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Allgemeine Zeitung, Nr. 3, 3. Januar 1830.

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[Spaltenumbruch] Worte in Handlungen übergehn, wenn die Kammern sich als
Staatsgewalt konstituiren und durch Verweigerung von Gesezes-
vorschlägen, durch Votiren einer feindseligen Adresse, durch Ver-
werfung des Budgets, ihre Meynung gegen das Ministerium er-
klären. Alsdann muß man wohl eine Partei ergreifen, und in die-
sem Augenblike wird sich dann die Frage der Entlassung des Ministe-
riums klar und bestimmt hervorstellen. Auch zweifle ich nun nicht
mehr, daß sich Alles noch bis zur Zusammenberufung der Kammern
unentschieden halten wird. Die Minister selbst sind weit entfernt,
sich dieses Verhältniß zu verhehlen; die ganze Frage beruht bei
ihnen darauf, die Majorität zu erhalten. Mögen sie sich jezt auch
noch so sehr der Protektion des Königs und des Vertrauens, das
sie umgebe, rühmen: Alles dis verschwindet mit der Opposition
einer konstitutionellen Majorität, die entweder eine feindselige
Adresse votirt, oder das Budget verweigert. Die Minister sollten
sich an das Ministerium des Hrn. v. Richelieu erinnern; der Kö-
nig hatte nicht einmal die Verlesung der Adresse anhören wollen;
er hatte der Kammer mit der Auflösung gedroht, und einige
Tage später ward das Ministerium Richelieu durch die Verfasser
der bekannten Adresse neu besezt. Was einmal geschehn ist, kan
auch zum zweitenmal eintreten. Der Grund davon ist ganz
einfach, weil der Hof jedesmal in Besorgniß geräth, wenn es
sich davon handelt, etwas Feindseliges gegen Frankreich und dessen
Repräsentanten vorzunehmen; und was läge denn etwa sonst
von Wichtigkeit im Wege? Offenbar handelt es sich bei uns nicht
mehr, wie man uns glauben machen möchte, um Untersuchung einer
Frage der Krone, sondern um kleinliche Jesuiten- und Sakristei-Jn-
triguen. Es wäre aber nicht denkbar, daß man die schönste Krone,
das geliebteste Königthum, wegen Fragen in Gefahr sezen soll-
te, die es nichts angehen, und kein Jnteresse für dasselbe haben
dürfen. Die Kammern sollen nach Einigen auf den 5 Februar,
nach andern erst auf den März zusammen berufen werden. Viele
Deputirten sind bereits zu Paris; die Abendgesellschaften in der
Straße Grange Bateliere werden in Kurzem anfangen; hier muß
sich die Kraft der konstitutionellen Meynung entscheiden. Man
wird sich zuerst mit der Adresse, mit der Präsidentschaft, und endlich
mit den Petitionen beschäftigen, und wenn das Ministerium darauf
beharrt zu bleiben, so wird man ihm das Budget verweigern. Das
Beispiel der Generalstaaten hat dazu gedient, die konstitutionelle
Partei in diesem Vorhaben zu bestärken. Uebrigens werden die
Abendgesellschaften bei Hrn. v. Polignac regelmäßig besucht; aber
es finden sich wenige Deputirte dabei ein. Eine ziemliche Anzahl
war neulich in den Abendgesellschaften bei den HH. Pasquier und
Martignac, die gegenwärtig im besten Einverstäudnisse zu stehen
scheinen.

Niederlande.

Die zweite Kammer der Generalstaaten hat in ihrer Sizung
vom 23 Dec. den Gesezesentwurf in Betref der Mittel und Wege
des außerordentlichen Budgets für 1830, so wie den zu proviso-
scher Dekung der durch das Decennalbudget festgesezten Ausgaben,
mit 100 Stimmen gegen 1 (die des Hrn. v. Stassard) ange-
nommen.


Dem Himmel sey Dank, die Be-
sorgnisse der ächten Patrioten, Freunde der Dynastie Oranien und der
öffentlichen Freiheiten, sind gehoben. Niederland wird keine Kolonie
der ultramontanischen Priester, gleich Jrland, werden. Unsere
O'Conneis und Shiels werden eine demüthigende Niederlage er-
[Spaltenumbruch] leiden. Die Botschaft, welche gestern der zweiten Kammer über-
macht worden, enthält königliche Worte, voll Kraft und Würde.
Die Regierung hat über die Fragen des Tages, welche alle Gemü-
ther so lange in peinlicher Spannung hielten, klar und bestimmt
sich ausgesprochen, Oranje bouwen! Die theokratisch-demagogi-
sche Faktion ist wie versteinert über die ungewöhnliche Energie;
die Gutgesinnten jubeln.

