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Allgemeine Zeitung, Nr. 1, 1. Januar 1830.

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1 Januar.
Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
Nro. 1. 1830.



[Spaltenumbruch]
Brasilien.

Der schweizerische Handelskonsul zu Fernambuco, Hr. Ema-
nuel Ricon
aus Genf, der als einsichtsvoller Kaufmann
seit länger als zwölf Jahren sich in den Provinzen Rio-Janeiro,
Bahia und Ferambuco aufhält, hat im August dieses Jahres dem
eidgenössischen Vororte über die landwirthschaftlichen und Handels-
verhältnisse der Provinz Fernambuco insbesondere, mit Hinsicht
auf europäische Auswanderungen dahin, sehr gründliche und um-
fassende Berichte überschrieben, aus denen wir folgende Auszüge ent-
lehnen: Ich habe mir vorgesezt (sagt Hr. Ricon), die Frage zu
beantworten: "ob Europäer, die nach der Provinz Fernambuco
in der Absicht auswandern würden, daselbst die Landwirthschaft
zu betreiben, hoffen dürfen, sich durch ihren Arbeitsfleiß oder
ihre mitgebrachten Kapitalien Wohlstand oder wenigstens ehrliches
Auskommen zu verschaffen?" Bevor ich aber zu näherer Prü-
fung der Frage schreite, sind einige vorangehende Bemerkungen
nothwendig. Das Klima dieser Provinz ist überhaupt eines der
gesundesten in Brasilien, jedoch treten besonders im nördlichen
Theile zuweilen sehr große Troknisse ein; glüklicher Weise ge-
schieht dis nicht alle Jahre. Eine sehr denkwürdige hatte unter
Anderm vor ungefähr 35 Jahren statt, die drei Jahre dauerte;
vor drei bis vier Jahren hat diese Plage sich wiederholt, und beide-
mal ist durch sie nicht blos sehr vieles Vieh zu Grunde gegan-
gen, sondern es sind auch Menschen durch Hunger und Durst ge-
storben. Das Erdreich dieser Provinz ist je nach den Oertlichkei-
ten sehr verschieden, und seine Beschaffenheit einerseits, anderer-
seits der mehr oder minder leichte Transport der Erzeugnisse be-
dingen den zwekmäßigen Anbau des Bodens. Das Zukerrohr ver-
langt einen sattsam mit Sand gemischten Thonboden, der ohne
überschwemmt zu seyn jedoch feucht sey. Die Baumwollenstaude
erheischt gleichfalls einen festen, aber trokneren Boden; zu viele
Feuchtigkeit vermehrt ihren Blätterwuchs auf Kosten der Früchte.
Der Anbau von Nahrungspflanzen, das will sagen, von Manioc,
Bohnen, Mais und dem eßbaren Eibisch (Giraumons) erheischt
ein lokeres und fruchtbares Erdreich, nebst hinreichendem doch
nicht übermäßigem Regen, denn das Uebermaaß von diesem hin-
dert das Wachsthum der Pflanzen oder tödtet sie auch vollends,
während das Gegentheil hievon, die anhaltende Trokniß, noch viel
schädlicher wirkt. Man sieht hieraus, daß der Landbauer nicht
unbedingt Meister ist, für die Wahl der ihm am besten zuspre-
chenden Kultur; er muß dabei auf die Natur seines Bodens und
auf die Transportmittel Rüksicht nehmen. Unstreitig könnte der Bo-
den verbessert werden, durch tiefes Pflügen sowol als durch zwek-
mäßige Mischungen des Erdreichs; aber welch unerschwingliche
Kosten würde dis verursachen, hier, wo der Arbeitslohn so theuer
ist. Dazu kommt, daß für erfolgreiche Bemühungen dieser Art
Einsichten erheischt würden, die den Landbauern hier zu Lande
noch völlig mangeln. Das Grundeigenthum ist in dieser Pro-
vinz meist sehr ausgedehnt; es gibt solches das über eine Ge-
viertmeile, auch drei und vier Geviertmeilen und noch mehr be-
trägt, zumal im Innern des Landes und in den der Viehzucht
gewidmeten Kantonen. Der Landbesiz mag nur auf zwei Arten
erworben werden, entweder durch Ankauf von Eigenthümern oder
durch Konzession der Regierung. Es gibt annoch Land, das auf
[Spaltenumbruch] leztere Weise überlassen werden kan; aber in so großer Ferne für
jeden Absaz und in solchen Oertlichkeiten, die jeden Liebhaber ab-
schreken müssen; übrigens wird diese Art von Eigenthumserwerb,
wenn sie gleich die vortheilhafteste zu seyn scheint, zuweilen um-
gekehrt die lästigste; denn außer den unvermeidlichen Gebühren
und Kosten für den Erwerbstitel, ist gewöhnlich auch der Fall,
daß bereits schon viele armselige Menschen sich da angesiedelt hat-
ten, die man entweder dulden oder vertreiben muß, was nie ohne
Schwierigkeit geschieht, und zuweilen mit Lebensgefahr verbunden
ist. Da jener ausgedehnte Grundbesiz für den Anbau des Landes
die Kräfte und Mittel des Eigenthümers weit übersteigt, so ist
es Sitte geworden, davon theilweise Pachtungen an Personen zu
machen, die unter dem Namen Moradores bekannt sind, eine
jährliche mäßige Abgabe zahlen, und theils Baumwolle, theils
Nahrungsgewächse pflanzen. Auch auf den Zukerpflanzungen, de-
ren Erdreich gewöhnlich zur Baumwollenpflanzung untauglich ist.
