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Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.

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Wissenschaftl. Gesichtspunkt d. Untersuchung.
faßt werden. Wir müssen uns eben so den Körper
bestimmt durch die Vernunft denken, wie die Ver-
nunft
bestimmt durch den Körper. Beide erschei-
nen dadurch anders, als die isolirte, oder einseitig ver-
bundne, Betrachtung sie uns zeigt. Der Körper,
bestimmt durch die Vernunft, ist geheiliget zum
Tempel des Geistes Gottes, aber auch zugleich geweiht
zum Werkzeug der Vernunft, und berufen zu dem Dien-
ste des Herrn, zu dessen Plan und Willen, der in der
Vernunft geoffenbart ist und durch die Vernunft er-
kannt wird, thätig mitzuwirken mit aller Kraft und al-
len Miteln, welche ihm gegeben sind. Die Vernunft,
bestimmt durch den Körper, findet eben dadurch ein
bestimmtes Ziel sich vorgezeichnet, und eine bestimmte
Bahn zu diesem Ziele, ihre angewiesene Arbeit, einen
sichern Wirkungskreis, der ihrer unbestimmten Thätig-
keit die feste Richtung giebt.

Können nun die Philanthropinisten nur diese wis-
senschaftliche Forderung nicht verwerfen, so können sie
auch nicht läugnen, daß der Mensch seine Bestimmung
nicht aus dem Körper erkennen und nach dem anima-
len Bedürfniß berechnen könne, daß er sie vielmehr
aus der Vernunft und durch die Vernunft einsehen
müsse, und daß dazu unumgänglich vor allen andern
seine Vernunft geübt und gebildet werden müsse.

So läßt sich nach bloß streng logischer Consequenz
die Einseitigkeit dieses Systems einleuchtend darthun,
und es kann nichts weiter helfen, dagegen sich auf die

Wiſſenſchaftl. Geſichtspunkt d. Unterſuchung.
faßt werden. Wir muͤſſen uns eben ſo den Koͤrper
beſtimmt durch die Vernunft denken, wie die Ver-
nunft
beſtimmt durch den Koͤrper. Beide erſchei-
nen dadurch anders, als die iſolirte, oder einſeitig ver-
bundne, Betrachtung ſie uns zeigt. Der Koͤrper,
beſtimmt durch die Vernunft, iſt geheiliget zum
Tempel des Geiſtes Gottes, aber auch zugleich geweiht
zum Werkzeug der Vernunft, und berufen zu dem Dien-
ſte des Herrn, zu deſſen Plan und Willen, der in der
Vernunft geoffenbart iſt und durch die Vernunft er-
kannt wird, thaͤtig mitzuwirken mit aller Kraft und al-
len Miteln, welche ihm gegeben ſind. Die Vernunft,
beſtimmt durch den Koͤrper, findet eben dadurch ein
beſtimmtes Ziel ſich vorgezeichnet, und eine beſtimmte
Bahn zu dieſem Ziele, ihre angewieſene Arbeit, einen
ſichern Wirkungskreis, der ihrer unbeſtimmten Thaͤtig-
keit die feſte Richtung giebt.

Koͤnnen nun die Philanthropiniſten nur dieſe wiſ-
ſenſchaftliche Forderung nicht verwerfen, ſo koͤnnen ſie
auch nicht laͤugnen, daß der Menſch ſeine Beſtimmung
nicht aus dem Koͤrper erkennen und nach dem anima-
len Beduͤrfniß berechnen koͤnne, daß er ſie vielmehr
aus der Vernunft und durch die Vernunft einſehen
muͤſſe, und daß dazu unumgaͤnglich vor allen andern
ſeine Vernunft geuͤbt und gebildet werden muͤſſe.

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die Einſeitigkeit dieſes Syſtems einleuchtend darthun,
und es kann nichts weiter helfen, dagegen ſich auf die

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[59/0071] Wiſſenſchaftl. Geſichtspunkt d. Unterſuchung. faßt werden. Wir muͤſſen uns eben ſo den Koͤrper beſtimmt durch die Vernunft denken, wie die Ver- nunft beſtimmt durch den Koͤrper. Beide erſchei- nen dadurch anders, als die iſolirte, oder einſeitig ver- bundne, Betrachtung ſie uns zeigt. Der Koͤrper, beſtimmt durch die Vernunft, iſt geheiliget zum Tempel des Geiſtes Gottes, aber auch zugleich geweiht zum Werkzeug der Vernunft, und berufen zu dem Dien- ſte des Herrn, zu deſſen Plan und Willen, der in der Vernunft geoffenbart iſt und durch die Vernunft er- kannt wird, thaͤtig mitzuwirken mit aller Kraft und al- len Miteln, welche ihm gegeben ſind. Die Vernunft, beſtimmt durch den Koͤrper, findet eben dadurch ein beſtimmtes Ziel ſich vorgezeichnet, und eine beſtimmte Bahn zu dieſem Ziele, ihre angewieſene Arbeit, einen ſichern Wirkungskreis, der ihrer unbeſtimmten Thaͤtig- keit die feſte Richtung giebt. Koͤnnen nun die Philanthropiniſten nur dieſe wiſ- ſenſchaftliche Forderung nicht verwerfen, ſo koͤnnen ſie auch nicht laͤugnen, daß der Menſch ſeine Beſtimmung nicht aus dem Koͤrper erkennen und nach dem anima- len Beduͤrfniß berechnen koͤnne, daß er ſie vielmehr aus der Vernunft und durch die Vernunft einſehen muͤſſe, und daß dazu unumgaͤnglich vor allen andern ſeine Vernunft geuͤbt und gebildet werden muͤſſe. So laͤßt ſich nach bloß ſtreng logiſcher Conſequenz die Einſeitigkeit dieſes Syſtems einleuchtend darthun, und es kann nichts weiter helfen, dagegen ſich auf die

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Zitationshilfe: Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/71>, abgerufen am 24.11.2024.