irdischem zu beschäftigen, um ihm vorzüglich durch den Unterricht, als das wirksamste Mittel, die Richtung des Blickes nach dem Himmel zur zweiten besseren Na- tur zu erziehen. Aber, wie wäre jene Ansicht zu ver- theidigen?
Wir wollen nicht untersuchen, wiefern die dem Philanthropinismus entgegengesetzte ältere Pädagogik sich dieser Verkehrtheit schuldig gemacht habe; aber ge- stehen müssen wir doch, daß der äußere Zustand der Menschen, der Staaten und der ganzen Cultur, den uns die Geschichte als gleichzeitig mit jener Erziehungs- weise zeigt, zum wenigsten nicht glänzend sey.
Unstreitig hat der Philanthropinismus gegen jene Uebertreibung recht; und es war ein wahres Verdienst, daß er an den Mißbrauch derselben erinnerte, und ge- gen den Abweg, auf den sie geführt hatte, eingreifend warnte. Der Philanthropinismus war es, der zuerst mit vollem Eifer die Forderung geltend machte: daß der Mensch, auch der Erde angehörig, seinen Blick nicht bloß gen Himmel richten könne, und -- wenn er auch nicht gerade seinen Himmel auf Erden finden wolle -- doch auch auf Erden eine vernünftige Ord- nung zu schaffen, und möglichst zu vervollkommnen und zu befestigen habe; daß der Blick, der, bloß gen Him- mel gerichtet, die Erde vergessen wolle, unstatthafte Ueberspannung, wahre Schwärmerei sey, welcher man kräftig entgegen arbeiten müsse; und daß dieß nicht zweckmäßiger geschehen könne, als indem man an die
Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.
irdiſchem zu beſchaͤftigen, um ihm vorzuͤglich durch den Unterricht, als das wirkſamſte Mittel, die Richtung des Blickes nach dem Himmel zur zweiten beſſeren Na- tur zu erziehen. Aber, wie waͤre jene Anſicht zu ver- theidigen?
Wir wollen nicht unterſuchen, wiefern die dem Philanthropinismus entgegengeſetzte aͤltere Paͤdagogik ſich dieſer Verkehrtheit ſchuldig gemacht habe; aber ge- ſtehen muͤſſen wir doch, daß der aͤußere Zuſtand der Menſchen, der Staaten und der ganzen Cultur, den uns die Geſchichte als gleichzeitig mit jener Erziehungs- weiſe zeigt, zum wenigſten nicht glaͤnzend ſey.
Unſtreitig hat der Philanthropinismus gegen jene Uebertreibung recht; und es war ein wahres Verdienſt, daß er an den Mißbrauch derſelben erinnerte, und ge- gen den Abweg, auf den ſie gefuͤhrt hatte, eingreifend warnte. Der Philanthropinismus war es, der zuerſt mit vollem Eifer die Forderung geltend machte: daß der Menſch, auch der Erde angehoͤrig, ſeinen Blick nicht bloß gen Himmel richten koͤnne, und — wenn er auch nicht gerade ſeinen Himmel auf Erden finden wolle — doch auch auf Erden eine vernuͤnftige Ord- nung zu ſchaffen, und moͤglichſt zu vervollkommnen und zu befeſtigen habe; daß der Blick, der, bloß gen Him- mel gerichtet, die Erde vergeſſen wolle, unſtatthafte Ueberſpannung, wahre Schwaͤrmerei ſey, welcher man kraͤftig entgegen arbeiten muͤſſe; und daß dieß nicht zweckmaͤßiger geſchehen koͤnne, als indem man an die
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Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.
irdiſchem zu beſchaͤftigen, um ihm vorzuͤglich durch den
Unterricht, als das wirkſamſte Mittel, die Richtung
des Blickes nach dem Himmel zur zweiten beſſeren Na-
tur zu erziehen. Aber, wie waͤre jene Anſicht zu ver-
theidigen?
Wir wollen nicht unterſuchen, wiefern die dem
Philanthropinismus entgegengeſetzte aͤltere Paͤdagogik
ſich dieſer Verkehrtheit ſchuldig gemacht habe; aber ge-
ſtehen muͤſſen wir doch, daß der aͤußere Zuſtand der
Menſchen, der Staaten und der ganzen Cultur, den
uns die Geſchichte als gleichzeitig mit jener Erziehungs-
weiſe zeigt, zum wenigſten nicht glaͤnzend ſey.
Unſtreitig hat der Philanthropinismus gegen jene
Uebertreibung recht; und es war ein wahres Verdienſt,
daß er an den Mißbrauch derſelben erinnerte, und ge-
gen den Abweg, auf den ſie gefuͤhrt hatte, eingreifend
warnte. Der Philanthropinismus war es, der zuerſt
mit vollem Eifer die Forderung geltend machte: daß
der Menſch, auch der Erde angehoͤrig, ſeinen Blick
nicht bloß gen Himmel richten koͤnne, und — wenn er
auch nicht gerade ſeinen Himmel auf Erden finden
wolle — doch auch auf Erden eine vernuͤnftige Ord-
nung zu ſchaffen, und moͤglichſt zu vervollkommnen und
zu befeſtigen habe; daß der Blick, der, bloß gen Him-
mel gerichtet, die Erde vergeſſen wolle, unſtatthafte
Ueberſpannung, wahre Schwaͤrmerei ſey, welcher man
kraͤftig entgegen arbeiten muͤſſe; und daß dieß nicht
zweckmaͤßiger geſchehen koͤnne, als indem man an die
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Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/99>, abgerufen am 16.02.2025.
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