Tendenz tritt auch in dem für 1924 Die Laſten der Sozialgeſetzgebung Steuerſchraube und Landwirtſchaft Allen Steuern muß prinzipiell der Ertrag der Die Entſchließung verlangt u. a. noch weit- Im übrigen nahm die Kammer Veranlaſſung, Gemeindliche Getränkeſteuer. Die Mitteilung, Kleine Zeitung. Geboren: Herrn Willy Hecht (S.); Herrn Verlobt: Hanni Moſer — Dr. der Philoſophie Vermählt: Joſeph Buchhardt — Joſephine Geſtorben: Erich Schuier, 4 Mon.; Joſeph „Reine Ware“ oder — ein wahrer Reinfall. Ein Geſchäftshaber in der Forſtenriederſtraße [Spaltenumbruch] Der Meiſter des jüngſten Tages. Roman Wir hatten gegen vier Uhr nachmittags mit Dina blickte flüchtig vom Klavier auf, als der Als wir mit dem erſten Satz des Trios zu „Ingenieur Waldemar Solgrub, ein Kollege Felix, Dinas jüngerer Bruder, hörte, daß von Nun kam auch Doktor Gorski hinter ſeinem Endlich entſchloß er ſich, Dinas Hand freizu- „Ich glaube, wir müſſen einander kennen, Herr „Freiherr von Yoſch heiße ich“, ſagte ich ſehr Der Pottwal merkte die Zurechtweiſung und „Aber Sie erinnern ſich meiner doch wohl?“ „Nein, ich bedaure aufrichtig.“ „Wenn ich nicht irre, haben wir uns vor fünf „Ich glaube, Sie irren ſich“, ſagte ich. „Vor „Ganz richtig, und zwar in Norwegen. Und Er rührt mit dem Löffel in der Teeſchale, die „Ah, die Herren kennen einander ſchon von Der Pottwal lacht lautlos und vergnügt und „Freilich. Aber der Herr Baron war damals „Das iſt leicht möglich“, gebe ich zur Antwort. Für den Pottwal nicht. Eugen Biſchoff macht „Ach was!“ meint der Ingenieur und trinkt ſei- „Ich finde, daß ſeine Scherze recht gewöhnlich „Aber jetzt erzähl’ doch endlich, Eugen, alter „Wollen wir nicht weiter ſpielen?“ ſchlage ich Der Pottwal machte eine übertrieben erſchrok- „Sie ſind noch nicht zu Ende? Oh, ich bitte tau- „Das iſt mir durchaus nicht entgangen“, ver- Er tut, als hätte er dieſe Bemerkung nicht ge- Ich beginne meine Geige zu ſtimmen. (Fortſetzung folgt.) <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0004" n="4"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Allgemeine Zeitung.</hi> Nr. 3 Freitag, 4. Januar 1924</fw><lb/> <div type="jLocal" n="1"> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Münchener Stadtzeitung.</hi> </head><lb/> <cb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">Aus dem Stadtrat.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Die 8. Deckungsvorlage.</hi> </hi> </head><lb/> <p>Der Stadtrat hatte ſich in ſeiner erſten Sitzung<lb/> im neuen Jahr wiederum mit einer <hi rendition="#g">Deckungs-<lb/> vorlage,</hi> der achten, zu beſchäftigen. Der Ge-<lb/> ſamtfehlbetrag der Betriebshaushaltpläne für das<lb/> Rechnungsjahr 1923 nach dem Stande vom 1. Dez.<lb/> 1923 beträgt 3 375 724 Goldmark; durch Aus-<lb/> gabenminderungen und -erhöhungen veränderte<lb/> ſich der Geſamtausfall in 3 078 564 Goldmark.</p><lb/> <p>Der Mehrbedarf, der ſich aus den Anforderun-<lb/> gen der neuen Vorlage zuſammen mit dem Be-<lb/> triebsrückhalt für den Reſt des Jahres 1923 er-<lb/> gibt, beträgt 1 516 350 Goldmark. Erfreulicher-<lb/> weiſe kann der Bedarf<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">ohne neue Gebührenerhöhungen</hi></hi><lb/> aufgebracht werden. Auf <hi rendition="#g">Steuermehrein-<lb/> nahmen</hi> können u. a. 3 019 862 Goldmark ver-<lb/> zeichnet werden, der Reſt iſt gedeckt durch Ein-<lb/> ſparungen und Ueberſchüſſe.</p><lb/> <p>Die Vorlage wurde nach kurzer Ausſprache, in<lb/> der StR. <hi rendition="#g">Weiß</hi> in Uebereinſtimmung mit dem<lb/> Finanzreferenten rk. StR. Dr. <hi rendition="#g">Kronenber-<lb/> ger</hi> die Notwendigkeit der baldigen Aufſtellung<lb/> eines Goldmarketats betonte, gegen die U.S.P.<lb/> angenommen</p><lb/> <p>Stadtbaurat <hi rendition="#g">Boſch</hi> wies auf die ſtarken<lb/> Schneefälle hin, denen gegenüber die Straßen-<lb/> reinigung trotz Aufgebotes aller maſchinellen und<lb/> perſonellen Kräfte nicht ganz durchkommen konnte.<lb/> Die Hausbeſitzer ſind nach polizeilicher Vorſchrift<lb/> zur Mithilfe verpflichtet, ein Appell hat bisher<lb/> wenig genützt. Zunächſt mußten die großen<lb/> Schneemaſſen von den Straßen entfernt werden,<lb/> um Ueberſchwemmungen bei Tauwetter zu ver-<lb/> hüten. Sobald es die Witterung geſtattet, ſollen<lb/> auch die Gehſteige abgeeiſt werden. Der Verſuch,<lb/> die Erwerbsloſen zwangsweiſe heranzuziehen, hat<lb/> verſagt. Die Ausgaben haben bisher ohne die<lb/> Koſten für die Schneepflüge und für Ueberſtun-<lb/> den 120 000 bis 150 000 Goldmark betragen.</p><lb/> <p>Ein zeitgemäßer Antrag. Die Fraktion der<lb/> Deutſchdemokratiſchen Partei hat im Stadtrat<lb/> folgenden Dringlichkeitsantrag eingebracht:</p><lb/> <p>Angeſichts der Stabiliſierung der Mark und<lb/> unter Berückſichtigung des Umſtandes, daß die<lb/> Ausgaben für Gehälter uſw. weit hinter dem<lb/> Friedensſtande zurückbleiben, beantragen wir:</p><lb/> <p>1. Eine ſofortige Nachprüfung aller derjenigen<lb/> ſtädt. Gebühren und Preiſe für ſtädt. Er-<lb/> zeugniſſe, die aus irgendeinem Grunde in der<lb/> Uebergangszeit höher als vor dem Kriege an-<lb/> geſetzt wurden;</p><lb/> <p>2. Abſchaffung aller Zuſchläge und Strafen für<lb/> verſpätete Zahlungen und deren Erſatz durch<lb/> der jetzigen Zeit angemeſſene Verzinſung und<lb/> Mahngebühren.