züglichkeit, den sie sich zu geben sucht, auch den wah- ren praktischen Bedürfnissen entspreche, ist eine höhere und sehr nothwendige Frage.
Das Folgende hat die Absicht, diese Frage einer wissenschaftlichen Prüfung zu unterwerfen. Hier, in diesem historischen Abschnitte, sey es mir nur noch er- laubt, einige geschichtliche Resultate zu ziehen, und auf einige Zeichen der Zeit hinzudeuten, welche in Bezie- hung auf diesen Gegenstand der Aufmerksamkeit werth seyn dürften.
Erstens für die philanthropinische Lehrart selbst spricht der Erfolg nichts weniger als günstig. Was ist denn aus den Philanthropinen, in denen doch die Lehr- art nach ihrem ganzen Umfang ungehindert wirken kann, Hohes und Vortreffliches hervorgegangen? Haben sie denn auch nur Einen Lehrling aufzuweisen, der selbst im Felde des praktischen Wissens etwas Großes gelei- stet, oder in irgend einem praktischen Geschäft sich vor- züglich ausgezeichnet hätte? Soll denn nun die Schuld von dieser auffallenden Erscheinung gar nicht in der Lehrart selbst, sondern nur in zufälligen Hindernissen, die ihrer vollen Ausübung im Wege standen, gesucht werden? Sollte wirklich ein ganz eignes Unglück des Philanthropinism gewollt haben, daß sich unter so vielen Lehrlingen, die durch seine Schule gelaufen sind, auch nicht Ein vorzüglicher Kopf gefunden hätte? Dies ist so wenig wahrscheinlich, daß man vielmehr, ohne un- gerecht zu seyn, den Schluß ziehen darf: daß die Lehr-
Hiſtoriſcher Geſichtspunkt d. Unterſuchung.
zuͤglichkeit, den ſie ſich zu geben ſucht, auch den wah- ren praktiſchen Beduͤrfniſſen entſpreche, iſt eine hoͤhere und ſehr nothwendige Frage.
Das Folgende hat die Abſicht, dieſe Frage einer wiſſenſchaftlichen Pruͤfung zu unterwerfen. Hier, in dieſem hiſtoriſchen Abſchnitte, ſey es mir nur noch er- laubt, einige geſchichtliche Reſultate zu ziehen, und auf einige Zeichen der Zeit hinzudeuten, welche in Bezie- hung auf dieſen Gegenſtand der Aufmerkſamkeit werth ſeyn duͤrften.
Erſtens fuͤr die philanthropiniſche Lehrart ſelbſt ſpricht der Erfolg nichts weniger als guͤnſtig. Was iſt denn aus den Philanthropinen, in denen doch die Lehr- art nach ihrem ganzen Umfang ungehindert wirken kann, Hohes und Vortreffliches hervorgegangen? Haben ſie denn auch nur Einen Lehrling aufzuweiſen, der ſelbſt im Felde des praktiſchen Wiſſens etwas Großes gelei- ſtet, oder in irgend einem praktiſchen Geſchaͤft ſich vor- zuͤglich ausgezeichnet haͤtte? Soll denn nun die Schuld von dieſer auffallenden Erſcheinung gar nicht in der Lehrart ſelbſt, ſondern nur in zufaͤlligen Hinderniſſen, die ihrer vollen Ausuͤbung im Wege ſtanden, geſucht werden? Sollte wirklich ein ganz eignes Ungluͤck des Philanthropiniſm gewollt haben, daß ſich unter ſo vielen Lehrlingen, die durch ſeine Schule gelaufen ſind, auch nicht Ein vorzuͤglicher Kopf gefunden haͤtte? Dies iſt ſo wenig wahrſcheinlich, daß man vielmehr, ohne un- gerecht zu ſeyn, den Schluß ziehen darf: daß die Lehr-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0041"n="29"/><fwplace="top"type="header">Hiſtoriſcher Geſichtspunkt d. Unterſuchung.</fw><lb/>
zuͤglichkeit, den ſie ſich zu geben ſucht, auch den wah-<lb/>
