Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883.Von der schenkenden Tugend. 1. Als Zarathustra von der Stadt Abschied genommen Sagt mir doch: wie kam Gold zum höchsten Nur als Abbild der höchsten Tugend kam Gold Von der schenkenden Tugend. 1. Als Zarathustra von der Stadt Abschied genommen Sagt mir doch: wie kam Gold zum höchsten Nur als Abbild der höchsten Tugend kam Gold <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0112" n="106"/> <div n="2"> <head>Von der schenkenden Tugend.<lb/></head> <div n="3"> <head>1.<lb/></head> <p>Als Zarathustra von der Stadt Abschied genommen<lb/> hatte, welcher sein Herz zugethan war und deren<lb/> Name lautet: „die bunte Kuh“ — folgten ihm Viele,<lb/> die sich seine Jünger nannten und gaben ihm das<lb/> Geleit. Also kamen sie an einen Kreuzweg: da sagte<lb/> ihnen Zarathustra, dass er nunmehr allein gehen wolle;<lb/> denn er war ein Freund des Alleingehens. Seine<lb/> Jünger aber reichten ihm zum Abschiede einen Stab,<lb/> an dessen goldnem Griffe sich eine Schlange um die<lb/> Sonne ringelte. Zarathustra freute sich des Stabes<lb/> und stützte sich darauf; dann sprach er also zu seinen<lb/> Jüngern.</p><lb/> <p>Sagt mir doch: wie kam Gold zum höchsten<lb/> Werthe? Darum, dass es ungemein ist und unnützlich<lb/> und leuchtend und mild im Glanze; es schenkt sich<lb/> immer.</p><lb/> <p>Nur als Abbild der höchsten Tugend kam Gold<lb/> zum höchsten Werthe. Goldgleich leuchtet der Blick<lb/> dem Schenkenden. Goldes-Glanz schliesst Friede zwi¬<lb/> schen Mond und Sonne.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [106/0112]
Von der schenkenden Tugend.
1.
Als Zarathustra von der Stadt Abschied genommen
hatte, welcher sein Herz zugethan war und deren
Name lautet: „die bunte Kuh“ — folgten ihm Viele,
die sich seine Jünger nannten und gaben ihm das
Geleit. Also kamen sie an einen Kreuzweg: da sagte
ihnen Zarathustra, dass er nunmehr allein gehen wolle;
denn er war ein Freund des Alleingehens. Seine
Jünger aber reichten ihm zum Abschiede einen Stab,
an dessen goldnem Griffe sich eine Schlange um die
Sonne ringelte. Zarathustra freute sich des Stabes
und stützte sich darauf; dann sprach er also zu seinen
Jüngern.
Sagt mir doch: wie kam Gold zum höchsten
Werthe? Darum, dass es ungemein ist und unnützlich
und leuchtend und mild im Glanze; es schenkt sich
immer.
Nur als Abbild der höchsten Tugend kam Gold
zum höchsten Werthe. Goldgleich leuchtet der Blick
dem Schenkenden. Goldes-Glanz schliesst Friede zwi¬
schen Mond und Sonne.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra01_1883 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra01_1883/112 |
Zitationshilfe: | Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra01_1883/112>, abgerufen am 22.02.2025. |