</p><lb/> <p>Der Antrag wird zunächſt im Referat behandelt.</p><lb/> <p>In Beantwortung einer ſozialiſtiſchen Dring-<lb/> lichkeitsanfrage, ob vom zuſtändigen Referat Maß-<lb/> nahmen zur<lb/><cb/> <hi rendition="#b">Angleichung der Fleiſchpreiſe an die Marktlage</hi><lb/> eingeleitet ſeien, wies StR. <hi rendition="#g">Preis</hi> auf die be-<lb/> dauerliche Erſcheinung hin, daß die Münchener<lb/> Geſchäftswelt der rückläufigen Preisbewegung<lb/> nur ſehr zögernd und nicht in dem Maße wie in<lb/> anderen Städten gefolgt iſt. Das Generalſtaats-<lb/> kommiſſariat müßte etwas nachhelfen und die Lan-<lb/> despreisſtelle in die Lage verſetzen, alle Spannun-<lb/> gen in ſämtlichen Geſchäftszweigen nachzuprüfen,<lb/> um den Nutzen auf ein erträgliches Maß herab-<lb/> zuſetzen. Es wurden damit auch ſchon nennens-<lb/> werte Erfolge erzielt, obſchon das Verfahren auch<lb/> Widerſtände auslöſt. Beſtimmte Kreiſe wollen<lb/> eben nicht einſehen, daß niemand mehr den Ver-<lb/> dienſt der Vorkriegszeit beanſpruchen kann.</p><lb/> <p>Bei den Fleiſchpreiſen, die in einem ſtarken<lb/> Mißverhältnis zu den Viehpreiſen ſtehen, hat erſt<lb/> in den letzten Tagen die Regierung die Einfüh-<lb/> rung des Kalkulationszwanges genehmigt, ſo daß<lb/> ſich die Möglichkeit ergibt, in nächſter Zeit auch<lb/> die Fleiſchpreiſe aufs Korn zu nehmen.</p><lb/> <p>Bürgermeiſter Dr. <hi rendition="#g">Küfner</hi> gab einen kurzen<lb/> Ueberblick über die im verfloſſenen Jahre abge-<lb/> haltenen Sitzungen. Danach trat der Stadtrat<lb/> zu 53 Sitzungen (Vollſitzungen) zuſammen (ge-<lb/> genüber 56 im Jahre 1922). Der Armenrat zu<lb/> 13 Sitzungen (gegenüber der gleichen Zahl im<lb/> Jahre 1922). — An Ausſchußſitzungen fanden<lb/> ſtatt: Aelteſtenausſchuß 18 (gegenüber 15 im Vor-<lb/> jahre), Bauausſchuß 12 (3), Finanzausſchuß 8<lb/> (23), Hauptausſchuß 49 (58), Haushaltausſchuß 56<lb/> (38), Jugendfürſorgeausſchuß 82 (66), Kommunal-<lb/> verbandsausſchuß 10 (15), Lokalbaukommiſſion 25<lb/> (25), Krankenhausausſchuß 9 (9), Neuorganiſa-<lb/> tionsausſchuß 30 (36), Perſonalausſchuß 50 (63),<lb/> Preisprüfungsſtelle 180 (14), Schulausſchuß 7 (9),<lb/> Soz. Ausſchuß 56 (48), Tarifkommiſſion 20 (22),<lb/> Werkausſchuß 30 (10), Wohnungsausſchuß 19 (22),<lb/> Stadtratskommiſſion beim Wohnungsnachweis 51<lb/> (54). Außerdem fanden eine Menge kleinerer<lb/> Ausſchußſitzungen, Stiftungsſitzungen und Kom-<lb/> miſſionsſitzungen ſtatt. Gegenüber dem Jahre<lb/> 1922 iſt eine Mehrung von 119 Sitzungen ein-<lb/> getreten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <head> <hi rendition="#b">Mandatsniederlegung.</hi> </head><lb/> <p>Der kommuniſt. Stadt-<lb/> rat Fritz <hi rendition="#g">Weigl</hi> hat infolge Berufsänderung<lb/> ſeinen Wohnſitz nach <hi rendition="#g">Berlin</hi> verlegt und iſt<lb/> damit aus dem ſtädtiſchen Parlament ausgeſchie-<lb/> den. An ſeine Stelle würde der Kaufmann<lb/> G. <hi rendition="#g">Gehring</hi> treten, falls er annimmt.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <p><hi rendition="#b">Die Milchkarten-Verteilungsſtelle im Roſental-<lb/> ſchulhaus</hi> (Roſental 7) iſt am <hi rendition="#g">Samstag,</hi> den<lb/> 5. Januar 1924, wegen außerordentlicher Reini-<lb/> gung <hi rendition="#g">geſchloſſen.</hi></p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <p><hi rendition="#b">Die Zentrale für hauswirtſchaftliche Frauen-<lb/> bildung und Beratung</hi> (Hauswirtſchaftliche Be-<lb/> ratungsſtelle) hält ab 1. Januar bis 1. April 1924<lb/> folgende Kurſe ab, zu denen Anmeldungen ſofort<lb/> erbeten werden in der Geſchäftsſtelle, Alte Polizei,<lb/> Zimmer 48. Geöffnet täglich von 9—5 Uhr, Sams-<lb/> tags von 9—1 Uhr. <hi rendition="#g">Kochkurſe:</hi> Tages- und<lb/> Abendkurſe, <hi rendition="#g">Bügel- und Waſchkurſe:</hi><lb/> Tages- und Abendkurſe, <hi rendition="#g">Nähkurſe:</hi> Tages-<lb/> und Abendkurſe, <hi rendition="#g">Schuhkurſe:</hi> Abendkurſe,<lb/><hi rendition="#g">Servierkurſe:</hi> Tages- und Abendkurſe.</p><lb/> <cb/> </div> <div type="jArticle" n="4"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Landwirtſchaftsfragen.</hi> </hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#g">Die Kreisbauernkammer von Ober-<lb/> bayern,</hi> die am 3. Januar zu einer <hi rendition="#g">Voll-<lb/> ſitzung</hi> zuſammentrat, gab in Anweſenheit des<lb/> Oberregierungsrates <hi rendition="#g">Schmidt</hi> als Vertreter der<lb/> Kreisregierung bei Erörterung der allgemeinen<lb/> Wirtſchaftslage durch ihren 1. Präſidenten, Lan-<lb/> desökonomierat <hi rendition="#g">Steininger,</hi> die Verſicherung<lb/> kräftig unterſtützender <hi rendition="#g">Mitarbeit an den<lb/> Aufbauplänen der Reichsregierung</hi><lb/> ab.</p><lb/> <p>In der Frage der Erweiterung des Volksſchul-<lb/> fortbildungsunterrichtes auf dem Lande wandte<lb/> ſich die Kammer, in Uebereinſtimmung mit den<lb/> Ausführungen des Referenten, Direktor <hi rendition="#g">Reiſin-<lb/> ger,</hi> gegen eine Ausdehnung des genannten<lb/> Unterrichtes an Werktagen, gleichzeitig aber ein-<lb/> tretend <hi rendition="#g">für die Förderung und den<lb/> Ausbau des landwirtſchaftlichen Un-<lb/> terrichtes in Fachſchulen.