ren praktiſchen Beduͤrfniſſen entſpreche, iſt eine hoͤhere<lb/>
und ſehr nothwendige Frage.</p><lb/><p>Das Folgende hat die Abſicht, dieſe Frage einer<lb/>
wiſſenſchaftlichen Pruͤfung zu unterwerfen. Hier, in<lb/>
dieſem hiſtoriſchen Abſchnitte, ſey es mir nur noch er-<lb/>
laubt, einige geſchichtliche Reſultate zu ziehen, und auf<lb/>
einige Zeichen der Zeit hinzudeuten, welche in Bezie-<lb/>
hung auf dieſen Gegenſtand der Aufmerkſamkeit werth<lb/>ſeyn duͤrften.</p><lb/><p>Erſtens fuͤr die philanthropiniſche Lehrart ſelbſt<lb/>ſpricht der Erfolg nichts weniger als guͤnſtig. Was iſt<lb/>
denn aus den Philanthropinen, in denen doch die Lehr-<lb/>
art nach ihrem ganzen Umfang ungehindert wirken kann,<lb/>
Hohes und Vortreffliches hervorgegangen? Haben ſie<lb/>
denn auch nur Einen Lehrling aufzuweiſen, der ſelbſt<lb/>
im Felde des praktiſchen Wiſſens etwas Großes gelei-<lb/>ſtet, oder in irgend einem praktiſchen Geſchaͤft ſich vor-<lb/>
zuͤglich ausgezeichnet haͤtte? Soll denn nun die Schuld<lb/>
von dieſer auffallenden Erſcheinung gar nicht in der<lb/>
Lehrart ſelbſt, ſondern nur in zufaͤlligen Hinderniſſen,<lb/>
die ihrer vollen Ausuͤbung im Wege ſtanden, geſucht<lb/>
werden? Sollte wirklich ein ganz eignes Ungluͤck des<lb/>
Philanthropiniſm gewollt haben, daß ſich unter ſo vielen<lb/>
Lehrlingen, die durch ſeine Schule gelaufen ſind, auch<lb/>
nicht Ein vorzuͤglicher Kopf gefunden haͤtte? Dies iſt<lb/>ſo wenig wahrſcheinlich, daß man vielmehr, ohne un-<lb/>
gerecht zu ſeyn, den Schluß ziehen darf: daß die Lehr-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[29/0041]
Hiſtoriſcher Geſichtspunkt d. Unterſuchung.
zuͤglichkeit, den ſie ſich zu geben ſucht, auch den wah-
ren praktiſchen Beduͤrfniſſen entſpreche, iſt eine hoͤhere
und ſehr nothwendige Frage.
Das Folgende hat die Abſicht, dieſe Frage einer
wiſſenſchaftlichen Pruͤfung zu unterwerfen. Hier, in
dieſem hiſtoriſchen Abſchnitte, ſey es mir nur noch er-
laubt, einige geſchichtliche Reſultate zu ziehen, und auf
einige Zeichen der Zeit hinzudeuten, welche in Bezie-
hung auf dieſen Gegenſtand der Aufmerkſamkeit werth
ſeyn duͤrften.
Erſtens fuͤr die philanthropiniſche Lehrart ſelbſt
ſpricht der Erfolg nichts weniger als guͤnſtig. Was iſt
denn aus den Philanthropinen, in denen doch die Lehr-
art nach ihrem ganzen Umfang ungehindert wirken kann,
Hohes und Vortreffliches hervorgegangen? Haben ſie
denn auch nur Einen Lehrling aufzuweiſen, der ſelbſt
im Felde des praktiſchen Wiſſens etwas Großes gelei-
ſtet, oder in irgend einem praktiſchen Geſchaͤft ſich vor-
zuͤglich ausgezeichnet haͤtte? Soll denn nun die Schuld
von dieſer auffallenden Erſcheinung gar nicht in der
Lehrart ſelbſt, ſondern nur in zufaͤlligen Hinderniſſen,
die ihrer vollen Ausuͤbung im Wege ſtanden, geſucht
werden? Sollte wirklich ein ganz eignes Ungluͤck des
Philanthropiniſm gewollt haben, daß ſich unter ſo vielen
Lehrlingen, die durch ſeine Schule gelaufen ſind, auch
nicht Ein vorzuͤglicher Kopf gefunden haͤtte? Dies iſt
ſo wenig wahrſcheinlich, daß man vielmehr, ohne un-
gerecht zu ſeyn, den Schluß ziehen darf: daß die Lehr-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/41>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.