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Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.

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Zweiter Abschnitt.

Auf demselben Abwege nun finden wir unläugbar
auch das Extrem des Erziehungsunterrichts, welches
durch den Humanismus repräsentirt, in seiner hi-
storischen Erscheinung zwar auf mancherlei Weise modifi-
cirt und gemildert, im Ganzen aber auf dieselbe Weise
ausgesprochen wird. Indem der Humanismus fordert:
"daß ausschließend der Geist des Menschen geübt und
gebildet, mit Bildung des Körpers keine Zeit verloren,
auch die Geistesübung selbst ausschließend an geistigen
Gegenständen, an den heiligen Ideen, die allein einen
unvergänglichen ewigen Werth haben, angestellt, auf
materielle Gegenstände der sichtbaren vergänglichen Welt
gar keine Rücksicht dabei genommen werde, u. dgl.;"
macht er sich, zwar nicht der Inconsequenz, aber der
Einseitigkeit, die aus der Halbheit seines Princips her-
vorgeht, unstreitig schuldig; und man darf sich nicht
wundern, wenn ihn in dem Urtheil der verständigen
Weltleute alle die Vorwürfe der Ueberspannung, der
Schwärmerei, des Mangels an Weltkenntniß u. s. w.
treffen, die oben im Allgemeinen als gegründet aufge-
zeigt worden sind.

Damit kann jedoch keinesweges gesagt seyn sollen:
daß der Humanismus nichts Wahres enthalte; am al-
lerwenigsten aber: daß diejenigen recht haben, die, ver-
kennend das Wahre, ewig Ehrwürdige, das der Huma-
nismus in Schutz nimmt, in demselben nur das Ein-
seitige und Ueberspannte erblicken und verspotten, selbst
aber nicht weniger einseitig auf das entgegengesetzte Ex-
trem überspringen und, indem sie den Mängeln von

Zweiter Abſchnitt.

Auf demſelben Abwege nun finden wir unlaͤugbar
auch das Extrem des Erziehungsunterrichts, welches
durch den Humaniſmus repraͤſentirt, in ſeiner hi-
ſtoriſchen Erſcheinung zwar auf mancherlei Weiſe modifi-
cirt und gemildert, im Ganzen aber auf dieſelbe Weiſe
ausgeſprochen wird. Indem der Humaniſmus fordert:
„daß ausſchließend der Geiſt des Menſchen geuͤbt und
gebildet, mit Bildung des Koͤrpers keine Zeit verloren,
auch die Geiſtesuͤbung ſelbſt ausſchließend an geiſtigen
Gegenſtaͤnden, an den heiligen Ideen, die allein einen
unvergaͤnglichen ewigen Werth haben, angeſtellt, auf
materielle Gegenſtaͤnde der ſichtbaren vergaͤnglichen Welt
gar keine Ruͤckſicht dabei genommen werde, u. dgl.;“
macht er ſich, zwar nicht der Inconſequenz, aber der
Einſeitigkeit, die aus der Halbheit ſeines Princips her-
vorgeht, unſtreitig ſchuldig; und man darf ſich nicht
wundern, wenn ihn in dem Urtheil der verſtaͤndigen
Weltleute alle die Vorwuͤrfe der Ueberſpannung, der
Schwaͤrmerei, des Mangels an Weltkenntniß u. ſ. w.
treffen, die oben im Allgemeinen als gegruͤndet aufge-
zeigt worden ſind.

Damit kann jedoch keinesweges geſagt ſeyn ſollen:
daß der Humaniſmus nichts Wahres enthalte; am al-
lerwenigſten aber: daß diejenigen recht haben, die, ver-
kennend das Wahre, ewig Ehrwuͤrdige, das der Huma-
niſmus in Schutz nimmt, in demſelben nur das Ein-
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[44/0056] Zweiter Abſchnitt. Auf demſelben Abwege nun finden wir unlaͤugbar auch das Extrem des Erziehungsunterrichts, welches durch den Humaniſmus repraͤſentirt, in ſeiner hi- ſtoriſchen Erſcheinung zwar auf mancherlei Weiſe modifi- cirt und gemildert, im Ganzen aber auf dieſelbe Weiſe ausgeſprochen wird. Indem der Humaniſmus fordert: „daß ausſchließend der Geiſt des Menſchen geuͤbt und gebildet, mit Bildung des Koͤrpers keine Zeit verloren, auch die Geiſtesuͤbung ſelbſt ausſchließend an geiſtigen Gegenſtaͤnden, an den heiligen Ideen, die allein einen unvergaͤnglichen ewigen Werth haben, angeſtellt, auf materielle Gegenſtaͤnde der ſichtbaren vergaͤnglichen Welt gar keine Ruͤckſicht dabei genommen werde, u. dgl.;“ macht er ſich, zwar nicht der Inconſequenz, aber der Einſeitigkeit, die aus der Halbheit ſeines Princips her- vorgeht, unſtreitig ſchuldig; und man darf ſich nicht wundern, wenn ihn in dem Urtheil der verſtaͤndigen Weltleute alle die Vorwuͤrfe der Ueberſpannung, der Schwaͤrmerei, des Mangels an Weltkenntniß u. ſ. w. treffen, die oben im Allgemeinen als gegruͤndet aufge- zeigt worden ſind. Damit kann jedoch keinesweges geſagt ſeyn ſollen: daß der Humaniſmus nichts Wahres enthalte; am al- lerwenigſten aber: daß diejenigen recht haben, die, ver- kennend das Wahre, ewig Ehrwuͤrdige, das der Huma- niſmus in Schutz nimmt, in demſelben nur das Ein- ſeitige und Ueberſpannte erblicken und verſpotten, ſelbſt aber nicht weniger einſeitig auf das entgegengeſetzte Ex- trem uͤberſpringen und, indem ſie den Maͤngeln von

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Zitationshilfe: Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/56>, abgerufen am 28.11.2024.