</hi></p><lb/> <p>Die gleiche Tendenz tritt auch in dem für 1924<lb/> erſtellten, mit einem Geſamtaufwand von 50 000<lb/> Goldmark abſchließenden Etat zutage, der folgende<lb/><hi rendition="#g">Zuſchüſſe</hi> vorſicht: Almwirtſchaft 500 Gold-<lb/> mark, Landwirtſchaftsſchulen 3600, Molkerſchulen<lb/> 300, Obſtbau, Bienenzucht und Fiſcherei 900,<lb/> Pferdezuchtverbände 1500, Rinderzuchtverbände<lb/> 2500, Lehrlingsweſen in Landwirtſchaft und Gärt-<lb/> nerei 2000, Wanderhaushaltkurſe 2500 Goldmark.</p><lb/> <p><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">Die Laſten der Sozialgeſetzgebung</hi></hi><lb/> wurden von Bürgermeiſter <hi rendition="#g">Maier</hi>-Amorang<lb/> als <hi rendition="#g">untragbar</hi> bezeichnet. Der Referent erhob<lb/> bei prinzipiellem Eintreten für die Erhaltung der<lb/> ſozialen Verſicherungsgeſetzgebung und die Stel-<lb/> lung der Grundlöhne auf die Baſis von 1914 eine<lb/> Reihe von<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">Forderungen,</hi></hi><lb/> die hinſichtlich der Krankenverſicherung die Rück-<lb/> führung auf den Stand von 1914 und die Wieder-<lb/> herſtellung des § 418 der Reichsverſicherungsord-<lb/> nung wegen Uebernahme der Krankenfürſorge<lb/> verlangen; ferner die Errichtung von Land- und<lb/> Gemeindekrankenkaſſen, wo die Verhältniſſe es be-<lb/> dingen, im übrigen Aufhebung der Mehrleiſtun-<lb/> gen (Familienverſicherung Einſchränkung der<lb/> Zahnbehandlung, Tragung von 20 Prozent der<lb/> Arzneikoſten durch den Verſicherten, außer bei<lb/> wirtſchaftlicher Notlage). Trennung der Erwerbs-<lb/> loſenfürſorge von den Krankenkaſſen, Aufhebung<lb/> von Wochen- und Stillgeld, Einführung einer<lb/> mehrtägigen Krankengeldkarenzzeit, Beſchränkung<lb/> der freien Aerztewahl.</p><lb/> <p><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">Steuerſchraube und Landwirtſchaft</hi></hi><lb/> behandelte Oekonomierat <hi rendition="#g">Melchner,</hi> ſeine Aus-<lb/> führungen zu folgenden von der Kammer debatte-<lb/> los genehmigten<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Anträgen</hi></hi><lb/> verdichtend:</p><lb/> <p>Allen Steuern muß prinzipiell der Ertrag der<lb/> Wirtſchaft zugrunde gelegt werden; bei den künf-<lb/> tigen Vermögensſteuern ſind die Wehrbeitrags-<lb/> werte allgemein nachzuprüfen, Verkehrs- und ge-<lb/> meine Werte dürfen nicht mehr in Betracht ge-<lb/> zogen werden. Verringerung und Verſchlechterung<lb/> des Inventars und Grundbeſitzes ſind zu berück-<lb/> ſichtigen. Bei der neuen Einkommenſteuer ſind<lb/> grundſätzlich die Ertragsberechnungen der Lan-<lb/><cb/> desbauernkammer und nicht mehr die Ertrags-<lb/> wertſätze der Landesfinanzämter zugrunde zu<lb/> legen.</p><lb/> <p>Die Entſchließung verlangt u. a. noch weit-<lb/> gehende Stundung, eventuell ſogar Steuernachlaß<lb/> in Anbetracht der Preisſenkung unter Stockung<lb/> des Abſatzes und im allgemeinen Berückſichtigung<lb/> der bayeriſchen kleinbäuerlichen Verhältniſſe ge-<lb/> genüber den norddeutſchen Verhältniſſen.</p><lb/> <p>Im übrigen nahm die Kammer Veranlaſſung,<lb/> die Berechtigung der <hi rendition="#g">Preisprüfungsſtel-<lb/> len, Wuchergerichte</hi> uſw. zu <hi rendition="#g">verneinen,</hi><lb/> weil ſie den in großem Maßſtabe verübten<lb/> Schiebereien uſw. nicht zu Leibe zu rücken ver-<lb/> mögen; ſie forderte neuerdings die <hi rendition="#g">Beſeiti-<lb/> gung des Hamſtererunfugs,</hi> Maßnah-<lb/> men gegen die ungemein überhandnehmenden<lb/> Feld- und Walddiebſtähle und erhob ſchließlich<lb/> den Ruf zur Zuſammenarbeit aller Berufsſtände<lb/> am Wiederaufbau des Vaterlandes.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <head> <hi rendition="#b">Gemeindliche Getränkeſteuer.</hi> </head><lb/> <p>Die Mitteilung,<lb/> daß die gemeindliche Beherbergungs- und Ge-<lb/> tränkeſteuer mit Wirkung vom 1. Januar 1924 ab<lb/> in Goldmark erhoben wird und daß die Beher-<lb/> bergungsſteuer nach einem Einheitsſatz von<lb/> 20 Prozent (für In- und Ausländer) berechnet<lb/> wird, iſt vielfach mißverſtändlich dahin aufgefaßt<lb/> worden, daß auch nunmehr die Getränkeſteuer auf<lb/> 20 Prozent erhöht worden ſei. Wie der ſtädt.<lb/> Nachrichtendienſt mitteilt, hat ſich <hi rendition="#g">an den<lb/> Steuerſätzen für die Getränkeſteuer<lb/> nichts geändert.</hi> Sie betragen nach wie vor<lb/> bei Wein, Fruchtwein, weinähnlichen und wein-<lb/> haltigen Getränken, Bier, Mineralwäſſern und<lb/> künſtlich bereiteten Getränken 5 Prozent, bei<lb/> Schaumwein mit Ausnahme der Fruchtweine, bei<lb/> ſchaumweinähnlichen Getränken und bei Trink-<lb/> branntwein 15 Prozent des Kleinhandelspreiſes.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">Kleine Zeitung.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <head> <hi rendition="#b">Geboren:</hi> </head><lb/> <p>Herrn Willy <hi rendition="#g">Hecht</hi> (S.); Herrn<lb/> Joſeph <hi rendition="#g">Mohn</hi> (T.).</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <head> <hi rendition="#b">Verlobt:</hi> </head><lb/> <p>Hanni <hi rendition="#g">Moſer</hi> — Dr. der Philoſophie<lb/> Adolf L. <hi rendition="#g">Koenig;</hi> Grety <hi rendition="#g">Schmidt</hi> — Georg<lb/><hi rendition="#g">Popp</hi> Antonette <hi rendition="#g">Schopper,</hi> geb. Frankl —<lb/> Franz <hi rendition="#g">Senft;</hi></p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <head> <hi rendition="#b">Vermählt:</hi> </head><lb/> <p>Joſeph <hi rendition="#g">Buchhardt</hi> — Joſephine<lb/> geb. <hi rendition="#g">Berger.</hi></p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <head> <hi rendition="#b">Geſtorben:</hi> </head><lb/> <p>Erich <hi rendition="#g">Schuier,</hi> 4 Mon.; Joſeph<lb/><hi rendition="#g">Höfter,</hi> ehem. Guts- u. Brauereibeſitzer, 67 J.;<lb/> Karl <hi rendition="#g">Rommel<hi rendition="#aq">é</hi>,</hi> Rentner, 88 J.; Otto <hi rendition="#g">Holtz-<lb/> wich;</hi> Xaver <hi rendition="#g">Rex,</hi> Mützenmachermeiſter, 59 J.;<lb/> Franz Xaver <hi rendition="#g">Malterer,</hi> penſ. Eiſenbahnober-<lb/> packmeiſter, 57 J.; Frau Roſa v. <hi rendition="#g">Riedl,</hi> Priva-<lb/> tiere, 88 J.; Frl. Käthi <hi rendition="#g">Wernhammer,</hi><lb/> Sprachlehrerin; Frau Eliſab. <hi rendition="#g">Reiffer,</hi> Maler-<lb/> meiſtersgattin, 60 J.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <head> <hi rendition="#c">„Reine Ware“ oder — <hi rendition="#b">ein wahrer Reinfall.</hi></hi> </head><lb/> <p>Ein Geſchäftshaber in der Forſtenriederſtraße<lb/> wurde das Opfer eines Betrügers. Zu ihm kam<lb/> ein etwa 40 Jahre alter Mann und bot ihm<lb/> „billigen“ Sekt an. Der Geſchäftsinhaber kaufte<lb/> vier Flaſchen um 15 Goldmark. Der Sekt war<lb/> ſchrecklich teuer, denn die Flaſchen enthielten —<lb/> Waſſer.</p> </div> </div> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Der Meiſter des jüngſten Tages.</hi> </hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Roman</hi> </hi> </p> </argument><lb/> <byline> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">von <hi rendition="#g">Leo Perutz.</hi></hi> </hi> </byline><lb/> <p>Wir hatten gegen vier Uhr nachmittags mit<lb/> dem Muſizieren begonnen, zwei Violin-Klavier-<lb/> ſonaten von Beethoven und ein Schuberttrio hat-<lb/> ten wir ſchon geſpielt. Nach dem Tee kam endlich<lb/> dann das <hi rendition="#aq">H-dur</hi>-Trio an die Reihe. Ich liebe<lb/> dieſes Trio, vor allem den erſten Satz, mit ſeinem<lb/> feierlichen Jubel. Und darum wurde ich ärger-<lb/> lich, als es an die Tür klopfte, kaum daß wir<lb/> begonnen hatten. Eugen Biſchoff ſagte mit ſeiner<lb/> ſonoren Stimme ein mächtiges „Herein“, und ein<lb/> junger Mann ſchob ſich ins Zimmer, deſſen Geſicht<lb/> mir ſogleich bekannt vorkam, ich wußte nur nicht<lb/> recht, wo und unter welchen Umſtänden ich ihm<lb/> ſchon begegnet war. Er ſchloß, nicht ohne Ge-<lb/> räuſch zu verurſachen, die Türe, obwohl er ſich<lb/> augenſcheinlich die größte Mühe gab, uns nicht<lb/> zu ſtören. Er war groß, ſehr blond, breitſchultrig,<lb/> er hatte einen beinahe viereckigen Kopf, gleich vom<lb/> erſten Augenblick an mißfiel er mir, er erinnerte<lb/> mich irgendwie an einen Pottwal.</p><lb/> <p>Dina blickte flüchtig vom Klavier auf, als der<lb/> verſpätete Gaſt hereinkam, zu meiner Freude<lb/> nickte ſie ihm nur läſſig zu und ſpielte weiter,<lb/> während ihr Gatte ſich geräuſchlos vom Sofa<lb/> erhob, um den Fremden zu begrüßen. Ueber<lb/> mein Notenblatt hinweg ſah ich die beiden mit-<lb/> einander flüſtern, und dann wies der Pottwal<lb/> mit einer fragenden und kaum merklichen Bewe-<lb/> gung ſeines Kopfes auf mich — „Wer iſt das?<lb/> Wie kommt der hierher?“ — und ich kam zu dem<lb/> Ergebnis, daß das ein ſehr vertrauter Freund<lb/> des Hauſes ſein müſſe. wenn er ſich eine ſolche<lb/> Formloſigkeit erlauben durſte.</p><lb/> <cb/> <p>Als wir mit dem erſten Satz des Trios zu<lb/> Ende waren, ſtellte mir Eugen Biſchoff den Frem-<lb/> den vor.</p><lb/> <p>„Ingenieur Waldemar Solgrub, ein Kollege<lb/> meines Schwagers — Freiherr von Yoſch, den ſo<lb/> liebenswürdig war, für Felix einzuſpringen.“</p><lb/> <p>Felix, Dinas jüngerer Bruder, hörte, daß von<lb/> ihm die Rede war, und ſchwenkte ſeine weiß ban-<lb/> dagierte linke Hand. Er hatte ſich in ſeinem La-<lb/> boratorium eine Verbrennung zugezogen, die ihn<lb/> hinderte, Geige zu ſpielen. Um ſich dennoch nütz-<lb/> lich zu machen, wendete er die Notenblätter um.</p><lb/> <p>Nun kam auch Doktor Gorski hinter ſeinem<lb/> Cello zum Vorſchein, ein freundlich lächelnder<lb/> Gnom, aber der Ingenieur nahm ſich kaum Zeit.<lb/> ihm die Hand zu drücken, und ſtand ſchon im näch-<lb/> ſten Augenblick bei Dina Biſchoff. Und während<lb/> er ſich über ihre Hand beugte — er behielt ſie<lb/> weitaus länger, als es notwendig geweſen wäre,<lb/> in der ſeinen, es war geradezu peinlich, es mit-<lb/> anzuſehen —, während er über ihre Hand gebeugt<lb/> daſtand und eindringlich auf ſie einſprach, ſah<lb/> ich, daß er nicht ganz ſo jung war, wie es an-<lb/> fangs den Anſchein gehabt hatte. Sein blondes,<lb/> kurzgeſchnittenes Haar war an den Schläfen leicht<lb/> ergraut, er mochte nahe der Vierzig ſein, wenn<lb/> er ſich auch ſo betrug wie ein Junge von zwan-<lb/> zig Jahren.</p><lb/> <p>Endlich entſchloß er ſich, Dinas Hand freizu-<lb/> geben, und nun kam er auf mich zu.