Zeit, als Ihre herrliche Festschrift über Beethoven entstand, das heisst in den Schrecken und Erhaben¬ heiten des eben ausgebrochnen Krieges mich zu die¬ sen Gedanken sammelte. Doch würden diejenigen irren, welche etwa bei dieser Sammlung an den Ge¬ gensatz von patriotischer Erregung und ästhetischer Schwelgerei, von tapferem Ernst und heiterem Spiel denken sollten: denen möchte vielmehr, bei einem wirklichen Lesen dieser Schrift, zu ihrem Erstaunen deutlich werden, mit welchem ernsthaft deutschen Problem wir zu thun haben, das von uns recht eigentlich in die Mitte deutscher Hoffnungen, als einen "Wirbel ihres Seins", hingestellt wird. Viel¬ leicht aber wird es für eben dieselben überhaupt an¬ stössig sein, ein ästhetisches Problem so ernst zu nehmen, falls sie nämlich in der Kunst nicht mehr als ein lustiges Nebenbei, als ein auch wohl zu missendes Schellengeklingel zum "Ernst des Daseins" zu erkennen im Stande sind: als ob Niemand wüsste, was es bei dieser Gegenüberstellung mit einem sol¬ chen "Ernste des Daseins" auf sich habe. Diesen Ernsthaften diene zur Belehrung, dass ich von der Kunst als der höchsten Aufgabe und der eigentlich metaphysischen Thätigkeit dieses Lebens im Sinne des Mannes überzeugt bin, dem ich hier, als meinem erhabenen Vorkämpfer auf dieser Bahn, diese Schrift gewidmet haben will.
Zeit, als Ihre herrliche Festschrift über Beethoven entstand, das heisst in den Schrecken und Erhaben¬ heiten des eben ausgebrochnen Krieges mich zu die¬ sen Gedanken sammelte. Doch würden diejenigen irren, welche etwa bei dieser Sammlung an den Ge¬ gensatz von patriotischer Erregung und ästhetischer Schwelgerei, von tapferem Ernst und heiterem Spiel denken sollten: denen möchte vielmehr, bei einem wirklichen Lesen dieser Schrift, zu ihrem Erstaunen deutlich werden, mit welchem ernsthaft deutschen Problem wir zu thun haben, das von uns recht eigentlich in die Mitte deutscher Hoffnungen, als einen »Wirbel ihres Seins«, hingestellt wird. Viel¬ leicht aber wird es für eben dieselben überhaupt an¬ stössig sein, ein ästhetisches Problem so ernst zu nehmen, falls sie nämlich in der Kunst nicht mehr als ein lustiges Nebenbei, als ein auch wohl zu missendes Schellengeklingel zum »Ernst des Daseins« zu erkennen im Stande sind: als ob Niemand wüsste, was es bei dieser Gegenüberstellung mit einem sol¬ chen »Ernste des Daseins« auf sich habe. Diesen Ernsthaften diene zur Belehrung, dass ich von der Kunst als der höchsten Aufgabe und der eigentlich metaphysischen Thätigkeit dieses Lebens im Sinne des Mannes überzeugt bin, dem ich hier, als meinem erhabenen Vorkämpfer auf dieser Bahn, diese Schrift gewidmet haben will.
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[IV/0013]
Zeit, als Ihre herrliche Festschrift über Beethoven
entstand, das heisst in den Schrecken und Erhaben¬
heiten des eben ausgebrochnen Krieges mich zu die¬
sen Gedanken sammelte. Doch würden diejenigen
irren, welche etwa bei dieser Sammlung an den Ge¬
gensatz von patriotischer Erregung und ästhetischer
Schwelgerei, von tapferem Ernst und heiterem Spiel
denken sollten: denen möchte vielmehr, bei einem
wirklichen Lesen dieser Schrift, zu ihrem Erstaunen
deutlich werden, mit welchem ernsthaft deutschen
Problem wir zu thun haben, das von uns recht
eigentlich in die Mitte deutscher Hoffnungen, als
einen »Wirbel ihres Seins«, hingestellt wird. Viel¬
leicht aber wird es für eben dieselben überhaupt an¬
stössig sein, ein ästhetisches Problem so ernst zu
nehmen, falls sie nämlich in der Kunst nicht mehr
als ein lustiges Nebenbei, als ein auch wohl zu
missendes Schellengeklingel zum »Ernst des Daseins«
zu erkennen im Stande sind: als ob Niemand wüsste,
was es bei dieser Gegenüberstellung mit einem sol¬
chen »Ernste des Daseins« auf sich habe. Diesen
Ernsthaften diene zur Belehrung, dass ich von der
Kunst als der höchsten Aufgabe und der eigentlich
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Nietzsche, Friedrich: Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik. Leipzig, 1872, S. IV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_tragoedie_1872/13>, abgerufen am 16.07.2024.
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