Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.Dritter Abschnitt. Natur, als auch in feinerem besonders mechanischemZergliedern einzelner Objecte und hauptsächlich in kunstmäßigerem Experimentiren, die ältere Zeit allerdings übertroffen habe. Insofern können wir also die letztere, als Lehrmeisterin, entbehren. Doch hat selbst in dieser Hinsicht die ältere Zeit einen Vor- zug vor der neueren, den kein Verständiger läug- nen und am allerwenigsten gegen die Vorzüge unsrer Sachkenntnisse verachten wird: den Vorzug der rei- nen Beobachtung, des ruhigen Naturblickes, der die Erscheinungen scharf faßt und durchdringt; -- wie denn z. B. die Beobachtungen eines Hippokrates, nach dem einstimmigen Zeugnisse aller Aerzte und Naturfor- scher, ein bis auf den heutigen Tag unerreichtes Mu- ster sind. Selbst in Hinsicht auf die Sachgegenstände Dritter Abſchnitt. Natur, als auch in feinerem beſonders mechaniſchemZergliedern einzelner Objecte und hauptſaͤchlich in kunſtmaͤßigerem Experimentiren, die aͤltere Zeit allerdings uͤbertroffen habe. Inſofern koͤnnen wir alſo die letztere, als Lehrmeiſterin, entbehren. Doch hat ſelbſt in dieſer Hinſicht die aͤltere Zeit einen Vor- zug vor der neueren, den kein Verſtaͤndiger laͤug- nen und am allerwenigſten gegen die Vorzuͤge unſrer Sachkenntniſſe verachten wird: den Vorzug der rei- nen Beobachtung, des ruhigen Naturblickes, der die Erſcheinungen ſcharf faßt und durchdringt; — wie denn z. B. die Beobachtungen eines Hippokrates, nach dem einſtimmigen Zeugniſſe aller Aerzte und Naturfor- ſcher, ein bis auf den heutigen Tag unerreichtes Mu- ſter ſind. Selbſt in Hinſicht auf die Sachgegenſtaͤnde <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0244" n="232"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Dritter Abſchnitt</hi>.</fw><lb/> Natur, als auch in feinerem beſonders mechaniſchem<lb/> Zergliedern einzelner Objecte und hauptſaͤchlich in<lb/> kunſtmaͤßigerem Experimentiren, die <hi rendition="#g">aͤltere Zeit</hi><lb/> allerdings uͤbertroffen habe. Inſofern koͤnnen wir alſo<lb/> die letztere, als Lehrmeiſterin, entbehren. Doch hat<lb/> ſelbſt in dieſer Hinſicht <hi rendition="#g">die aͤltere Zeit</hi> einen Vor-<lb/> zug vor der <hi rendition="#g">neueren</hi>, den kein Verſtaͤndiger laͤug-<lb/> nen und am allerwenigſten gegen die Vorzuͤge unſrer<lb/> Sachkenntniſſe verachten wird: den Vorzug der <hi rendition="#g">rei-<lb/> nen Beobachtung</hi>, des ruhigen Naturblickes, der<lb/> die Erſcheinungen ſcharf faßt und durchdringt; — wie<lb/> denn z. B. die Beobachtungen eines Hippokrates, nach<lb/> dem einſtimmigen Zeugniſſe aller Aerzte und Naturfor-<lb/> ſcher, ein bis auf den heutigen Tag unerreichtes Mu-<lb/> ſter ſind.</p><lb/> <p>Selbſt in Hinſicht auf die <hi rendition="#g">Sachgegenſtaͤnde</hi><lb/> alſo iſt es eine ungegruͤndete Behauptung, daß wir<lb/> das <hi rendition="#g">claſſiſche Alterthum</hi> ganz entbehren koͤnnen.<lb/> Vielmehr auch in dieſer Ruͤckſicht bleibt das Studium<lb/> des Alterthums ein hoͤchſt dringendes Beduͤrfniß unſrer<lb/> Zeit. Man kann von unſerer Naturforſchung ſagen:<lb/> daß ſie den Kampf der Elemente aufgeregt habe; —<lb/> und dieſer glaͤnzende Vorzug unſrer Zeit laͤßt ſich viel-<lb/> leicht nicht bezeichnender und ruhmvoller zugleich aus-<lb/> druͤcken! — Aber ſie iſt ſelbſt nun im Kampfe mit den<lb/> Elementen begriffen, und greift noch ohne ſicheren<lb/> Richtpunkt da und dort mit ihrem Ruͤſtzeug zwar kraͤf-<lb/> tig und ruͤſtig ein, aber ohne recht zu wiſſen, wo<lb/> es hinaus will. In dieſem Zuſtand einer allgemeinen<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [232/0244]
Dritter Abſchnitt.
Natur, als auch in feinerem beſonders mechaniſchem
Zergliedern einzelner Objecte und hauptſaͤchlich in
kunſtmaͤßigerem Experimentiren, die aͤltere Zeit
allerdings uͤbertroffen habe. Inſofern koͤnnen wir alſo
die letztere, als Lehrmeiſterin, entbehren. Doch hat
ſelbſt in dieſer Hinſicht die aͤltere Zeit einen Vor-
zug vor der neueren, den kein Verſtaͤndiger laͤug-
nen und am allerwenigſten gegen die Vorzuͤge unſrer
Sachkenntniſſe verachten wird: den Vorzug der rei-
nen Beobachtung, des ruhigen Naturblickes, der
die Erſcheinungen ſcharf faßt und durchdringt; — wie
denn z. B. die Beobachtungen eines Hippokrates, nach
dem einſtimmigen Zeugniſſe aller Aerzte und Naturfor-
ſcher, ein bis auf den heutigen Tag unerreichtes Mu-
ſter ſind.
Selbſt in Hinſicht auf die Sachgegenſtaͤnde
alſo iſt es eine ungegruͤndete Behauptung, daß wir
das claſſiſche Alterthum ganz entbehren koͤnnen.
Vielmehr auch in dieſer Ruͤckſicht bleibt das Studium
des Alterthums ein hoͤchſt dringendes Beduͤrfniß unſrer
Zeit. Man kann von unſerer Naturforſchung ſagen:
daß ſie den Kampf der Elemente aufgeregt habe; —
und dieſer glaͤnzende Vorzug unſrer Zeit laͤßt ſich viel-
leicht nicht bezeichnender und ruhmvoller zugleich aus-
druͤcken! — Aber ſie iſt ſelbſt nun im Kampfe mit den
Elementen begriffen, und greift noch ohne ſicheren
Richtpunkt da und dort mit ihrem Ruͤſtzeug zwar kraͤf-
tig und ruͤſtig ein, aber ohne recht zu wiſſen, wo
es hinaus will. In dieſem Zuſtand einer allgemeinen
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