und unläugbare Erfahrung, daß dem Kinde gerade das die meiste Freude macht, was es mit Mühe errun- gen hat. Die Mühe, wenn sie nur gelingt, hat ihren Lohn in sich selbst: das Kind fühlt sich in dem, was es geleistet hat, und schöpft aus dem Gelungnen selbst den Muth zu neuem Unternehmen.
Ich muß hier noch eine andre Bemerkung machen, die damit in Verbindung steht. Die dem Kinde alles zur Lust machen wollen, wählen auch das höchst ver- werfliche Mittel, das Kind für alles zu bezahlen. "Daß du verdammt seyest mit deinem Gelde," möchte man ei- fernd mit dem Apostel ausrufen! Soll denn alles in der Welt nur um des Geldes willen geschehen? und was für ein anderes Interesse will man denn von Menschen in der Folge fordern, denen man schon als Kindern dies als das einzige Motiv einprägt, in denen man dadurch selbst alles bessere und wahre Interesse tödtet? Will man denn recht mit Gewalt den schönen Sinn vernich- ten, der die Arbeit um der Arbeit willen thut, und sich belohnt findet, wenn sie gelungen ist? Und, wenn man diesen Lohn nicht belebend genug für das Kind hält (obgleich eine richtige Beobachtung das Gegentheil sicher entdecken wird), wenn man eine äußere Beloh- nung nöthig glaubt: soll denn des Lehrers und der Aeltern Beifall ganz und gar nichts gelten, -- er, dessen Gewicht alles Gold der Welt für ein nicht ver- bildetes Kind aufwiegen muß?
Noch weit verkehrter aber wird jene Ansicht, wenn man die Natur des Menschen selbst genauer auffaßt.
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Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.
und unlaͤugbare Erfahrung, daß dem Kinde gerade das die meiſte Freude macht, was es mit Muͤhe errun- gen hat. Die Muͤhe, wenn ſie nur gelingt, hat ihren Lohn in ſich ſelbſt: das Kind fuͤhlt ſich in dem, was es geleiſtet hat, und ſchoͤpft aus dem Gelungnen ſelbſt den Muth zu neuem Unternehmen.
Ich muß hier noch eine andre Bemerkung machen, die damit in Verbindung ſteht. Die dem Kinde alles zur Luſt machen wollen, waͤhlen auch das hoͤchſt ver- werfliche Mittel, das Kind fuͤr alles zu bezahlen. „Daß du verdammt ſeyeſt mit deinem Gelde,“ moͤchte man ei- fernd mit dem Apoſtel ausrufen! Soll denn alles in der Welt nur um des Geldes willen geſchehen? und was fuͤr ein anderes Intereſſe will man denn von Menſchen in der Folge fordern, denen man ſchon als Kindern dies als das einzige Motiv einpraͤgt, in denen man dadurch ſelbſt alles beſſere und wahre Intereſſe toͤdtet? Will man denn recht mit Gewalt den ſchoͤnen Sinn vernich- ten, der die Arbeit um der Arbeit willen thut, und ſich belohnt findet, wenn ſie gelungen iſt? Und, wenn man dieſen Lohn nicht belebend genug fuͤr das Kind haͤlt (obgleich eine richtige Beobachtung das Gegentheil ſicher entdecken wird), wenn man eine aͤußere Beloh- nung noͤthig glaubt: ſoll denn des Lehrers und der Aeltern Beifall ganz und gar nichts gelten, — er, deſſen Gewicht alles Gold der Welt fuͤr ein nicht ver- bildetes Kind aufwiegen muß?
Noch weit verkehrter aber wird jene Anſicht, wenn man die Natur des Menſchen ſelbſt genauer auffaßt.
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Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.
und unlaͤugbare Erfahrung, daß dem Kinde gerade
das die meiſte Freude macht, was es mit Muͤhe errun-
gen hat. Die Muͤhe, wenn ſie nur gelingt, hat ihren
Lohn in ſich ſelbſt: das Kind fuͤhlt ſich in dem, was
es geleiſtet hat, und ſchoͤpft aus dem Gelungnen ſelbſt
den Muth zu neuem Unternehmen.
Ich muß hier noch eine andre Bemerkung machen,
die damit in Verbindung ſteht. Die dem Kinde alles
zur Luſt machen wollen, waͤhlen auch das hoͤchſt ver-
werfliche Mittel, das Kind fuͤr alles zu bezahlen. „Daß
du verdammt ſeyeſt mit deinem Gelde,“ moͤchte man ei-
fernd mit dem Apoſtel ausrufen! Soll denn alles in der
Welt nur um des Geldes willen geſchehen? und was
fuͤr ein anderes Intereſſe will man denn von Menſchen
in der Folge fordern, denen man ſchon als Kindern dies
als das einzige Motiv einpraͤgt, in denen man dadurch
ſelbſt alles beſſere und wahre Intereſſe toͤdtet? Will
man denn recht mit Gewalt den ſchoͤnen Sinn vernich-
ten, der die Arbeit um der Arbeit willen thut, und
ſich belohnt findet, wenn ſie gelungen iſt? Und, wenn
man dieſen Lohn nicht belebend genug fuͤr das Kind
haͤlt (obgleich eine richtige Beobachtung das Gegentheil
ſicher entdecken wird), wenn man eine aͤußere Beloh-
nung noͤthig glaubt: ſoll denn des Lehrers und der
Aeltern Beifall ganz und gar nichts gelten, — er,
deſſen Gewicht alles Gold der Welt fuͤr ein nicht ver-
bildetes Kind aufwiegen muß?
Noch weit verkehrter aber wird jene Anſicht, wenn
man die Natur des Menſchen ſelbſt genauer auffaßt.
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Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/255>, abgerufen am 16.02.2025.
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