Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite

Lauschte ihr Ohr wohl sehnsüchtig-lange umsonst
nach mir und meinen Trompeten- und Herolds-Rufen?

-- Ach! Immer sind ihrer nur Wenige, deren
Herz einen langen Muth und Übermuth hat; und
solchen bleibt auch der Geist geduldsam. Der Rest
aber ist feige.

Der Rest: das sind immer die Allermeisten, der
Alltag, der Überfluss, die Viel-zu-Vielen -- diese alle
sind feige! --

Wer meiner Art ist, dem werden auch die Erleb¬
nisse meiner Art über den Weg laufen: also, dass
seine ersten Gesellen Leichname und Possenreisser
sein müssen.

Seine zweiten Gesellen aber -- die werden sich
seine Gläubigen heissen: ein lebendiger Schwarm
viel Liebe, viel Thorheit, viel unbärtige Verehrung.

An diese Gläubigen soll Der nicht sein Herz
binden, wer meiner Art unter Menschen ist; an diese
Lenze und bunte Wiesen soll Der nicht glauben, wer
die flüchtig-feige Menschenart kennt!

Könnten sie anders, so würden sie auch anders
wollen. Halb- und Halbe verderben alles Ganze.
Dass Blätter welk werden, -- was ist da zu klagen!

Lass sie fahren und fallen, oh Zarathustra, und
klage nicht! Lieber noch blase mit raschelnden Winden
unter sie, --

-- blase unter diese Blätter, oh Zarathustra: dass
alles Welke schneller noch von dir davonlaufe! --


Lauschte ihr Ohr wohl sehnsüchtig-lange umsonst
nach mir und meinen Trompeten- und Herolds-Rufen?

— Ach! Immer sind ihrer nur Wenige, deren
Herz einen langen Muth und Übermuth hat; und
solchen bleibt auch der Geist geduldsam. Der Rest
aber ist feige.

Der Rest: das sind immer die Allermeisten, der
Alltag, der Überfluss, die Viel-zu-Vielen — diese alle
sind feige! —

Wer meiner Art ist, dem werden auch die Erleb¬
nisse meiner Art über den Weg laufen: also, dass
seine ersten Gesellen Leichname und Possenreisser
sein müssen.

Seine zweiten Gesellen aber — die werden sich
seine Gläubigen heissen: ein lebendiger Schwarm
viel Liebe, viel Thorheit, viel unbärtige Verehrung.

An diese Gläubigen soll Der nicht sein Herz
binden, wer meiner Art unter Menschen ist; an diese
Lenze und bunte Wiesen soll Der nicht glauben, wer
die flüchtig-feige Menschenart kennt!

Könnten sie anders, so würden sie auch anders
wollen. Halb- und Halbe verderben alles Ganze.
Dass Blätter welk werden, — was ist da zu klagen!

Lass sie fahren und fallen, oh Zarathustra, und
klage nicht! Lieber noch blase mit raschelnden Winden
unter sie, —

— blase unter diese Blätter, oh Zarathustra: dass
alles Welke schneller noch von dir davonlaufe! —


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0052" n="42"/>
Lauschte ihr Ohr wohl sehnsüchtig-lange <hi rendition="#g">umsonst</hi><lb/>
nach mir und meinen Trompeten- und Herolds-Rufen?</p><lb/>
          <p>&#x2014; Ach! Immer sind ihrer nur Wenige, deren<lb/>
Herz einen langen Muth und Übermuth hat; und<lb/>
solchen bleibt auch der Geist geduldsam. Der Rest<lb/>
aber ist <hi rendition="#g">feige</hi>.</p><lb/>
          <p>Der Rest: das sind immer die Allermeisten, der<lb/>
Alltag, der Überfluss, die Viel-zu-Vielen &#x2014; diese alle<lb/>
sind feige! &#x2014;</p><lb/>
          <p>Wer meiner Art ist, dem werden auch die Erleb¬<lb/>
nisse meiner Art über den Weg laufen: also, dass<lb/>
seine ersten Gesellen Leichname und Possenreisser<lb/>
sein müssen.</p><lb/>
          <p>Seine zweiten Gesellen aber &#x2014; die werden sich<lb/>
seine <hi rendition="#g">Gläubigen</hi> heissen: ein lebendiger Schwarm<lb/>
viel Liebe, viel Thorheit, viel unbärtige Verehrung.</p><lb/>
          <p>An diese Gläubigen soll Der nicht sein Herz<lb/>
binden, wer meiner Art unter Menschen ist; an diese<lb/>
Lenze und bunte Wiesen soll Der nicht glauben, wer<lb/>
die flüchtig-feige Menschenart kennt!</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Könnten</hi> sie anders, so würden sie auch anders<lb/><hi rendition="#g">wollen</hi>. Halb- und Halbe verderben alles Ganze.<lb/>
Dass Blätter welk werden, &#x2014; was ist da zu klagen!</p><lb/>
          <p>Lass sie fahren und fallen, oh Zarathustra, und<lb/>
klage nicht! Lieber noch blase mit raschelnden Winden<lb/>
unter sie, &#x2014;</p><lb/>
          <p>&#x2014; blase unter diese Blätter, oh Zarathustra: dass<lb/>
alles <hi rendition="#g">Welke</hi> schneller noch von dir davonlaufe! &#x2014;</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0052] Lauschte ihr Ohr wohl sehnsüchtig-lange umsonst nach mir und meinen Trompeten- und Herolds-Rufen? — Ach! Immer sind ihrer nur Wenige, deren Herz einen langen Muth und Übermuth hat; und solchen bleibt auch der Geist geduldsam. Der Rest aber ist feige. Der Rest: das sind immer die Allermeisten, der Alltag, der Überfluss, die Viel-zu-Vielen — diese alle sind feige! — Wer meiner Art ist, dem werden auch die Erleb¬ nisse meiner Art über den Weg laufen: also, dass seine ersten Gesellen Leichname und Possenreisser sein müssen. Seine zweiten Gesellen aber — die werden sich seine Gläubigen heissen: ein lebendiger Schwarm viel Liebe, viel Thorheit, viel unbärtige Verehrung. An diese Gläubigen soll Der nicht sein Herz binden, wer meiner Art unter Menschen ist; an diese Lenze und bunte Wiesen soll Der nicht glauben, wer die flüchtig-feige Menschenart kennt! Könnten sie anders, so würden sie auch anders wollen. Halb- und Halbe verderben alles Ganze. Dass Blätter welk werden, — was ist da zu klagen! Lass sie fahren und fallen, oh Zarathustra, und klage nicht! Lieber noch blase mit raschelnden Winden unter sie, — — blase unter diese Blätter, oh Zarathustra: dass alles Welke schneller noch von dir davonlaufe! —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/52
Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/52>, abgerufen am 24.11.2024.