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Allgemeine Zeitung, Nr. 2, 2. Januar 1872.

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[Spaltenumbruch] Blatte soll in der letzten Sitzung des Kammerausschusses, welchem die Beschwerden
der Bischöfe zur Vorberathung zugewiesen sind, selbst der Abg. Völk zugegeben haben
daß eine formelle Verfassungsverletzung vorliege; Völk sei sogar der Ansicht, statt
einer einfachen Beschwerde den Weg der Ministeranklage einzuschlagen. --
Auf der Tagesordnung der übermorgen stattfindenden Sitzung der Kammer der
Abgeordneten steht Berathung und Beschlußfassung: 1) über den Vortrag des
Abg. Kühlmann bezüglich der Rechnungsnachweisungen über den Betrieb der
Verkehrsanstalten für das Jahr 1869; 2) über den Vortrag desselben Abgeord-
neten über den Antrag des k. Staatsministeriums der Finanzen, dann des Handels
und der öffentlichen Arbeiten, "außerordentliche Leistungen des Personals der
Verkehrsanstalten während der Kriegszeit betreffend;" dann schließlich Vortrag
des sechsten Ausschusses über geprüfte Anträge.


Das Gutachten der Kreisregierung von Ober-
bayern bezüglich der Ueberlassung der Studienkirche an die Altkatholiken zur Be-
nützung für ihren Gottesdienst ist, wie man weiß, zustimmend ausgefallen; hin-
gegen soll der Cultusminister, bei welchem die Sache jetzt zur Entscheidung liegt,
wenig geneigt sein dieselbe den Altkatholiken einzuräumen. -- Wenn einer oder
der andere Ihrer Leser sich informiren will, was man heutzutage in den katholischen
Gesellenvereinen den "Gläubigen" zu bieten sich nicht entblödet, so lese er einen
am 25 Sept. 1871 im kathol. Gesellenverein dahier von Joh. Leipold gehaltenen,
jetzt (in der Weiß'schen Universitäts-Druckerei hier) im Druck erschienenen Vortrag
"über die gegenwärtige religiöse Bewegung unter den Moslemiten in Damaskus
und Syrien" nach. Christus und die Jungfrau Maria erscheinen den Bekehrten
oder zu Bekehrenden leibhaftig, reden mit ihnen, helfen ihnen ihre Fesseln zer-
brechen, ja die Jungfrau Maria nimmt einem Gefesselten eigenhändig den hölzernen
Handblock ab etc. Den Zweifeln an der Möglichkeit solcher Wunder wird durch die ein-
fache "logische" Erwägung begegnet daß, wenn Gott sie vor Jahrtausenden gewirkt
habe, kein Grund sei mit den "Protestanten und andern leichtsinnigen Menschen"
anzunehmen er werde es heute nicht auch thun. Das Hauptwunder erwartet der
Verfasser an den sogenannten Altkatholiken, "um ihre stolzen aufgeblasenen An-
hänger" vollends um das bißchen Glauben zu bringen welches in dem Hefensatz
ihres Zweifels- und Gährungsprocesses bis jetzt noch übriggeblieben sei.


In diesen Tagen hat der Verein "Vaterlands-
dank" in Dresden und Leipzig 100 Unterofficieren und Mannschaften, beziehungs-
weise deren Hinterlassenen, die ihm vom Generalcommando des königl. sächsischen
Armeecorps vorgeschlagen worden waren, je 100 Thaler gewidmet, sowie noch
einige andere ansehnliche Ehrengaben vertheilt. -- Vorgestern ist der Redacteur
des hiesigen social-demokratischen Organs "Dresdener Volksbote," Dr. Otto
Walster, auf Requisition des Bezirksgerichts Mitweida verhaftet und dorthin ab-
geführt worden.


Der "Deutsche Nautische Verein," dessen Vorstand
hier von Beginn der nun vierjährigen Agitation an seinen Sitz hat, wird in den
drei letzten Tagen des kommenden Monats in Berlin seine Jahresversammlung ab-
halten. Wenn er an dem Syndikus der hiesigen Handelskammer Dr. Schumacher
mit dessen Uebertritt in den diplomatischen Reichsdienst einen werthvollen Rath-
geber verliert, so darf er andrerseits frische Hoffnungen schöpfen aus der Neu-
besetzung des Marineministeriums; denn nur von dort her, nicht aus dem rein mit
"Landratten" besetzten Reichskanzleramt, kann seinen Anliegen das wünschenswerthe
Maß von Verständniß und Eifer entgegenkommen. Das Verzeichniß seiner Wünsche
aber ist noch sehr lang, wie die Tagesordnung der Versammlung vom 29--31 Jan.
ergibt. Die Seemanns-Ordnung (Merchant Shipping Act), zu welcher die Hanse-
städte in Gemeinschaft mit Oldenburg einen Entwurf ausgearbeitet haben, ist nicht
einmal mehr darunter, da es heißt, sie solle der nächsten Reichstagssession zur
Verabschiedung vorgelegt werden. Dagegen werden besprochen werden: eine ge-
meinschaftliche deutsche Strandungs-Ordnung, ein Tiefladegesetz, Seemannscassen,
der Schutz des Privateigenthums im Seekriege, eine oberste deutsche Seebehörde,
Zeitbälle, Nebelsignale, die Farbe der Signallichter, neue Leuchtthürme u. s. s.
Das Leuchthurmwesen ist bekanntlich nirgends in Europa verwahrloster als an
den deutschen Küsten, aber es soll jetzt endlich Aussicht sein daß die Reichsregierung
dem darauf bezüglichen schon ziemlich alten Reichstagsbeschlusse (Grumbrecht'schen
Antrag) praktische Folge gibt. Schließlich steht auf der Tagesordnung auch noch
der vielsagende Punkt "Helgoland als Nothhafen," welcher voraussichtlich zu einem
rein fachmännischen politisch ganz neutralen Votum des "Deutschen Nautischen
Vereins" dahingehend: daß Helgoland entweder in englischem oder in deutschem
Besitz zu einem Nothhafen für die hafenlose deutsche Nordseeküste ausgebaut werden
müsse, führen wird. Wenigstens ist dieß die täglich entschiedener hervortretende An-
schauung in Seemanns- und Rhederkreisen.


