Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891.Mittags. -- Und Zarathustra lief und lief und fand Nie¬ Diess that Zarathustra; und sobald er auf dem Mittags. — Und Zarathustra lief und lief und fand Nie¬ Diess that Zarathustra; und sobald er auf dem <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0067" n="60"/> <div n="1"> <head>Mittags.<lb/></head> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>— Und Zarathustra lief und lief und fand Nie¬<lb/> manden mehr und war allein und fand immer wieder<lb/> sich und genoss und schlürfte seine Einsamkeit und<lb/> dachte an gute Dinge, — stundenlang. Um die Stunde<lb/> des Mittags aber, als die Sonne gerade über Zarathus¬<lb/> tra's Haupte stand, kam er an einem alten krummen<lb/> und knorrichten Baume vorbei, der von der reichen<lb/> Liebe eines Weinstocks rings umarmt und vor sich<lb/> selber verborgen war: von dem hiengen gelbe Trauben<lb/> in Fülle dem Wandernden entgegen. Da gelüstete ihn,<lb/> einen kleinen Durst zu löschen und sich eine Traube<lb/> abzubrechen; als er aber schon den Arm dazu aus¬<lb/> streckte, da gelüstete ihn etwas Anderes noch mehr:<lb/> nämlich sich neben den Baum niederzulegen, um die<lb/> Stunde des vollkommnen Mittags, und zu schlafen.</p><lb/> <p>Diess that Zarathustra; und sobald er auf dem<lb/> Boden lag, in der Stille und Heimlichkeit des bunten<lb/> Grases, hatte er auch schon seinen kleinen Durst ver¬<lb/> gessen und schlief ein. Denn, wie das Sprichwort<lb/> Zarathustra's sagt: Eins ist nothwendiger als das Andre.<lb/> Nur dass seine Augen offen blieben: — sie wurden<lb/> nämlich nicht satt, den Baum und die Liebe des Wein¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [60/0067]
Mittags.
— Und Zarathustra lief und lief und fand Nie¬
manden mehr und war allein und fand immer wieder
sich und genoss und schlürfte seine Einsamkeit und
dachte an gute Dinge, — stundenlang. Um die Stunde
des Mittags aber, als die Sonne gerade über Zarathus¬
tra's Haupte stand, kam er an einem alten krummen
und knorrichten Baume vorbei, der von der reichen
Liebe eines Weinstocks rings umarmt und vor sich
selber verborgen war: von dem hiengen gelbe Trauben
in Fülle dem Wandernden entgegen. Da gelüstete ihn,
einen kleinen Durst zu löschen und sich eine Traube
abzubrechen; als er aber schon den Arm dazu aus¬
streckte, da gelüstete ihn etwas Anderes noch mehr:
nämlich sich neben den Baum niederzulegen, um die
Stunde des vollkommnen Mittags, und zu schlafen.
Diess that Zarathustra; und sobald er auf dem
Boden lag, in der Stille und Heimlichkeit des bunten
Grases, hatte er auch schon seinen kleinen Durst ver¬
gessen und schlief ein. Denn, wie das Sprichwort
Zarathustra's sagt: Eins ist nothwendiger als das Andre.
Nur dass seine Augen offen blieben: — sie wurden
nämlich nicht satt, den Baum und die Liebe des Wein¬
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