Nietzsche, Friedrich: Idyllen aus Messina. In: Internationale Monatsschrift, Bd. 1,5. Chemnitz, 1882, S. 269-275. Gleich Stern und Ewigkeit Lebt er in Höhn jetzt, die das Leben flieht, Mitleidig selbst dem Neid --: Und hoch flog, wer ihn auch nur schweben sieht! O Vogel Albatross! Zur Höhe treibt's mit ew'gem Triebe mich! Ich dachte dein: da floss Mir Thrän' um Thräne -- ja, ich liebe dich! Vogel-Urtheil. Als ich jüngst, mich zu erquicken, Unter dunklen Bäumen sass, Hört' ich ticken, leise ticken, Zierlich, wie nach Takt und Maass. Böse wurd' ich, zog Gesichter, Endlich aber gab ich nach, Bis ich gar, gleich einem Dichter, Selber mit im Tiktak sprach. Wie mir so im Versemachen Silb' um Silb' ihr Hopsa sprang, Musst ich plötzlich lachen, lachen Eine Viertelstunde lang, Du ein Dichter? Du sein Dichter? Stehts mit deinem Kopf so schlecht? -- "Ja, mein Herr! Sie sind ein Dichter!" -- Also sprach der Vogel Specht. Gleich Stern und Ewigkeit Lebt er in Höhn jetzt, die das Leben flieht, Mitleidig selbst dem Neid —: Und hoch flog, wer ihn auch nur schweben sieht! O Vogel Albatross! Zur Höhe treibt’s mit ew’gem Triebe mich! Ich dachte dein: da floss Mir Thrän’ um Thräne — ja, ich liebe dich! Vogel-Urtheil. Als ich jüngst, mich zu erquicken, Unter dunklen Bäumen sass, Hört’ ich ticken, leise ticken, Zierlich, wie nach Takt und Maass. Böse wurd’ ich, zog Gesichter, Endlich aber gab ich nach, Bis ich gar, gleich einem Dichter, Selber mit im Tiktak sprach. Wie mir so im Versemachen Silb’ um Silb’ ihr Hopsa sprang, Musst ich plötzlich lachen, lachen Eine Viertelstunde lang, Du ein Dichter? Du sein Dichter? Stehts mit deinem Kopf so schlecht? — «Ja, mein Herr! Sie sind ein Dichter!» — Also sprach der Vogel Specht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0007" n="25"/> <lg n="3"> <l> Gleich Stern und Ewigkeit<lb/></l> <l> Lebt er in Höhn jetzt, die das Leben flieht,<lb/></l> <l> Mitleidig selbst dem Neid —:<lb/></l> <l> Und hoch flog, wer ihn auch nur schweben sieht!<lb/></l> </lg> <lg n="4"> <l> O Vogel Albatross!<lb/></l> <l> Zur Höhe treibt’s mit ew’gem Triebe mich!<lb/></l> <l> Ich dachte dein: da floss<lb/></l> <l> Mir Thrän’ um Thräne — ja, ich liebe dich!<lb/></l> </lg> </lg> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#g">Vogel-Urtheil.</hi> </head> <lg n="1"> <l> Als ich jüngst, mich zu erquicken,<lb/></l> <l> Unter dunklen Bäumen sass,<lb/></l> <l> Hört’ ich ticken, leise ticken,<lb/></l> <l> Zierlich, wie nach Takt und Maass.<lb/></l> <l> Böse wurd’ ich, zog Gesichter,<lb/></l> <l> Endlich aber gab ich nach,<lb/></l> <l> Bis ich gar, gleich einem Dichter,<lb/></l> <l> Selber mit im Tiktak sprach.<lb/></l> </lg> <lg n="2"> <l> Wie mir so im Versemachen<lb/></l> <l> Silb’ um Silb’ ihr Hopsa sprang,<lb/></l> <l> Musst ich plötzlich lachen, lachen<lb/></l> <l> Eine Viertelstunde lang,<lb/></l> <l> Du ein Dichter? Du sein Dichter?<lb/></l> <l> Stehts mit deinem Kopf so schlecht? —<lb/></l> <l> «Ja, mein Herr! Sie sind ein Dichter!»<lb/></l> <l> — Also sprach der Vogel Specht.<lb/></l> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [25/0007]
Gleich Stern und Ewigkeit
Lebt er in Höhn jetzt, die das Leben flieht,
Mitleidig selbst dem Neid —:
Und hoch flog, wer ihn auch nur schweben sieht!
O Vogel Albatross!
Zur Höhe treibt’s mit ew’gem Triebe mich!
Ich dachte dein: da floss
Mir Thrän’ um Thräne — ja, ich liebe dich!
Vogel-Urtheil. Als ich jüngst, mich zu erquicken,
Unter dunklen Bäumen sass,
Hört’ ich ticken, leise ticken,
Zierlich, wie nach Takt und Maass.
Böse wurd’ ich, zog Gesichter,
Endlich aber gab ich nach,
Bis ich gar, gleich einem Dichter,
Selber mit im Tiktak sprach.
Wie mir so im Versemachen
Silb’ um Silb’ ihr Hopsa sprang,
Musst ich plötzlich lachen, lachen
Eine Viertelstunde lang,
Du ein Dichter? Du sein Dichter?
Stehts mit deinem Kopf so schlecht? —
«Ja, mein Herr! Sie sind ein Dichter!»
— Also sprach der Vogel Specht.
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