Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.Historischer Gesichtspunkt d. Untersuchung. tiefer in der zur Herrschaft vorgedrungenen Denkartjenes Zeitalters liegende Gründe. Noch weit weniger aber läßt sich die positive Opposition des Philanthropi- nismus, welche den eigenthümlichen Charakter von des- sen Unterrichtstheorie ausmacht, die überwiegende Tendenz auf sogenannten Real-Unterricht, aus der bloßen Negation des Sprach-Unterrichts er- klären. Um die merkwürdige Erscheinung recht zu be- greifen, muß man die herrschende Denkart des Zeital- ters im Ganzen auffassen. Der große Impulsator seiner Zeit, mit welchem Hiſtoriſcher Geſichtspunkt d. Unterſuchung. tiefer in der zur Herrſchaft vorgedrungenen Denkartjenes Zeitalters liegende Gruͤnde. Noch weit weniger aber laͤßt ſich die poſitive Oppoſition des Philanthropi- nismus, welche den eigenthuͤmlichen Charakter von deſ- ſen Unterrichtstheorie ausmacht, die uͤberwiegende Tendenz auf ſogenannten Real-Unterricht, aus der bloßen Negation des Sprach-Unterrichts er- klaͤren. Um die merkwuͤrdige Erſcheinung recht zu be- greifen, muß man die herrſchende Denkart des Zeital- ters im Ganzen auffaſſen. Der große Impulſator ſeiner Zeit, mit welchem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0027" n="15"/><fw place="top" type="header">Hiſtoriſcher Geſichtspunkt d. Unterſuchung.</fw><lb/> tiefer in der zur Herrſchaft vorgedrungenen Denkart<lb/> jenes Zeitalters liegende Gruͤnde. Noch weit weniger<lb/> aber laͤßt ſich die poſitive Oppoſition des Philanthropi-<lb/> nismus, welche den eigenthuͤmlichen Charakter von deſ-<lb/> ſen Unterrichtstheorie ausmacht, <hi rendition="#g">die uͤberwiegende<lb/> Tendenz auf ſogenannten Real-Unterricht</hi>,<lb/> aus der bloßen Negation des Sprach-Unterrichts er-<lb/> klaͤren. Um die merkwuͤrdige Erſcheinung recht zu be-<lb/> greifen, muß man die herrſchende Denkart des Zeital-<lb/> ters im Ganzen auffaſſen.</p><lb/> <p>Der große Impulſator ſeiner Zeit, mit welchem<lb/> fuͤr Teutſchland eine neue Bildungs-Epoche uͤberhaupt<lb/> beginnt, und der auch die Umgeſtaltung der Erziehungs-<lb/> lehre unter uns begruͤndet hat, iſt Friedrich der Zweite.<lb/> In dem Reiche, das er durch ſeinen kraͤftigen Geiſt<lb/> erſchaffen hat, erhielt zuerſt die teutſche Cultur eine<lb/> vorherrſchende Richtung auf Induſtrie und Gewerbfleiß.<lb/> Die Forderung <hi rendition="#g">realer Nuͤtzlichkeit</hi> war jetzt an<lb/> der Tagesordnung; reale Nuͤtzlichkeit aber hieß nur<lb/><hi rendition="#g">Eintraͤglichkeit, materielle Production</hi>. Die<lb/> laute, von der Regierung ſelbſt ausgehende Anpreiſung<lb/> und auszeichnende Beguͤnſtigung des Landbaues, des<lb/> Fabrikenweſens, des Handels, der Induſtrie ꝛc. mußte<lb/> unausbleiblich auf uͤberwiegende Schaͤtzung mechani-<lb/> ſcher und techniſcher Geſchicklichkeit wirken. Allein, es<lb/> iſt nicht bloß mechaniſche Betriebſamkeit, Gewerb- und<lb/> Kunſtfleiß, Handel und jede Art von Induſtrie, die<lb/> man aus dem maͤchtig angeregten Umtriebe hervorgehen<lb/> ſieht: derſelbe Geiſt, dieſelbe Tendenz, dieſelbe Reg-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [15/0027]
Hiſtoriſcher Geſichtspunkt d. Unterſuchung.
tiefer in der zur Herrſchaft vorgedrungenen Denkart
jenes Zeitalters liegende Gruͤnde. Noch weit weniger
aber laͤßt ſich die poſitive Oppoſition des Philanthropi-
nismus, welche den eigenthuͤmlichen Charakter von deſ-
ſen Unterrichtstheorie ausmacht, die uͤberwiegende
Tendenz auf ſogenannten Real-Unterricht,
aus der bloßen Negation des Sprach-Unterrichts er-
klaͤren. Um die merkwuͤrdige Erſcheinung recht zu be-
greifen, muß man die herrſchende Denkart des Zeital-
ters im Ganzen auffaſſen.
Der große Impulſator ſeiner Zeit, mit welchem
fuͤr Teutſchland eine neue Bildungs-Epoche uͤberhaupt
beginnt, und der auch die Umgeſtaltung der Erziehungs-
lehre unter uns begruͤndet hat, iſt Friedrich der Zweite.
In dem Reiche, das er durch ſeinen kraͤftigen Geiſt
erſchaffen hat, erhielt zuerſt die teutſche Cultur eine
vorherrſchende Richtung auf Induſtrie und Gewerbfleiß.
Die Forderung realer Nuͤtzlichkeit war jetzt an
der Tagesordnung; reale Nuͤtzlichkeit aber hieß nur
Eintraͤglichkeit, materielle Production. Die
laute, von der Regierung ſelbſt ausgehende Anpreiſung
und auszeichnende Beguͤnſtigung des Landbaues, des
Fabrikenweſens, des Handels, der Induſtrie ꝛc. mußte
unausbleiblich auf uͤberwiegende Schaͤtzung mechani-
ſcher und techniſcher Geſchicklichkeit wirken. Allein, es
iſt nicht bloß mechaniſche Betriebſamkeit, Gewerb- und
Kunſtfleiß, Handel und jede Art von Induſtrie, die
man aus dem maͤchtig angeregten Umtriebe hervorgehen
ſieht: derſelbe Geiſt, dieſelbe Tendenz, dieſelbe Reg-
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