gibt es ebenfalls Moradores, welche nur Nahrungsgewächse pflan-
zen. Ueberdis finden sich hier noch die sogenannten Lavradores,
Leute, die etwas Vermögen haben, und etliche Sklaven besizen,
denen der Eigenthümer hinreichend Land überläßt, um so viel
Zukerrohr als sie vermögen, nebst den nöthigen Nahrungsgewäch-
sen zu pflanzen, und nebenbei noch anderes Weidland für das nö-
thige Vieh, Ochsen und Pferde. Die Lavradores zahlen keinen
Geldzins für das ihnen überlassene Land; sie sind gehalten so viel
Zukerrohr zu pflanzen, als ihre Mittel gestatten; zur Zeit, wo
die Mühle in Thätigkeit gesezt wird, müssen sie auf den ersten
Ruf ihre Rohre abschneiden, und auf eigene Kosten einbringen,
und wenn der Eigenthümer ihrer Ochsen und Wagen für eige-
nen Gebrauch jeglicher Art bedarf, so müssen sie ihm solche samt
den Fuhren unentgeldlich überlassen; dafür gebührt ihnen die
Hälfte des Zukerertrags der von ihnen angebanten Rohre. Inzwi-
schen sind diese beiden Benuzungsarten desjenigen Landes, das man
nicht selbst anpflanzen kan, im Grunde dem Eigenthümer eher
nachtheilig als nüzlich. Ihm steht frei die Moradores und selbst
auch die Lavradores jederzeit zu entlassen, wofern er ihnen ihre
Erndten einzusammeln gestattet; er kan dabei völlig nach Laune
handeln, und daraus folgt, daß jene, ohne Sicherheit die Früchte
ihrer Arbeit zu genießen, auch keinen Antrieb haben, ihr Land
in gutem Stand zu erhalten, dasselbe zu bessern, oder die Wal-
dungen zu schonen, die darauf stehen, und daß hingegen nach
Verfluß weniger Jahre das Land in einen solchen erschöpften und
vernachlässigten Zustand geräth, den die Zinse und Leistungen der
Pächter lange nicht zu ersezen vermögen. Dem Handelsverkehr
liefert diese Provinz für die Ausfuhr einzig nur Zuker, Baum-
wolle und Häute; die Landwirthschaft beschränkt sich darum auch
auf diese Kulturarten, denen sich die für den Landbedarf nöthigen
eßbaren Pflanzen anreihen. Auch werde ich von der Viehzucht
handeln, welche von der europäischen völlig verschieden hier betrie-
ben wird. Zur Lösung der Anfangs aufgestellten Frage wird hin-
reichend seyn zu untersuchen, ob beim gegenwärtigen Stande der
Dinge der reine landwirthschaftliche Ertrag den Landbauer für
seine Arbeit und Vorschüsse zu entschädigen vermag? Ich werde
mich hiebei einzig an die Erfahrung halten, und wenn ich für
Ausmittelung des reinen Ertrages die gegenwärtigen Waaren-
preise zum Grunde lege, so geschieht dis, weil leider was in

1 Januar.
Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
Nro. 1. 1830.



[Spaltenumbruch]
Braſilien.

