Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.Wissenschaftl. Gesichtspunkt d. Untersuchung. welcher nicht nur auf Verbesserung der Einnahmen undVerminderung der Ausgaben, sondern hauptsächlich auf Purification der Etats gedrungen und jede Forderung, die nicht streng zu dem bestimmten Verwaltungszweig gehört, unerbittlich abgewiesen wird. Soll diese heil- sam strenge Ordnung nur in den Finanzabtheilungen, nicht auch in den Geschäftskreisen eingeführt werden? Dadurch entsteht die größte Verwirrung in dem Unter- richtsgeschäft, daß man ihm alles zuweisen, von ihm alles fordern zu dürfen glaubt, was man durch Unter- richt verbessern zu müssen oder zu können meint. Wie tausendmal und bis zum Ueberdruß und Aerger hört und liest man die Frage wiederholt: "sollte man nicht auf dies und dies auch schon in den Schulen Rück- sicht nehmen?" Fragte man doch dagegen auch nur ein einzigesmal: reicht denn auch der Geschäfts-Etat der Schulen so weit? oder: wie weit reicht er überhaupt? reicht die Ennahme (wenn die Schulzeit gesetzlich nur vom sechsten bis zum zwölften Lebensjahre dauert, und in den Volksschulen also, die noch immer meistens bloß im Winter gehalten werden, nicht mehr als drei Jahre einer frühen, die Geistesentwickelung kaum beginnenden Lebensperiode zählt) auch nur für die nothwendige Aus- gabe (die Vernunft-Erweckung) zu? Sicher würde, wenn man nur daran hätte denken wollen, so manche unbesonnene Zumuthung an den Erziehungsunterricht unterblieben, und so mancher wirkliche Mißgriff in demselben nicht geschehen seyn! Es ist deshalb eine höchst nothwendige Forderung an die Pädagogiker: ihren Etat rein zu erhalten. 5
Wiſſenſchaftl. Geſichtspunkt d. Unterſuchung. welcher nicht nur auf Verbeſſerung der Einnahmen undVerminderung der Ausgaben, ſondern hauptſaͤchlich auf Purification der Etats gedrungen und jede Forderung, die nicht ſtreng zu dem beſtimmten Verwaltungszweig gehoͤrt, unerbittlich abgewieſen wird. Soll dieſe heil- ſam ſtrenge Ordnung nur in den Finanzabtheilungen, nicht auch in den Geſchaͤftskreiſen eingefuͤhrt werden? Dadurch entſteht die groͤßte Verwirrung in dem Unter- richtsgeſchaͤft, daß man ihm alles zuweiſen, von ihm alles fordern zu duͤrfen glaubt, was man durch Unter- richt verbeſſern zu muͤſſen oder zu koͤnnen meint. Wie tauſendmal und bis zum Ueberdruß und Aerger hoͤrt und lieſt man die Frage wiederholt: „ſollte man nicht auf dies und dies auch ſchon in den Schulen Ruͤck- ſicht nehmen?“ Fragte man doch dagegen auch nur ein einzigesmal: reicht denn auch der Geſchaͤfts-Etat der Schulen ſo weit? oder: wie weit reicht er uͤberhaupt? reicht die Ennahme (wenn die Schulzeit geſetzlich nur vom ſechſten bis zum zwoͤlften Lebensjahre dauert, und in den Volksſchulen alſo, die noch immer meiſtens bloß im Winter gehalten werden, nicht mehr als drei Jahre einer fruͤhen, die Geiſtesentwickelung kaum beginnenden Lebensperiode zaͤhlt) auch nur fuͤr die nothwendige Aus- gabe (die Vernunft-Erweckung) zu? Sicher wuͤrde, wenn man nur daran haͤtte denken wollen, ſo manche unbeſonnene Zumuthung an den Erziehungsunterricht unterblieben, und ſo mancher wirkliche Mißgriff in demſelben nicht geſchehen ſeyn! Es iſt deshalb eine hoͤchſt nothwendige Forderung an die Paͤdagogiker: ihren Etat rein zu erhalten. 5
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Wiſſenſchaftl. Geſichtspunkt d. Unterſuchung.
welcher nicht nur auf Verbeſſerung der Einnahmen und
Verminderung der Ausgaben, ſondern hauptſaͤchlich auf
Purification der Etats gedrungen und jede Forderung,
die nicht ſtreng zu dem beſtimmten Verwaltungszweig
gehoͤrt, unerbittlich abgewieſen wird. Soll dieſe heil-
ſam ſtrenge Ordnung nur in den Finanzabtheilungen,
nicht auch in den Geſchaͤftskreiſen eingefuͤhrt werden?
Dadurch entſteht die groͤßte Verwirrung in dem Unter-
richtsgeſchaͤft, daß man ihm alles zuweiſen, von ihm
alles fordern zu duͤrfen glaubt, was man durch Unter-
richt verbeſſern zu muͤſſen oder zu koͤnnen meint. Wie
tauſendmal und bis zum Ueberdruß und Aerger hoͤrt
und lieſt man die Frage wiederholt: „ſollte man nicht
auf dies und dies auch ſchon in den Schulen Ruͤck-
ſicht nehmen?“ Fragte man doch dagegen auch nur ein
einzigesmal: reicht denn auch der Geſchaͤfts-Etat der
Schulen ſo weit? oder: wie weit reicht er uͤberhaupt?
reicht die Ennahme (wenn die Schulzeit geſetzlich nur
vom ſechſten bis zum zwoͤlften Lebensjahre dauert, und
in den Volksſchulen alſo, die noch immer meiſtens bloß
im Winter gehalten werden, nicht mehr als drei Jahre
einer fruͤhen, die Geiſtesentwickelung kaum beginnenden
Lebensperiode zaͤhlt) auch nur fuͤr die nothwendige Aus-
gabe (die Vernunft-Erweckung) zu? Sicher wuͤrde,
wenn man nur daran haͤtte denken wollen, ſo manche
unbeſonnene Zumuthung an den Erziehungsunterricht
unterblieben, und ſo mancher wirkliche Mißgriff in
demſelben nicht geſchehen ſeyn! Es iſt deshalb eine
hoͤchſt nothwendige Forderung an die Paͤdagogiker:
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