Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891."Die guten Sitten? entgegnete unwillig und bitter Lieber, wahrlich, unter Einsiedlern und Ziegenhirten -- ob er sich schon "Adel" heisst. Aber da ist Der Beste und Liebste ist mir heute noch ein Der Bauer ist heute der beste; und Bauern-Art Pöbel-Mischmasch: darin ist Alles in Allem durch¬ Gute Sitten! Alles ist bei uns falsch und faul. Dieser Ekel würgt mich, dass wir Könige selber Wir sind nicht die Ersten -- und müssen es doch „Die guten Sitten? entgegnete unwillig und bitter Lieber, wahrlich, unter Einsiedlern und Ziegenhirten — ob er sich schon „Adel“ heisst. Aber da ist Der Beste und Liebste ist mir heute noch ein Der Bauer ist heute der beste; und Bauern-Art Pöbel-Mischmasch: darin ist Alles in Allem durch¬ Gute Sitten! Alles ist bei uns falsch und faul. Dieser Ekel würgt mich, dass wir Könige selber Wir sind nicht die Ersten — und müssen es doch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0023" n="16"/> <p>„Die guten Sitten? entgegnete unwillig und bitter<lb/> der andre König: wem laufen wir denn aus dem Wege?<lb/> Ist es nicht den „guten Sitten“? Unsrer „guten Gesell¬<lb/> schaft“?</p><lb/> <p>Lieber, wahrlich, unter Einsiedlern und Ziegenhirten<lb/> als mit unserm vergoldeten falschen überschminkten<lb/> Pöbel leben, — ob er sich schon „gute Gesellschaft“<lb/> heisst,</p><lb/> <p>— ob er sich schon „Adel“ heisst. Aber da ist<lb/> Alles falsch und faul, voran das Blut, Dank alten<lb/> schlechten Krankheiten und schlechteren Heil-Künstlern.</p><lb/> <p>Der Beste und Liebste ist mir heute noch ein<lb/> gesunder Bauer, grob, listig, hartnäckig, langhaltig:<lb/> das ist heute die vornehmste Art.</p><lb/> <p>Der Bauer ist heute der beste; und Bauern-Art<lb/> sollte Herr sein! Aber es ist das Reich des Pöbels,<lb/> — ich lasse mir Nichts mehr vormachen. Pöbel aber,<lb/> das heisst: Mischmasch.</p><lb/> <p>Pöbel-Mischmasch: darin ist Alles in Allem durch¬<lb/> einander, Heiliger und Hallunke und Junker und Jude<lb/> und jeglich Vieh aus der Arche Noäh.</p><lb/> <p>Gute Sitten! Alles ist bei uns falsch und faul.<lb/> Niemand weiss mehr zu verehren: <hi rendition="#g">dem</hi> gerade laufen<lb/> wir davon. Es sind süssliche zudringliche Hunde, sie<lb/> vergolden Palmenblätter.</p><lb/> <p>Dieser Ekel würgt mich, dass wir Könige selber<lb/> falsch wurden, überhängt und verkleidet durch alten<lb/> vergilbten Grossväter-Prunk, Schaumünzen für die<lb/> Dümmsten und die Schlauesten und wer heute Alles<lb/> mit der Macht Schacher treibt!</p><lb/> <p>Wir <hi rendition="#g">sind</hi> nicht die Ersten — und müssen es doch<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [16/0023]
„Die guten Sitten? entgegnete unwillig und bitter
der andre König: wem laufen wir denn aus dem Wege?
Ist es nicht den „guten Sitten“? Unsrer „guten Gesell¬
schaft“?
Lieber, wahrlich, unter Einsiedlern und Ziegenhirten
als mit unserm vergoldeten falschen überschminkten
Pöbel leben, — ob er sich schon „gute Gesellschaft“
heisst,
— ob er sich schon „Adel“ heisst. Aber da ist
Alles falsch und faul, voran das Blut, Dank alten
schlechten Krankheiten und schlechteren Heil-Künstlern.
Der Beste und Liebste ist mir heute noch ein
gesunder Bauer, grob, listig, hartnäckig, langhaltig:
das ist heute die vornehmste Art.
Der Bauer ist heute der beste; und Bauern-Art
sollte Herr sein! Aber es ist das Reich des Pöbels,
— ich lasse mir Nichts mehr vormachen. Pöbel aber,
das heisst: Mischmasch.
Pöbel-Mischmasch: darin ist Alles in Allem durch¬
einander, Heiliger und Hallunke und Junker und Jude
und jeglich Vieh aus der Arche Noäh.
Gute Sitten! Alles ist bei uns falsch und faul.
Niemand weiss mehr zu verehren: dem gerade laufen
wir davon. Es sind süssliche zudringliche Hunde, sie
vergolden Palmenblätter.
Dieser Ekel würgt mich, dass wir Könige selber
falsch wurden, überhängt und verkleidet durch alten
vergilbten Grossväter-Prunk, Schaumünzen für die
Dümmsten und die Schlauesten und wer heute Alles
mit der Macht Schacher treibt!
Wir sind nicht die Ersten — und müssen es doch
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Zitationshilfe: | Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891/23>, abgerufen am 16.02.2025. |