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Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.

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Dritter Abschnitt.
die Laune im Ernst und der Ernst in der Laune, die
ungestörte Harmonie des Innhalts und der Darstellung,
die Gleichförmigkeit, Sicherheit, Einheit und Einfach-
heit, die den Schriften der Alten das Gepräge hoher
Vollendung giebt? Sollten wir denn nun an dem
weniger Vollendeten uns üben? Sollten wir uns mit
unserm Studium auf die Copieen beschränken, da wir
die Originale vor uns haben, nach denen unsre Mei-
ster selbst sich erst gebildet haben? Es ist aber um so
wichtiger, sich bei diesem Studium an die vollen-
detsten Muster zu halten, da es dabei nicht sowohl
darauf ankömmt, grammatische, rhetorische und poe-
tische Regeln zu abstrahiren, nach denen man seine
eignen Darstellungen modle, als vielmehr darauf, sich
von Gehalt und Form der Meisterwerke unmittelbar
begeistern zu lassen.

Sodann aber, selbst was das grammatische Stu-
dium der Sprache betrifft, so ist die Grammatik zwar
im Ganzen in allen Sprachen dieselbe und insofern
wenig Unterschied, an welcher bestimmten Sprache sie
gelernt werde. Doch ist jede lebende, sich sonach noch
weiter bildende, Sprache zu jenem Zwecke schon we-
niger geschickt, weil sie noch immer zu viel Unent-
schiednes darbietet, das zwar die Regel selbst nicht
zweifelhaft machen kann, aber doch das Auffassen der-
selben, da sie nicht gleichförmig anzuwenden und so-
gar die Zahl der Ausnahmen noch nicht einmal zu be-
stimmen ist, sehr erschwert. Noch mehrere Schwie-
rigkeiten aber hat, nach bekannten Erfahrungen, das

Dritter Abſchnitt.
die Laune im Ernſt und der Ernſt in der Laune, die
ungeſtoͤrte Harmonie des Innhalts und der Darſtellung,
die Gleichfoͤrmigkeit, Sicherheit, Einheit und Einfach-
heit, die den Schriften der Alten das Gepraͤge hoher
Vollendung giebt? Sollten wir denn nun an dem
weniger Vollendeten uns uͤben? Sollten wir uns mit
unſerm Studium auf die Copieen beſchraͤnken, da wir
die Originale vor uns haben, nach denen unſre Mei-
ſter ſelbſt ſich erſt gebildet haben? Es iſt aber um ſo
wichtiger, ſich bei dieſem Studium an die vollen-
detſten Muſter zu halten, da es dabei nicht ſowohl
darauf ankoͤmmt, grammatiſche, rhetoriſche und poe-
tiſche Regeln zu abſtrahiren, nach denen man ſeine
eignen Darſtellungen modle, als vielmehr darauf, ſich
von Gehalt und Form der Meiſterwerke unmittelbar
begeiſtern zu laſſen.

Sodann aber, ſelbſt was das grammatiſche Stu-
dium der Sprache betrifft, ſo iſt die Grammatik zwar
im Ganzen in allen Sprachen dieſelbe und inſofern
wenig Unterſchied, an welcher beſtimmten Sprache ſie
gelernt werde. Doch iſt jede lebende, ſich ſonach noch
weiter bildende, Sprache zu jenem Zwecke ſchon we-
niger geſchickt, weil ſie noch immer zu viel Unent-
ſchiednes darbietet, das zwar die Regel ſelbſt nicht
zweifelhaft machen kann, aber doch das Auffaſſen der-
ſelben, da ſie nicht gleichfoͤrmig anzuwenden und ſo-
gar die Zahl der Ausnahmen noch nicht einmal zu be-
ſtimmen iſt, ſehr erſchwert. Noch mehrere Schwie-
rigkeiten aber hat, nach bekannten Erfahrungen, das

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[226/0238] Dritter Abſchnitt. die Laune im Ernſt und der Ernſt in der Laune, die ungeſtoͤrte Harmonie des Innhalts und der Darſtellung, die Gleichfoͤrmigkeit, Sicherheit, Einheit und Einfach- heit, die den Schriften der Alten das Gepraͤge hoher Vollendung giebt? Sollten wir denn nun an dem weniger Vollendeten uns uͤben? Sollten wir uns mit unſerm Studium auf die Copieen beſchraͤnken, da wir die Originale vor uns haben, nach denen unſre Mei- ſter ſelbſt ſich erſt gebildet haben? Es iſt aber um ſo wichtiger, ſich bei dieſem Studium an die vollen- detſten Muſter zu halten, da es dabei nicht ſowohl darauf ankoͤmmt, grammatiſche, rhetoriſche und poe- tiſche Regeln zu abſtrahiren, nach denen man ſeine eignen Darſtellungen modle, als vielmehr darauf, ſich von Gehalt und Form der Meiſterwerke unmittelbar begeiſtern zu laſſen. Sodann aber, ſelbſt was das grammatiſche Stu- dium der Sprache betrifft, ſo iſt die Grammatik zwar im Ganzen in allen Sprachen dieſelbe und inſofern wenig Unterſchied, an welcher beſtimmten Sprache ſie gelernt werde. Doch iſt jede lebende, ſich ſonach noch weiter bildende, Sprache zu jenem Zwecke ſchon we- niger geſchickt, weil ſie noch immer zu viel Unent- ſchiednes darbietet, das zwar die Regel ſelbſt nicht zweifelhaft machen kann, aber doch das Auffaſſen der- ſelben, da ſie nicht gleichfoͤrmig anzuwenden und ſo- gar die Zahl der Ausnahmen noch nicht einmal zu be- ſtimmen iſt, ſehr erſchwert. Noch mehrere Schwie- rigkeiten aber hat, nach bekannten Erfahrungen, das

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Zitationshilfe: Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/238>, abgerufen am 27.11.2024.