Der ſchweizeriſche Handelskonſul zu Fernambuco, Hr. Ema-
nuel Ricon
aus Genf, der als einſichtsvoller Kaufmann
ſeit länger als zwölf Jahren ſich in den Provinzen Rio-Janeiro,
Bahia und Ferambuco aufhält, hat im Auguſt dieſes Jahres dem
eidgenöſſiſchen Vororte über die landwirthſchaftlichen und Handels-
verhältniſſe der Provinz Fernambuco insbeſondere, mit Hinſicht
auf europäiſche Auswanderungen dahin, ſehr gründliche und um-
faſſende Berichte überſchrieben, aus denen wir folgende Auszüge ent-
lehnen: Ich habe mir vorgeſezt (ſagt Hr. Ricon), die Frage zu
beantworten: „ob Europäer, die nach der Provinz Fernambuco
in der Abſicht auswandern würden, daſelbſt die Landwirthſchaft
zu betreiben, hoffen dürfen, ſich durch ihren Arbeitsfleiß oder
ihre mitgebrachten Kapitalien Wohlſtand oder wenigſtens ehrliches
Auskommen zu verſchaffen?“ Bevor ich aber zu näherer Prü-
fung der Frage ſchreite, ſind einige vorangehende Bemerkungen
nothwendig. Das Klima dieſer Provinz iſt überhaupt eines der
geſundeſten in Braſilien, jedoch treten beſonders im nördlichen
Theile zuweilen ſehr große Trokniſſe ein; glüklicher Weiſe ge-
ſchieht dis nicht alle Jahre. Eine ſehr denkwürdige hatte unter
Anderm vor ungefähr 35 Jahren ſtatt, die drei Jahre dauerte;
vor drei bis vier Jahren hat dieſe Plage ſich wiederholt, und beide-
mal iſt durch ſie nicht blos ſehr vieles Vieh zu Grunde gegan-
gen, ſondern es ſind auch Menſchen durch Hunger und Durſt ge-
ſtorben. Das Erdreich dieſer Provinz iſt je nach den Oertlichkei-
ten ſehr verſchieden, und ſeine Beſchaffenheit einerſeits, anderer-
ſeits der mehr oder minder leichte Transport der Erzeugniſſe be-
dingen den zwekmäßigen Anbau des Bodens. Das Zukerrohr ver-
langt einen ſattſam mit Sand gemiſchten Thonboden, der ohne
überſchwemmt zu ſeyn jedoch feucht ſey. Die Baumwollenſtaude
erheiſcht gleichfalls einen feſten, aber trokneren Boden; zu viele
Feuchtigkeit vermehrt ihren Blätterwuchs auf Koſten der Früchte.
Der Anbau von Nahrungspflanzen, das will ſagen, von Manioc,
Bohnen, Mais und dem eßbaren Eibiſch (Giraumons) erheiſcht
ein lokeres und fruchtbares Erdreich, nebſt hinreichendem doch
nicht übermäßigem Regen, denn das Uebermaaß von dieſem hin-
dert das Wachsthum der Pflanzen oder tödtet ſie auch vollends,
während das Gegentheil hievon, die anhaltende Trokniß, noch viel
ſchädlicher wirkt. Man ſieht hieraus, daß der Landbauer nicht
unbedingt Meiſter iſt, für die Wahl der ihm am beſten zuſpre-
chenden Kultur; er muß dabei auf die Natur ſeines Bodens und
auf die Transportmittel Rükſicht nehmen. Unſtreitig könnte der Bo-
den verbeſſert werden, durch tiefes Pflügen ſowol als durch zwek-
mäßige Miſchungen des Erdreichs; aber welch unerſchwingliche
Koſten würde dis verurſachen, hier, wo der Arbeitslohn ſo theuer
iſt. Dazu kommt, daß für erfolgreiche Bemühungen dieſer Art
Einſichten erheiſcht würden, die den Landbauern hier zu Lande
noch völlig mangeln. Das Grundeigenthum iſt in dieſer Pro-
vinz meiſt ſehr ausgedehnt; es gibt ſolches das über eine Ge-
viertmeile, auch drei und vier Geviertmeilen und noch mehr be-
trägt, zumal im Innern des Landes und in den der Viehzucht
gewidmeten Kantonen. Der Landbeſiz mag nur auf zwei Arten
erworben werden, entweder durch Ankauf von Eigenthümern oder
durch Konzeſſion der Regierung. Es gibt annoch Land, das auf
[Spaltenumbruch] leztere Weiſe überlaſſen werden kan; aber in ſo großer Ferne für
jeden Abſaz und in ſolchen Oertlichkeiten, die jeden Liebhaber ab-
ſchreken müſſen; übrigens wird dieſe Art von Eigenthumserwerb,
wenn ſie gleich die vortheilhafteſte zu ſeyn ſcheint, zuweilen um-
gekehrt die läſtigſte; denn außer den unvermeidlichen Gebühren
und Koſten für den Erwerbstitel, iſt gewöhnlich auch der Fall,
daß bereits ſchon viele armſelige Menſchen ſich da angeſiedelt hat-
ten, die man entweder dulden oder vertreiben muß, was nie ohne
Schwierigkeit geſchieht, und zuweilen mit Lebensgefahr verbunden
iſt. Da jener ausgedehnte Grundbeſiz für den Anbau des Landes
die Kräfte und Mittel des Eigenthümers weit überſteigt, ſo iſt
es Sitte geworden, davon theilweiſe Pachtungen an Perſonen zu
machen, die unter dem Namen Moradores bekannt ſind, eine
jährliche mäßige Abgabe zahlen, und theils Baumwolle, theils
Nahrungsgewächſe pflanzen. Auch auf den Zukerpflanzungen, de-
ren Erdreich gewöhnlich zur Baumwollenpflanzung untauglich iſt.