</p><lb/> <p>„Ich glaube, wir müſſen einander kennen, Herr<lb/> Virtuoſe.“</p><lb/> <p>„Freiherr von Yoſch heiße ich“, ſagte ich ſehr<lb/> ruhig und ſehr höflich.</p><lb/> <p>Der Pottwal merkte die Zurechtweiſung und<lb/> entſchuldigte ſich. Er habe, wie das ſo gehe, mei-<lb/> nen Namen bei der Vorſtellung nicht recht ver-<lb/><cb/> ſtanden. Er hatte eine Art, beim Sprechen die<lb/> Worte mit Heftigkeit aus dem Mund zu ſchleu-<lb/> dern, die mich lebhaft an ſein Urbild erinnerte,<lb/> wenn es den Waſſerſtrahl aus ſeinem Spritzloch<lb/> hervorſtößt.</p><lb/> <p>„Aber Sie erinnern ſich meiner doch wohl?“<lb/> fragte er.</p><lb/> <p>„Nein, ich bedaure aufrichtig.“</p><lb/> <p>„Wenn ich nicht irre, haben wir uns vor fünf<lb/> Wochen —“</p><lb/> <p>„Ich glaube, Sie irren ſich“, ſagte ich. „Vor<lb/> fünf Wochen war ich auf Reiſen.“</p><lb/> <p>„Ganz richtig, und zwar in Norwegen. Und<lb/> wir ſind auf der Strecke Chriſtiania-Bergen vier<lb/> Stunden lang einander gegenüber geſeſſen.<lb/> Stimmt das“</p><lb/> <p>Er rührt mit dem Löffel in der Teeſchale, die<lb/> Dina vor ihn hingeſtellt hat. Seine letzten Worte<lb/> hat ſie gehört, ſie ſieht uns beide neugierig an<lb/> und meint:</p><lb/> <p>„Ah, die Herren kennen einander ſchon von<lb/> früher her?“</p><lb/> <p>Der Pottwal lacht lautlos und vergnügt und<lb/> ſagt, zu Dina gewendet:</p><lb/> <p>„Freilich. Aber der Herr Baron war damals<lb/> auf der Fahrt über den Hardanger Fjeld genau<lb/> ſo wenig mitteilſam wie heute.“</p><lb/> <p>„Das iſt leicht möglich“, gebe ich zur Antwort.<lb/> „Das iſt leider ſo meine Art, ich ſuche ſelten Be-<lb/> kanntſchaften auf Reiſen.“ Und damit war die<lb/> Sache für mich erledigt.</p><lb/> <p>Für den Pottwal nicht. Eugen Biſchoff macht<lb/> irgendeine Bemerkung über das erſtaunliche Per-<lb/> ſonengedächtnis, das der Ingenieur wieder einmal<lb/> bewieſen habe. Eugen Biſchoff iſt immer bereit,<lb/> ſeinen Freunden alle möglichen Fähigkeiten und<lb/> hervorragenden Eigenſchaften zuzuſprechen.</p><lb/> <cb/> <p>„Ach was!“ meint der Ingenieur und trinkt ſei-<lb/> nen Tee. „Das war in dieſem Fall wirklich keine<lb/> große Leiſtung. Allerdings, der Herr Baron hat<lb/> ein Geſicht wie tauſend andere — Sie verzeihen<lb/> wohl, Baron? Es iſt geradezu merkwürdig, wie<lb/> ſehr Sie einer ganzen Menge anderer Leute ähn-<lb/> lich ſehen. Aber Ihre engliſche Pfeife, die hat<lb/> eine ausgeſprochen charakteriſtiſche Phyſiognomie;<lb/> nach der hab’ ich Sie ſofort wieder erkannt.“</p><lb/> <p>„Ich finde, daß ſeine Scherze recht gewöhnlich<lb/> ſind und daß er ſich ein wenig zu viel mit meiner<lb/> Perſon befaßt. Ich weiß wirklich nicht, wie ich<lb/> zu dieſer Ehre komme.</p><lb/> <p>„Aber jetzt erzähl’ doch endlich, Eugen, alter<lb/> Junge!“ ruft der Pottwal laut und ungeniert.<lb/> „Du hatteſt große Erfolge in Berlin, hab’ ich ge-<lb/> leſen, alle Zeitungen waren ja voll davon. Und<lb/> wie weit biſt du mit deinem König Richard?<lb/> Geht’s vorwärts?“</p><lb/> <p>„Wollen wir nicht weiter ſpielen?“ ſchlage ich<lb/> vor.</p><lb/> <p>Der Pottwal machte eine übertrieben erſchrok-<lb/> kene und abwehrende Geſte der Entſchuldigung.</p><lb/> <p>„Sie ſind noch nicht zu Ende? Oh, ich bitte tau-<lb/> ſendmal um Verzeihung. Wirklich, ich dachte —<lb/> ich bin nämlich ganz unmuſikaliſch.“</p><lb/> <p>„Das iſt mir durchaus nicht entgangen“, ver-<lb/> ſicherte ich ihm mit dem verbindlichſten Geſicht von<lb/> der Welt.</p><lb/> <p>Er tut, als hätte er dieſe Bemerkung nicht ge-<lb/> hört. Er ſetzt ſich, ſtreckt die Beine von ſich, nimmt<lb/> ein paar Photographien vom Tiſch und vertieft<lb/> ſich in die Betrachtung eines Bildes, das Eugen<lb/> Biſchoff im Koſtüm irgendeines Shakeſpeareſchen<lb/> Königs darſtellt.</p><lb/> <p>Ich beginne meine Geige zu ſtimmen.</p><lb/> <p>(Fortſetzung folgt.)</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [4/0004]
Allgemeine Zeitung. Nr. 3 Freitag, 4. Januar 1924
Münchener Stadtzeitung.
Aus dem Stadtrat.
Die 8. Deckungsvorlage.
Der Stadtrat hatte ſich in ſeiner erſten Sitzung
im neuen Jahr wiederum mit einer Deckungs-
vorlage, der achten, zu beſchäftigen. Der Ge-
ſamtfehlbetrag der Betriebshaushaltpläne für das
Rechnungsjahr 1923 nach dem Stande vom 1. Dez.
1923 beträgt 3 375 724 Goldmark; durch Aus-
gabenminderungen und -erhöhungen veränderte
ſich der Geſamtausfall in 3 078 564 Goldmark.
Der Mehrbedarf, der ſich aus den Anforderun-
gen der neuen Vorlage zuſammen mit dem Be-
triebsrückhalt für den Reſt des Jahres 1923 er-
gibt, beträgt 1 516 350 Goldmark. Erfreulicher-
weiſe kann der Bedarf
ohne neue Gebührenerhöhungen
aufgebracht werden. Auf Steuermehrein-
nahmen können u. a. 3 019 862 Goldmark ver-
zeichnet werden, der Reſt iſt gedeckt durch Ein-
ſparungen und Ueberſchüſſe.
Die Vorlage wurde nach kurzer Ausſprache, in
der StR. Weiß in Uebereinſtimmung mit dem
Finanzreferenten rk. StR. Dr. Kronenber-
ger die Notwendigkeit der baldigen Aufſtellung
eines Goldmarketats betonte, gegen die U.S.P.
angenommen
Stadtbaurat Boſch wies auf die ſtarken
Schneefälle hin, denen gegenüber die Straßen-
reinigung trotz Aufgebotes aller maſchinellen und
perſonellen Kräfte nicht ganz durchkommen konnte.
