Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.In Mumien verliebt die Einen, die Andern in Ge¬ Und dort will ich nicht wohnen und weilen, wo Widriger aber sind mir noch alle Speichellecker; Unselig heisse ich Alle, die nur Eine Wahl haben: Unselig heisse ich auch Die, welche immer warten Wahrlich, ich lernte das Warten auch und von Das ist aber meine Lehre: wer einst fliegen lernen Mit Strickleitern lernte ich manches Fenster er¬ In Mumien verliebt die Einen, die Andern in Ge¬ Und dort will ich nicht wohnen und weilen, wo Widriger aber sind mir noch alle Speichellecker; Unselig heisse ich Alle, die nur Eine Wahl haben: Unselig heisse ich auch Die, welche immer warten Wahrlich, ich lernte das Warten auch und von Das ist aber meine Lehre: wer einst fliegen lernen Mit Strickleitern lernte ich manches Fenster er¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0073" n="63"/> <p>In Mumien verliebt die Einen, die Andern in Ge¬<lb/> spenster; und Beide gleich feind allem Fleisch und<lb/> Blute — oh wie gehen Beide mir wider den Geschmack!<lb/> Denn ich liebe Blut.</p><lb/> <p>Und dort will ich nicht wohnen und weilen, wo<lb/> Jedermann spuckt und speit: das ist nun <hi rendition="#g">mein</hi> Ge¬<lb/> schmack, — lieber noch lebte ich unter Dieben und<lb/> Meineidigen. Niemand trägt Gold im Munde.</p><lb/> <p>Widriger aber sind mir noch alle Speichellecker;<lb/> und das widrigste Thier von Mensch, das ich fand,<lb/> das taufte ich Schmarotzer: das wollte nicht lieben<lb/> und doch von Liebe leben.</p><lb/> <p>Unselig heisse ich Alle, die nur Eine Wahl haben:<lb/> böse Thiere zu werden oder böse Thierbändiger: bei<lb/> Solchen würde ich mir keine Hütten bauen.</p><lb/> <p>Unselig heisse ich auch Die, welche immer <hi rendition="#g">warten</hi><lb/> müssen, — die gehen mir wider den Geschmack: alle<lb/> die Zöllner und Krämer und Könige und andren<lb/> Länder- und Ladenhüter.</p><lb/> <p>Wahrlich, ich lernte das Warten auch und von<lb/> Grund aus, — aber nur das Warten auf <hi rendition="#g">mich</hi>. Und<lb/> über Allem lernte ich stehn und gehn und laufen und<lb/> springen und klettern und tanzen.</p><lb/> <p>Das ist aber meine Lehre: wer einst fliegen lernen<lb/> will, der muss erst stehn und gehn und laufen und<lb/> klettern und tanzen lernen: — man erfliegt das Fliegen<lb/> nicht!</p><lb/> <p>Mit Strickleitern lernte ich manches Fenster er¬<lb/> klettern, mit hurtigen Beinen klomm ich auf hohe<lb/> Masten: auf hohen Masten der Erkenntniss sitzen<lb/> dünkte mich keine geringe Seligkeit, —</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [63/0073]
In Mumien verliebt die Einen, die Andern in Ge¬
spenster; und Beide gleich feind allem Fleisch und
Blute — oh wie gehen Beide mir wider den Geschmack!
Denn ich liebe Blut.
Und dort will ich nicht wohnen und weilen, wo
Jedermann spuckt und speit: das ist nun mein Ge¬
schmack, — lieber noch lebte ich unter Dieben und
Meineidigen. Niemand trägt Gold im Munde.
Widriger aber sind mir noch alle Speichellecker;
und das widrigste Thier von Mensch, das ich fand,
das taufte ich Schmarotzer: das wollte nicht lieben
und doch von Liebe leben.
Unselig heisse ich Alle, die nur Eine Wahl haben:
böse Thiere zu werden oder böse Thierbändiger: bei
Solchen würde ich mir keine Hütten bauen.
Unselig heisse ich auch Die, welche immer warten
müssen, — die gehen mir wider den Geschmack: alle
die Zöllner und Krämer und Könige und andren
Länder- und Ladenhüter.
Wahrlich, ich lernte das Warten auch und von
Grund aus, — aber nur das Warten auf mich. Und
über Allem lernte ich stehn und gehn und laufen und
springen und klettern und tanzen.
Das ist aber meine Lehre: wer einst fliegen lernen
will, der muss erst stehn und gehn und laufen und
klettern und tanzen lernen: — man erfliegt das Fliegen
nicht!
Mit Strickleitern lernte ich manches Fenster er¬
klettern, mit hurtigen Beinen klomm ich auf hohe
Masten: auf hohen Masten der Erkenntniss sitzen
dünkte mich keine geringe Seligkeit, —
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |