Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883.nur seinen Fuss dem Gesindel in den Rachen setzen Und nicht das ist der Bissen, an dem ich am Sondern ich fragte einst und erstickte fast an meiner Sind vergiftete Brunnen nöthig und stinkende Nicht mein Hass, sondern mein Ekel frass mir Und den Herrschenden wandt' ich den Rücken, Unter Völkern wohnte ich fremder Zunge, mit Und die Nase mir haltend, gieng ich unmuthig Einem Krüppel gleich, der taub und blind und Mühsam stieg mein Geist Treppen, und vorsichtig; nur seinen Fuss dem Gesindel in den Rachen setzen Und nicht das ist der Bissen, an dem ich am Sondern ich fragte einst und erstickte fast an meiner Sind vergiftete Brunnen nöthig und stinkende Nicht mein Hass, sondern mein Ekel frass mir Und den Herrschenden wandt' ich den Rücken, Unter Völkern wohnte ich fremder Zunge, mit Und die Nase mir haltend, gieng ich unmuthig Einem Krüppel gleich, der taub und blind und Mühsam stieg mein Geist Treppen, und vorsichtig; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0033" n="23"/> nur seinen Fuss dem Gesindel in den Rachen setzen<lb/> und also seinen Schlund stopfen.</p><lb/> <p>Und nicht das ist der Bissen, an dem ich am<lb/> meisten würgte, zu wissen, dass das Leben selber<lb/> Feindschaft nöthig hat und Sterben und Marter¬<lb/> kreuze: —</p><lb/> <p>Sondern ich fragte einst und erstickte fast an meiner<lb/> Frage: wie? hat das Leben auch das Gesindel <hi rendition="#g">nöthig</hi>?</p><lb/> <p>Sind vergiftete Brunnen nöthig und stinkende<lb/> Feuer und beschmutzte Träume und Maden im Lebens¬<lb/> brode?</p><lb/> <p>Nicht mein Hass, sondern mein Ekel frass mir<lb/> hungrig am Leben! Ach, des Geistes wurde ich oft<lb/> müde, als ich auch das Gesindel geistreich fand!</p><lb/> <p>Und den Herrschenden wandt' ich den Rücken,<lb/> als ich sah, was sie jetzt Herrschen nennen: schachern<lb/> und markten um Macht — mit dem Gesindel!</p><lb/> <p>Unter Völkern wohnte ich fremder Zunge, mit<lb/> verschlossenen Ohren: dass mir ihres Schacherns<lb/> Zunge fremd bliebe und ihr Markten um Macht.</p><lb/> <p>Und die Nase mir haltend, gieng ich unmuthig<lb/> durch alles Gestern und Heute: wahrlich, übel riecht<lb/> alles Gestern und Heute nach dem schreibenden Ge¬<lb/> sindel!</p><lb/> <p>Einem Krüppel gleich, der taub und blind und<lb/> stumm wurde: also lebte ich lange, dass ich nicht<lb/> mit Macht- und Schreib- und Lust-Gesindel lebte.</p><lb/> <p>Mühsam stieg mein Geist Treppen, und vorsichtig;<lb/> Almosen der Lust waren sein Labsal; am Stabe schlich<lb/> dem Blinden das Leben.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [23/0033]
nur seinen Fuss dem Gesindel in den Rachen setzen
und also seinen Schlund stopfen.
Und nicht das ist der Bissen, an dem ich am
meisten würgte, zu wissen, dass das Leben selber
Feindschaft nöthig hat und Sterben und Marter¬
kreuze: —
Sondern ich fragte einst und erstickte fast an meiner
Frage: wie? hat das Leben auch das Gesindel nöthig?
Sind vergiftete Brunnen nöthig und stinkende
Feuer und beschmutzte Träume und Maden im Lebens¬
brode?
Nicht mein Hass, sondern mein Ekel frass mir
hungrig am Leben! Ach, des Geistes wurde ich oft
müde, als ich auch das Gesindel geistreich fand!
Und den Herrschenden wandt' ich den Rücken,
als ich sah, was sie jetzt Herrschen nennen: schachern
und markten um Macht — mit dem Gesindel!
Unter Völkern wohnte ich fremder Zunge, mit
verschlossenen Ohren: dass mir ihres Schacherns
Zunge fremd bliebe und ihr Markten um Macht.
Und die Nase mir haltend, gieng ich unmuthig
durch alles Gestern und Heute: wahrlich, übel riecht
alles Gestern und Heute nach dem schreibenden Ge¬
sindel!
Einem Krüppel gleich, der taub und blind und
stumm wurde: also lebte ich lange, dass ich nicht
mit Macht- und Schreib- und Lust-Gesindel lebte.
Mühsam stieg mein Geist Treppen, und vorsichtig;
Almosen der Lust waren sein Labsal; am Stabe schlich
dem Blinden das Leben.
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