Wenn sonst der Adreß-Ausschuß verhandelte, war es
jedem draußen stehenden Abgeordneten vergönnt den Verhandlungen als stummer
Zuhörer beizuwohnen; die Praxis hatte aber den Nachtheil daß am Tage nach der
Sitzung, allen feierlichst beträftigten Schweigensverpflichtungen zum Trotz, das
eine oder das andere -- nach dem Grundsatz daß eine Hand die andere wäscht --
protegirte Blatt regelmäßig im Stande war die gesammten Verhandlungen wort-
getreu wiederzugeben. Dieser nichtsnutzigen Praxis ist jetzt ein Ziel gesetzt: der
Ausschuß bleibt dießmal streng unter sich, und so hat er denn schon gestern unter
Clausur seine Verathungen eröffnet. Daß das ganze Ministerium der Sitzung bei-
wohnte, ist ein Geheimniß, das nicht verschwiegen bleiben konnte; wenn aber unter
den gegebenen Umständen abermals verschiedene Blätter Mittheilungen über den
Gegenstand und den Gang der Debatte zu Tage fördern, und wenn sie namentlich
bereits versichern zu dürfen glauben daß die vom Cabinet erbetenen und ertheilten
näheren Aufklärungen über seine Stellung sowohl zu der Wahlreform als zu der
galizischen Frage "höchst befriedigend" erachtet sind, so ist das eine gewiß sehr
wohlwollende Vermuthung, aber ebenso gewiß auch eine bloße Vermuthung,
die sich erwahren kann und hoffentlich erwahrt, die aber möglicherweise auch
ganz oder theilweise aus der Luft gegriffen ist. Ob übrigens das Cabinet
die gedachte Neuerung lediglich im Interesse der Sache angeregt und durch-
gesetzt, oder ob es, zartest besaitet wie es sich in dieser Richtung bereits
mehrfach bekundete, damit wesentlich nur der persönlichen Empfindlichkeit seiner
Mitglieder Nechnung getragen, will ich unentschieden lassen. Die Redaction der
[Spaltenumbruch] Adresse ist dem Abg. Herbst übertragen hat. -- Mit dem morgigen Tage tritt ein
Institut ins Leben welches den Londoner Detectives nachgebildet worden, und
obwohl als besonderes Corps organisirt, doch einen integrirenden Theil der Sicher-
heitsmannschafts darstellt. Das Corps scheint namentlich im Hinblick auf die
Weltausstellung ins Leben gerufen zu sein. Die alten "Vertrauten" hören auf zu
existiren. -- Am 10 Januar findet der erste Hofball stätt. Tags vorher kehrt die
Kaiserin aus Meran zurück, um -- ein lang' entbehrter Gast -- ihm mit der An-
muth ihrer Person die schönste Zierde zu geben.


Ueber den Verlauf der Krankheit des Prinzen von
Wales wird gemeldet daß die Schmerzen nachgelassen haben; im Befinden des
Prinzen ist keine Aenderung eingetreten. (T. N.)


Der "Observer," welcher in seiner heutigen Nummer
die Bismarck'sche Note vom 7 d. bespricht, bezeichnet dieselbe als ein "Meisterstück
diplomatischer Strategie." -- Der Sprecher des Unterhauses, Dennyson, wird,
wie man hört, bei seinem Rücktritte zum Viscount ernannt werden. (T. N.)

Verschiedenes.

Der letzte deutsche Verwundete.

Der Militärattache
der deutschen Gesandtschaft, Hauptmann v. Bülow, hatte vorgestern einen angenehmen.
Auftrag auszuführen, indem er dem letzten hier noch in Pflege befindlichen deutschen.
Krieger das eiserne Kreuz überbrachte. Hr. Modersitzki aus Danzig, Kaufmann in Leip-
zig, war als Reserve-Unterofficier im kgl. sächsischen Schützenregiment am 2 Dec. 1870
bei Champigny, aus drei schweren Wunden blutend, in Gefangenschaft gerathen. Der
Arme ist noch nicht vollständig geheilt, hat also ein dreizehnmonatliches Schmerzens-
lager überstanden. Seit 14 Tagen ist Hr. Modersitzki in einer Privatwohnung unter-
gebracht: bis dahin war er in dem Schweizer-Asyl in aufopferndster Pflege gewesen.
In diesem Schweizer-Asyl sind die deutschen Verwundeten auf eine wahrhaft rührende
Weise gepflegt worden.


(Altkatholisches).

Antonio Aguayo, welcher den jüngst er-
wähnten Aufruf zur Bildung einer spanischen Nationalkirche an der Spitze unterzeichnet
hat, beabsichtigt demnächst eine Missionsreise durch Spanien zu machen, um seine Grund-
sätze zu verbreiten. Zu den vielen Geistlichen welche ihren Namen unter den Aufruf
gesetzt haben sind noch zwei hinzugetreten, und in den Provinzen sind 48 Priester für
die Bewegung thätig. Doch sagt Aguayo selbst: "Der beklagenswerthe Ultramontanis-
mus hat in unserm Lande die Folge gehabt daß es nur noch Bigotte und Ungläubige
gibt, und es wird uns sehr schwer werden das reine Christenthum wieder herzustellen,
wenn nicht fromme Christen anderer Länder uns unterstützen." Der Secretär des Aus-
schusses, Escudero, hat neulich einen Brief an Döllinger gerichtet, worin er Sympathien
für den Altkatholicismus in Deutschland kundgibt und ein gleiches von den Deutschen
für die spanische Bewegung fordert. Die spanische Reformbewegung hat sich übrigens
sofort in einen viel schärfern Gegensatz zu den Institutionen des historischen Katholicis-
mus gesetzt, als die deutschen Altkatholiken. Am nächsten kamen dem Aufrufe Aguayo's
noch die bekannten Stuttgarter Beschlüsse.

Industrie, Handel und Verkehr.

Handelsübersicht der Woche.)