gibt es ebenfalls Moradores, welche nur Nahrungsgewächſe pflan-
zen. Ueberdis finden ſich hier noch die ſogenannten Lavradores,
Leute, die etwas Vermögen haben, und etliche Sklaven beſizen,
denen der Eigenthümer hinreichend Land überläßt, um ſo viel
Zukerrohr als ſie vermögen, nebſt den nöthigen Nahrungsgewäch-
ſen zu pflanzen, und nebenbei noch anderes Weidland für das nö-
thige Vieh, Ochſen und Pferde. Die Lavradores zahlen keinen
Geldzins für das ihnen überlaſſene Land; ſie ſind gehalten ſo viel
Zukerrohr zu pflanzen, als ihre Mittel geſtatten; zur Zeit, wo
die Mühle in Thätigkeit geſezt wird, müſſen ſie auf den erſten
Ruf ihre Rohre abſchneiden, und auf eigene Koſten einbringen,
und wenn der Eigenthümer ihrer Ochſen und Wagen für eige-
nen Gebrauch jeglicher Art bedarf, ſo müſſen ſie ihm ſolche ſamt
den Fuhren unentgeldlich überlaſſen; dafür gebührt ihnen die
Hälfte des Zukerertrags der von ihnen angebanten Rohre. Inzwi-
ſchen ſind dieſe beiden Benuzungsarten desjenigen Landes, das man
nicht ſelbſt anpflanzen kan, im Grunde dem Eigenthümer eher
nachtheilig als nüzlich. Ihm ſteht frei die Moradores und ſelbſt
auch die Lavradores jederzeit zu entlaſſen, wofern er ihnen ihre
Erndten einzuſammeln geſtattet; er kan dabei völlig nach Laune
handeln, und daraus folgt, daß jene, ohne Sicherheit die Früchte
ihrer Arbeit zu genießen, auch keinen Antrieb haben, ihr Land
in gutem Stand zu erhalten, daſſelbe zu beſſern, oder die Wal-
dungen zu ſchonen, die darauf ſtehen, und daß hingegen nach
Verfluß weniger Jahre das Land in einen ſolchen erſchöpften und
vernachläſſigten Zuſtand geräth, den die Zinſe und Leiſtungen der
Pächter lange nicht zu erſezen vermögen. Dem Handelsverkehr
liefert dieſe Provinz für die Ausfuhr einzig nur Zuker, Baum-
wolle und Häute; die Landwirthſchaft beſchränkt ſich darum auch
auf dieſe Kulturarten, denen ſich die für den Landbedarf nöthigen
eßbaren Pflanzen anreihen. Auch werde ich von der Viehzucht
handeln, welche von der europäiſchen völlig verſchieden hier betrie-
ben wird. Zur Löſung der Anfangs aufgeſtellten Frage wird hin-
reichend ſeyn zu unterſuchen, ob beim gegenwärtigen Stande der
Dinge der reine landwirthſchaftliche Ertrag den Landbauer für
ſeine Arbeit und Vorſchüſſe zu entſchädigen vermag? Ich werde
mich hiebei einzig an die Erfahrung halten, und wenn ich für
Ausmittelung des reinen Ertrages die gegenwärtigen Waaren-
preiſe zum Grunde lege, ſo geſchieht dis, weil leider was in

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[0005] 1 Januar. Beilage zur Allgemeinen Zeitung. Nro. 1. 1830. Braſilien. Der ſchweizeriſche Handelskonſul zu Fernambuco, Hr. Ema- nuel Ricon aus Genf, der als einſichtsvoller Kaufmann ſeit länger als zwölf Jahren ſich in den Provinzen Rio-Janeiro, Bahia und Ferambuco aufhält, hat im Auguſt dieſes Jahres dem eidgenöſſiſchen Vororte über die landwirthſchaftlichen und Handels- verhältniſſe der Provinz Fernambuco insbeſondere, mit Hinſicht auf europäiſche Auswanderungen dahin, ſehr gründliche und um- faſſende Berichte überſchrieben, aus denen wir folgende Auszüge ent- lehnen: Ich habe mir vorgeſezt (ſagt Hr. Ricon), die Frage zu beantworten: „ob Europäer, die nach der Provinz Fernambuco in der Abſicht auswandern würden, daſelbſt die Landwirthſchaft zu betreiben, hoffen dürfen, ſich durch ihren Arbeitsfleiß oder ihre mitgebrachten Kapitalien Wohlſtand oder wenigſtens ehrliches Auskommen zu verſchaffen?