Deutschland.

Die
zweite Kammer der Landstände hat zu Darmstadt am 19 d. ihre
lezte Sizung vor den Weihnachtfeiertagen gehalten. Sie selbst
wird erst in drei Wochen zu neuer Sizung sich vereinigen, wäh-
rend die Mitglieder der Ausschüsse bereits in 14 Tagen wieder
zusammentreten. Es beruht dieses darauf, daß die Ausschüsse mit
noch mehreren, sehr wichtigen Arbeiten zurük sind, von denen man
die definitive Vorbereitung für die Sizung der Kammer innerhalb
jenes Vorsprunges an Zeit beabsichtigt. Unter jene sehr wichtigen
Arbeiten gehören namentlich die Berichterstattungen von den Fi-
nanzperioden 1824/26 und 1827/29, sodann dem Einnahme- und
Ausgabe-Budget für 1830/32. Die Staatsregierung verweigert
diesesmal nicht die Vorlegung der Staatskasserechnungen nebst
Belegen an die Stände, wie es das vorigemal der Fall war, und
beinahe zur Auflösung des Landtages geführt hätte, aber die Be-
nehmung zwischen Regierung, Ausschuß, Ausschußreferenten, Kom-
mittirten der Regierung, und dann wieder Ausschußreferenten, geht
immerhin einen, wohl nothwendigerweise, etwas langsamen Gang.
Jn der ebengedachten lezten Sizung der zweiten Kammer sind zehn
neue Anträge durch einzelne Mitglieder derselben vorgelegt wor-
den. Einer davon ist von dreien, zwei von zweien, und sieben
jeder von Einem Abgeordneten in Antrag gebracht. Als Text un-
serer nachstehenden Betrachtung ist die Anführung ihrer Rubriken
hier erforderlich: 1) Ueber den Bau einer neuen Straße von Worms
über Bürstadt und Lorsch nach Bensheim; 2) Jn Beziehung auf
die Hypothekenverfassung in Rheinhessen; 3) Auf Revision der land-
ständischen Geschäftsordnung; 4) Auf Abänderung des Gesezes vom
15 Aug. 1812 über die unter dem Namen Beeden vorkommenden
Abgaben; 5) Ueber die Partiestuben der Landräthe und Landrich-
ter; 6) Auf Einführung einer Gesindeordnung; 7) Ueber den di-
rekten Postenlauf zwischen Mainz und Darmstadt, so wie die Be-
steuerung durch den, für die Briefträger in Mainz für jeden nicht
frankirten Brief erhobenen Kreuzer; 8) Ueber die Herabsezung der
Gebühren des Hypothekenbewahrers in Rheinhessen; 9) Ueber die
Geschäftsrükstände der Verwaltungsbeamten; 10) Auf gleiche Ver-
theilung der durch den Transport der Schüblinge und Vagabun-
den entstehenden Kosten. Alle diese Anträge wurden zur Bericht-
erstattung an die Ausschüsse gewiesen. Das Recht solcher Antrag-
stellung ist ein durch die Konstitution begründetes, und um so mehr
nothwendiges Recht der Stände, als kein Nicht-Ständemitglied,
weder Privaten noch Korporation, hinsichtlich allgemeiner politischer
Jnteressen eines Rechts der Petition sich erfreut, vielmehr, nach unsrer
Verfassung, zu diesem Zweke geschehene Vereinigungen gesezwi-
drig und strafbar
sind. Es ist weiter natürlich, daß ständische Ab-
geordnete eines kleinen Staats im Detail Alles ausgefeilt sehen wol-
len, ums Detail sich bekümmern können, ja, aufs Detail gewiesen
sind, da große politische Fragen, die Türkei und Griechenland,
Portugal und Brasilien, sie nicht im mindesten mehr als jeden an-
dern gntheilpollen Zeitungsleser beschäftigen. Es gesellt sich die-