Obwohl die hinter
uns liegende Geschäftswoche erst mit Mittwoch begann, so müssen doch die Trausactionen
auf allen Gebieten bedeutend genannt werden. Auf dem Geldmarkte zunächst hielt die
schon heute vor acht Tagen verzetchnete Spannung nicht nur an, sondern sie wurde durch
den Bedarf für die ungemein starke Börsenliquidation noch vergrößert daß sie aber nur
vorübergehender Natur ist, geht ans dem Umstande hervor daß die Markerate für feinstes
Papter (3 Proc.) nach wie vor auch für lange Sichten gang und gäde ist, und so können
wir denn mit dem neuen Jahre, nachdem die gegenwärtig obwaltende Ursache für die
Spannung -- der Bilanzabschluß der Actienbanken -- fortgefallen ist, einer abermaligen
Plethora entgegensehen. Auf die Fondsbörse hat dieser momentane Druck nicht den min-
desten Einfluß ausgeübt, und trotz der Liquidation, die, wie bereits bemerkt, ganz ungewöhn-
lich stark war, fanden bedentende Umsätze statt. Am meisten gilt dieß von englischen Bah-
nen, in denen sich eine vollständige Haussemanie entwickelte, und die mit Avancen bis zu
51/2 Proc. abschließen, aber auch heimische Fonds und auswärtige Effecten schloßen sich
der allgemeinen Bewegung an, und erzielten fast ohne Ausnahme höhere Curse, obwohl
das Geschäft sich hier hauptsächlich auf die Operationen des Anlagecapitals beschränkte.
Für amerikanische Effecten machte sich -- mit der erklärlichen Ausnahme der 1862er
Bonds -- gleichfalls ein guter Anlagebegehr bemerklich, welcher die Curse um bis
hob, während Bahnen 1/2--11/2 anzogen. Die neue ungarische Anleihe wird dem Ver-
nehmen nach in kommender Woche aufgelegt werden. Was die übrigen Departements
anvetrifft, so sind noch Bankactien hervorzuheben, die wie gewöhnlich unmittelbar vor Er-
klärung der Dividenden sehr begehrt waren. An der Wechselbörse machte sich zunächst eine
sehr starke Frage für Tratten auf Paris geltend; auch deutsche und holländische Devisen
fielen etwas, doch war hier die Frage nicht bedeutend. Der Metallmarkt war sehr stille,
in Gold fanden nur wenige Umsätze statt; 182,000 Pf. St. floßen in die Bank, und den
nämlichen Weg werden voraussichtlich etwa 500,000 Pf. St. gehen, welche mit nächster
australischer Post erwartet werden. Auch Silber ist wieder im Preise gefallen, und bei
einer Einfuhr von 121,000 Pf. St., gegenüber einer Ausfuhr von 50,000 Pf. St., stellt
sich die Notirung auf 601/2 P. pr. Unze. -- Auf dem Getreidemarkte war die Tendenz eine
weichende. Weizen konnte bei starkem Import nur zu einer Reduction verkauft werden,
und ein gleiches gilt von Mehl, Hafer 1 Sh. niedriger; Gerste unverändert, aber ebenfalls
matt. Emfuhr 12,780 Qrs. Weizen, 15,220 Q. Gerste, 29,610 Q. Hafer, 2660 Sack,
und 6370 Faß Mehl. -- Das Liverpooler Baumwollgeschäft war wegen der Feiertage stille,
doch wußten die Notirungen sich zu behaupten. Absatz der Auctionen 53,080 B., wodon
14,180 für Speculation und Export. Emfuhr 93,344 B., wirkliche Ausfuhr 10,501 B.,
Lagervorrath 566,901 B.

* Verloosungskalender für den Monat Januar 1872.
2 Jan. Oesterreichische 250 fl.-Loose a 4% von 1854. Serien-Ziehung.
2 " Oesterreichische Credit 100 fl.-L. von 1858. Anszahlung am 1 Juli 1872.
2 " Großy. Hessische 50 fl.-Loose. Prämienztehung.
2 " Stadt Lübeck 50 Thlr.-L. a 31/2%. Auszahlung am 1 April 1872.
2 " Stadt Madrid 3proc. 100 Fr.-Loose. Prämienziehung.
2 " Mailand-Como Rentenscheine a 14 fl. Conv.-M. Ausz. 1 Febr. 1872.
2 " Stadt Mailand 45 Frc.-Loose. Auszahlung am 1 Juli 1872.
2 " Stadt Bordeaux 100 Frc. Loose a 3%. Anszahl. 1 Mar 1872.
2 " Stadt Bukarest a 20 Fr. Auszahlung 5 März 1872.
2 " Hamourger 50 Thaler-Loose. Prämien-Ziehung.
2 " Meininger 100 Thlr.-Pfaudbriese der Hypothekenbank. Prämienziehung.
2 " Stuhlweißenburg-Raab G. 150 fl. Eisenb.-Loose. Prämtenziehung.
2 " Stadt Triest 50 fl.-Loose a 4%. Auszahl. 8 Tage nach der Ziehung.
10 " Bart 100 Francs Loose. Pramienziehung.
14 " Russische 100 S.R.-L. a 5%. Auszaht. am 14 April 1872.
15 " Anhalt-Dessauer 100 Gulden-Loose.
15 " Stadt Geut 3% 100 Fr.-Loose von 1868. Prämienziehung.
15 " Preußische 100 Thaler-Loose. Prämienziehung.
15 " Fürst Salm-Reifferscheid 40 Gulden-Loose. Auszahlung am 15 Juli 1872.
30 " Clary 40 Gulden Loose. Prämienziehung.
Druckfehler.

* In dem der heutigen Zeitung vorgedruckten "Avis" lese man H. Hengst statt
H. Hempel, und in dem Sinprnger Brief Z. 3 v. u. verkörpere statt verkürzere.

[Spaltenumbruch] Blatte ſoll in der letzten Sitzung des Kammerausſchuſſes, welchem die Beſchwerden
der Biſchöfe zur Vorberathung zugewieſen ſind, ſelbſt der Abg. Völk zugegeben haben
daß eine formelle Verfaſſungsverletzung vorliege; Völk ſei ſogar der Anſicht, ſtatt
einer einfachen Beſchwerde den Weg der Miniſteranklage einzuſchlagen. —
Auf der Tagesordnung der übermorgen ſtattfindenden Sitzung der Kammer der
Abgeordneten ſteht Berathung und Beſchlußfaſſung: 1) über den Vortrag des
Abg. Kühlmann bezüglich der Rechnungsnachweiſungen über den Betrieb der
Verkehrsanſtalten für das Jahr 1869; 2) über den Vortrag desſelben Abgeord-
neten über den Antrag des k. Staatsminiſteriums der Finanzen, dann des Handels
und der öffentlichen Arbeiten, „außerordentliche Leiſtungen des Perſonals der
Verkehrsanſtalten während der Kriegszeit betreffend;“ dann ſchließlich Vortrag
des ſechsten Ausſchuſſes über geprüfte Anträge.


Das Gutachten der Kreisregierung von Ober-
bayern bezüglich der Ueberlaſſung der Studienkirche an die Altkatholiken zur Be-
nützung für ihren Gottesdienſt iſt, wie man weiß, zuſtimmend ausgefallen; hin-
gegen ſoll der Cultusminiſter, bei welchem die Sache jetzt zur Entſcheidung liegt,
wenig geneigt ſein dieſelbe den Altkatholiken einzuräumen. — Wenn einer oder
der andere Ihrer Leſer ſich informiren will, was man heutzutage in den katholiſchen
Geſellenvereinen den „Gläubigen“ zu bieten ſich nicht entblödet, ſo leſe er einen
am 25 Sept. 1871 im kathol. Geſellenverein dahier von Joh. Leipold gehaltenen,
jetzt (in der Weiß’ſchen Univerſitäts-Druckerei hier) im Druck erſchienenen Vortrag
„über die gegenwärtige religiöſe Bewegung unter den Moslemiten in Damaskus
und Syrien“ nach. Chriſtus und die Jungfrau Maria erſcheinen den Bekehrten
oder zu Bekehrenden leibhaftig, reden mit ihnen, helfen ihnen ihre Feſſeln zer-
brechen, ja die Jungfrau Maria nimmt einem Gefeſſelten eigenhändig den hölzernen
Handblock ab ꝛc. Den Zweifeln an der Möglichkeit ſolcher Wunder wird durch die ein-
fache „logiſche“ Erwägung begegnet daß, wenn Gott ſie vor Jahrtauſenden gewirkt
habe, kein Grund ſei mit den „Proteſtanten und andern leichtſinnigen Menſchen“
anzunehmen er werde es heute nicht auch thun. Das Hauptwunder erwartet der
Verfaſſer an den ſogenannten Altkatholiken, „um ihre ſtolzen aufgeblaſenen An-
hänger“ vollends um das bißchen Glauben zu bringen welches in dem Hefenſatz
ihres Zweifels- und Gährungsproceſſes bis jetzt noch übriggeblieben ſei.


