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Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.

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Anwendung der allgemeinen Grundsätze etc.
aufmerksam machen, die schon in den häuslichen Ver-
hältnissen selbst ausgesprochen sind. Sind nicht die
Frauen die ersten Erzieherinnen und Bildnerinnen der
Kinder? Ist ihnen nicht das wichtige Geschäft anver-
traut, die Keime des Edeln und Hohen in den jun-
gen Herzen der Söhne wie der Töchter zu pflanzen
und zu pflegen? Einen solchen Beruf will man gemein
nennen? das soll des freien Weibes unwürdig seyn?
Worinn könnte doch der Frauen Talent und Geist sich
glänzender zeigen, als in der Bildung ihrer Kinder?
Sodann, wie viel kann nicht das Weib dem Manne
seyn? Erholung nicht nur und Erheiterung von seiner
Arbeit, sondern auch die Sammlung des Geistes, die
er als Correctiv gegen die durch alle Berufsarbeit ent-
stehende Trennung und Einseitigkeit bedarf, und über-
dies Erhebung des Gemüths zu allem Guten, Schönen
und Vortrefflichen, Beruhigung in allem Mißgeschick
des Lebens, und Begeisterung zu jedem schweren Un-
ternehmen, soll er in ihrem Umgang finden. Und das
wäre wenig, was eine Frau von Gemüth und Geist
zu leisten hätte? Wie viel wird nicht schon erfordert,
soll nur dies von ihr geleistet werden?

Will man die Wichtichkeit dieses Berufes der
Frauen noch auffallender erkennen, so darf man nur
die Unfähigkeit, jene Forderungen zu erfüllen, in ihren
Folgen betrachten. Es giebt kein nachtheiligeres Ver-
hältniß, als wenn die Frau den Mann nicht an Bil-
dung erreicht, ihm darinn nicht wenigstens nahe kömmt.
Es ist schon schlimm, daß sie dann dem Manne für

Anwendung der allgemeinen Grundſaͤtze ꝛc.
aufmerkſam machen, die ſchon in den haͤuslichen Ver-
haͤltniſſen ſelbſt ausgeſprochen ſind. Sind nicht die
Frauen die erſten Erzieherinnen und Bildnerinnen der
Kinder? Iſt ihnen nicht das wichtige Geſchaͤft anver-
traut, die Keime des Edeln und Hohen in den jun-
gen Herzen der Soͤhne wie der Toͤchter zu pflanzen
und zu pflegen? Einen ſolchen Beruf will man gemein
nennen? das ſoll des freien Weibes unwuͤrdig ſeyn?
Worinn koͤnnte doch der Frauen Talent und Geiſt ſich
glaͤnzender zeigen, als in der Bildung ihrer Kinder?
Sodann, wie viel kann nicht das Weib dem Manne
ſeyn? Erholung nicht nur und Erheiterung von ſeiner
Arbeit, ſondern auch die Sammlung des Geiſtes, die
er als Correctiv gegen die durch alle Berufsarbeit ent-
ſtehende Trennung und Einſeitigkeit bedarf, und uͤber-
dies Erhebung des Gemuͤths zu allem Guten, Schoͤnen
und Vortrefflichen, Beruhigung in allem Mißgeſchick
des Lebens, und Begeiſterung zu jedem ſchweren Un-
ternehmen, ſoll er in ihrem Umgang finden. Und das
waͤre wenig, was eine Frau von Gemuͤth und Geiſt
zu leiſten haͤtte? Wie viel wird nicht ſchon erfordert,
ſoll nur dies von ihr geleiſtet werden?

Will man die Wichtichkeit dieſes Berufes der
Frauen noch auffallender erkennen, ſo darf man nur
die Unfaͤhigkeit, jene Forderungen zu erfuͤllen, in ihren
Folgen betrachten. Es giebt kein nachtheiligeres Ver-
haͤltniß, als wenn die Frau den Mann nicht an Bil-
dung erreicht, ihm darinn nicht wenigſtens nahe koͤmmt.
Es iſt ſchon ſchlimm, daß ſie dann dem Manne fuͤr

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[347/0359] Anwendung der allgemeinen Grundſaͤtze ꝛc. aufmerkſam machen, die ſchon in den haͤuslichen Ver- haͤltniſſen ſelbſt ausgeſprochen ſind. Sind nicht die Frauen die erſten Erzieherinnen und Bildnerinnen der Kinder? Iſt ihnen nicht das wichtige Geſchaͤft anver- traut, die Keime des Edeln und Hohen in den jun- gen Herzen der Soͤhne wie der Toͤchter zu pflanzen und zu pflegen? Einen ſolchen Beruf will man gemein nennen? das ſoll des freien Weibes unwuͤrdig ſeyn? Worinn koͤnnte doch der Frauen Talent und Geiſt ſich glaͤnzender zeigen, als in der Bildung ihrer Kinder? Sodann, wie viel kann nicht das Weib dem Manne ſeyn? Erholung nicht nur und Erheiterung von ſeiner Arbeit, ſondern auch die Sammlung des Geiſtes, die er als Correctiv gegen die durch alle Berufsarbeit ent- ſtehende Trennung und Einſeitigkeit bedarf, und uͤber- dies Erhebung des Gemuͤths zu allem Guten, Schoͤnen und Vortrefflichen, Beruhigung in allem Mißgeſchick des Lebens, und Begeiſterung zu jedem ſchweren Un- ternehmen, ſoll er in ihrem Umgang finden. Und das waͤre wenig, was eine Frau von Gemuͤth und Geiſt zu leiſten haͤtte? Wie viel wird nicht ſchon erfordert, ſoll nur dies von ihr geleiſtet werden? Will man die Wichtichkeit dieſes Berufes der Frauen noch auffallender erkennen, ſo darf man nur die Unfaͤhigkeit, jene Forderungen zu erfuͤllen, in ihren Folgen betrachten. Es giebt kein nachtheiligeres Ver- haͤltniß, als wenn die Frau den Mann nicht an Bil- dung erreicht, ihm darinn nicht wenigſtens nahe koͤmmt. Es iſt ſchon ſchlimm, daß ſie dann dem Manne fuͤr

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Zitationshilfe: Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/359>, abgerufen am 05.12.2024.