[Spaltenumbruch] Worte in Handlungen übergehn, wenn die Kammern ſich als
Staatsgewalt konſtituiren und durch Verweigerung von Geſezes-
vorſchlägen, durch Votiren einer feindſeligen Adreſſe, durch Ver-
werfung des Budgets, ihre Meynung gegen das Miniſterium er-
klären. Alsdann muß man wohl eine Partei ergreifen, und in die-
ſem Augenblike wird ſich dann die Frage der Entlaſſung des Miniſte-
riums klar und beſtimmt hervorſtellen. Auch zweifle ich nun nicht
mehr, daß ſich Alles noch bis zur Zuſammenberufung der Kammern
unentſchieden halten wird. Die Miniſter ſelbſt ſind weit entfernt,
ſich dieſes Verhältniß zu verhehlen; die ganze Frage beruht bei
ihnen darauf, die Majorität zu erhalten. Mögen ſie ſich jezt auch
noch ſo ſehr der Protektion des Königs und des Vertrauens, das
ſie umgebe, rühmen: Alles dis verſchwindet mit der Oppoſition
einer konſtitutionellen Majorität, die entweder eine feindſelige
Adreſſe votirt, oder das Budget verweigert. Die Miniſter ſollten
ſich an das Miniſterium des Hrn. v. Richelieu erinnern; der Kö-
nig hatte nicht einmal die Verleſung der Adreſſe anhören wollen;
er hatte der Kammer mit der Auflöſung gedroht, und einige
Tage ſpäter ward das Miniſterium Richelieu durch die Verfaſſer
der bekannten Adreſſe neu beſezt. Was einmal geſchehn iſt, kan
auch zum zweitenmal eintreten. Der Grund davon iſt ganz
einfach, weil der Hof jedesmal in Beſorgniß geräth, wenn es
ſich davon handelt, etwas Feindſeliges gegen Frankreich und deſſen
Repräſentanten vorzunehmen; und was läge denn etwa ſonſt
von Wichtigkeit im Wege? Offenbar handelt es ſich bei uns nicht
mehr, wie man uns glauben machen möchte, um Unterſuchung einer
Frage der Krone, ſondern um kleinliche Jeſuiten- und Sakriſtei-Jn-
triguen. Es wäre aber nicht denkbar, daß man die ſchönſte Krone,
das geliebteſte Königthum, wegen Fragen in Gefahr ſezen ſoll-
te, die es nichts angehen, und kein Jntereſſe für daſſelbe haben
dürfen. Die Kammern ſollen nach Einigen auf den 5 Februar,
nach andern erſt auf den März zuſammen berufen werden. Viele
Deputirten ſind bereits zu Paris; die Abendgeſellſchaften in der
Straße Grange Bateliere werden in Kurzem anfangen; hier muß
ſich die Kraft der konſtitutionellen Meynung entſcheiden. Man
wird ſich zuerſt mit der Adreſſe, mit der Präſidentſchaft, und endlich
mit den Petitionen beſchäftigen, und wenn das Miniſterium darauf
beharrt zu bleiben, ſo wird man ihm das Budget verweigern. Das
Beiſpiel der Generalſtaaten hat dazu gedient, die konſtitutionelle
Partei in dieſem Vorhaben zu beſtärken. Uebrigens werden die
Abendgeſellſchaften bei Hrn. v. Polignac regelmäßig beſucht; aber
es finden ſich wenige Deputirte dabei ein. Eine ziemliche Anzahl
war neulich in den Abendgeſellſchaften bei den HH. Pasquier und
Martignac, die gegenwärtig im beſten Einverſtäudniſſe zu ſtehen
ſcheinen.

Niederlande.

Die zweite Kammer der Generalſtaaten hat in ihrer Sizung
vom 23 Dec. den Geſezesentwurf in Betref der Mittel und Wege
des außerordentlichen Budgets für 1830, ſo wie den zu proviſo-
ſcher Dekung der durch das Decennalbudget feſtgeſezten Ausgaben,
mit 100 Stimmen gegen 1 (die des Hrn. v. Staſſard) ange-
nommen.


Dem Himmel ſey Dank, die Be-
ſorgniſſe der ächten Patrioten, Freunde der Dynaſtie Oranien und der
öffentlichen Freiheiten, ſind gehoben. Niederland wird keine Kolonie
der ultramontaniſchen Prieſter, gleich Jrland, werden. Unſere
O’Conneis und Shiels werden eine demüthigende Niederlage er-
[Spaltenumbruch] leiden. Die Botſchaft, welche geſtern der zweiten Kammer über-
macht worden, enthält königliche Worte, voll Kraft und Würde.
Die Regierung hat über die Fragen des Tages, welche alle Gemü-
ther ſo lange in peinlicher Spannung hielten, klar und beſtimmt
ſich ausgeſprochen, Oranje bouwen! Die theokratiſch-demagogi-
ſche Faktion iſt wie verſteinert über die ungewöhnliche Energie;
die Gutgeſinnten jubeln.