In dieſen Tagen hat der Verein „Vaterlands-
dank“ in Dresden und Leipzig 100 Unterofficieren und Mannſchaften, beziehungs-
weiſe deren Hinterlaſſenen, die ihm vom Generalcommando des königl. ſächſiſchen
Armeecorps vorgeſchlagen worden waren, je 100 Thaler gewidmet, ſowie noch
einige andere anſehnliche Ehrengaben vertheilt. — Vorgeſtern iſt der Redacteur
des hieſigen ſocial-demokratiſchen Organs „Dresdener Volksbote,“ Dr. Otto
Walſter, auf Requiſition des Bezirksgerichts Mitweida verhaftet und dorthin ab-
geführt worden.


Der „Deutſche Nautiſche Verein,“ deſſen Vorſtand
hier von Beginn der nun vierjährigen Agitation an ſeinen Sitz hat, wird in den
drei letzten Tagen des kommenden Monats in Berlin ſeine Jahresverſammlung ab-
halten. Wenn er an dem Syndikus der hieſigen Handelskammer Dr. Schumacher
mit deſſen Uebertritt in den diplomatiſchen Reichsdienſt einen werthvollen Rath-
geber verliert, ſo darf er andrerſeits friſche Hoffnungen ſchöpfen aus der Neu-
beſetzung des Marineminiſteriums; denn nur von dort her, nicht aus dem rein mit
„Landratten“ beſetzten Reichskanzleramt, kann ſeinen Anliegen das wünſchenswerthe
Maß von Verſtändniß und Eifer entgegenkommen. Das Verzeichniß ſeiner Wünſche
aber iſt noch ſehr lang, wie die Tagesordnung der Verſammlung vom 29—31 Jan.
ergibt. Die Seemanns-Ordnung (Merchant Shipping Act), zu welcher die Hanſe-
ſtädte in Gemeinſchaft mit Oldenburg einen Entwurf ausgearbeitet haben, iſt nicht
einmal mehr darunter, da es heißt, ſie ſolle der nächſten Reichstagsſeſſion zur
Verabſchiedung vorgelegt werden. Dagegen werden beſprochen werden: eine ge-
meinſchaftliche deutſche Strandungs-Ordnung, ein Tiefladegeſetz, Seemannscaſſen,
der Schutz des Privateigenthums im Seekriege, eine oberſte deutſche Seebehörde,
Zeitbälle, Nebelſignale, die Farbe der Signallichter, neue Leuchtthürme u. ſ. ſ.
Das Leuchthurmweſen iſt bekanntlich nirgends in Europa verwahrloster als an
den deutſchen Küſten, aber es ſoll jetzt endlich Ausſicht ſein daß die Reichsregierung
dem darauf bezüglichen ſchon ziemlich alten Reichstagsbeſchluſſe (Grumbrecht’ſchen
Antrag) praktiſche Folge gibt. Schließlich ſteht auf der Tagesordnung auch noch
der vielſagende Punkt „Helgoland als Nothhafen,“ welcher vorausſichtlich zu einem
rein fachmänniſchen politiſch ganz neutralen Votum des „Deutſchen Nautiſchen
Vereins“ dahingehend: daß Helgoland entweder in engliſchem oder in deutſchem
Beſitz zu einem Nothhafen für die hafenloſe deutſche Nordſeeküſte ausgebaut werden
müſſe, führen wird. Wenigſtens iſt dieß die täglich entſchiedener hervortretende An-
ſchauung in Seemanns- und Rhederkreiſen.


Wenn ſonſt der Adreß-Ausſchuß verhandelte, war es
jedem draußen ſtehenden Abgeordneten vergönnt den Verhandlungen als ſtummer
Zuhörer beizuwohnen; die Praxis hatte aber den Nachtheil daß am Tage nach der
Sitzung, allen feierlichſt beträftigten Schweigensverpflichtungen zum Trotz, das
eine oder das andere — nach dem Grundſatz daß eine Hand die andere wäſcht —
protegirte Blatt regelmäßig im Stande war die geſammten Verhandlungen wort-
getreu wiederzugeben. Dieſer nichtsnutzigen Praxis iſt jetzt ein Ziel geſetzt: der
Ausſchuß bleibt dießmal ſtreng unter ſich, und ſo hat er denn ſchon geſtern unter
Clauſur ſeine Verathungen eröffnet. Daß das ganze Miniſterium der Sitzung bei-
wohnte, iſt ein Geheimniß, das nicht verſchwiegen bleiben konnte; wenn aber unter
den gegebenen Umſtänden abermals verſchiedene Blätter Mittheilungen über den
Gegenſtand und den Gang der Debatte zu Tage fördern, und wenn ſie namentlich
bereits verſichern zu dürfen glauben daß die vom Cabinet erbetenen und ertheilten
näheren Aufklärungen über ſeine Stellung ſowohl zu der Wahlreform als zu der
galiziſchen Frage „höchſt befriedigend“ erachtet ſind, ſo iſt das eine gewiß ſehr
wohlwollende Vermuthung, aber ebenſo gewiß auch eine bloße Vermuthung,
die ſich erwahren kann und hoffentlich erwahrt, die aber möglicherweiſe auch
ganz oder theilweiſe aus der Luft gegriffen iſt. Ob übrigens das Cabinet
die gedachte Neuerung lediglich im Intereſſe der Sache angeregt und durch-
geſetzt, oder ob es, zarteſt beſaitet wie es ſich in dieſer Richtung bereits
mehrfach bekundete, damit weſentlich nur der perſönlichen Empfindlichkeit ſeiner
Mitglieder Nechnung getragen, will ich unentſchieden laſſen. Die Redaction der
[Spaltenumbruch] Adreſſe iſt dem Abg. Herbſt übertragen hat. — Mit dem morgigen Tage tritt ein
Inſtitut ins Leben welches den Londoner Detectives nachgebildet worden, und
obwohl als beſonderes Corps organiſirt, doch einen integrirenden Theil der Sicher-
heitsmannſchafts darſtellt. Das Corps ſcheint namentlich im Hinblick auf die
Weltausſtellung ins Leben gerufen zu ſein. Die alten „Vertrauten“ hören auf zu
exiſtiren. — Am 10 Januar findet der erſte Hofball ſtätt. Tags vorher kehrt die
Kaiſerin aus Meran zurück, um — ein lang’ entbehrter Gaſt — ihm mit der An-
muth ihrer Perſon die ſchönſte Zierde zu geben.


Ueber den Verlauf der Krankheit des Prinzen von
Wales wird gemeldet daß die Schmerzen nachgelaſſen haben; im Befinden des
Prinzen iſt keine Aenderung eingetreten. (T. N.)