“ Bevor ich aber zu näherer Prü- fung der Frage ſchreite, ſind einige vorangehende Bemerkungen nothwendig. Das Klima dieſer Provinz iſt überhaupt eines der geſundeſten in Braſilien, jedoch treten beſonders im nördlichen Theile zuweilen ſehr große Trokniſſe ein; glüklicher Weiſe ge- ſchieht dis nicht alle Jahre. Eine ſehr denkwürdige hatte unter Anderm vor ungefähr 35 Jahren ſtatt, die drei Jahre dauerte; vor drei bis vier Jahren hat dieſe Plage ſich wiederholt, und beide- mal iſt durch ſie nicht blos ſehr vieles Vieh zu Grunde gegan- gen, ſondern es ſind auch Menſchen durch Hunger und Durſt ge- ſtorben. Das Erdreich dieſer Provinz iſt je nach den Oertlichkei- ten ſehr verſchieden, und ſeine Beſchaffenheit einerſeits, anderer- ſeits der mehr oder minder leichte Transport der Erzeugniſſe be- dingen den zwekmäßigen Anbau des Bodens. Das Zukerrohr ver- langt einen ſattſam mit Sand gemiſchten Thonboden, der ohne überſchwemmt zu ſeyn jedoch feucht ſey. Die Baumwollenſtaude erheiſcht gleichfalls einen feſten, aber trokneren Boden; zu viele Feuchtigkeit vermehrt ihren Blätterwuchs auf Koſten der Früchte. Der Anbau von Nahrungspflanzen, das will ſagen, von Manioc, Bohnen, Mais und dem eßbaren Eibiſch (Giraumons) erheiſcht ein lokeres und fruchtbares Erdreich, nebſt hinreichendem doch nicht übermäßigem Regen, denn das Uebermaaß von dieſem hin- dert das Wachsthum der Pflanzen oder tödtet ſie auch vollends, während das Gegentheil hievon, die anhaltende Trokniß, noch viel ſchädlicher wirkt. Man ſieht hieraus, daß der Landbauer nicht unbedingt Meiſter iſt, für die Wahl der ihm am beſten zuſpre- chenden Kultur; er muß dabei auf die Natur ſeines Bodens und auf die Transportmittel Rükſicht nehmen. Unſtreitig könnte der Bo- den verbeſſert werden, durch tiefes Pflügen ſowol als durch zwek- mäßige Miſchungen des Erdreichs; aber welch unerſchwingliche Koſten würde dis verurſachen, hier, wo der Arbeitslohn ſo theuer iſt. Dazu kommt, daß für erfolgreiche Bemühungen dieſer Art Einſichten erheiſcht würden, die den Landbauern hier zu Lande noch völlig mangeln. Das Grundeigenthum iſt in dieſer Pro- vinz meiſt ſehr ausgedehnt; es gibt ſolches das über eine Ge- viertmeile, auch drei und vier Geviertmeilen und noch mehr be- trägt, zumal im Innern des Landes und in den der Viehzucht gewidmeten Kantonen. Der Landbeſiz mag nur auf zwei Arten erworben werden, entweder durch Ankauf von Eigenthümern oder durch Konzeſſion der Regierung. Es gibt annoch Land, das auf leztere Weiſe überlaſſen werden kan; aber in ſo großer Ferne für jeden Abſaz und in ſolchen Oertlichkeiten, die jeden Liebhaber ab- ſchreken müſſen; übrigens wird dieſe Art von Eigenthumserwerb, wenn ſie gleich die vortheilhafteſte zu ſeyn ſcheint, zuweilen um- gekehrt die läſtigſte; denn außer den unvermeidlichen Gebühren und Koſten für den Erwerbstitel, iſt gewöhnlich auch der Fall, daß bereits ſchon viele armſelige Menſchen ſich da angeſiedelt