Deutſchland.

Die
zweite Kammer der Landſtände hat zu Darmſtadt am 19 d. ihre
lezte Sizung vor den Weihnachtfeiertagen gehalten. Sie ſelbſt
wird erſt in drei Wochen zu neuer Sizung ſich vereinigen, wäh-
rend die Mitglieder der Ausſchüſſe bereits in 14 Tagen wieder
zuſammentreten. Es beruht dieſes darauf, daß die Ausſchüſſe mit
noch mehreren, ſehr wichtigen Arbeiten zurük ſind, von denen man
die definitive Vorbereitung für die Sizung der Kammer innerhalb
jenes Vorſprunges an Zeit beabſichtigt. Unter jene ſehr wichtigen
Arbeiten gehören namentlich die Berichterſtattungen von den Fi-
nanzperioden 1824/26 und 1827/29, ſodann dem Einnahme- und
Ausgabe-Budget für 1830/32. Die Staatsregierung verweigert
dieſesmal nicht die Vorlegung der Staatskaſſerechnungen nebſt
Belegen an die Stände, wie es das vorigemal der Fall war, und
beinahe zur Auflöſung des Landtages geführt hätte, aber die Be-
nehmung zwiſchen Regierung, Ausſchuß, Ausſchußreferenten, Kom-
mittirten der Regierung, und dann wieder Ausſchußreferenten, geht
immerhin einen, wohl nothwendigerweiſe, etwas langſamen Gang.
Jn der ebengedachten lezten Sizung der zweiten Kammer ſind zehn
neue Anträge durch einzelne Mitglieder derſelben vorgelegt wor-
den. Einer davon iſt von dreien, zwei von zweien, und ſieben
jeder von Einem Abgeordneten in Antrag gebracht. Als Text un-
ſerer nachſtehenden Betrachtung iſt die Anführung ihrer Rubriken
hier erforderlich: 1) Ueber den Bau einer neuen Straße von Worms
über Bürſtadt und Lorſch nach Bensheim; 2) Jn Beziehung auf
die Hypothekenverfaſſung in Rheinheſſen; 3) Auf Reviſion der land-
ſtändiſchen Geſchäftsordnung; 4) Auf Abänderung des Geſezes vom
15 Aug. 1812 über die unter dem Namen Beeden vorkommenden
Abgaben; 5) Ueber die Partieſtuben der Landräthe und Landrich-
ter; 6) Auf Einführung einer Geſindeordnung; 7) Ueber den di-
rekten Poſtenlauf zwiſchen Mainz und Darmſtadt, ſo wie die Be-
ſteuerung durch den, für die Briefträger in Mainz für jeden nicht
frankirten Brief erhobenen Kreuzer; 8) Ueber die Herabſezung der
Gebühren des Hypothekenbewahrers in Rheinheſſen; 9) Ueber die
Geſchäftsrükſtände der Verwaltungsbeamten; 10) Auf gleiche Ver-
theilung der durch den Transport der Schüblinge und Vagabun-
den entſtehenden Koſten. Alle dieſe Anträge wurden zur Bericht-
erſtattung an die Ausſchüſſe gewieſen. Das Recht ſolcher Antrag-
ſtellung iſt ein durch die Konſtitution begründetes, und um ſo mehr
nothwendiges Recht der Stände, als kein Nicht-Ständemitglied,
weder Privaten noch Korporation, hinſichtlich allgemeiner politiſcher
Jntereſſen eines Rechts der Petition ſich erfreut, vielmehr, nach unſrer
Verfaſſung, zu dieſem Zweke geſchehene Vereinigungen geſezwi-
drig und ſtrafbar
ſind. Es iſt weiter natürlich, daß ſtändiſche Ab-
geordnete eines kleinen Staats im Detail Alles ausgefeilt ſehen wol-
len, ums Detail ſich bekümmern können, ja, aufs Detail gewieſen
ſind, da große politiſche Fragen, die Türkei und Griechenland,
Portugal und Braſilien, ſie nicht im mindeſten mehr als jeden an-
dern gntheilpollen Zeitungsleſer beſchäftigen. Es geſellt ſich die-