Der „Obſerver,“ welcher in ſeiner heutigen Nummer
die Bismarck’ſche Note vom 7 d. beſpricht, bezeichnet dieſelbe als ein „Meiſterſtück
diplomatiſcher Strategie.“ — Der Sprecher des Unterhauſes, Dennyſon, wird,
wie man hört, bei ſeinem Rücktritte zum Viscount ernannt werden. (T. N.)

Verſchiedenes.

Der letzte deutſche Verwundete.

Der Militärattache
der deutſchen Geſandtſchaft, Hauptmann v. Bülow, hatte vorgeſtern einen angenehmen.
Auftrag auszuführen, indem er dem letzten hier noch in Pflege befindlichen deutſchen.
Krieger das eiſerne Kreuz überbrachte. Hr. Moderſitzki aus Danzig, Kaufmann in Leip-
zig, war als Reſerve-Unterofficier im kgl. ſächſiſchen Schützenregiment am 2 Dec. 1870
bei Champigny, aus drei ſchweren Wunden blutend, in Gefangenſchaft gerathen. Der
Arme iſt noch nicht vollſtändig geheilt, hat alſo ein dreizehnmonatliches Schmerzens-
lager überſtanden. Seit 14 Tagen iſt Hr. Moderſitzki in einer Privatwohnung unter-
gebracht: bis dahin war er in dem Schweizer-Aſyl in aufopferndſter Pflege geweſen.
In dieſem Schweizer-Aſyl ſind die deutſchen Verwundeten auf eine wahrhaft rührende
Weiſe gepflegt worden.


(Altkatholiſches).

Antonio Aguayo, welcher den jüngſt er-
wähnten Aufruf zur Bildung einer ſpaniſchen Nationalkirche an der Spitze unterzeichnet
hat, beabſichtigt demnächſt eine Miſſionsreiſe durch Spanien zu machen, um ſeine Grund-
ſätze zu verbreiten. Zu den vielen Geiſtlichen welche ihren Namen unter den Aufruf
geſetzt haben ſind noch zwei hinzugetreten, und in den Provinzen ſind 48 Prieſter für
die Bewegung thätig. Doch ſagt Aguayo ſelbſt: „Der beklagenswerthe Ultramontanis-
mus hat in unſerm Lande die Folge gehabt daß es nur noch Bigotte und Ungläubige
gibt, und es wird uns ſehr ſchwer werden das reine Chriſtenthum wieder herzuſtellen,
wenn nicht fromme Chriſten anderer Länder uns unterſtützen.“ Der Secretär des Aus-
ſchuſſes, Escudero, hat neulich einen Brief an Döllinger gerichtet, worin er Sympathien
für den Altkatholicismus in Deutſchland kundgibt und ein gleiches von den Deutſchen
für die ſpaniſche Bewegung fordert. Die ſpaniſche Reformbewegung hat ſich übrigens
ſofort in einen viel ſchärfern Gegenſatz zu den Inſtitutionen des hiſtoriſchen Katholicis-
mus geſetzt, als die deutſchen Altkatholiken. Am nächſten kamen dem Aufrufe Aguayo’s
noch die bekannten Stuttgarter Beſchlüſſe.

Induſtrie, Handel und Verkehr.

Handelsüberſicht der Woche.)

Obwohl die hinter
uns liegende Geſchäftswoche erſt mit Mittwoch begann, ſo müſſen doch die Trausactionen
auf allen Gebieten bedeutend genannt werden. Auf dem Geldmarkte zunächſt hielt die
ſchon heute vor acht Tagen verzetchnete Spannung nicht nur an, ſondern ſie wurde durch
den Bedarf für die ungemein ſtarke Börſenliquidation noch vergrößert daß ſie aber nur
vorübergehender Natur iſt, geht ans dem Umſtande hervor daß die Markerate für feinſtes
Papter (3 Proc.) nach wie vor auch für lange Sichten gang und gäde iſt, und ſo können
wir denn mit dem neuen Jahre, nachdem die gegenwärtig obwaltende Urſache für die
Spannung — der Bilanzabſchluß der Actienbanken — fortgefallen iſt, einer abermaligen
Plethora entgegenſehen. Auf die Fondsbörſe hat dieſer momentane Druck nicht den min-
deſten Einfluß ausgeübt, und trotz der Liquidation, die, wie bereits bemerkt, ganz ungewöhn-
lich ſtark war, fanden bedentende Umſätze ſtatt. Am meiſten gilt dieß von engliſchen Bah-
nen, in denen ſich eine vollſtändige Hauſſemanie entwickelte, und die mit Avancen bis zu
5½ Proc. abſchließen, aber auch heimiſche Fonds und auswärtige Effecten ſchloßen ſich
der allgemeinen Bewegung an, und erzielten faſt ohne Ausnahme höhere Curſe, obwohl
das Geſchäft ſich hier hauptſächlich auf die Operationen des Anlagecapitals beſchränkte.
Für amerikaniſche Effecten machte ſich — mit der erklärlichen Ausnahme der 1862er
Bonds — gleichfalls ein guter Anlagebegehr bemerklich, welcher die Curſe um bis
hob, während Bahnen ½—1½ anzogen. Die neue ungariſche Anleihe wird dem Ver-
nehmen nach in kommender Woche aufgelegt werden. Was die übrigen Departements
anvetrifft, ſo ſind noch Bankactien hervorzuheben, die wie gewöhnlich unmittelbar vor Er-
klärung der Dividenden ſehr begehrt waren. An der Wechſelbörſe machte ſich zunächſt eine
ſehr ſtarke Frage für Tratten auf Paris geltend; auch deutſche und holländiſche Deviſen
fielen etwas, doch war hier die Frage nicht bedeutend. Der Metallmarkt war ſehr ſtille,
in Gold fanden nur wenige Umſätze ſtatt; 182,000 Pf. St. floßen in die Bank, und den
nämlichen Weg werden vorausſichtlich etwa 500,000 Pf. St. gehen, welche mit nächſter
auſtraliſcher Poſt erwartet werden. Auch Silber iſt wieder im Preiſe gefallen, und bei
einer Einfuhr von 121,000 Pf. St., gegenüber einer Ausfuhr von 50,000 Pf. St., ſtellt
ſich die Notirung auf 60½ P. pr. Unze. — Auf dem Getreidemarkte war die Tendenz eine
weichende. Weizen konnte bei ſtarkem Import nur zu einer Reduction verkauft werden,
und ein gleiches gilt von Mehl, Hafer 1 Sh. niedriger; Gerſte unverändert, aber ebenfalls
matt. Emfuhr 12,780 Qrs. Weizen, 15,220 Q. Gerſte, 29,610 Q. Hafer, 2660 Sack,
und 6370 Faß Mehl. — Das Liverpooler Baumwollgeſchäft war wegen der Feiertage ſtille,
doch wußten die Notirungen ſich zu behaupten. Abſatz der Auctionen 53,080 B., wodon
14,180 für Speculation und Export. Emfuhr 93,344 B., wirkliche Ausfuhr 10,501 B.,
Lagervorrath 566,901 B.