Die Hausbeſitzer ſind nach polizeilicher Vorſchrift
zur Mithilfe verpflichtet, ein Appell hat bisher
wenig genützt. Zunächſt mußten die großen
Schneemaſſen von den Straßen entfernt werden,
um Ueberſchwemmungen bei Tauwetter zu ver-
hüten. Sobald es die Witterung geſtattet, ſollen
auch die Gehſteige abgeeiſt werden. Der Verſuch,
die Erwerbsloſen zwangsweiſe heranzuziehen, hat
verſagt. Die Ausgaben haben bisher ohne die
Koſten für die Schneepflüge und für Ueberſtun-
den 120 000 bis 150 000 Goldmark betragen.
Ein zeitgemäßer Antrag. Die Fraktion der
Deutſchdemokratiſchen Partei hat im Stadtrat
folgenden Dringlichkeitsantrag eingebracht:
Angeſichts der Stabiliſierung der Mark und
unter Berückſichtigung des Umſtandes, daß die
Ausgaben für Gehälter uſw. weit hinter dem
Friedensſtande zurückbleiben, beantragen wir:
1. Eine ſofortige Nachprüfung aller derjenigen
ſtädt. Gebühren und Preiſe für ſtädt. Er-
zeugniſſe, die aus irgendeinem Grunde in der
Uebergangszeit höher als vor dem Kriege an-
geſetzt wurden;
2. Abſchaffung aller Zuſchläge und Strafen für
verſpätete Zahlungen und deren Erſatz durch
der jetzigen Zeit angemeſſene Verzinſung und
Mahngebühren.
Der Antrag wird zunächſt im Referat behandelt.
In Beantwortung einer ſozialiſtiſchen Dring-
lichkeitsanfrage, ob vom zuſtändigen Referat Maß-
nahmen zur
Angleichung der Fleiſchpreiſe an die Marktlage
eingeleitet ſeien, wies StR. Preis auf die be-
dauerliche Erſcheinung hin, daß die Münchener
Geſchäftswelt der rückläufigen Preisbewegung
nur ſehr zögernd und nicht in dem Maße wie in
anderen Städten gefolgt iſt. Das Generalſtaats-
kommiſſariat müßte etwas nachhelfen und die Lan-
despreisſtelle in die Lage verſetzen, alle Spannun-
gen in ſämtlichen Geſchäftszweigen nachzuprüfen,
um den Nutzen auf ein erträgliches Maß herab-
zuſetzen. Es wurden damit auch ſchon nennens-
werte Erfolge erzielt, obſchon das Verfahren auch
Widerſtände auslöſt. Beſtimmte Kreiſe wollen
eben nicht einſehen, daß niemand mehr den Ver-
dienſt der Vorkriegszeit beanſpruchen kann.
Bei den Fleiſchpreiſen, die in einem ſtarken
Mißverhältnis zu den Viehpreiſen ſtehen, hat erſt
in den letzten Tagen die Regierung die Einfüh-
rung des Kalkulationszwanges genehmigt, ſo daß
ſich die Möglichkeit ergibt, in nächſter Zeit auch
die Fleiſchpreiſe aufs Korn zu nehmen.
Bürgermeiſter Dr. Küfner gab einen kurzen
Ueberblick über die im verfloſſenen Jahre abge-
haltenen Sitzungen. Danach trat der Stadtrat
zu 53 Sitzungen (Vollſitzungen) zuſammen (ge-
genüber 56 im Jahre 1922). Der Armenrat zu
13 Sitzungen (gegenüber der gleichen Zahl im
Jahre 1922). — An Ausſchußſitzungen fanden
ſtatt: Aelteſtenausſchuß 18 (gegenüber 15 im Vor-
jahre), Bauausſchuß 12 (3), Finanzausſchuß 8
(23), Hauptausſchuß 49 (58), Haushaltausſchuß 56
(38), Jugendfürſorgeausſchuß 82 (66), Kommunal-
verbandsausſchuß 10 (15), Lokalbaukommiſſion 25
(25), Krankenhausausſchuß 9 (9), Neuorganiſa-
tionsausſchuß 30 (36), Perſonalausſchuß 50 (63),
Preisprüfungsſtelle 180 (14), Schulausſchuß 7 (9),
Soz. Ausſchuß 56 (48), Tarifkommiſſion 20 (22),
Werkausſchuß 30 (10), Wohnungsausſchuß 19 (22),
Stadtratskommiſſion beim Wohnungsnachweis 51
(54). Außerdem fanden eine Menge kleinerer
Ausſchußſitzungen, Stiftungsſitzungen und Kom-
miſſionsſitzungen ſtatt. Gegenüber dem Jahre
1922 iſt eine Mehrung von 119 Sitzungen ein-
getreten.
Mandatsniederlegung.
Der kommuniſt. Stadt-
rat Fritz Weigl hat infolge Berufsänderung
ſeinen Wohnſitz nach Berlin verlegt und iſt
damit aus dem ſtädtiſchen Parlament ausgeſchie-
den. An ſeine Stelle würde der Kaufmann
G. Gehring treten, falls er annimmt.
Die Milchkarten-Verteilungsſtelle im Roſental-
ſchulhaus (Roſental 7) iſt am Samstag, den
5. Januar 1924, wegen außerordentlicher Reini-
gung geſchloſſen.
Die Zentrale für hauswirtſchaftliche Frauen-
bildung und Beratung (Hauswirtſchaftliche Be-
ratungsſtelle) hält ab 1. Januar bis 1. April 1924
folgende Kurſe ab, zu denen Anmeldungen ſofort
erbeten werden in der Geſchäftsſtelle, Alte Polizei,
Zimmer 48. Geöffnet täglich von 9—5 Uhr, Sams-
tags von 9—1 Uhr. Kochkurſe: Tages- und
Abendkurſe, Bügel- und Waſchkurſe:
Tages- und Abendkurſe, Nähkurſe: Tages-
und Abendkurſe, Schuhkurſe: Abendkurſe,
Servierkurſe: Tages- und Abendkurſe.
Landwirtſchaftsfragen.
Die Kreisbauernkammer von Ober-
bayern, die am 3. Januar zu einer Voll-
ſitzung zuſammentrat, gab in Anweſenheit des
Oberregierungsrates Schmidt als Vertreter der
Kreisregierung bei Erörterung der allgemeinen
Wirtſchaftslage durch ihren 1. Präſidenten, Lan-
desökonomierat Steininger, die Verſicherung
kräftig unterſtützender Mitarbeit an den
Aufbauplänen der Reichsregierung
ab.
In der Frage der Erweiterung des Volksſchul-
fortbildungsunterrichtes auf dem Lande wandte
ſich die Kammer, in Uebereinſtimmung mit den
Ausführungen des Referenten, Direktor Reiſin-
ger, gegen eine Ausdehnung des genannten
Unterrichtes an Werktagen, gleichzeitig aber ein-
tretend für die Förderung und den
Ausbau des landwirtſchaftlichen Un-
terrichtes in Fachſchulen.
Die gleiche Tendenz tritt auch in dem für 1924
erſtellten, mit einem Geſamtaufwand von 50 000
Goldmark abſchließenden Etat zutage, der folgende
Zuſchüſſe vorſicht: Almwirtſchaft 500 Gold-
mark, Landwirtſchaftsſchulen 3600, Molkerſchulen
300, Obſtbau, Bienenzucht und Fiſcherei 900,
Pferdezuchtverbände 1500, Rinderzuchtverbände
2500, Lehrlingsweſen in Landwirtſchaft und Gärt-
nerei 2000, Wanderhaushaltkurſe 2500 Goldmark.
