Am allernothwendigsten aber ist es, das Mädchen früh mit der Ansicht, daß seine eigentliche Bestimmung in dem häuslichen Kreise sey, dadurch vertraut zu ma- chen, daß man es zur Häuslichkeit gewöhne. Das frühe Anhalten zu weiblichen Arbeiten kann zwar diese Forderung zum Theil erfüllen; aber allein ist es dazu nicht hinreichend. Das Wichtigere ist, daß man das stille Wirken unerlaßlich fordere. Das Prunken, und das Streben nach Oeffentlichkeit zerstört das Wesen der weiblichen Denkart, wie der eigentlichen Bestim- mung des Weibes. Wie soll unsern Töchtern doch die Stille des häuslichen Kreises erträglich bleiben, wenn wir selbst sie von der frühsten Jugend an in allen öffentlichen Zerstreuungen umtreiben? Aber nicht bloß dadurch allein verbilden wir sie für die Häuslichkeit; wir schaden dieser Tugend nicht viel weniger dadurch, daß wir sogar den Unterricht unsrer Tochter so öffent- lich machen, daß sie nichts lernen und nichts hervor- bringen sollen, was nicht zur Schau gestellt werde! Wie soll dem so verwöhnten Mädchen doch noch die stille häusliche Thätigkeit gefallen, die dem Publicum unbekannt bleibt? -- Es ist in der That nöthig, zu erinnern, daß auch darinn der Erziehungsunterricht der Mädchen anders zu behandeln sey, als der der Knaben. Bei dem Knaben, der mehr oder weniger zum öffentlichen Geschäft bestimmt ist, hat zwar auch jene Oeffentlichkeit, die man seinen unvollkommnen Anfangsversuchen giebt, ihren entschiednen Nachtheil; der Nachtheil aber, den derselbe Fehler bei den Mäd- chen hervorbringt, ist noch ungleich größer.
Anwendung der allgemeinen Grundſaͤtze ꝛc.
Am allernothwendigſten aber iſt es, das Maͤdchen fruͤh mit der Anſicht, daß ſeine eigentliche Beſtimmung in dem haͤuslichen Kreiſe ſey, dadurch vertraut zu ma- chen, daß man es zur Haͤuslichkeit gewoͤhne. Das fruͤhe Anhalten zu weiblichen Arbeiten kann zwar dieſe Forderung zum Theil erfuͤllen; aber allein iſt es dazu nicht hinreichend. Das Wichtigere iſt, daß man das ſtille Wirken unerlaßlich fordere. Das Prunken, und das Streben nach Oeffentlichkeit zerſtoͤrt das Weſen der weiblichen Denkart, wie der eigentlichen Beſtim- mung des Weibes. Wie ſoll unſern Toͤchtern doch die Stille des haͤuslichen Kreiſes ertraͤglich bleiben, wenn wir ſelbſt ſie von der fruͤhſten Jugend an in allen oͤffentlichen Zerſtreuungen umtreiben? Aber nicht bloß dadurch allein verbilden wir ſie fuͤr die Haͤuslichkeit; wir ſchaden dieſer Tugend nicht viel weniger dadurch, daß wir ſogar den Unterricht unſrer Tochter ſo oͤffent- lich machen, daß ſie nichts lernen und nichts hervor- bringen ſollen, was nicht zur Schau geſtellt werde! Wie ſoll dem ſo verwoͤhnten Maͤdchen doch noch die ſtille haͤusliche Thaͤtigkeit gefallen, die dem Publicum unbekannt bleibt? — Es iſt in der That noͤthig, zu erinnern, daß auch darinn der Erziehungsunterricht der Maͤdchen anders zu behandeln ſey, als der der Knaben. Bei dem Knaben, der mehr oder weniger zum oͤffentlichen Geſchaͤft beſtimmt iſt, hat zwar auch jene Oeffentlichkeit, die man ſeinen unvollkommnen Anfangsverſuchen giebt, ihren entſchiednen Nachtheil; der Nachtheil aber, den derſelbe Fehler bei den Maͤd- chen hervorbringt, iſt noch ungleich groͤßer.
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Anwendung der allgemeinen Grundſaͤtze ꝛc.
Am allernothwendigſten aber iſt es, das Maͤdchen
fruͤh mit der Anſicht, daß ſeine eigentliche Beſtimmung
in dem haͤuslichen Kreiſe ſey, dadurch vertraut zu ma-
chen, daß man es zur Haͤuslichkeit gewoͤhne. Das
fruͤhe Anhalten zu weiblichen Arbeiten kann zwar dieſe
Forderung zum Theil erfuͤllen; aber allein iſt es dazu
nicht hinreichend. Das Wichtigere iſt, daß man das
ſtille Wirken unerlaßlich fordere. Das Prunken, und
das Streben nach Oeffentlichkeit zerſtoͤrt das Weſen
der weiblichen Denkart, wie der eigentlichen Beſtim-
mung des Weibes. Wie ſoll unſern Toͤchtern doch die
Stille des haͤuslichen Kreiſes ertraͤglich bleiben, wenn
wir ſelbſt ſie von der fruͤhſten Jugend an in allen
oͤffentlichen Zerſtreuungen umtreiben? Aber nicht bloß
dadurch allein verbilden wir ſie fuͤr die Haͤuslichkeit;
wir ſchaden dieſer Tugend nicht viel weniger dadurch,
daß wir ſogar den Unterricht unſrer Tochter ſo oͤffent-
lich machen, daß ſie nichts lernen und nichts hervor-
bringen ſollen, was nicht zur Schau geſtellt werde!
Wie ſoll dem ſo verwoͤhnten Maͤdchen doch noch die
ſtille haͤusliche Thaͤtigkeit gefallen, die dem Publicum
unbekannt bleibt? — Es iſt in der That noͤthig, zu
erinnern, daß auch darinn der Erziehungsunterricht
der Maͤdchen anders zu behandeln ſey, als der der
Knaben. Bei dem Knaben, der mehr oder weniger
zum oͤffentlichen Geſchaͤft beſtimmt iſt, hat zwar auch
jene Oeffentlichkeit, die man ſeinen unvollkommnen
Anfangsverſuchen giebt, ihren entſchiednen Nachtheil;
der Nachtheil aber, den derſelbe Fehler bei den Maͤd-
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Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/357>, abgerufen am 05.12.2024.
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