* Verlooſungskalender für den Monat Januar 1872.
2 Jan. Oeſterreichiſche 250 fl.-Looſe à 4% von 1854. Serien-Ziehung.
2 „ Oeſterreichiſche Credit 100 fl.-L. von 1858. Anszahlung am 1 Juli 1872.
2 „ Großy. Heſſiſche 50 fl.-Looſe. Prämienztehung.
2 „ Stadt Lübeck 50 Thlr.-L. à 3½%. Auszahlung am 1 April 1872.
2 „ Stadt Madrid 3proc. 100 Fr.-Looſe. Prämienziehung.
2 „ Mailand-Como Rentenſcheine à 14 fl. Conv.-M. Ausz. 1 Febr. 1872.
2 „ Stadt Mailand 45 Frc.-Looſe. Auszahlung am 1 Juli 1872.
2 „ Stadt Bordeaux 100 Frc. Looſe à 3%. Anszahl. 1 Mar 1872.
2 „ Stadt Bukareſt à 20 Fr. Auszahlung 5 März 1872.
2 „ Hamourger 50 Thaler-Looſe. Prämien-Ziehung.
2 „ Meininger 100 Thlr.-Pfaudbrieſe der Hypothekenbank. Prämienziehung.
2 „ Stuhlweißenburg-Raab G. 150 fl. Eiſenb.-Looſe. Prämtenziehung.
2 „ Stadt Trieſt 50 fl.-Looſe à 4%. Auszahl. 8 Tage nach der Ziehung.
10 „ Bart 100 Francs Looſe. Pramienziehung.
14 „ Ruſſiſche 100 S.R.-L. à 5%. Auszaht. am 14 April 1872.
15 „ Anhalt-Deſſauer 100 Gulden-Looſe.
15 „ Stadt Geut 3% 100 Fr.-Looſe von 1868. Prämienziehung.
15 „ Preußiſche 100 Thaler-Looſe. Prämienziehung.
15 „ Fürſt Salm-Reifferſcheid 40 Gulden-Looſe. Auszahlung am 15 Juli 1872.
30 „ Clary 40 Gulden Looſe. Prämienziehung.
Druckfehler.

* In dem der heutigen Zeitung vorgedruckten „Avis“ leſe man H. Hengſt ſtatt
H. Hempel, und in dem Sinprnger Brief Z. 3 v. u. verkörpere ſtatt verkürzere.