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[11/0003] Worte in Handlungen übergehn, wenn die Kammern ſich als Staatsgewalt konſtituiren und durch Verweigerung von Geſezes- vorſchlägen, durch Votiren einer feindſeligen Adreſſe, durch Ver- werfung des Budgets, ihre Meynung gegen das Miniſterium er- klären. Alsdann muß man wohl eine Partei ergreifen, und in die- ſem Augenblike wird ſich dann die Frage der Entlaſſung des Miniſte- riums klar und beſtimmt hervorſtellen. Auch zweifle ich nun nicht mehr, daß ſich Alles noch bis zur Zuſammenberufung der Kammern unentſchieden halten wird. Die Miniſter ſelbſt ſind weit entfernt, ſich dieſes Verhältniß zu verhehlen; die ganze Frage beruht bei ihnen darauf, die Majorität zu erhalten. Mögen ſie ſich jezt auch noch ſo ſehr der Protektion des Königs und des Vertrauens, das ſie umgebe, rühmen: Alles dis verſchwindet mit der Oppoſition einer konſtitutionellen Majorität, die entweder eine feindſelige Adreſſe votirt, oder das Budget verweigert. Die Miniſter ſollten ſich an das Miniſterium des Hrn. v. Richelieu erinnern; der Kö- nig hatte nicht einmal die Verleſung der Adreſſe anhören wollen; er hatte der Kammer mit der Auflöſung gedroht, und einige Tage ſpäter ward das Miniſterium Richelieu durch die Verfaſſer der bekannten Adreſſe neu beſezt. Was einmal geſchehn iſt, kan auch zum zweitenmal eintreten. Der Grund davon iſt ganz einfach, weil der Hof jedesmal in Beſorgniß geräth, wenn es ſich davon handelt, etwas Feindſeliges gegen Frankreich und deſſen Repräſentanten vorzunehmen; und was läge denn etwa ſonſt von Wichtigkeit im Wege? Offenbar handelt es ſich bei uns nicht mehr, wie man uns glauben machen möchte, um Unterſuchung einer Frage der Krone, ſondern um kleinliche Jeſuiten- und Sakriſtei-Jn- triguen. Es wäre aber nicht denkbar, daß man die ſchönſte Krone, das geliebteſte Königthum, wegen Fragen in Gefahr ſezen ſoll- te, die es nichts angehen, und kein Jntereſſe für daſſelbe haben dürfen. Die Kammern ſollen nach Einigen auf den 5 Februar, nach andern erſt auf den März zuſammen berufen werden. Viele Deputirten ſind bereits zu Paris; die Abendgeſellſchaften in der Straße Grange Bateliere werden in Kurzem anfangen; hier muß ſich die Kraft der konſtitutionellen Meynung entſcheiden. Man wird ſich zuerſt mit der Adreſſe, mit der Präſidentſchaft, und endlich mit den Petitionen beſchäftigen, und wenn das Miniſterium darauf beharrt zu bleiben, ſo wird man ihm das Budget verweigern. Das Beiſpiel der Generalſtaaten hat dazu gedient, die konſtitutionelle Partei in dieſem Vorhaben zu beſtärken. Uebrigens werden die Abendgeſellſchaften bei Hrn. v. Polignac regelmäßig beſucht; aber es finden ſich wenige Deputirte dabei ein. Eine ziemliche Anzahl war neulich in den Abendgeſellſchaften bei den HH. Pasquier und Martignac, die gegenwärtig im beſten Einverſtäudniſſe zu ſtehen ſcheinen. Niederlande. Die zweite Kammer der Generalſtaaten hat in ihrer Sizung vom 23 Dec. den Geſezesentwurf in Betref der Mittel und Wege des außerordentlichen Budgets für 1830, ſo wie den zu proviſo- ſcher Dekung der durch das Decennalbudget feſtgeſezten Ausgaben, mit 100 Stimmen gegen 1 (die des Hrn. v. Staſſard) ange- nommen. † Haag, 13 Dec. (Verſpätet.) Dem Himmel ſey Dank, die Be- ſorgniſſe der ächten Patrioten, Freunde der Dynaſtie Oranien und der öffentlichen Freiheiten, ſind gehoben. Niederland wird keine Kolonie der ultramontaniſchen Prieſter, gleich Jrland, werden. Unſere O’Conneis und Shiels werden eine demüthigende Niederlage er- leiden. Die Botſchaft, welche geſtern der zweiten Kammer über- macht worden, enthält königliche Worte, voll Kraft und Würde. Die