Die Laſten der Sozialgeſetzgebung
wurden von Bürgermeiſter Maier-Amorang
als untragbar bezeichnet. Der Referent erhob
bei prinzipiellem Eintreten für die Erhaltung der
ſozialen Verſicherungsgeſetzgebung und die Stel-
lung der Grundlöhne auf die Baſis von 1914 eine
Reihe von
Forderungen,
die hinſichtlich der Krankenverſicherung die Rück-
führung auf den Stand von 1914 und die Wieder-
herſtellung des § 418 der Reichsverſicherungsord-
nung wegen Uebernahme der Krankenfürſorge
verlangen; ferner die Errichtung von Land- und
Gemeindekrankenkaſſen, wo die Verhältniſſe es be-
dingen, im übrigen Aufhebung der Mehrleiſtun-
gen (Familienverſicherung Einſchränkung der
Zahnbehandlung, Tragung von 20 Prozent der
Arzneikoſten durch den Verſicherten, außer bei
wirtſchaftlicher Notlage). Trennung der Erwerbs-
loſenfürſorge von den Krankenkaſſen, Aufhebung
von Wochen- und Stillgeld, Einführung einer
mehrtägigen Krankengeldkarenzzeit, Beſchränkung
der freien Aerztewahl.
Steuerſchraube und Landwirtſchaft
behandelte Oekonomierat Melchner, ſeine Aus-
führungen zu folgenden von der Kammer debatte-
los genehmigten
Anträgen
verdichtend:
Allen Steuern muß prinzipiell der Ertrag der
Wirtſchaft zugrunde gelegt werden; bei den künf-
tigen Vermögensſteuern ſind die Wehrbeitrags-
werte allgemein nachzuprüfen, Verkehrs- und ge-
meine Werte dürfen nicht mehr in Betracht ge-
zogen werden. Verringerung und Verſchlechterung
des Inventars und Grundbeſitzes ſind zu berück-
ſichtigen. Bei der neuen Einkommenſteuer ſind
grundſätzlich die Ertragsberechnungen der Lan-
desbauernkammer und nicht mehr die Ertrags-
wertſätze der Landesfinanzämter zugrunde zu
legen.
Die Entſchließung verlangt u. a. noch weit-
gehende Stundung, eventuell ſogar Steuernachlaß
in Anbetracht der Preisſenkung unter Stockung
des Abſatzes und im allgemeinen Berückſichtigung
der bayeriſchen kleinbäuerlichen Verhältniſſe ge-
genüber den norddeutſchen Verhältniſſen.
Im übrigen nahm die Kammer Veranlaſſung,
die Berechtigung der Preisprüfungsſtel-
len, Wuchergerichte uſw. zu verneinen,
weil ſie den in großem Maßſtabe verübten
Schiebereien uſw. nicht zu Leibe zu rücken ver-
mögen; ſie forderte neuerdings die Beſeiti-
gung des Hamſtererunfugs, Maßnah-
men gegen die ungemein überhandnehmenden
Feld- und Walddiebſtähle und erhob ſchließlich
den Ruf zur Zuſammenarbeit aller Berufsſtände
am Wiederaufbau des Vaterlandes.
Gemeindliche Getränkeſteuer.
Die Mitteilung,
daß die gemeindliche Beherbergungs- und Ge-
tränkeſteuer mit Wirkung vom 1. Januar 1924 ab
in Goldmark erhoben wird und daß die Beher-
bergungsſteuer nach einem Einheitsſatz von
20 Prozent (für In- und Ausländer) berechnet
wird, iſt vielfach mißverſtändlich dahin aufgefaßt
worden, daß auch nunmehr die Getränkeſteuer auf
20 Prozent erhöht worden ſei. Wie der ſtädt.
Nachrichtendienſt mitteilt, hat ſich an den
Steuerſätzen für die Getränkeſteuer
nichts geändert. Sie betragen nach wie vor
bei Wein, Fruchtwein, weinähnlichen und wein-
haltigen Getränken, Bier, Mineralwäſſern und
künſtlich bereiteten Getränken 5 Prozent, bei
Schaumwein mit Ausnahme der Fruchtweine, bei
ſchaumweinähnlichen Getränken und bei Trink-
branntwein 15 Prozent des Kleinhandelspreiſes.
Kleine Zeitung.
Geboren:
Herrn Willy Hecht (S.); Herrn
Joſeph Mohn (T.).
Verlobt:
Hanni Moſer — Dr. der Philoſophie
Adolf L. Koenig; Grety Schmidt — Georg
Popp Antonette Schopper, geb. Frankl —
Franz Senft;
Vermählt:
Joſeph Buchhardt — Joſephine
geb. Berger.
Geſtorben:
Erich Schuier, 4 Mon.; Joſeph
Höfter, ehem. Guts- u. Brauereibeſitzer, 67 J.;
Karl Rommelé, Rentner, 88 J.; Otto Holtz-
wich; Xaver Rex, Mützenmachermeiſter, 59 J.;
Franz Xaver Malterer, penſ. Eiſenbahnober-
packmeiſter, 57 J.; Frau Roſa v. Riedl, Priva-
tiere, 88 J.; Frl. Käthi Wernhammer,
Sprachlehrerin; Frau Eliſab. Reiffer, Maler-
meiſtersgattin, 60 J.
„Reine Ware“ oder — ein wahrer Reinfall.
Ein Geſchäftshaber in der Forſtenriederſtraße
wurde das Opfer eines Betrügers. Zu ihm kam
ein etwa 40 Jahre alter Mann und bot ihm
„billigen“ Sekt an. Der Geſchäftsinhaber kaufte
vier Flaſchen um 15 Goldmark. Der Sekt war
ſchrecklich teuer, denn die Flaſchen enthielten —
Waſſer.
Der Meiſter des jüngſten Tages.
Roman
von Leo Perutz.
Wir hatten gegen vier Uhr nachmittags mit
dem Muſizieren begonnen, zwei Violin-Klavier-
ſonaten von Beethoven und ein Schuberttrio hat-
ten wir ſchon geſpielt. Nach dem Tee kam endlich
dann das H-dur-Trio an die Reihe. Ich liebe
dieſes Trio, vor allem den erſten Satz, mit ſeinem
feierlichen Jubel. Und darum wurde ich ärger-
lich, als es an die Tür klopfte, kaum daß wir
begonnen hatten. Eugen Biſchoff ſagte mit ſeiner
ſonoren Stimme ein mächtiges „Herein“, und ein
junger Mann ſchob ſich ins Zimmer, deſſen Geſicht
mir ſogleich bekannt vorkam, ich wußte nur nicht
recht, wo und unter welchen Umſtänden ich ihm
ſchon begegnet war. Er ſchloß, nicht ohne Ge-
räuſch zu verurſachen, die Türe, obwohl er ſich
augenſcheinlich die größte Mühe gab, uns nicht
zu ſtören. Er war groß, ſehr blond, breitſchultrig,
er hatte einen beinahe viereckigen Kopf, gleich vom
erſten Augenblick an mißfiel er mir, er erinnerte
mich irgendwie an einen Pottwal.
Dina blickte flüchtig vom Klavier auf, als der
verſpätete Gaſt hereinkam, zu meiner Freude
nickte ſie ihm nur läſſig zu und ſpielte weiter,
während ihr Gatte ſich geräuſchlos vom Sofa
erhob, um den Fremden zu begrüßen. Ueber
mein Notenblatt hinweg ſah ich die beiden mit-
einander flüſtern, und dann wies der Pottwal
mit einer fragenden und kaum merklichen Bewe-
gung ſeines Kopfes auf mich — „Wer iſt das?
Wie kommt der hierher?“ — und ich kam zu dem
Ergebnis, daß das ein ſehr vertrauter Freund
des Hauſes ſein müſſe. wenn er ſich eine ſolche
Formloſigkeit erlauben durſte.
Als wir mit dem erſten Satz des Trios zu
Ende waren, ſtellte mir Eugen Biſchoff den Frem-
den vor.
„Ingenieur Waldemar Solgrub, ein Kollege
meines Schwagers — Freiherr von Yoſch, den ſo
liebenswürdig war, für Felix einzuſpringen.“
Felix, Dinas jüngerer Bruder, hörte, daß von
ihm die Rede war, und ſchwenkte ſeine weiß ban-
dagierte linke Hand. Er hatte ſich in ſeinem La-
boratorium eine Verbrennung zugezogen, die ihn
hinderte, Geige zu ſpielen. Um ſich dennoch nütz-
lich zu machen, wendete er die Notenblätter um.
Nun kam auch Doktor Gorski hinter ſeinem
Cello zum Vorſchein, ein freundlich lächelnder
Gnom, aber der Ingenieur nahm ſich kaum Zeit.
ihm die Hand zu drücken, und ſtand ſchon im näch-
ſten Augenblick bei Dina Biſchoff. Und während
er ſich über ihre Hand beugte — er behielt ſie
weitaus länger, als es notwendig geweſen wäre,
in der ſeinen, es war geradezu peinlich, es mit-
anzuſehen —, während er über ihre Hand gebeugt
daſtand und eindringlich auf ſie einſprach, ſah
ich, daß er nicht ganz ſo jung war, wie es an-
fangs den Anſchein gehabt hatte. Sein blondes,
kurzgeſchnittenes Haar war an den Schläfen leicht
ergraut, er mochte nahe der Vierzig ſein, wenn
er ſich auch ſo betrug wie ein Junge von zwan-
zig Jahren.
Endlich entſchloß er ſich, Dinas Hand freizu-
geben, und nun kam er auf mich zu.
„Ich glaube, wir müſſen einander kennen, Herr
Virtuoſe.“
„Freiherr von Yoſch heiße ich“, ſagte ich ſehr
ruhig und ſehr höflich.
Der Pottwal merkte die Zurechtweiſung und
entſchuldigte ſich. Er habe, wie das ſo gehe, mei-
nen Namen bei der Vorſtellung nicht recht ver-
ſtanden. Er hatte eine Art, beim Sprechen die
Worte mit Heftigkeit aus dem Mund zu ſchleu-
dern, die mich lebhaft an ſein Urbild erinnerte,
wenn es den Waſſerſtrahl aus ſeinem Spritzloch
hervorſtößt.
„Aber Sie erinnern ſich meiner doch wohl?“
fragte er.
„Nein, ich bedaure aufrichtig.“
„Wenn ich nicht irre, haben wir uns vor fünf
Wochen —“
„Ich glaube, Sie irren ſich“, ſagte ich. „Vor
fünf Wochen war ich auf Reiſen.“
„Ganz richtig, und zwar in Norwegen. Und
wir ſind auf der Strecke Chriſtiania-Bergen vier
Stunden lang einander gegenüber geſeſſen.
Stimmt das“
Er rührt mit dem Löffel in der Teeſchale, die
Dina vor ihn hingeſtellt hat. Seine letzten Worte
hat ſie gehört, ſie ſieht uns beide neugierig an
und meint:
„Ah, die Herren kennen einander ſchon von
früher her?“
Der Pottwal lacht lautlos und vergnügt und
ſagt, zu Dina gewendet:
„Freilich. Aber der Herr Baron war damals
auf der Fahrt über den Hardanger Fjeld genau
ſo wenig mitteilſam wie heute.“
„Das iſt leicht möglich“, gebe ich zur Antwort.
„Das iſt leider ſo meine Art, ich ſuche ſelten Be-
kanntſchaften auf Reiſen.“ Und damit war die
Sache für mich erledigt.
Für den Pottwal nicht. Eugen Biſchoff macht
irgendeine Bemerkung über das erſtaunliche Per-
ſonengedächtnis, das der Ingenieur wieder einmal
bewieſen habe. Eugen Biſchoff iſt immer bereit,
ſeinen Freunden alle möglichen Fähigkeiten und
hervorragenden Eigenſchaften zuzuſprechen.
„Ach was!“ meint der Ingenieur und trinkt ſei-
nen Tee. „Das war in dieſem Fall wirklich keine
große Leiſtung. Allerdings, der Herr Baron hat
ein Geſicht wie tauſend andere — Sie verzeihen
wohl, Baron? Es iſt geradezu merkwürdig, wie
ſehr Sie einer ganzen Menge anderer Leute ähn-
lich ſehen. Aber Ihre engliſche Pfeife, die hat
eine ausgeſprochen charakteriſtiſche Phyſiognomie;
nach der hab’ ich Sie ſofort wieder erkannt.“
„Ich finde, daß ſeine Scherze recht gewöhnlich
ſind und daß er ſich ein wenig zu viel mit meiner
Perſon befaßt. Ich weiß wirklich nicht, wie ich
zu dieſer Ehre komme.
„Aber jetzt erzähl’ doch endlich, Eugen, alter
Junge!“ ruft der Pottwal laut und ungeniert.
„Du hatteſt große Erfolge in Berlin, hab’ ich ge-
leſen, alle Zeitungen waren ja voll davon. Und
wie weit biſt du mit deinem König Richard?
Geht’s vorwärts?“
„Wollen wir nicht weiter ſpielen?“ ſchlage ich
vor.
Der Pottwal machte eine übertrieben erſchrok-
kene und abwehrende Geſte der Entſchuldigung.
„Sie ſind noch nicht zu Ende? Oh, ich bitte tau-
ſendmal um Verzeihung. Wirklich, ich dachte —
ich bin nämlich ganz unmuſikaliſch.“
„Das iſt mir durchaus nicht entgangen“, ver-
ſicherte ich ihm mit dem verbindlichſten Geſicht von
der Welt.
Er tut, als hätte er dieſe Bemerkung nicht ge-
hört. Er ſetzt ſich, ſtreckt die Beine von ſich, nimmt
ein paar Photographien vom Tiſch und vertieft
ſich in die Betrachtung eines Bildes, das Eugen
Biſchoff im Koſtüm irgendeines Shakeſpeareſchen
Königs darſtellt.
Ich beginne meine Geige zu ſtimmen.
(Fortſetzung folgt.)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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