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Auf der Tagesordnung der übermorgen &#x017F;tattfindenden Sitzung der Kammer der<lb/>
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Abg. Kühlmann bezüglich der Rechnungsnachwei&#x017F;ungen über den Betrieb der<lb/>
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[21/0013] Blatte ſoll in der letzten Sitzung des Kammerausſchuſſes, welchem die Beſchwerden der Biſchöfe zur Vorberathung zugewieſen ſind, ſelbſt der Abg. Völk zugegeben haben daß eine formelle Verfaſſungsverletzung vorliege; Völk ſei ſogar der Anſicht, ſtatt einer einfachen Beſchwerde den Weg der Miniſteranklage einzuſchlagen. — Auf der Tagesordnung der übermorgen ſtattfindenden Sitzung der Kammer der Abgeordneten ſteht Berathung und Beſchlußfaſſung: 1) über den Vortrag des Abg. Kühlmann bezüglich der Rechnungsnachweiſungen über den Betrieb der Verkehrsanſtalten für das Jahr 1869; 2) über den Vortrag desſelben Abgeord- neten über den Antrag des k. Staatsminiſteriums der Finanzen, dann des Handels und der öffentlichen Arbeiten, „außerordentliche Leiſtungen des Perſonals der Verkehrsanſtalten während der Kriegszeit betreffend;“ dann ſchließlich Vortrag des ſechsten Ausſchuſſes über geprüfte Anträge. ⌙ München, 1 Jan. Das Gutachten der Kreisregierung von Ober- bayern bezüglich der Ueberlaſſung der Studienkirche an die Altkatholiken zur Be- nützung für ihren Gottesdienſt iſt, wie man weiß, zuſtimmend ausgefallen; hin- gegen ſoll der Cultusminiſter, bei welchem die Sache jetzt zur Entſcheidung liegt, wenig geneigt ſein dieſelbe den Altkatholiken einzuräumen. — Wenn einer oder der andere Ihrer Leſer ſich informiren will, was man heutzutage in den katholiſchen Geſellenvereinen den „Gläubigen“ zu bieten ſich nicht entblödet, ſo leſe er einen am 25 Sept. 1871 im kathol. Geſellenverein dahier von Joh. Leipold gehaltenen, jetzt (in der Weiß’ſchen Univerſitäts-Druckerei hier) im Druck erſchienenen Vortrag „über die gegenwärtige religiöſe Bewegung unter den Moslemiten in Damaskus und Syrien“ nach. Chriſtus und die Jungfrau Maria erſcheinen den Bekehrten oder zu Bekehrenden leibhaftig, reden mit ihnen, helfen ihnen ihre Feſſeln zer- brechen, ja die Jungfrau Maria nimmt einem Gefeſſelten eigenhändig den hölzernen Handblock ab ꝛc. Den Zweifeln an der Möglichkeit ſolcher Wunder wird durch die ein- fache „logiſche“ Erwägung begegnet daß, wenn Gott ſie vor Jahrtauſenden gewirkt habe, kein Grund ſei mit den „Proteſtanten und andern leichtſinnigen Menſchen“ anzunehmen er werde es heute nicht auch thun. Das Hauptwunder erwartet der Verfaſſer an den ſogenannten Altkatholiken, „um ihre ſtolzen aufgeblaſenen An- hänger“ vollends um das bißchen Glauben zu bringen welches in dem Hefenſatz ihres Zweifels- und Gährungsproceſſes bis jetzt noch übriggeblieben ſei. ⦶ Dresden, 31 Dec. In dieſen Tagen hat der Verein „Vaterlands- dank“ in Dresden und Leipzig 100 Unterofficieren und Mannſchaften, beziehungs- weiſe deren Hinterlaſſenen, die ihm vom Generalcommando des königl. ſächſiſchen Armeecorps vorgeſchlagen worden waren, je 100 Thaler gewidmet, ſowie noch einige andere anſehnliche Ehrengaben vertheilt. — Vorgeſtern iſt der Redacteur des hieſigen ſocial-demokratiſchen Organs „Dresdener Volksbote,“ Dr. Otto Walſter, auf Requiſition des Bezirksgerichts Mitweida verhaftet und dorthin ab- geführt worden. ᔭ Bremen, 30 Dec. Der „Deutſche Nautiſche Verein,“ deſſen Vorſtand hier von Beginn der nun vierjährigen Agitation an ſeinen Sitz hat, wird in den drei letzten Tagen des kommenden Monats in Berlin ſeine Jahresverſammlung ab- halten. Wenn er an dem Syndikus der hieſigen Handelskammer Dr. Schumacher mit deſſen Uebertritt in den diplomatiſchen Reichsdienſt einen werthvollen Rath- geber verliert, ſo darf er andrerſeits friſche Hoffnungen ſchöpfen aus der Neu- beſetzung des Marineminiſteriums; denn nur von dort her, nicht aus dem rein mit „Landratten“ beſetzten Reichskanzleramt, kann ſeinen Anliegen das wünſchenswerthe Maß von Verſtändniß und Eifer entgegenkommen. Das Verzeichniß ſeiner Wünſche aber iſt noch ſehr lang, wie die Tagesordnung der Verſammlung vom 29—31 Jan. ergibt. Die Seemanns-Ordnung (Merchant Shipping Act), zu welcher die Hanſe- ſtädte in Gemeinſchaft mit Oldenburg einen Entwurf ausgearbeitet haben, iſt nicht einmal mehr darunter, da es heißt, ſie ſolle der nächſten Reichstagsſeſſion zur Verabſchiedung vorgelegt werden. Dagegen werden beſprochen werden: eine ge- meinſchaftliche deutſche Strandungs-Ordnung, ein Tiefladegeſetz, Seemannscaſſen, der Schutz des Privateigenthums im Seekriege, eine oberſte deutſche Seebehörde, Zeitbälle, Nebelſignale, die Farbe der Signallichter, neue Leuchtthürme u. ſ. ſ. Das Leuchthurmweſen iſt bekanntlich nirgends in Europa verwahrloster als an den deutſchen Küſten, aber es ſoll jetzt endlich Ausſicht ſein daß die Reichsregierung dem darauf bezüglichen ſchon ziemlich alten Reichstagsbeſchluſſe (Grumbrecht’ſchen Antrag) praktiſche Folge gibt. Schließlich ſteht auf der Tagesordnung auch noch der vielſagende Punkt „Helgoland als Nothhafen,“ welcher vorausſichtlich zu einem rein fachmänniſchen politiſch ganz neutralen Votum des „Deutſchen Nautiſchen Vereins“ dahingehend: daß Helgoland entweder in engliſchem oder in deutſchem Beſitz zu einem Nothhafen für die hafenloſe deutſche Nordſeeküſte ausgebaut werden müſſe, führen wird. Wenigſtens iſt dieß die täglich entſchiedener hervortretende An- ſchauung in Seemanns- und Rhederkreiſen. ȋ Wien, 31 Dec. Wenn ſonſt der Adreß-Ausſchuß verhandelte, war es jedem draußen ſtehenden Abgeordneten vergönnt den Verhandlungen als ſtummer Zuhörer beizuwohnen; die Praxis hatte aber den Nachtheil daß am Tage nach der Sitzung, allen feierlichſt beträftigten Schweigensverpflichtungen zum Trotz, das eine oder das andere — nach dem Grundſatz daß eine Hand die andere wäſcht — protegirte Blatt regelmäßig im Stande war die geſammten Verhandlungen wort- getreu wiederzugeben. Dieſer nichtsnutzigen Praxis iſt jetzt ein Ziel geſetzt: der Ausſchuß bleibt dießmal ſtreng unter ſich, und ſo hat er denn ſchon geſtern unter Clauſur ſeine Verathungen eröffnet. Daß das ganze Miniſterium der Sitzung bei- wohnte, iſt ein Geheimniß, das nicht verſchwiegen bleiben konnte; wenn aber unter den gegebenen Umſtänden abermals verſchiedene Blätter Mittheilungen über den Gegenſtand und den Gang der Debatte zu Tage fördern, und wenn ſie namentlich bereits verſichern zu dürfen glauben daß die vom Cabinet erbetenen und ertheilten näheren Aufklärungen über ſeine Stellung ſowohl zu der Wahlreform als zu der galiziſchen Frage „höchſt befriedigend“ erachtet ſind, ſo iſt das eine gewiß ſehr wohlwollende Vermuthung, aber ebenſo gewiß auch eine bloße Vermuthung, die ſich erwahren kann und hoffentlich erwahrt, die aber möglicherweiſe auch ganz oder theilweiſe aus der Luft gegriffen iſt. Ob übrigens das Cabinet die gedachte Neuerung lediglich im Intereſſe der Sache angeregt und durch- geſetzt, oder ob es, zarteſt beſaitet wie es ſich in dieſer Richtung bereits mehrfach bekundete, damit weſentlich nur der perſönlichen Empfindlichkeit ſeiner Mitglieder Nechnung getragen, will ich unentſchieden laſſen. Die Redaction der Adreſſe iſt dem Abg. Herbſt übertragen hat. — Mit dem morgigen Tage tritt ein Inſtitut ins Leben welches den Londoner Detectives nachgebildet worden, und obwohl als beſonderes Corps organiſirt, doch einen integrirenden Theil der Sicher- heitsmannſchafts darſtellt. Das Corps ſcheint namentlich im Hinblick auf die Weltausſtellung ins Leben gerufen zu ſein. Die alten „Vertrauten“ hören auf zu exiſtiren. — Am 10 Januar findet der erſte Hofball ſtätt. Tags vorher kehrt die Kaiſerin aus Meran zurück, um — ein lang’ entbehrter Gaſt — ihm mit der An- muth ihrer Perſon die ſchönſte Zierde zu geben. London, 31 Dec. Ueber den Verlauf der Krankheit des Prinzen von Wales wird gemeldet daß die Schmerzen nachgelaſſen haben; im Befinden des Prinzen iſt keine Aenderung eingetreten. (T. N.) London, 31 Dec. Der „Obſerver,“ welcher in ſeiner heutigen Nummer die Bismarck’ſche Note vom 7 d. beſpricht, bezeichnet dieſelbe als ein „Meiſterſtück diplomatiſcher Strategie.