Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite

Wer aber mit den Augen zudringlich ist als
Erkennender, wie sollte der von allen Dingen mehr
als ihre vorderen Gründe sehn!

Du aber, oh Zarathustra, wolltest aller Dinge
Grund schaun und Hintergrund: so musst du schon
über dich selber steigen, -- hinan, hinauf, bis du auch
deine Sterne noch unter dir hast!

Ja! Hinab auf mich selber sehn und noch auf
meine Sterne: das erst hiesse mir mein Gipfel, das
blieb mir noch zurück als mein letzter Gipfel! --"

Also sprach Zarathustra im Steigen zu sich, mit
harten Sprüchlein sein Herz tröstend: denn er war
wund am Herzen wie noch niemals zuvor. Und als
er auf die Höhe des Bergrückens kam, siehe, da lag
das andere Meer vor ihm ausgebreitet: und er stand
still und schwieg lange. Die Nacht aber war kalt in
dieser Höhe und klar und hellgestirnt.

Ich erkenne mein Loos, sagte er endlich mit
Trauer. Wohlan! Ich bin bereit. Eben begann meine
letzte Einsamkeit.

Ach, diese schwarze traurige See unter mir! Ach,
diese schwangere nächtliche Verdrossenheit! Ach,
Schicksal und See! Zu euch muss ich nun hinab
steigen!

Vor meinem höchsten Berge stehe ich und vor
meiner längsten Wanderung: darum muss ich erst
tiefer hinab als ich jemals stieg:

-- tiefer hinab in den Schmerz als ich jemals
stieg, bis hinein in seine schwärzeste Fluth! So will es
mein Schicksal: Wohlan! Ich bin bereit.

1 *

Wer aber mit den Augen zudringlich ist als
Erkennender, wie sollte der von allen Dingen mehr
als ihre vorderen Gründe sehn!

Du aber, oh Zarathustra, wolltest aller Dinge
Grund schaun und Hintergrund: so musst du schon
über dich selber steigen, — hinan, hinauf, bis du auch
deine Sterne noch unter dir hast!

Ja! Hinab auf mich selber sehn und noch auf
meine Sterne: das erst hiesse mir mein Gipfel, das
blieb mir noch zurück als mein letzter Gipfel! —“

Also sprach Zarathustra im Steigen zu sich, mit
harten Sprüchlein sein Herz tröstend: denn er war
wund am Herzen wie noch niemals zuvor. Und als
er auf die Höhe des Bergrückens kam, siehe, da lag
das andere Meer vor ihm ausgebreitet: und er stand
still und schwieg lange. Die Nacht aber war kalt in
dieser Höhe und klar und hellgestirnt.

Ich erkenne mein Loos, sagte er endlich mit
Trauer. Wohlan! Ich bin bereit. Eben begann meine
letzte Einsamkeit.

Ach, diese schwarze traurige See unter mir! Ach,
diese schwangere nächtliche Verdrossenheit! Ach,
Schicksal und See! Zu euch muss ich nun hinab
steigen!

Vor meinem höchsten Berge stehe ich und vor
meiner längsten Wanderung: darum muss ich erst
tiefer hinab als ich jemals stieg:

— tiefer hinab in den Schmerz als ich jemals
stieg, bis hinein in seine schwärzeste Fluth! So will es
mein Schicksal: Wohlan! Ich bin bereit.

1 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0013" n="3"/>
        <p>Wer aber mit den Augen zudringlich ist als<lb/>
Erkennender, wie sollte der von allen Dingen mehr<lb/>
als ihre vorderen Gründe sehn!</p><lb/>
        <p>Du aber, oh Zarathustra, wolltest aller Dinge<lb/>
Grund schaun und Hintergrund: so musst du schon<lb/>
über dich selber steigen, &#x2014; hinan, hinauf, bis du auch<lb/>
deine Sterne noch <hi rendition="#g">unter</hi> dir hast!</p><lb/>
        <p>Ja! Hinab auf mich selber sehn und noch auf<lb/>
meine Sterne: das erst hiesse mir mein <hi rendition="#g">Gipfel</hi>, das<lb/>
blieb mir noch zurück als mein <hi rendition="#g">letzter</hi> Gipfel! &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>Also sprach Zarathustra im Steigen zu sich, mit<lb/>
harten Sprüchlein sein Herz tröstend: denn er war<lb/>
wund am Herzen wie noch niemals zuvor. Und als<lb/>
er auf die Höhe des Bergrückens kam, siehe, da lag<lb/>
das andere Meer vor ihm ausgebreitet: und er stand<lb/>
still und schwieg lange. Die Nacht aber war kalt in<lb/>
dieser Höhe und klar und hellgestirnt.</p><lb/>
        <p>Ich erkenne mein Loos, sagte er endlich mit<lb/>
Trauer. Wohlan! Ich bin bereit. Eben begann meine<lb/>
letzte Einsamkeit.</p><lb/>
        <p>Ach, diese schwarze traurige See unter mir! Ach,<lb/>
diese schwangere nächtliche Verdrossenheit! Ach,<lb/>
Schicksal und See! Zu euch muss ich nun <hi rendition="#g">hinab</hi><lb/>
steigen!</p><lb/>
        <p>Vor meinem höchsten Berge stehe ich und vor<lb/>
meiner längsten Wanderung: darum muss ich erst<lb/>
tiefer hinab als ich jemals stieg:</p><lb/>
        <p>&#x2014; tiefer hinab in den Schmerz als ich jemals<lb/>
stieg, bis hinein in seine schwärzeste Fluth! So will es<lb/>
mein Schicksal: Wohlan! Ich bin bereit.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">1 *<lb/></fw>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[3/0013] Wer aber mit den Augen zudringlich ist als Erkennender, wie sollte der von allen Dingen mehr als ihre vorderen Gründe sehn! Du aber, oh Zarathustra, wolltest aller Dinge Grund schaun und Hintergrund: so musst du schon über dich selber steigen, — hinan, hinauf, bis du auch deine Sterne noch unter dir hast! Ja! Hinab auf mich selber sehn und noch auf meine Sterne: das erst hiesse mir mein Gipfel, das blieb mir noch zurück als mein letzter Gipfel! —“ Also sprach Zarathustra im Steigen zu sich, mit harten Sprüchlein sein Herz tröstend: denn er war wund am Herzen wie noch niemals zuvor. Und als er auf die Höhe des Bergrückens kam, siehe, da lag das andere Meer vor ihm ausgebreitet: und er stand still und schwieg lange. Die Nacht aber war kalt in dieser Höhe und klar und hellgestirnt. Ich erkenne mein Loos, sagte er endlich mit Trauer. Wohlan! Ich bin bereit. Eben begann meine letzte Einsamkeit. Ach, diese schwarze traurige See unter mir! Ach, diese schwangere nächtliche Verdrossenheit! Ach, Schicksal und See! Zu euch muss ich nun hinab steigen! Vor meinem höchsten Berge stehe ich und vor meiner längsten Wanderung: darum muss ich erst tiefer hinab als ich jemals stieg: — tiefer hinab in den Schmerz als ich jemals stieg, bis hinein in seine schwärzeste Fluth! So will es mein Schicksal: Wohlan! Ich bin bereit. 1 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/13
Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/13>, abgerufen am 21.11.2024.