Regierung hat über die Fragen des Tages, welche alle Gemü- ther ſo lange in peinlicher Spannung hielten, klar und beſtimmt ſich ausgeſprochen, Oranje bouwen! Die theokratiſch-demagogi- ſche Faktion iſt wie verſteinert über die ungewöhnliche Energie; die Gutgeſinnten jubeln. Deutſchland. * Aus dem Großherzogthum Heſſen, 22 Dec. Die zweite Kammer der Landſtände hat zu Darmſtadt am 19 d. ihre lezte Sizung vor den Weihnachtfeiertagen gehalten. Sie ſelbſt wird erſt in drei Wochen zu neuer Sizung ſich vereinigen, wäh- rend die Mitglieder der Ausſchüſſe bereits in 14 Tagen wieder zuſammentreten. Es beruht dieſes darauf, daß die Ausſchüſſe mit noch mehreren, ſehr wichtigen Arbeiten zurük ſind, von denen man die definitive Vorbereitung für die Sizung der Kammer innerhalb jenes Vorſprunges an Zeit beabſichtigt. Unter jene ſehr wichtigen Arbeiten gehören namentlich die Berichterſtattungen von den Fi- nanzperioden 1824/26 und 1827/29, ſodann dem Einnahme- und Ausgabe-Budget für 1830/32. Die Staatsregierung verweigert dieſesmal nicht die Vorlegung der Staatskaſſerechnungen nebſt Belegen an die Stände, wie es das vorigemal der Fall war, und beinahe zur Auflöſung des Landtages geführt hätte, aber die Be- nehmung zwiſchen Regierung, Ausſchuß, Ausſchußreferenten, Kom- mittirten der Regierung, und dann wieder Ausſchußreferenten, geht immerhin einen, wohl nothwendigerweiſe, etwas langſamen Gang. Jn der ebengedachten lezten Sizung der zweiten Kammer ſind zehn neue Anträge durch einzelne Mitglieder derſelben vorgelegt wor- den. Einer davon iſt von dreien, zwei von zweien, und ſieben jeder von Einem Abgeordneten in Antrag gebracht. Als Text un- ſerer nachſtehenden Betrachtung iſt die Anführung ihrer Rubriken hier erforderlich: 1) Ueber den Bau einer neuen Straße von Worms über Bürſtadt und Lorſch nach Bensheim; 2) Jn Beziehung auf die Hypothekenverfaſſung in Rheinheſſen; 3) Auf Reviſion der land- ſtändiſchen Geſchäftsordnung; 4) Auf Abänderung des Geſezes vom 15 Aug. 1812 über die unter dem Namen Beeden vorkommenden Abgaben; 5) Ueber die Partieſtuben der Landräthe und Landrich- ter; 6) Auf Einführung einer Geſindeordnung; 7) Ueber den di- rekten Poſtenlauf zwiſchen Mainz und Darmſtadt, ſo wie die Be- ſteuerung durch den, für die Briefträger in Mainz für jeden nicht frankirten Brief erhobenen Kreuzer; 8) Ueber die Herabſezung der Gebühren des Hypothekenbewahrers in Rheinheſſen; 9) Ueber die Geſchäftsrükſtände der Verwaltungsbeamten; 10) Auf gleiche Ver- theilung der durch den Transport der Schüblinge und Vagabun- den entſtehenden Koſten. Alle dieſe Anträge wurden zur Bericht- erſtattung an die Ausſchüſſe gewieſen. Das Recht ſolcher Antrag- ſtellung iſt ein durch die Konſtitution begründetes, und um ſo mehr nothwendiges Recht der Stände, als kein Nicht-Ständemitglied, weder Privaten noch Korporation, hinſichtlich allgemeiner politiſcher Jntereſſen eines Rechts der Petition ſich erfreut, vielmehr, nach unſrer Verfaſſung, zu dieſem Zweke geſchehene Vereinigungen geſezwi- drig und ſtrafbar ſind. Es iſt weiter natürlich, daß ſtändiſche Ab- geordnete eines kleinen Staats im Detail Alles ausgefeilt ſehen wol- len, ums Detail ſich bekümmern können, ja, aufs Detail gewieſen ſind, da große politiſche Fragen, die Türkei und Griechenland, Portugal und Braſilien, ſie nicht im mindeſten mehr als jeden an- dern gntheilpollen Zeitungsleſer beſchäftigen. Es geſellt ſich die-

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2021-11-17T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 3, 3. Januar 1830, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine03_1830/3>, abgerufen am 24.11.2024.