“ — Der Sprecher des Unterhauſes, Dennyſon, wird, wie man hört, bei ſeinem Rücktritte zum Viscount ernannt werden. (T. N.) Verſchiedenes. Paris, 25 Dec. Der letzte deutſche Verwundete. Der Militärattache der deutſchen Geſandtſchaft, Hauptmann v. Bülow, hatte vorgeſtern einen angenehmen. Auftrag auszuführen, indem er dem letzten hier noch in Pflege befindlichen deutſchen. Krieger das eiſerne Kreuz überbrachte. Hr. Moderſitzki aus Danzig, Kaufmann in Leip- zig, war als Reſerve-Unterofficier im kgl. ſächſiſchen Schützenregiment am 2 Dec. 1870 bei Champigny, aus drei ſchweren Wunden blutend, in Gefangenſchaft gerathen. Der Arme iſt noch nicht vollſtändig geheilt, hat alſo ein dreizehnmonatliches Schmerzens- lager überſtanden. Seit 14 Tagen iſt Hr. Moderſitzki in einer Privatwohnung unter- gebracht: bis dahin war er in dem Schweizer-Aſyl in aufopferndſter Pflege geweſen. In dieſem Schweizer-Aſyl ſind die deutſchen Verwundeten auf eine wahrhaft rührende Weiſe gepflegt worden. Madrid. (Altkatholiſches). Antonio Aguayo, welcher den jüngſt er- wähnten Aufruf zur Bildung einer ſpaniſchen Nationalkirche an der Spitze unterzeichnet hat, beabſichtigt demnächſt eine Miſſionsreiſe durch Spanien zu machen, um ſeine Grund- ſätze zu verbreiten. Zu den vielen Geiſtlichen welche ihren Namen unter den Aufruf geſetzt haben ſind noch zwei hinzugetreten, und in den Provinzen ſind 48 Prieſter für die Bewegung thätig. Doch ſagt Aguayo ſelbſt: „Der beklagenswerthe Ultramontanis- mus hat in unſerm Lande die Folge gehabt daß es nur noch Bigotte und Ungläubige gibt, und es wird uns ſehr ſchwer werden das reine Chriſtenthum wieder herzuſtellen, wenn nicht fromme Chriſten anderer Länder uns unterſtützen.“ Der Secretär des Aus- ſchuſſes, Escudero, hat neulich einen Brief an Döllinger gerichtet, worin er Sympathien für den Altkatholicismus in Deutſchland kundgibt und ein gleiches von den Deutſchen für die ſpaniſche Bewegung fordert. Die ſpaniſche Reformbewegung hat ſich übrigens ſofort in einen viel ſchärfern Gegenſatz zu den Inſtitutionen des hiſtoriſchen Katholicis- mus geſetzt, als die deutſchen Altkatholiken. Am nächſten kamen dem Aufrufe Aguayo’s noch die bekannten Stuttgarter Beſchlüſſe. Induſtrie, Handel und Verkehr. * London, 30 Dec. Handelsüberſicht der Woche.) Obwohl die hinter uns liegende Geſchäftswoche erſt mit Mittwoch begann, ſo müſſen doch die Trausactionen auf allen Gebieten bedeutend genannt werden. Auf dem Geldmarkte zunächſt hielt die ſchon heute vor acht Tagen verzetchnete Spannung nicht nur an, ſondern ſie wurde durch den Bedarf für die ungemein ſtarke Börſenliquidation noch vergrößert daß ſie aber nur vorübergehender Natur iſt, geht ans dem Umſtande hervor daß die Markerate für feinſtes Papter (3 Proc.) nach wie vor auch für lange Sichten gang und gäde iſt, und ſo können wir denn mit dem neuen Jahre, nachdem die gegenwärtig obwaltende Urſache für die Spannung — der Bilanzabſchluß der Actienbanken — fortgefallen iſt, einer abermaligen Plethora entgegenſehen. Auf die Fondsbörſe hat dieſer momentane Druck nicht den min- deſten Einfluß ausgeübt, und trotz der Liquidation, die, wie bereits bemerkt, ganz ungewöhn- lich ſtark war, fanden bedentende Umſätze ſtatt. Am meiſten gilt dieß von engliſchen Bah- nen, in denen ſich eine vollſtändige Hauſſemanie entwickelte, und die mit Avancen bis zu 5½ Proc. abſchließen, aber auch heimiſche Fonds und auswärtige Effecten ſchloßen ſich der allgemeinen Bewegung an, und erzielten faſt ohne Ausnahme höhere Curſe, obwohl das Geſchäft ſich hier hauptſächlich auf die Operationen des Anlagecapitals beſchränkte. Für amerikaniſche Effecten machte ſich — mit der erklärlichen Ausnahme der 1862er Bonds — gleichfalls ein guter Anlagebegehr bemerklich, welcher die Curſe um [FORMEL] bis [FORMEL] hob, während Bahnen ½—1½ anzogen. Die neue ungariſche Anleihe wird dem Ver- nehmen nach in kommender Woche aufgelegt werden. Was die übrigen Departements anvetrifft, ſo ſind noch Bankactien hervorzuheben, die wie gewöhnlich unmittelbar vor Er- klärung der Dividenden ſehr begehrt waren. An der Wechſelbörſe machte ſich zunächſt eine ſehr ſtarke Frage für Tratten auf Paris geltend; auch deutſche und holländiſche Deviſen fielen etwas, doch war hier die Frage nicht bedeutend. Der Metallmarkt war ſehr ſtille, in Gold fanden nur wenige Umſätze ſtatt; 182,000 Pf. St. floßen in die Bank, und den nämlichen Weg werden vorausſichtlich etwa 500,000 Pf. St. gehen, welche mit nächſter auſtraliſcher Poſt erwartet werden. Auch Silber iſt wieder im Preiſe gefallen, und bei einer Einfuhr von 121,000 Pf. St., gegenüber einer Ausfuhr von 50,000 Pf. St., ſtellt ſich die Notirung auf 60½ P. pr. Unze. — Auf dem Getreidemarkte war die Tendenz eine weichende. Weizen konnte bei ſtarkem Import nur zu einer Reduction verkauft werden, und ein gleiches gilt von Mehl, Hafer 1 Sh. niedriger; Gerſte unverändert, aber ebenfalls matt. Emfuhr 12,780 Qrs. Weizen, 15,220 Q. Gerſte, 29,610 Q. Hafer, 2660 Sack, und 6370 Faß Mehl. — Das Liverpooler Baumwollgeſchäft war wegen der Feiertage ſtille, doch wußten die Notirungen ſich zu behaupten. Abſatz der Auctionen 53,080 B., wodon 14,180 für Speculation und Export. Emfuhr 93,344 B., wirkliche Ausfuhr 10,501 B., Lagervorrath 566,901 B. * Verlooſungskalender für den Monat Januar 1872. 2 Jan. Oeſterreichiſche 250 fl.-Looſe à 4% von 1854. Serien-Ziehung. 2 „ Oeſterreichiſche Credit 100 fl.-L. von 1858. Anszahlung am 1 Juli 1872. 2 „ Großy. Heſſiſche 50 fl.-Looſe. Prämienztehung. 2 „ Stadt Lübeck 50 Thlr.-L. à 3½%. Auszahlung am 1 April 1872. 2 „ Stadt Madrid 3proc. 100 Fr.-Looſe. Prämienziehung. 2 „ Mailand-Como Rentenſcheine à 14 fl. Conv.-M. Ausz. 1 Febr. 1872. 2 „ Stadt Mailand 45 Frc.-Looſe. Auszahlung am 1 Juli 1872. 2 „ Stadt Bordeaux 100 Frc. Looſe à 3%. Anszahl. 1 Mar 1872. 2 „ Stadt Bukareſt à 20 Fr. Auszahlung 5 März 1872. 2 „ Hamourger 50 Thaler-Looſe. 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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 2, 2. Januar 1872, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine02_1872/13>, abgerufen am 24.11.2024.