hat- ten, die man entweder dulden oder vertreiben muß, was nie ohne Schwierigkeit geſchieht, und zuweilen mit Lebensgefahr verbunden iſt. Da jener ausgedehnte Grundbeſiz für den Anbau des Landes die Kräfte und Mittel des Eigenthümers weit überſteigt, ſo iſt es Sitte geworden, davon theilweiſe Pachtungen an Perſonen zu machen, die unter dem Namen Moradores bekannt ſind, eine jährliche mäßige Abgabe zahlen, und theils Baumwolle, theils Nahrungsgewächſe pflanzen. Auch auf den Zukerpflanzungen, de- ren Erdreich gewöhnlich zur Baumwollenpflanzung untauglich iſt. gibt es ebenfalls Moradores, welche nur Nahrungsgewächſe pflan- zen. Ueberdis finden ſich hier noch die ſogenannten Lavradores, Leute, die etwas Vermögen haben, und etliche Sklaven beſizen, denen der Eigenthümer hinreichend Land überläßt, um ſo viel Zukerrohr als ſie vermögen, nebſt den nöthigen Nahrungsgewäch- ſen zu pflanzen, und nebenbei noch anderes Weidland für das nö- thige Vieh, Ochſen und Pferde. Die Lavradores zahlen keinen Geldzins für das ihnen überlaſſene Land; ſie ſind gehalten ſo viel Zukerrohr zu pflanzen, als ihre Mittel geſtatten; zur Zeit, wo die Mühle in Thätigkeit geſezt wird, müſſen ſie auf den erſten Ruf ihre Rohre abſchneiden, und auf eigene Koſten einbringen, und wenn der Eigenthümer ihrer Ochſen und Wagen für eige- nen Gebrauch jeglicher Art bedarf, ſo müſſen ſie ihm ſolche ſamt den Fuhren unentgeldlich überlaſſen; dafür gebührt ihnen die Hälfte des Zukerertrags der von ihnen angebanten Rohre. Inzwi- ſchen ſind dieſe beiden Benuzungsarten desjenigen Landes, das man nicht ſelbſt anpflanzen kan, im Grunde dem Eigenthümer eher nachtheilig als nüzlich. Ihm ſteht frei die Moradores und ſelbſt auch die Lavradores jederzeit zu entlaſſen, wofern er ihnen ihre Erndten einzuſammeln geſtattet; er kan dabei völlig nach Laune handeln, und daraus folgt, daß jene, ohne Sicherheit die Früchte ihrer Arbeit zu genießen, auch keinen Antrieb haben, ihr Land in gutem Stand zu erhalten, daſſelbe zu beſſern, oder die Wal- dungen zu ſchonen, die darauf ſtehen, und daß hingegen nach Verfluß weniger Jahre das Land in einen ſolchen erſchöpften und vernachläſſigten Zuſtand geräth, den die Zinſe und Leiſtungen der Pächter lange nicht zu erſezen vermögen. Dem Handelsverkehr liefert dieſe Provinz für die Ausfuhr einzig nur Zuker, Baum- wolle und Häute; die Landwirthſchaft beſchränkt ſich darum auch auf dieſe Kulturarten, denen ſich die für den Landbedarf nöthigen eßbaren Pflanzen anreihen. Auch werde ich von der Viehzucht handeln, welche von der europäiſchen völlig verſchieden hier betrie- ben wird. Zur Löſung der Anfangs aufgeſtellten Frage wird hin- reichend ſeyn zu unterſuchen, ob beim gegenwärtigen Stande der Dinge der reine landwirthſchaftliche Ertrag den Landbauer für ſeine Arbeit und Vorſchüſſe zu entſchädigen vermag? Ich werde mich hiebei einzig an die Erfahrung halten, und wenn ich für Ausmittelung des reinen Ertrages die gegenwärtigen Waaren- preiſe zum Grunde lege, ſo geſchieht dis, weil leider was in

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 1, 1. Januar 1830, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine01_1830/5>, abgerufen am 24.11.2024.