Humanismus. Ueberfliegen des Stoffes umfassen zu können. 4. Der Erziehungsun- terricht muß darauf berech- net werden, von den Gei- stesthätigkeiten, welche die Natur bei dem Menschen zuerst entwickelt, den mög- lichsten Vortheil zu ziehen, und sie zugleich zu einem vorzüglichen Grade auszu- bilden; weshalb insbeson- dere das Gedächtniß des Lehrlings zu üben und zu benutzen ist, indem die Uebung desselben die Seele stärkt und nährt, und der Mensch nur das Wissen, was er in seinem Gedächt- niß fest hält, sein Eigen- thum nennen kann.
Philanthropinismus. schiefe Vorstellungen ha- ben kann. 4. Der Erziehungsun- terricht muß darauf berech- net werden, der Natur in Entwickelung der Gei- steskräfte an die Hand zu gehen, und vorzüglich die sogenannten höhern See- lenvermögen, die den Hauptvorzug des Menschen ausmachen, möglichst frü- he in dem Kinde zu erwe- cken, um sie zu einer aus- gezeichneten Fertigkeit zu bilden; weshalb insbeson- dre die Urtheilskraft des Lehrlings früh zu üben ist, indem vorzüglich durch deren Uebung die Ver- nunft geweckt wird, und der Mensch nur das, was er im klaren Begriffe hat, sein Eigenthum nennen kann.
Dritter Abſchnitt.
[Spaltenumbruch]
Humaniſmus. Ueberfliegen des Stoffes umfaſſen zu koͤnnen. 4. Der Erziehungsun- terricht muß darauf berech- net werden, von den Gei- ſtesthaͤtigkeiten, welche die Natur bei dem Menſchen zuerſt entwickelt, den moͤg- lichſten Vortheil zu ziehen, und ſie zugleich zu einem vorzuͤglichen Grade auszu- bilden; weshalb insbeſon- dere das Gedaͤchtniß des Lehrlings zu uͤben und zu benutzen iſt, indem die Uebung deſſelben die Seele ſtaͤrkt und naͤhrt, und der Menſch nur das Wiſſen, was er in ſeinem Gedaͤcht- niß feſt haͤlt, ſein Eigen- thum nennen kann.
Philanthropiniſmus. ſchiefe Vorſtellungen ha- ben kann. 4. Der Erziehungsun- terricht muß darauf berech- net werden, der Natur in Entwickelung der Gei- ſteskraͤfte an die Hand zu gehen, und vorzuͤglich die ſogenannten hoͤhern See- lenvermoͤgen, die den Hauptvorzug des Menſchen ausmachen, moͤglichſt fruͤ- he in dem Kinde zu erwe- cken, um ſie zu einer aus- gezeichneten Fertigkeit zu bilden; weshalb insbeſon- dre die Urtheilskraft des Lehrlings fruͤh zu uͤben iſt, indem vorzuͤglich durch deren Uebung die Ver- nunft geweckt wird, und der Menſch nur das, was er im klaren Begriffe hat, ſein Eigenthum nennen kann.
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Dritter Abſchnitt.
Humaniſmus.
Ueberfliegen des Stoffes
umfaſſen zu koͤnnen.
4. Der Erziehungsun-
terricht muß darauf berech-
net werden, von den Gei-
ſtesthaͤtigkeiten, welche die
Natur bei dem Menſchen
zuerſt entwickelt, den moͤg-
lichſten Vortheil zu ziehen,
und ſie zugleich zu einem
vorzuͤglichen Grade auszu-
bilden; weshalb insbeſon-
dere das Gedaͤchtniß
des Lehrlings zu uͤben und
zu benutzen iſt, indem die
Uebung deſſelben die Seele
ſtaͤrkt und naͤhrt, und der
Menſch nur das Wiſſen,
was er in ſeinem Gedaͤcht-
niß feſt haͤlt, ſein Eigen-
thum nennen kann. Philanthropiniſmus.
ſchiefe Vorſtellungen ha-
ben kann.
4. Der Erziehungsun-
terricht muß darauf berech-
net werden, der Natur
in Entwickelung der Gei-
ſteskraͤfte an die Hand zu
gehen, und vorzuͤglich die
ſogenannten hoͤhern See-
lenvermoͤgen, die den
Hauptvorzug des Menſchen
ausmachen, moͤglichſt fruͤ-
he in dem Kinde zu erwe-
cken, um ſie zu einer aus-
gezeichneten Fertigkeit zu
bilden; weshalb insbeſon-
dre die Urtheilskraft
des Lehrlings fruͤh zu uͤben
iſt, indem vorzuͤglich durch
deren Uebung die Ver-
nunft geweckt wird, und
der Menſch nur das, was
er im klaren Begriffe hat,
ſein Eigenthum nennen
kann.
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Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/96>, abgerufen am 21.11.2024.
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