Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite
2.

Wenn mein Zorn je Gräber brach, Grenzsteine
rückte und alte Tafeln zerbrochen in steile Tiefen rollte:

Wenn mein Hohn je vermoderte Worte zerblies,
und ich wie ein Besen kam den Kreuzspinnen und
als Fegewind alten verdumpften Grabkammern:

Wenn ich je frohlockend sass, wo alte Götter be¬
graben liegen, weltsegnend, weltliebend neben den
Denkmalen alter Welt -Verleumder: --

-- denn selbst Kirchen und Gottes-Gräber liebe
ich, wenn der Himmel erst reinen Auges durch ihre
zerbrochenen Decken blickt; gern sitze ich gleich
Gras und rothem Mohne auf zerbrochnen Kirchen --
Oh wie sollte ich nicht nach der Ewigkeit brünstig
sein und nach dem hochzeitlichen Ring der Ringe,
-- dem Ring der Wiederkunft?

Nie noch fand ich das Weib, von dem ich Kinder
mochte, es sei denn dieses Weib, das ich liebe: denn
ich liebe dich, oh Ewigkeit!

Denn ich liebe dich, oh Ewigkeit!


3.

Wenn je ein Hauch zu mir kam vom schöpferischen
Hauche und von jener himmlischen Noth, die noch
Zufälle zwingt, Sternen-Reigen zu tanzen:

Wenn ich je mit dem Lachen des schöpferischen
Blitzes lachte, dem der lange Donner der That grollend,
aber gehorsam nachfolgt:

8
2.

Wenn mein Zorn je Gräber brach, Grenzsteine
rückte und alte Tafeln zerbrochen in steile Tiefen rollte:

Wenn mein Hohn je vermoderte Worte zerblies,
und ich wie ein Besen kam den Kreuzspinnen und
als Fegewind alten verdumpften Grabkammern:

Wenn ich je frohlockend sass, wo alte Götter be¬
graben liegen, weltsegnend, weltliebend neben den
Denkmalen alter Welt -Verleumder: —

— denn selbst Kirchen und Gottes-Gräber liebe
ich, wenn der Himmel erst reinen Auges durch ihre
zerbrochenen Decken blickt; gern sitze ich gleich
Gras und rothem Mohne auf zerbrochnen Kirchen —
Oh wie sollte ich nicht nach der Ewigkeit brünstig
sein und nach dem hochzeitlichen Ring der Ringe,
— dem Ring der Wiederkunft?

Nie noch fand ich das Weib, von dem ich Kinder
mochte, es sei denn dieses Weib, das ich liebe: denn
ich liebe dich, oh Ewigkeit!

Denn ich liebe dich, oh Ewigkeit!


3.

Wenn je ein Hauch zu mir kam vom schöpferischen
Hauche und von jener himmlischen Noth, die noch
Zufälle zwingt, Sternen-Reigen zu tanzen:

Wenn ich je mit dem Lachen des schöpferischen
Blitzes lachte, dem der lange Donner der That grollend,
aber gehorsam nachfolgt:

8
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0123" n="113"/>
        <div n="2">
          <head>2.<lb/></head>
          <p>Wenn mein Zorn je Gräber brach, Grenzsteine<lb/>
rückte und alte Tafeln zerbrochen in steile Tiefen rollte:</p><lb/>
          <p>Wenn mein Hohn je vermoderte Worte zerblies,<lb/>
und ich wie ein Besen kam den Kreuzspinnen und<lb/>
als Fegewind alten verdumpften Grabkammern:</p><lb/>
          <p>Wenn ich je frohlockend sass, wo alte Götter be¬<lb/>
graben liegen, weltsegnend, weltliebend neben den<lb/>
Denkmalen alter Welt -Verleumder: &#x2014;</p><lb/>
          <p>&#x2014; denn selbst Kirchen und Gottes-Gräber liebe<lb/>
ich, wenn der Himmel erst reinen Auges durch ihre<lb/>
zerbrochenen Decken blickt; gern sitze ich gleich<lb/>
Gras und rothem Mohne auf zerbrochnen Kirchen &#x2014;<lb/>
Oh wie sollte ich nicht nach der Ewigkeit brünstig<lb/>
sein und nach dem hochzeitlichen Ring der Ringe,<lb/>
&#x2014; dem Ring der Wiederkunft?</p><lb/>
          <p>Nie noch fand ich das Weib, von dem ich Kinder<lb/>
mochte, es sei denn dieses Weib, das ich liebe: denn<lb/>
ich liebe dich, oh Ewigkeit!</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Denn ich liebe dich</hi>, <hi rendition="#g">oh Ewigkeit</hi>!</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>3.<lb/></head>
          <p>Wenn je ein Hauch zu mir kam vom schöpferischen<lb/>
Hauche und von jener himmlischen Noth, die noch<lb/>
Zufälle zwingt, Sternen-Reigen zu tanzen:</p><lb/>
          <p>Wenn ich je mit dem Lachen des schöpferischen<lb/>
Blitzes lachte, dem der lange Donner der That grollend,<lb/>
aber gehorsam nachfolgt:<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">8<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0123] 2. Wenn mein Zorn je Gräber brach, Grenzsteine rückte und alte Tafeln zerbrochen in steile Tiefen rollte: Wenn mein Hohn je vermoderte Worte zerblies, und ich wie ein Besen kam den Kreuzspinnen und als Fegewind alten verdumpften Grabkammern: Wenn ich je frohlockend sass, wo alte Götter be¬ graben liegen, weltsegnend, weltliebend neben den Denkmalen alter Welt -Verleumder: — — denn selbst Kirchen und Gottes-Gräber liebe ich, wenn der Himmel erst reinen Auges durch ihre zerbrochenen Decken blickt; gern sitze ich gleich Gras und rothem Mohne auf zerbrochnen Kirchen — Oh wie sollte ich nicht nach der Ewigkeit brünstig sein und nach dem hochzeitlichen Ring der Ringe, — dem Ring der Wiederkunft? Nie noch fand ich das Weib, von dem ich Kinder mochte, es sei denn dieses Weib, das ich liebe: denn ich liebe dich, oh Ewigkeit! Denn ich liebe dich, oh Ewigkeit! 3. Wenn je ein Hauch zu mir kam vom schöpferischen Hauche und von jener himmlischen Noth, die noch Zufälle zwingt, Sternen-Reigen zu tanzen: Wenn ich je mit dem Lachen des schöpferischen Blitzes lachte, dem der lange Donner der That grollend, aber gehorsam nachfolgt: 8

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/123
Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/123>, abgerufen am 18.12.2024.